Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Sexueller Übergriff nach § 177 Abs. 1 StGB

Geschlechtsverkehr, der heimlich ohne Kondom durchgeführt wurde, stellt einen sexuellen Übergriff dar.

Mit dem sogenannten „Stealthing“ musste sich der Bundesgerichtshof (3 StR 372/22) in seinem Beschluss vom 13. Dezember 2022 beschäftigen. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt wollten der Angeklagte und die Geschädigte einvernehmlichen Oralverkehr haben. Das Kondom, das der Angeklagte aus der Kommode holte, zog dieser jedoch heimlich nicht auf, sondern tat lediglich so. Das Landgericht Düsseldorf verurteilte den Angeklagten dafür wegen sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB. Auch der Bundesgerichtshof bestätigt, dass das Stealthing einen sexuellen Übergriff darstellt. In der Begründung heißt es, dass Geschlechtsverkehr unter Nutzung eines Kondoms und der ohne ein solches unterschiedliche sexuelle Handlungen darstellen und die Geschädigte in der konkreten Situation ungeschützten Geschlechtsverkehr ablehnte. Das war für den Angeklagten nach den näher dargelegten Umständen auch erkennbar.

Anwalt für Strafrecht: Sexueller Missbrauch von Kindern

Sexuelle Handlungen an einem Kind im Sinne des § 184 h Nr. 1 StGB liegen vor, wenn diese bereits objektiv eine Sexualbezogenheit erkennen lassen.

Mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 218/22) in seinem Beschluss vom 18. Januar 2023 beschäftigen. Der Angeklagte im hiesigen Fall küsste den geschädigten Jungen für wenige Sekunden auf den Mund und schlug ihm daraufhin mit der flachen Hand auf das Gesäß. Das Landgericht Hamburg nahm einen sexuellen Missbrauch an Kindern gem. § 176 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB an und auch der Bundesgerichtshof bestätigte dies in seinem Beschluss. Demnach mache sich nach § 176 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB strafbar, wer sexuelle Handlungen an einer Person unter 14 Jahren vornimmt. Sexuelle Handlungen nach § 184 h Nr. 1 StGB sind solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind. Der Zusammenhang von dem Kuss und dem Schlag auf den Po lässt vorliegend nach Auffassung des Bundesgerichtshofes die erforderliche Sexualbezogenheit erkennen. Auch die pädophilen Interessen und der Konsum von kinderpornographischen Bild- und Filmmateriellen belegten demnach die sexuelle Motivation der Handlungen des Angeklagten. Außerdem besteht zwischen dem Geschädigten und dem Angeklagten kein Vertrauensverhältnis, das die Handlungen als Ausdruck familiärer oder freundschaftlicher Zuneigung rechtfertigen könnte. Abschließend stellt der Bundesgerichtshof fest, dass die vorgenommenen Handlungen von einiger Erheblichkeit sind, da bei Kindern geringere Anforderungen zu stellen sind und es sich hierbei um keine unbedeutsame Berührung handelte.

Anwalt für Strafrecht: Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern

Die Strafbarkeit von sexuellen Handlungen vor einem Kind gem. § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB ist nach § 184 h Nr. 2 StGB auf solche Handlungen beschränkt, die vom Kind wahrgenommen werden.

Die Strafbarkeit von sexuellen Handlungen vor einem Kind gem. § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB ist nach § 184 h Nr. 2 StGB auf In seinem Beschluss vom 17. Januar 2023 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 216/22) mit dem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in kinderpornographischer Absicht beschäftigen. Die Angeklagte soll sich auf Anweisung ihres Liebhabers unter anderem vor ihren Kindern einen Massagestab in die Vagina eingeführt und dies gefilmt haben. Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Beschluss fest, dass die Strafbarkeit von sexuellen Handlungen vor einem Kind gem. § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB nach § 184 h Nr. 2 StGB auf solche Handlungen beschränkt ist, die vom Kind wahrgenommen werden. Zudem muss das Kind auch vom Täter in das sexuelle Geschehen mit einbezogen werden. In einigen Fällen liegen demnach dafür keine Anhaltspunkte vor, da die Kinder in den Videos nicht den Anschein machen, als würden sie das Geschehen wahrnehmen. Aus den Videos soll sich weder eine Wahrnehmung der sexuellen Handlungen durch die Kinder noch die handlungsleitende Bedeutung einer solchen Wahrnehmung für die Angeklagte ergeben, sodass der Schuldspruch für die hiesigen Fälle rechtsfehlerhaft ist.

 

Anwalt für Strafrecht: Sexueller Missbrauch eines Schutzbefohlenen

Eine sexuelle Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB kann schon dann gegeben sein, wenn die Tätigkeit allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild einen eindeutigen Sexualbezug aufweist.

In seinem Beschluss vom 3. Mai 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (3 StR 481/21) mit dem Begriff der sexuellen Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) auseinandergesetzt. Im hiesigen Fall nahm sich der Angeklagte den Jungen, mit dem er zuvor im Garten gespielt hatte, und legte ihn bäuchlings über sein Knie. Daraufhin drückte er einen Schlauch zwischen die Pobacken des Jungen und spritzte ihm für wenige Sekunden Wasser in den Anus. Nach Auffassung des Landgerichts Bad Kreuznachs lag hier eine sexuelle Handlung nach dem § 184h Nr. 1 StGB vor und es verurteilte den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellen Missbrauchs eines Schutzbefohlenen gemäß §§ 176 Abs. 1, 174 Abs. 1 StGB. Auch nach dem Bundesgerichtshof handelte es sich im vorliegenden Fall um eine sexuelle Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB. Demnach kann der Begriff bereits mit ausschließlich objektiven Kriterien bestimmt werden. Es sei ausreichend, dass die Handlungen aus Sicht eines objektiven Betrachters, der die Umstände des Einzelfalls kennt, eine sexuelle Intention erkennen lassen. Bei Sachlage wie dieser bedarf es einer sexuellen Intention oder Erregung des Angeklagten nicht mehr.

Anwalt für Strafrecht: Schwere Vergewaltigung

In Rahmen einer schweren Vergewaltigung müssen das Führen und die Gefährlichkeit eines Werkzeugs in subjektiver Hinsicht vom zumindest bedingten Vorsatz umfasst sein.

In seinem Beschluss vom 03. Februar 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 263/21) mit dem subjektiven Tatbestand im Rahmen einer schweren Vergewaltigung auseinandersetzen. Im hiesigen Fall vergewaltigte der alkoholisierte Angeklagte die Geschädigte, wobei sich die ganze Zeit über ein aufklappbares Einhandmesser in seiner Hosentasche befand. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten u.a. wegen schwerer Vergewaltigung. Die schwere Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 7 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) setzt voraus, dass der Täter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt. Hierbei sind solche Gegenstände gefährlich, die im Fall ihrer Verwendung geeignet sind, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Der Täter führt das Werkzeug bei sich, wenn er es zu irgendeinem Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung einsatzbereit am Körper oder in seiner Nähe hat. In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, dass das Führen und die Gefährlichkeit vom zumindest bedingten Vorsatz umfasst sind. Gleichwohl sind bei der Anforderung eines aktuellen Bewusstseins insofern Abstriche vorzunehmen, als sich der Täter im Zeitpunkt der Tat nicht aller Tatumstände im Sinne eines „Daran-Denkens“ bewusst sein muss. Der Bundesgerichtshof führte an, dass im vorliegenden Fall weder festgestellt noch belegt ist, dass der Angeklagte in diesem Sinne verinnerlicht hatte, dass er das Messer in der Hosentasche bei sich führte. Insbesondere angesichts seiner erheblichen Alkoholisierung könne nicht von selbst auf diesen Umstand geschlossen werden und er bedurfte daher der Erörterung.

Anwalt für Strafrecht: Schwere Vergewaltigung

Die Voraussetzung der schweren Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 7 Nr.1 setzt das mit sich führen einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs voraus. Dabei müssen das Führen und die Gefährlichkeit zumindest bedingt vorsätzlich sein.

In dem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 3. Februar 2021 (4 StR/20) kam es zu einer Vergewaltigung, welche der Angeklagte an seiner Ex-Freundin ausübte. Dabei zwang er sie durch Gewalt zum Geschlechtsverkehr. Während des Vorfalls hatte der Angeklagte ein klappbares Messer in seiner Hosentasche, weshalb er vom Landgericht Hagen wegen schwerer Vergewaltigung verurteilt wurde. In seiner Entscheidung wies der Bundesgerichtshof jedoch auf den Vorsatz hin, welcher für das Führen und die Gefährlichkeit der Waffe oder des gefährlichen Werkzeuges vorliegen muss. Dem Täter müssen diese Punkte also bewusst gewesen sein, was vorliegend nicht feststellbar ist.

Anwalt für Strafrecht: Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen

Der sexuelle Missbrauch des Stiefenkels stellt keinen sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen gemäß § 174 I Nr. 3 StGB dar, wenn es sich um Stiefkinder der eigenen Abkömmlinge handelt.

In seinem Beschluss vom 22. Juni 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (2 StR 131/21) mit der Frage beschäftigen, wann es sich um einen sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen handelt. Im vorliegenden Sachverhalt, hat der Angeklagte mehrmals seinen Stiefenkel sexuell missbraucht. Der Sohn des Angeklagten ist mit der Mutter des Jugendlichen verheiratet. Nachdem der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen verurteilt wurde, hatte seine Revision beim Bundesgerichtshof Erfolg. Gemäß § 174 I Nr. 3 StGB liegt ein sexueller Missbrauch an Schutzbefohlenen vor, wenn es sich dabei um leibliche oder rechtliche Abkömmlinge des Täters handelt. Der Geschädigte ist weder ein leiblicher Abkömmling, noch ist er ein rechtlicher Abkömmling des Angeklagten und somit auch nicht von dem im § 174 I Nr. 3 StGB geschützten Personenkreis erfasst.

Anwalt für Strafrecht: Zuhälterei

Eine mittäterschaftlich begangene Zuhälterei kann vorliegen, wenn mehrere Täter arbeitsteilig ein „Regime“ errichten, mit dem sie auf eine oder mehrere Prostituierte einen Einfluss im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB ausüben oder diese gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB ausbeuten.

In seinem Beschluss vom 29. Januar 2020 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 87/19) damit auseinandersetzen, wann eine mittäterschaftlich begangene Zuhälterei vorliegt. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Fall war der Angeklagte K als Zuhälter im Bereich der Straßenprostitution tätig. Im Frühjahr 2016 erklärte sich der Angeklagte K bereit, mit dem Mitangeklagten L zusammenzuarbeiten und ihn und seine Lebensgefährtin T „mit auf den Straßenstrich“ zu nehmen, damit diese dort als Prostituierte arbeiten könne. Hierfür verlangte der Angeklagte K eine Beteiligung an den Einnahmen in Höhe von 30 %; später erhöhte der Angeklagte K seine „Umsatzbeteiligung“ auf 50 %. Der Mitangeklagte L akzeptierte dies, kontrollierte seine Lebensgefährtin T während ihrer Tätigkeit als Prostituierte eng und behielt die nicht an den Angeklagten K abgeführten Einnahmen für sich. Nach § 25 Abs. 1 Fall 1 StGB ist unmittelbarer Täter einer Straftat nur, wer alle Tatbestandsmerkmale in eigener Person verwirklicht. Hierbei ist erforderlich, dass der Täter auch selbst die besonderen Beziehungen zu der Prostituierten unterhält. Als Mittäter gem. § 25 Abs. 2 StGB handelt, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen. Eine „Umsatzbeteiligung“ des Angeklagten K vermag für sich genommen eine gemeinschaftliche Ausbeutung gem. § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB noch nicht zu stützen. Zudem ist eine dirigierende Zuhälterei in einer der Begehungsvarianten des § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB ebenfalls nicht ersichtlich. Denn diese ergeben weder eine auf einem gemeinsamen Tatplan beruhende Mitgestaltung der Prostitutionsausübung der Zeugin T durch den Angeklagten K, noch ein hierauf bezogenes arbeitsteiliges Handeln.

Anwalt für Strafrecht: Sexueller Missbrauch

Auch Patienten, die einen Gynäkologen lediglich zu Vorsorgeuntersuchungen aufsuchen, können diesem im Sinne von § 174c Abs. 1 StGB (Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses) „anvertraut“ sein.

Wer sexuelle Handlungen an einer Person, die wegen einer körperlichen Krankheit oder Behinderung zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut ist, unter Missbrauch des Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses vornimmt, wird gemäß § 174c Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ob auch bei Vorsorgeuntersuchungen bei einem Frauenarzt ein schützenswertes Vertrauensverhältnis im Sinne des § 174c Abs. 1 StGB besteht, beschäftigte den Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 2. Februar 2021 (4 StR 364/19). Vorliegend hatte ein Frauenarzt in dem Behandlungsraum seiner Praxis in 25 Fällen an verschiedenen Patientinnen Untersuchungen des Genitals vorgenommen, wobei er bei vaginalen Tastuntersuchungen auch einen Finger in die Scheide der Patientinnen einführte. Dabei hatte er ohne Kenntnis und Zustimmung der jeweiligen Patientinnen mittels einer versteckten Kamera digitale Bilder und Videoaufnahmen des entblößten Genitalbereichs zu sexuellen Zwecken angefertigt. Der Bundesgerichtshof führte in seiner Entscheidung aus, dass es sich bei den Patientinnen auch dann um Personen handelt, die dem Angeklagten im Sinne des § 174c Abs. 1 StGB wegen einer körperlichen Krankheit zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut waren, wenn dieser lediglich Vorsorgeuntersuchungen vornahm. Auch eine Vorsorgeuntersuchung, die als solche nicht auf die Behandlung einer Gesundheitsstörung gerichtet ist, sondern nur der Früherkennung von Krankheiten dient, erfülle den Tatbestand des § 174c Abs. 1 StGB. Es sei nicht erforderlich, dass tatsächlich eine behandlungsbedürftige Krankheit vorliegt, sofern nur der Betroffene subjektiv eine Behandlungs- oder Beratungsbedürftigkeit empfindet. „Wegen“ einer körperlichen Krankheit vertraue sich einem Arzt zur Beratung, Behandlung oder Betreuung auch derjenige an, der das Vorliegen einer körperlichen Krankheit nur allgemein besorgt. Die von dem Angeklagten vorgenommenen Berührungen und Penetrationen der Genitale seiner Patientinnen waren vorliegend zudem zwar grundsätzlich medizinisch indiziert und ärztlich regelrecht durchgeführt, allerdings wurde der Behandlungs- und Untersuchungscharakter hier durch Sexualbezug überlagert, weshalb die „Behandlungen“ des Angeklagten als sexuelle Handlungen anzusehen seien. Der Angeklagte hat sich wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses strafbar gemacht.

Anwalt für Strafrecht: Ausnutzung einer Zwangslage bei sexuellem Missbrauch eines Jugendlichen

Die bei einem sexuellen Missbrauch eines Jugendlichen erforderliche „Zwangslage“ ist anzunehmen bei bedrängenden Umständen von Gewicht, denen in spezifischer Weise die Gefahr anhaftet, sexuellen Übergriffen gegenüber einem Jugendlichen in einer Weise Vorschub zu leisten, dass sich der Jugendliche ihnen nicht ohne weiteres entziehen kann.

In seinem Beschluss vom 16. Juni 2020 musste sich der Bundesgerichtshof (6 StR 82/20) mit der Frage befassen, wann die nach § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderliche „Zwangslage“ bei einem sexuellen Übergriff gegenüber einem Jugendlichen vorliegt. Im hiesigen Fall lud der Angeklagte den geistig behinderten Jugendlichen, der leidenschaftlicher Sammler von Schrott und Pfandflaschen war, in zwei Fällen unter dem Vorwand zu sich nach Hause ein, ihm seine Pfandflaschen zu übergeben. Hier forderte der Angeklagte den Jugendlichen auf, sich auszuziehen und berührte ihn im Intimbereich. In einem Fall führte er an ihm den Oralverkehr durch. Im zweiten Fall versuchte der Angeklagte, Analverkehr mit dem Jugendlichen durchzuführen, was jedoch scheiterte, weil der Jugendliche Widerstand zeigte. Der Angeklagte machte sich wegen sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen in zwei Fällen strafbar, indem er bewusst eine Zwangslage des Jugendlichen oder auch dessen ihm gegenüber fehlenden Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung zu sexuellen Handlungen ausnutzte. Die nach § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderliche „Zwangslage“ setzt eine ernste persönliche oder wirtschaftliche Bedrängnis des Opfers voraus. Hierfür sind gravierende, das Maß des für Personen im Alter und in der Situation des Jugendlichen Üblichen deutlich übersteigende Gegebenheiten erforderlich, die geeignet sind, dessen Entscheidungsmöglichkeiten gerade über sein sexuelles Verhalten einzuschränken. Der Gesetzgeber hatte als typische Fälle der Zwangslage die „Notsituation“ drogenabhängiger oder von zu Hause fortgelaufener Jugendlicher im Blick. Dem kann die Situation eines geistig behinderten, die Straße zur Aufbesserung seines Taschengelds ohne Aufsicht „leidenschaftlich“ nach Schrott und Altglas durchstreifenden und dabei in eine fremde Wohnung gelockten Minderjährigen entsprechen. Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte den Jugendlichen in der Absicht in seine Wohnung gelockt, „sich die Unbedarftheit des Jungen zunutze zu machen und sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen“, was für eine bewusste Ausnutzung einer Zwangslage spricht.