Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Schwere Körperverletzung

Bei besonders großen oder markanten Narben oder auch einer Vielzahl von Narben in derselben Körperregion kann eine in erheblicher Weise dauernde Entstellung vorliegen.

In seiner Entscheidung vom 20. April 2011 (2 StR 29/11) beschäftigte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, ob eine verletzte Person durch Operationsnarben im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB in erheblicher Weise dauernd entstellt wird. Eine dauernde Entstellung in erheblicher Weise ist eine Verunstaltung der Gesamterscheinung des Verletzten, die dem Gewicht der geringsten Fälle nach § 226 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB gleichkommt. In dem vorliegenden Fall hatte der Angeklagte den Betroffenen mit einem Springmesser zweimal in den linken Arm und siebenmal auf der linken Seite in den Oberarm gestochen. Der Zeuge musste daraufhin intensivmedizinisch behandelt werden, wodurch eine Vielzahl markant bleibender Narben und überdauernde große Narben im Oberkörperbereich entstande. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs können grundsätzlich auch besonders große oder markante Narben oder eine Vielzahl von Narben in derselben Körperregion das Merkmal der in erheblicher Weise dauernden Entstellung im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklichen. Ob die Qualifikation der Tat auf das äußere Verletzungsbild des Betroffenen mitsamt den Operationsnarben tatsächlich zutrifft, sei stets im Einzelfall nachzuprüfen.

Anwalt für Strafrecht: Schwere Körperverletzung

Eine geistige Krankheit von längerer Dauer im Sinne einer schweren Körperverletzung liegt insbesondere dann nicht nahe, wenn zumindest die teilweise Wiederherstellung des geistigen Ausgangszustands des Betroffenen konkret wahrscheinlich ist. 

In seinem Urteil vom 23. Oktober 2019 (5 StR 677/18) stellte sich dem Bundesgerichtshof die Frage, unter welchen Umständen eine geistige Krankheit im Sinne einer schweren Körperverletzung von längerer Dauer ist. Wegen schwerer Körperverletzung macht sich ein Beschuldigter strafbar, dessen Verletzung des Betroffenen zur Folge hat, dass dieser einer geistigen Krankheit verfällt. Die durch die Körperverletzung verursachte schwere Krankheit muss von längerer Dauer sein. Der Beschuldigte in dem, dem Urteil des BGHs zugrunde liegenden Sachverhalt, schlug den Betroffenen zu Boden und trat ihm im Anschluss „von oben stampfend auf den Hinterkopf“. In Folge dessen erlitt der Betroffene ein schweres hirnorganisches Psychosyndrom. Der Beschuldigte leidet unter anderem unter Orientierungsstörungen, einer Störung der Aufmerksamkeit, Konzentrations- und Merkfähigkeit, einer Sprachverarbeitungsstörung und einem auffälligen, etwas schwankenden Gangbild. Die Genesung des Betroffenen zeigt jedoch Fortschritte. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs machte sich der Beschuldigte nicht wegen schwerer Körperverletzung strafbar. „Längere Dauer“ ist nicht mit Unheilbarkeit gleichzusetzen. Es genügt, wenn die Behebung bzw. nachhaltige Verbesserung des - länger währenden - Krankheitszustands nicht abgesehen werden kann. Es kommt dem Beschuldigten jedoch zugute, dass zumindest die teilweise Wiederherstellung des geistigen Ausgangszustands des Betroffenen konkret wahrscheinlich ist.

Anwalt für Strafrecht: Schwere Körperverletzung durch Unbrauchbarmachen eines Körperglieds

Wird das Körperglied eines Betroffenen durch eine Körperverletzung beeinträchtigt, so ist es nur unter strengen Voraussetzungen als dauerhaft nicht mehr zu gebrauchen, im Sinne einer schweren Körperverletzung, zu betrachten. Eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung des Körperglieds genügt hierfür nicht.

Der Beschuldigte macht sich einer schweren Körperverletzung strafbar, wenn der Betroffene wegen der Handlung des Beschuldigten ein wichtiges Glied auf Dauer nicht mehr gebrauchen kann. Auf Dauer nicht mehr zu gebrauchen ist ein Körperglied, wenn es weitgehend unbrauchbar geworden ist und von daher die wesentlichen tatsächlichen Wirkungen denen eines physischen Verlustes des Körpergliedes entsprechen. Der Bundesgerichtshof befasste sich in seinem Beschluss vom 15. Januar 2014 (4 StR 509/13) damit, in welchem Grad ein Körperglied beeinträchtigt sein muss, um als nicht mehr zu gebrauchen angesehen zu werden. In dem, dem Beschluss zugrunde liegenden Sachverhalt schoss der Beschuldigte den Betroffenen aus nächster Nähe ins rechte Knie. Durch den Schuss wurde das rechte Knie des Betroffenen dauerhaft geschädigt. Es besteht ein Muskeldefizit, eine Beugehemmung und Instabilität beim aufrechten Stehen. Wegen der Verletzung wird dem Betroffene nicht mehr dauerhafte und schwere, sondern nur noch sitzende Tätigkeit möglich sein. Nach Aussage des Bundesgerichtshofs ist das Knie des Betroffenen nicht, als auf Dauer nicht mehr zu gebrauchen zu betrachten. Der Zustand seines Knies stellt eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung für den Betroffenen dar. Diese erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung ist jedoch kein Funktionsverlust, welcher mit dem physischen Verlust des Körpergliedes gleichzustellen wäre. Der Tatbestand der schweren Körperverletzung ist nicht erfüllt.