Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Notwehr

Eine Notwehrlage nach § 32 StGB ist bei einem gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff gegeben.

Mit der Frage, ob eine Notwehrlage vorliegt und der Angriff damit durch die Notwehr gerechtfertigt ist, musste sich der Bundesgerichtshof (2 StR 337/21) in seinem Beschluss vom 24. November 2021 beschäftigen. Im hiesigen Sachverhalt kam es zu einem Streit zwischen dem Angeklagten und seinem Halbbruder. Als eine Zeugin die Beiden durch eine Tür trennte, machte der Angeklagte diese mit einem Messer in der Hand haltend wieder auf. Der Geschädigte lief dann auf den Angeklagten zu, woraufhin der Angeklagte dem Geschädigten mit dem Messer in den Bauchraum stach. Das Landgericht Bonn wertete dies als gefährliche Körperverletzung und verneinte eine Notwehr mit der Begründung, dass die Notwehrlage nach dem Schließen der Tür bereits beendet war. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch fest, dass die Entstehung einer neuen Notwehrlage nach dem Öffnen der Tür nicht auszuschließen ist und verweist die Sache zu neuer Verhandlung.

Anwalt für Strafrecht: Notwehr

In einer Notwehrlage kann das Abwehrmittel gewählt werden, welches die Gefahr endgültig beendigt.

In seinem Beschluss vom 23. September 2021 hat sich der Bundesgerichtshof (1 StR 321/21) mit der Notwehr beschäftigt. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt kam es in einer Gaststätte zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten, bei der diese aufeinander einschlugen. Im Verlaufe dieser fixierte der Geschädigte den Angeklagten auf dem Boden, woraufhin der Angeklagte einen spitzen Gegenstand griff und diesen zwei Mal in den Oberkörper des auf ihm sitzenden Geschädigten stach. Das Landgericht Stuttgart verurteilte ihn daraufhin wegen gefährlicher Körperverletzung. Der Bundesgerichtshof sah vorliegend jedoch Anlass zur Prüfung der Notwehr. Der Angegriffene kann das Abwehrmittel wählen, welches die Gefahr endgültig beseitigt, auch der Einsatz eines Messers kann gerechtfertigt sein. Es ist vorliegend zu berücksichtigen, dass der Angeklagte sich durch die Fixierung auf dem Boden in einer aussichtslosen Lage befand.

Anwalt für Strafrecht: Notwehr Notwehrprovokation

Ein sozialethisch zu missbilligendes Vorverhalten kann das Notwehrrecht im Sinne einer Notwehrprovokation einschränken. Dies hat jedoch keinen vollständigen Ausschluss oder eine zeitlich unbegrenzte Ausdehnung der Beschränkung des Notwehrrechts zur Folge.

Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Beschluss vom 19. August 2020 (1 StR 248/20) damit auseinander zu setzten, inwiefern eine durch sozialethisch zu missbilligendes Vorverhalten herbeigeführte Notwehrlage das Notwehrrecht des Beschuldigten einschränkt. Ein Beschuldigter handelt dann nicht rechtswidrig, wenn er bei der Tatbegehung durch Notwehr gerechtfertigt ist. Das Notwehrrecht unterliegt unter anderem dann einer Einschränkung, wenn der Verteidiger gegenüber dem Angreifer ein pflichtwidriges Vorverhalten an den Tag gelegt hat, das bei vernünftiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalls den folgenden Angriff als eine adäquate und voraussehbare Folge der Pflichtverletzung des Angegriffenen erscheinen lässt. In einem solchen Fall muss der Verteidiger dem Angriff unter Umständen auszuweichen versuchen und darf zur lebensgefährlichen Trutzwehr nur übergehen, wenn andere Abwehrmöglichkeiten erschöpft oder mit Sicherheit aussichtslos sind. Zwischen dem Beschuldigten und dem Betroffenen kam es zu wechselseitigen Beleidigungen. Im Rahmen dessen kamen beide überein sich körperlich auseinanderzusetzten. Hierfür machten sie sich auf den Weg zum hinteren Teil eines Bahnhofs. Auf dem Weg bewaffnete sich der Betroffene mit einem Messer und Pfefferspray. Der Beschuldigte bewaffnete sich ebenfalls mit einem Messer. Im Anschluss hieran packte der Betroffene den Beschuldigten und es kam zu wechselseitigen Körperverletzungen im Rahmen derer der Beschuldigte dem Betroffenen Stichverletzungen beibrachte. Im Anschluss hieran führte das Landgericht aus, der Beschuldigte handele nicht durch Notwehr gerechtfertigt. Aufgrund seines ihm vorwerfbaren Vorverhaltens sei sein Notwehrrecht eingeschränkt gewesen. Sowohl die Beleidigung des Betroffenen als auch die zwischen den Beteiligten jedenfalls konkludent vereinbarte körperliche Auseinandersetzung, die auf einem Betäubungsmittelgeschäft beruhte, seien sozialethisch zu missbilligen. Dem schloss sich der BGH nicht an. Ein sozialethisch zu missbilligendes Vorverhalten kann das Notwehrrecht einschränken, wenn zwischen diesem und dem rechtswidrigen Angriff ein enger zeitlicher und räumlicher Ursachenzusammenhang besteht und es nach Kenntnis des Beschuldigten auch geeignet ist, einen Angriff zu provozieren. Allerdings ist das Notwehrrecht auch in diesen Fällen nur eingeschränkt; ein vollständiger Ausschluss oder eine zeitlich unbegrenzte Ausdehnung der Beschränkung des Notwehrrechts ist damit nicht verbunden. Angesichts der Eskalation der Situation durch den Betroffenen, der Gegenseitigkeit der Beleidigungen und der einvernehmlichen Auseinandersetzung war es vom Beschuldigten nicht gefordert zu fliehen.

Anwalt für Strafrecht: Strafzumessung bei wahrheitswidriger Notwehrbehauptung

Eine wahrheitswidrige Notwehrbehauptung kann bei der Strafzumessung erst dann straferschwerend gewertet werden, wenn Umstände hinzukommen, nach denen sich dieses Verteidigungsverhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung darstellt.

In seiner Entscheidung vom 19. Dezember 2018 (3 StR 391/18) hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage zu befassen, ob eine wahrheitswidrige Notwehrbehauptung des Angeklagten straferschwerend gewertet werden darf. In dem zugrundeliegenden Fall hatte sich der Angeklagte gegenüber dem Geschädigten geweigert, seine Schulden zu begleichen. Der Geschädigte rangelte daraufhin mit dem Angeklagten und versetzte ihm eine schmerzende Ohrfeige. Zu einem weiteren Angriff setzte er jedoch nicht an. Dennoch stieß der Angeklagte dem Geschädigten sein Messer in den Bauch. Der Angeklagte sagte danach wahrheitswidrig aus, dass der Geschädigte ihn zuvor mehrmals geschlagen hatte. Der Angeklagte war daher wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Die wahrheitswidrige Aussage wurde dabei zu Lasten des Angeklagten gewürdigt. Dem schloss sich der Bundesgerichtshof jedoch nicht an. Es sei einem Angeklagten grundsätzlich nicht verwehrt, sich gegen einen Vorwurf mit der Behauptung zu verteidigen, er habe in Notwehr gehandelt. Auch wenn damit Anschuldigungen gegen Dritte verbunden sind, werden die Grenzen eines zulässigen Verteidigungsverhaltens dadurch noch nicht überschritten. Erst wenn Umstände hinzukommen, nach denen sich dieses Verteidigungsverhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung darstellt, könne eine wahrheitswidrige Notwehrbehauptung straferschwerend gewertet werden. In der unzutreffenden Behauptung des Angeklagten liege jedoch keine über das Leugnen eigener Schuld hinausgehende, herabwürdigende Ehrverletzung des Geschädigten, die strafschärfend berücksichtigt werden könnte. Die Falschbelastung hätte daher nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden dürfen.

Anwalt für Strafrecht: Notwehr

Im Zuge der Notwehr kann der sofortige Messereinsatz ausnahmsweise auch ohne vorherige Androhung gegenüber dem unbewaffneten Angreifer erforderlich sein, wenn dies bei objektiver Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung das mildeste Mittel ist.

Notwehr ist die Verteidigung die erforderlich und geboten ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. In seiner aktuellen Entscheidung vom 17. April 2019 (2 StR 363/18) hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinander zu setzen, ob auch der sofortige Einsatz eines Messers gegenüber dem Angreifer durch Notwehr gerechtfertigt sein kann oder ob die vorherige Androhung als milderes Mittel vorrangig zu wählen ist. Vorliegend suchte der Betroffene die Gaststätte des Angeklagten auf, obwohl dieser ihm zuvor ein Hausverbot erteilt hatte. Als der Angeklagte ihn aufforderte, die Gaststätte zu verlassen, folgte eine verbale Auseinandersetzung und anschließend ein Gerangel, bei dem der Betroffene den Angeklagten mit seinen Fäusten schlug. Nach einigen Minuten stach der Angeklagte dem Betroffenen dann mit einem Messer in den Oberkörper, um weitere Schläge abzuwenden. Der Bundesgerichtshof verneinte eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Notwehrhandlung des Angeklagten sei gerechtfertigt gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Notwehrhandlung erforderlich, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung steht. Der sofortige Einsatz eines Messers gegenüber einem unbewaffneten Angreifer ist zwar in der Regel anzudrohen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn eine Androhung ebenso gut geeignet wäre, die Einwirkungen des Angreifers sofort zu beenden. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Der einige Zeit andauernde gewalttätige Angriff konnte trotz des Eingreifens von anderen Personen nicht beendet werden. Er sei zudem noch nicht einmal durch die Messerstiche beendet worden, sondern erst, als ein anderer Gast den Geschädigten aus der Gaststätte hinauszerrte. Mithin sei es nicht erkennbar, ob der Geschädigte bei einer Androhung tatsächlich von dem Angeklagten abgesehen hätte. Bei objektiver Betrachtung stellte der sofortige Messereinsatz mithin das mildeste und gleichermaßen erfolgversprechende Mittel dar.

Anwalt für Strafrecht: Notwehr

Der Rückgriff auf ein weniger gefährliches Abwehrmittel ist durch den Beschuldigten im Zuge der Notwehr nur dann geboten, wenn dessen Abwehrwirkung unter den gegebenen Umständen unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht.

In seinem Beschluss vom 26. November 2013 (331/13) hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage zu befassen, wann das Zurückgreifen auf weniger gefährliches Abwehrmittel durch den Beschuldigten im Rahmen der Notwehr geboten ist. Eine Notwehrhandlung muss für die Abwehr der Gefahr erforderlich gewesen sein. Der Angegriffene darf sich grundsätzlich des Abwehrmittels bedienen, das er zur Hand hat und das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr erwarten lässt. Dies schließt auch den Einsatz von Waffen oder gefährlichen Werkzeugen ein. Von mehreren Abwehrmitteln, die dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stehen, hat er das mildeste zu verwenden, wenn dessen Einsatz ebenfalls die sofortige und endgültige Abwehr des Angriffs verspricht. Der Beschuldigte ließ den Betroffenen in seine Wohnung ein. Im Zuge einer Auseinandersetzung griff der Betroffene nach dem Hals des Beschuldigten und es entwickelte sich eine Auseinandersetzung. Dem Beschuldigten gelang es im Zuge dieser dem Betroffenen einen Baseballschläger aus Metall zu entwenden. Mit dem Baseballschläger schlug der Beschuldigte dem Betroffenen gegen den Kopf, um weitere körperliche Angriffe zu unterbinden. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist das Handeln des Beschuldigten durch Notwehr gerechtfertigt. Ob ein Verteidigungsmittel erforderlich ist, ist aufgrund einer objektiven ex ante-Betrachtung zu entscheiden. Dabei kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung an. Auf weniger gefährliche Abwehrmittel muss der Angegriffene nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unter den gegebenen Umständen unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Im Zuge dessen durfte sich der Beschuldigte mit einem Baseballschläger verteidigen.

Anwalt für Strafrecht: Notwehr – Hausrecht

Schüsse auf einen fliehenden Räuber sind dann nicht mehr von der Verteidigung des „Hausrechts“ im Rahmen der Notwehr erfasst, wenn der Räuber im Begriff ist, ein Grundstück zu verlassen.

Das Hausrecht darf „grundsätzlich mit scharfen Mitteln“ verteidigt werden, sofern es sich bei dem Angriff nicht um eine Bagatelle handelt. Steht indes die mit der Verteidigung verbundene Beeinträchtigung des Angreifers in einem groben Missverhältnis zu Art und Umfang der aus dem Angriff drohenden Rechtsverletzung, so ist die Notwehr jedoch unzulässig. In seinem Urteil vom 27. Oktober 2015 (3 StR 199/15) hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage zu befassen, ob Schüsse auf einen fliehenden Räuber noch vom Schutz des Hausrechts im Rahmen der Notwehr erfasst sind. Der Beschuldigte wurde vom Betroffenen und weiteren Beteiligten in seinem Haus gefesselt. Der Betroffene strangulierte und bewachte den Betroffenen währenddem die weiteren Beteiligten Wertgegenstände an sich nahmen. Dem Beschuldigten gelang es eine scharfe Pistole an sich zu nehmen. Als der Betroffene dabei war aus dem Haus zu fliehen, gab der Beschuldigte in der Annahme selbst unter Beschuss zu stehen Schüsse auf Körperhöhe auf diesen ab. Der Betroffene starb an einer Schussverletzung. Nach Auffassung des BGHs waren die Schüsse des Beschuldigten nicht mehr durch Notwehr gerechtfertigt. Angesichts des Umstands, dass die Raubtäter im Begriff waren, das Grundstück fluchtartig zu verlassen und die Beendigung der Hausrechtsverletzung damit - wie von dem Angeklagten erkannt - auch ohne sein Zutun unmittelbar bevorstand befand sich die Beeinträchtigung des Beschuldigten in einem groben Missverhältnis zu Art und Umfang der drohenden Rechtsgutsverletzung.

Anwalt für Strafrecht: Beleidigung Notwehr

Beleidigungen, welche einen massiven gegenwärtigen Angriff auf die Ehre des Beschuldigten darstellen, dürfen durch Notwehr unterbunden werden.

Der Bundesgerichtshof setzte sich in seinem Urteil vom 17. Mai 2018 (3 StR 622/17) damit auseinander, wann eine Beleidigung eine Notwehrhandlung zulässt. Um eine strafbare Handlung wegen Notwehr rechtfertigen zu können, muss ein gegenwärtiger und rechtswidriger Angriff auf den Beschuldigten vorliegen. Ein Angriff ist jede durch eine menschliche Handlung drohende Verletzung rechtlich geschützter individueller Güter oder Interessen. Ein Angriff ist gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht, stattfindet oder fortdauert. Der Beschuldigte wurde vom Betroffenen „immer wieder“ mittels „massiven“ Beleidigungen provoziert. Diese Beleidigungen erstreckten sich auch auf die Eltern des Beschuldigten. Daraufhin attackierte der Beschuldigte den Betroffenen mit einem Messer. Nach Auffassung des Bundesgerichthofs handelte der Beschuldigte zur Abwehr eines massiven gegenwärtigen Angriffs auf seine Ehre. Diese darf auf durch Notwehr verteidigt werden. Dies ist dann der Fall, wenn es sich bei den Beleidigungen nicht nur um geringfügige Behelligungen im sozialen Nahbereich, sozial tolerables Verhalten oder eine sonstige Bagatelle handelt.

Fachanwalt für Strafecht: Notwehr

Wer massiv beleidigt wird, darf sich gegen diesen Angriff auf die Ehre im Rahmen des Notwehrrechts verteidigen.

In seinem Urteil vom 17. Mai 2018 – 3 StR 622/17 stellte der Bundesgerichtshof erneut klar, dass auch ein Angriff auf die Ehre mit Mitteln des Notwehrrechts verteidigt werden darf. Der Angeklagte war von dem Landgericht Wuppertal wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden.

Zwischen dem Angeklagten und dem ihm körperlich überlegenen Nebenkläger war es zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen, in dessen Verlauf der Angeklagte mit einem Messer auf den Nebenkläger einstach. Der Nebenkläger hatte den Angeklagten zuvor mit massiven Beleidigungen provoziert, indem er ihn unter anderem als „Penner“ und „Hurensohn“ und seine Eltern als „Huren“ bezeichnet hatte. Da der Angeklagte an einer unbehandelten Schizophrenie litt, konnte er den Beleidigungen nicht besonnen standhalten.

Das Landgericht Wuppertal hatte bei seiner rechtlichen Prüfung das Vorliegen einer Notwehrlage verneint, da kein Angriff auf di e körperliche Unversehrtheit des Angeklagten vorgelegen hat. Allerdings hätte das Landgericht bedenken müssen, dass aufgrund der andauernden massiven Beleidigungen ein Angriff auf die Ehre des Angeklagten vorlag. Diese ist strafrechtlich geschützt und darf grundsätzlich mit den Mitteln der Notwehr verteidigt werden. Etwas anderes gilt nur, wenn es sich lediglich um geringfügige Behelligungen im sozialen Nahbereich, sozial tolerables Verhalten oder eine sonstige Bagatelle handelt. Da dies angesichts der massiven Beleidigungen nicht der Fall war, durfte sich der Angeklagte im Rahmen der Notwehr verteidigen. Da der Messereinsatz nicht verhältnismäßig war, hätte das Gericht noch prüfen müssen, ob der Angeklagte die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschritten hat und somit entsch

Anwalt für Strafrecht: Notwehrexzess bei Wahnvorstellungen

Eine Annahme, welche durch das Gericht als widerlegt betrachtete wird, darf nicht als Ausschlussgrund für einen Notwehrexzess angeführt werden.

In seinem Beschluss vom 16. September 2014 – 2 StR 113/14 befasste sich der Bundesgerichtshof mit den Voraussetzungen, welche an die Begründung eines Notwehrexzesses zu stellen sind. Der Beschuldigte kann trotz Überschreiten der Erforderlichkeit einer Notwehhandlung straffrei bleiben. Hierfür muss ein Notwehrexzess vorliegen. Die Notwehrhandlung des Beschuldigten ist zur Abwehr eines Angriffs erforderlich, wenn sie zur Abwehr des Angriffs geeignet war und das mildeste Mittel zur Abwehr des Angriffs darstellt. Ein Notwehrexzess liegt vor, wenn der Beschuldigte aus Furcht, Angst oder Schrecken nicht das mildeste, zur Angriffsabwehr geeignete Mittel verwendet und somit die Grenze der Erforderlichkeit überschreitet. In dem, dem Beschluss zugrunde liegenden Sachverhalt, schoss der Beschuldigte, obwohl andere Notwehrhandlungen milder und gleich geeignet waren, dem Betroffenen in die Brust. Somit verwendete er nicht das zur Notwehr erforderliche Abwehrmittel. Das Landgericht lehnte das Vorliegen eines Notwehrexzesses mit der Begründung ab, der Beschuldigte habe lediglich geschossen, weil der Betroffene auch auf ihn geschossen habe. Somit schoss der Beschuldigte aus Notwehr und nicht aus Furcht, Angst oder Schrecken. Es liegt kein strafbefreiender Notwehrexzess des Beschuldigten vor. An anderer Stelle erachtete das Landgericht die Tatsache, dass der Betroffene als Erster geschossen habe, jedoch als widerlegt. Daran anknüpfend lehnte der Bundesgerichtshof die Verneinung eines Notwehrexzesses durch das Landgericht ab. Das Landgericht hätte die widerlegte Annahme, der Betroffene habe zuerst geschossen, nicht verwenden dürfen um einen Notwehrexzess des Beschuldigten abzulehnen. Weiterhin gab der Beschuldigte an, kurz vor Abgabe des Schusses vor dem Durchdrehen gewesen und hektisch hin und her gelaufen zu sein. Dies spricht für ein Handeln des Beschuldigten aus Angst, Furcht oder Schrecken im Sinne eines Notwehrexzesses.