Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Verbotene Kraftfahrzeugrennen

Die Absicht des Täters, nach seinen Vorstellungen auf einer nicht ganz unerheblichen Wegstrecke, die nach den situativen  Gegebenheiten maximal mögliche Geschwindigkeit zu erreichen, muss nicht Endziel oder Hauptbeweggrund des Handelns sein; es reicht vielmehr aus, dass der Täter das Erreichen der situativen Grenzgeschwindigkeit als aus seiner Sicht notwendiges Zwischenziel anstrebt, um ein weiteres Handlungsziel zu erreichen.

In seinem Beschluss vom 17. Februar 2021 hat sich der Bundesgerichtshof (4 StR 225/20) erstmalig mit den sogenannten „Alleinraser“-Fällen befasst. Im hiesigen Fall gab der Angeklagte unter bewusster Missachtung der innerorts geltenden Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h Vollgas, um mit der maximal zu erreichenden Geschwindigkeit die Straße entlang zu fahren. Dabei waren dem Angeklagten andere Verkehrsteilnehmer, dessen Gefährdung er erkannte und zumindest billigend in Kauf nahm, völlig gleichgültig. Der Angeklagte drückte trotz der für ihn unübersichtlichen Rechtskurve das Gaspedal des Fahrzeugs weiterhin durch und erreichte eine Geschwindigkeit von mindestens 163 km/h. Infolge eines entgegenkommenden, abbiegenden Fahrzeugs entschloss sich der Angeklagte unter Aufrechterhaltung einer gerade erst wirksam gewordenen Bremsung dazu, auf die Gegenfahrspur auszuweichen. Da der Angeklagte das Fahrzeug nicht hinreichend kontrollieren konnte, fuhr das Fahrzeug auf einer sich anschließenden Parkplatzausfahrt mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von mindestens 90 km/h frontal in die Beifahrerseite eines Pkw. Aufgrund der Kollision erlitten der Fahrer des Pkw und seine auf dem Beifahrersitz sitzende Lebensgefährtin jeweils schwerste Verletzungen, die noch an der Unfallstelle zum Tod der beiden führten. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs. Nach einer Begehungsalternative des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB macht sich strafbar, wer sich im Straßenverkehr als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit, grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Hierbei ist die objektive Tathandlung das Sich-Fortbewegen als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit, womit jede der konkreten Verkehrssituation nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht mehr entsprechende Geschwindigkeit gemeint ist. Die Merkmale des grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Verhaltens des Täters beziehen sich auf die objektive Tathandlung, mithin auf das Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit. Für die Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist daher, dass sich gerade die Fortbewegung des Täters mit nicht angepasster Geschwindigkeit grob verkehrswidrig und rücksichtslos darstellt. Dabei kann sich die grobe Verkehrswidrigkeit allein aus der besonderen Massivität des Geschwindigkeitsverstoßes oder aus begleitenden anderweitigen Verkehrsverstößen ergeben, die in einem inneren Zusammenhang mit der nicht angepassten Geschwindigkeit stehen.

Anwalt für Strafrecht: Erteilung eines Fahrverbots

Wer innerhalb eines Zeitraums von unter drei Jahren mehrere einfache Verkehrsverstöße begeht, kann mit einem einmonatigen Fahrverbot belegt werden.

Nach einem aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 17.09.2015 - 1 RBs 138/15 kann nicht nur bei Verkehrsstraftaten, sondern auch bei einfachen Ordnungswidrigkeiten ein Fahrverbot erteilt werden. Dies gilt allerdings nur, wenn mehrere einfache Ordnungswidrigkeiten innerhalb eines kürzeren Zeitraums begangen werden und sich dadurch die mangelnde rechtstreue Gesinnung des Betroffenen zeigt. Wann dies der Fall ist, soll von den Gerichten anhand der Anzahl der Vorverstöße, ihrem zeitlichen Abstand und ihrem Schweregrad beurteilt werden.
Das OLG Hamm hat damit die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen zurückgewiesen, dem ein einmonatiges Fahrverbot erteilt wurde. Er hatte drei Handyverstöße begangen und zweimal die zulässige Höchstgeschwindigkeit mit jeweils 22 km/h überschritten. Das Fahrverbot führt dazu, dass für die angeordnete Zeit ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr nicht geführt werden darf. Im Gegensatz zur Entziehung der Fahrerlaubnis bleibt bei einem Fahrverbot die Fahrerlaubnis selbst aber bestehen. Der Führerschein muss in dieser Zeit jedoch abgegeben werden.

Anwalt für Strafrecht: gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

Wer auf ein Polizeiauto zufährt, um dieses zurückzudrängen und dadurch seine Flucht zu ermöglichen, macht sich nicht zwingend wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar.

In seinem Beschluss vom 30.06.2015 - 4 StR 188/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut deutlich gemacht, dass für eine Verurteilung wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr genaue Feststellungen zu einer konkreten Gefährdung des Straßenverkehr getroffen werden müssen. Denn nach § 315b StGB muss es bei einem Eingriff in den Straßenverkehr zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer Sache von bedeutendem Wert kommen. Bei diesem sogenannten "Beinahe-Unfall" muss eine Situation verursacht werden, in der die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt wird, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob das Rechtsgut verletzt wird oder nicht. Diese Situation konnte das Landgericht Traunstein im zu verhandelnden Fall jedoch nicht hinreichend belegen, sodass die Verurteilung des Angeklagten wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr vom BGH aufgehoben werden musste.
Der Angeklagte war mit ca. 100 bis 120 km/h ungebremst auf eine Polizeistreife zugefahren, um die Beamten zur Freigabe der Fahrspur zu zwingen und so seine Flucht zu ermöglichen. Als der Angeklagte weniger als 50 Meter von ihnen entfernt war, setzten die Beamten das Polizeiauto zurück, da selbst bei einer Vollbremsung eine Kollision nicht mehr zu verhindern gewesen wäre. Nach Ansicht des BGH belegen diese Feststellungen allein die konkrete Gefährdung der Beamten jedoch nicht.

Anwalt für Strafrecht: Strafaussetzung zur Bewährung

Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten kann auch bei einem nicht vorbestraften Täter, der die Tat bereut und einsieht, nicht zur Bewährung ausgesetzt, sondern vollstreckt werden.

In seinem ''Beschluss vom 26.08.2014 - 3 RVs 55/14'' bestätigte das OLG Hamm die Verurteilung eines Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Obwohl die Strafe unter zwei Jahren liegt, wurde sie nicht zur Bewährung ausgesetzt. Dies sei nach Ansicht des Gerichts zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten.
Der Angeklagte hatte im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit eine Kollision mit einem Radfahrer verursacht, bei der der Radfahrer ums Leben kam. Der Radfahrer war verheiratet und hatte drei Kinder. Obwohl der Angeklagte sozial integriert ist, die Tat bereut und gestanden hat und vorher weder verkehrs- noch strafrechtlich aufgefallen war, setzte das Gericht die Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung aus. Dies sei insbesondere im Hinblick auf die herausragend schweren Folgen für den Getöteten und seine nahen Angehörigen, die das Maß der absoluten Fahruntüchtigkeit weit übersteigende Alkoholisierung des Angeklagten, sowie die festgestellte aggressive Fahrweise in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat trotz der zahlreichen mildernden Umstände gerechtfertigt.

Anwalt für Strafrecht: Straßenverkehrsrecht / Geschwindigkeitsverstoß

Befährt ein Kraftfahrer die Autobahn mit über 25 % der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, so liegt darin keine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung, bei der automatisch von einer vorsätzlichen Begehungsweise ausgegangen werden kann.

Mit seinem Beschluss vom 28.10.2013 - 322 SsRs 280/13 hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle entschieden, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 25 % über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht zwingend impliziert, dass der Betroffene Kenntnis von dieser hat und somit vorsätzliches Handeln vorliegt.

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen zuvor wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 26 km/h zu einer Geldbuße von 160,00 ? verurteilt und dabei von der Geschwindigkeitsüberschreitung auf den Vorsatz des Betroffenen geschlossen. Dazu stellte es den Erfahrungssatz auf, dass der Betroffene bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 25 % anhand der Fahrgeräusche und der Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung verändere, ohne Weiteres zuverlässig schätzen und erkennen könne, dass er die erlaubte Geschwindigkeit wesentlich überschreite.

Dem trat das OLG entgegen und zeigte auf, dass die Rechtsprechung bei Überschreitungen von ca. 40 % eine vorsätzliche Begehungsweise annimmt. Bei niedrigen Überschreitungen würden hingegen weitere Indizien herangezogen werden müssen, um eine vorsätzliche Begehungsweise rechtfertigen zu können. Als Beispiel führte das Gericht das Vorliegen mehrerer Geschwindigkeitsüberschreitungen in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang an.

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Bedienungsanleitung Geschwindigkeitsmessgeräte

Befindet sich die Bedienungsanleitung eines in Verwendung geratenen standarisierten Messverfahrens nicht bei der Gerichtsakte, ist das Tatgericht grundsätzlich nicht verpflichtet derartige Unterlagen vom Hersteller oder der Polizei auf Antrag der Verteidigung beizuziehen.

Befindet sich die Bedienungsanleitung eines in Verwendung geraten standarisierten Messverfahrens bei der Gerichtsakte hat das Tatgericht auf entsprechendes Akteneinsichtsgesuchs diese dem Verteidiger zur Verfügung zu stellen. Gleiches gilt für die Unterlagen, die das Tatgericht dem von ihm beauftragten Sachverständigen für sein Gutachten zur Verfügung stellt, was sich bereits daraus ergibt, dass diese Unterlagen Teil der Gerichtsakte sind und damit von dem umfassenden Akteneinsichtsrecht
(§§ 46 Abs.1 OWiG, 147 StPO) erfasst sind.

Anders verhält es sich hingegen, wenn die Bedienungsanleitung des standarisierten Messverfahrens nicht bei der Gerichtsakte ist. In diesem Fall ist das Tatgericht grundsätzlich nicht verpflichtet, derartige Unterlagen vom Hersteller oder der Polizei auf Antrag der Verteidigung beizuziehen. Lehnt das Tatgericht wie hier einen derartigen pauschalen Antrag auf Beiziehung ab, begründet dies in der Regel weder einen Verstoß nach § 338 Nr. 8 StPO, noch einen nach § 244 StPO.

Hält der Tatrichter eine Einsicht in die Bedienungsanleitung des Messgeräts für seine Überzeugungsbildung für notwendig und macht damit seine Überzeugungsbildung von der Kenntnis des Inhalts dieser Anleitungen abhängig, dann muss er diese ordnungsgemäß als Beweismittel ins Verfahren einbringen, damit er sie in seiner Beweiswürdigung verwenden kann. Hält der Tatrichter hingegen die Kenntnisnahme oder Einsicht in die Bedienungsanleitung für seine Überzeugungsbildung nicht für notwendig, weil in aller Regel das Beweismittel für den ordnungsgemäßen Aufbau des konkreten Messgeräts der Messbeamte ist der die angegriffene Messung vorgenommen hat und das Tatgericht seine Überzeugungsbildung alleine auf dessen Zeugenaussage stützt, muss er die Bedienungsanleitung auch nicht beiziehen wenn sich aus der Aussage keine begründeten Zweifel ergeben, die die Beiziehung zu Beweiszwecken notwendig erscheinen lässt.

Entgegen der Ansicht der Verteidigung ergibt sich dies auch nicht daraus, dass für die Überprüfung des ordnungsgemäßen Aufbaus der Messstelle durch den Messbeamten die Kenntnis der Bedienungsanleitung notwendig ist. Bereits dieser Ansatz ist in seiner Pauschalität unzutreffend. Der Tatrichter hat nach dem Gesetz ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verpflichtet, verantwortlich zu prüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht. Insoweit darf er seine Befugnis nicht willkürlich ausüben und muss die Beweise unter Beachtung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse, den Gesetzen der Logik und Erfahrungssätzen des täglichen Lebens, erschöpfend würdigen. Er ist allerdings weder verpflichtet in den Urteilsgründen alle als beweiserheblich in Betracht kommenden Umstände ausdrücklich anzuführen, noch hat er stets im einzelnen darzulegen, auf welchem Wege und aufgrund welcher Tatsachen und Beweismittel er seine Überzeugung gewonnen hat.

Die Schilderung der Beweiswürdigung muss nur so beschaffen sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung auf Rechtsfehler ermöglicht. Dabei darf indes nicht aus dem Blick geraten, dass das Bußgeldverfahren nicht der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung dient. Es ist auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet. Daher dürfen gerade in Bußgeldsachen an die Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen gestellt werden.

Hat das Tatgericht deswegen nach den Angaben des Messbeamten keine Zweifel daran, dass dieser das Messgerät ordnungsgemäß aufgebaut hat, reicht diese bloße Feststellung in den Urteilsgründen grundsätzlich aus. Nur wenn sich tatsachenfundierte begründete Zweifel ergeben, dass der Aufbau der Messstelle nicht ordnungsgemäß war und dieser Fehler sich ebenfalls tatsachenfundiert begründet generell auf die Messung auswirkt und im konkreten Fall tatsachenfundiert begründet auch ausgewirkt hat und zwar dergestalt, dass sich die konkrete Messung gegenüber dem Betroffenen nicht mehr durch die technisch eingebauten Toleranzen kompensiert als unverwertbar herausstellt, ist das Tatgericht verpflichtet dazu nähere Ausführungen zu machen. Tut es das nicht, besteht die Möglichkeit, dies mit einer zulässigen Verfahrensrüge in der Rechtsbeschwerde zu rügen.

Abstrakten Anträgen, wie vorliegend, die erst auf die Ermittlung möglicher Fehler gerichtet sind, ohne dass dafür konkrete tatsachenbelegte Anhaltspunkte ersichtlich sind, hat der Tatrichter hingegen nicht nachzugehen. Derartige einem Beweisantrag vorgelagerte Ermittlungen sind ureigene Aufgabe desjenigen, der diese Ermittlungen für notwendig hält.

Entgegen dem Vortrag der Verteidigung ergibt sich aus den zitierten OLG Entscheidungen auch nichts anderes. Den genannten Entscheidungen ist mit den tragenden Ausführungen gemein, dass die Bedienungsanleitungen bereits Teil der Gerichtsakte waren und aus anderen Gründen nicht an die Verteidigung herausgegeben worden waren.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12. April 2013 - Az. 2 Ss-Owi 173/13 -

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Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Unterschreitung des Sicherheitsabstandes

Ein bußgeldrechtliche Ahndung wegen einer Abstandsunterschreitung - i.S. eines "nicht nur vorübergehenden Verstoßes" - ist jedenfalls dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die vorwerfbare Dauer der Abstandsunterschreitung mindestens 3 Sekunden oder (alternativ) die Strecke der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung mindestens 140m betragen hat.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes zu einer Geldbuße von 180 Euro verurteilt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts führte der Betroffene einen PKW auf der BAB 1. Bei Kilometer 327,700 wurde im Rahmen einer polizeilichen Verkehrsüberwachung mit dem System Vidit Typ VKS 3.0 Version 3.1. für sein Fahrzeug bei einer (nach Abzug eines Toleranzwertes von 5 km/h) Geschwindigkeit von 131 km/h ein Abstand von nur 26 m zum vorausfahrenden Fahrzeug ermittelt. Die Messstrecke betrug rund 123 m. Die Messstelle war so eingerichtet, dass eine Strecke von insgesamt 500m übersehen werden konnte. Das Amtsgericht hat ausgeschlossen, dass ein anderes Fahrzeug vor dem Betroffenen eingeschert war.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er meint, die Rechtsbeschwerde sei zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, um die Mindestlänge bzw. die Mindestdauer der Abstandsunterschreitung obergerichtlich zu klären.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Die Rechtsbeschwerde war - jeweils durch Alleinentscheidung des mitunterzeichnenden Berichterstatters - zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zuzulassen und dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern nach § 80a Abs. 3 OWiG zur Entscheidung zu übertragen. Die Zulassung ist zur Fortbildung des Rechts geboten, um die für eine bußgeldrechtliche Ahndung nach §§ 4, 49 StVO notwendige Dauer bzw. Länge einer Abstandsunterschreitung näher zu konkretisieren. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung war die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil ansonsten schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung fortbestehen würden. So hat das AG Lüdinghausen mit Urteil vom 28.01.2013 (19 OWi 216/12) für eine Ahndung eine Abstandsunterschreitung auf einer Fahrstrecke von mindestens 150 m, ja sogar eher noch von 250 bis 300 m für erforderlich erachtet. Im angefochtenen Urteil wird hingegen die deutlich geringere, den Mindestabstand unterschreitende, Fahrstrecke von 123 m für ausreichend erachtet.

Die - auch im Übrigen zulässige - Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Die Rügeanforderungen gemäß der §§ 80 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO sieht der Senat noch als erfüllt an. Es wurde zwar nicht ausdrücklich die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhoben. Jedoch geht aus dem Gesamtzusammenhang der Begründung des Zulassungsantrages noch hinreichend hervor, dass der Betroffene sich dagegen wenden will, dass das Amtsgericht hier eine Abstandsunterschreitung auf weniger als 150 m Fahrstrecke für die Bejahung des Verkehrsverstoßes hat ausreichen lassen.

Das angefochtene Urteil weist keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf.

Insbesondere ist die Annahme des Amtsgerichts, dass eine Abstandsunterschreitung auf einer Messstrecke von 123 m den Bußgeldtatbestand nach §§ 4, 49 StVO i.V.m. Nr. 12.6.2. der Tabelle 2 der BKatV erfülle, wenn der vorwerfbare Verstoß mindestens 3 Sekunden angedauert hat, rechtlich nicht zu beanstanden.

Für die Ahndung eines Abstandsverstoßes ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wie auch der Obergerichte erforderlich, dass die Abstandsunterschreitung nicht nur ganz vorübergehend ist. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es Situationen geben kann, wie z.B. das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder einen abstandsverkürzenden Spurwechsel eines vorausfahrenden Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könnte (OLG Hamm NZV 1994, 120; OLG Koblenz, Beschl. v. 02.05.2002 - 1 Ss 75/02 = BeckRS 2002, 30257446; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.07.2007 - 1 Ss 197/07 = BeckRS 2008, 08770; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 4 Rdn. 22).

Wann eine nicht nur ganz vorübergehende Abstandsunterschreitung vorliegt, wird in der Rechtsprechung der Obergerichte unterschiedlich beurteilt. Einige Gerichte halten eine Strecke von 250-300m, in der die Abstandsunterschreitung vorliegen muss, für ausreichend (vgl. OLG Celle NJW 1979, 325; OLG Düsseldorf NZV 2002, 519; OLG Karlsruhe NJW 1972, 2235). Andere lassen jedenfalls 150 m ausreichen, wenn die Messung in einem standardisierten Messverfahren durchgeführt wurde, ein kurz zuvor erfolgter Spurwechsel eines vorausfahrenden Fahrzeugs ausgeschlossen werden kann und die Dauer der abstandsunterschreitenden Fahrt mehr als 3 Sekunden betrug (OLG Hamm NZV 2013, 203; vgl. auch OLG Köln VRS 66, 463; König a.a.O. Rdn. 22).

Im Gesetz selbst ist keine Mindestdauer in zeitlicher oder örtlicher Hinsicht Voraussetzung der Ahndung einer Abstandsunterschreitung. Die vom Bundesgerichtshof aufgestellte Voraussetzung, dass die Abstandsunterschreitung nicht nur vorübergehend sein darf, bezieht sich nach Auffassung des Senats auf die Dauer oder Länge der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung, nicht auf die Dauer oder Länge der insgesamt festgestellten Abstandsunterschreitung. Nach § 10 OWiG kann nur vorsätzliches oder - wenn das Gesetz dies (wie hier) ausdrücklich vorsieht - fahrlässiges Handeln als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Auf die Dauer oder Länge der insgesamt festgestellten Abstandsunterschreitung kann es daher letztlich nicht entscheidend ankommen. Maßgeblich ist also, dass der Anteil an der Gesamtstrecke der Abstandsunterschreitung, der von dem Betroffenen verschuldet wurde (und nicht etwa durch ein Verhalten Dritter oder durch andere Ereignisse, auf die der Betroffene noch nicht reagieren und den erforderlichen Abstand wieder herstellen konnte), nicht nur "vorübergehender" Natur ist.

Bei der Frage, wann eine Abstandsunterschreitung nicht nur vorübergehend ist, steht für den Senat die zeitliche Komponente im Vordergrund. Schon die Formulierung in der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofes legt dies nahe. Auch erscheint es naheliegender, sich der zeitlichen Komponente zum Ausschluss eines nur kurzfristigen - und damit aus Verhältnismäßigkeitsgründen nicht ahndungswürdigen - Versagens des Fahrzeugführers zu bedienen. Der Senat hält jedenfalls eine Abstandsunterschreitung für die Dauer von mehr als 3 Sekunden - wie hier - für kein kurzfristiges Versagen des Fahrzeugführers mehr, wenn kurz zuvor erfolgte abstandsverkürzende, vom Betroffenen nicht zu vertretende, Ereignisse (Abbremsen des vorausfahrendes Fahrzeugs, abstandsverkürzender Fahrspurwechsel eines Dritten, auf die der Betroffene noch keine Möglichkeit hatte zu reagieren) - wie hier - ausgeschlossen werden können (in diese Richtung wohl auch: OLG Koblenz a.a.O.). Auch unter angemessener Berücksichtigung üblicher Reaktionszeiten ist von jedem Betroffenen noch innerhalb einer Dauer der Abstandsunterschreitung von drei Sekunden ohne Dritteinwirkung einerseits das Bewusstsein zu verlangen, dass er handeln und den Sicherheitsabstand vergrößern muss, sowie andererseits auch eine entsprechende Umsetzung abstandsvergrößernder Maßnahmen. Jedenfalls ist eine länger andauernde Gefährdung des Straßenverkehrs durch eine bußgeldbewehrte und damit in jedem Fall erhebliche Unterschreitung des gebotenen Sicherheitsabstandes nicht hinnehmbar. Fährt der Betroffene trotzdem mit einem unzulässig geringen Abstand weiter hinter einem anderen Fahrzeug her, so kann hier von einem nur vorübergehenden Pflichtenverstoß nicht mehr die Rede sein.

Um allerdings besonders schnell fahrende Fahrzeugführer nicht zu privilegieren, hält der Senat aber auch eine Abstandsunterschreitung auf einer Strecke von jedenfalls 140 m unter den o.g. weiteren Voraussetzungen (Ausschluss eines abstandsverkürzenden Ereignisses, auf das der Betroffene noch nicht reagieren konnte, bis zum Beginn der Messstrecke) für nicht nur vorübergehend. Das beruht auf der Erwägung, dass derjenige, der die Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h deutlich überschreitet und damit die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs deutlich erhöht, wegen der erhöhten durch ihn begründeten Gefahr bei einer Abstandsunterschreitung auch schneller wieder den erforderlichen Mindestabstand herstellen muss. Eine solche - auch haftungsrechtlich relevante - Überschreitung der Richtgeschwindigkeit wird jedenfalls ab einer Geschwindigkeit von 160 km/h angenommen (OLG Hamm NJW-RR 2011, 464 m.w.N.). Bei dieser Geschwindigkeit legt ein Fahrzeug in 3 Sekunden etwa 133,3 m zurück. Großzügig zugunsten des Betroffenen aufgerundet ergeben sich die o.g. 140 m.

Ob auch bei noch kurzfristigeren Abstandsunterschreitungen ein ahndungswürdiger Verstoß gegeben ist kann der Senat offen lassen.

OLG Hamm, Beschluss vom 9. Juli 2013 - Az. 1 RBs 78/13 -

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Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Akteneinsichtsrecht in die Bedienungsanleitung von Geschwindigkeitsmessgeräten

Die Vorenthaltung der Bedienungsanleitung kann eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung nach § 338 Nr. 8 StPO darstellen.

Dies erfordere jedoch einen Antrag auf Akteneinsicht und Unterbrechung bzw. Aussetzung in der Hauptverhandlung und einen ablehnenden Gerichtsbeschluss.

Mit der Verfahrensrüge sei sodann vorzutragen, welche Tatsachen sich aus welchen genau bezeichneten Stellen der Akten ergeben hätten und welche Konsequenzen für die Verteidigung darauf gefolgt wären.

Sollte dies wegen des vorenthaltenen Aktenmaterials nicht möglich sein, weil dem Verteidiger die Akten nicht zugänglich gemacht worden sind, müsse der Verteidiger dartun, dass und wie er sich bis zum Ablauf der Frist zur Begründung der Verfahrensrüge weiter erfolglos um Einsichtnahme bemüht habe.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 07. Januar 2013 - 3 Ws(B) 596/12

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Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Sicherheitsabstand

Kein Beweis mit unscharfem Frontfoto

Ein Foto nach einem Verkehrsverstoß muss deutlich sein, um den Betroffenen zu überführen. Ist das nicht der Fall, muss der Richter detailliert darlegen, warum er den Fahrer dennoch identifizieren konnte. Ein pauschaler Hinweis auf das Bild reicht nicht aus, entschied das Oberlandesgericht Bamberg am 22. Februar 2012 (AZ: 2 Ss OWi 143/12). Damit hob das Gericht eine Entscheidung des Amtsgerichts auf, wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Eine Autofahrerin wurde wegen ungenügenden Sicherheitsabstandes zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt. Der Richter des Amtsgerichts identifizierte die Frau pauschal anhand eines Frontfotos der Videoüberwachungsanlage. Tatsächlich war die Frau aber nur schwer auf dem Bild zu erkennen: Die Kinnpartie wurde durch Armaturenbrett und Lenkrad verdeckt, die Augenpartie samt der Augenbrauen durch eine große Sonnenbrille. Daher hob das Oberlandesgericht das Urteil wieder auf. Der Richter des Amtsgerichts hätte die auf dem Foto erkennbaren charakteristischen Merkmale benennen und beschreiben müssen, die ihm die Identifizierung ermöglicht hätten. Das Urteil wurde dem Amtsgericht zur erneuten Entscheidung vorgelegt.

OLG Bamberg, 22.02.2012 - Az.: 2 Ss OWi 401/12 -