Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen

Fotos einer bekleideten Frau im Vorraum einer öffentlichen Toilette verletzen nicht den höchstpersönlichem Lebensbereich der fotografierten Person nach § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB.

Das Landgericht Stuttgart hat in seinem Beschluss vom 13. Februar 2023 entschieden, ob das Fotografieren einer bekleideten Frau im Vorraum einer Damentoilette den höchstpersönlichen Lebensbereich der Person nach § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB verletzt. Der Angeklagte begab sich unbefugt in die Damentoilette eines Einkaufszentrums und fotografierte im Vorraum dieser Toilette die 15-jährige Geschädigte beim Hände waschen. Für eine Strafbarkeit nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB muss der Angeklagte dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der Person verletzt haben. Das Landgericht Stuttgart erklärt in seinem Beschluss, dass sich bei der Entscheidung an dem Begriff der Intimsphäre orientiert werden kann. Diese beschreibt den engsten Persönlichkeitsbereich, der den Kernbereich der höchstpersönlichen Lebensgestaltung umfasst. Das Landgericht vertritt in seinem Beschluss die Auffassung, dass die Fotografie einer vollständig bekleideten Person nicht als Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs der Person anzusehen ist. Das Landgericht führt dazu aus, dass es dem Gesetzgeber in erster Linie um den Schutz entkleideter Personen ging.

Anwalt für Strafrecht: Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs

Bei dem Schlafraum einer Kindertagesstätte handelt es sich unabhängig von einem Sichtschutz um einen gegen Einblick besonders geschützten Raum im Sinne von § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen).

Wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen wird gemäß § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt. In dem Beschluss vom 4. Juni 2020 (515 Qs 39/20) musste sich das Landgericht Berlin mit der Frage auseinandersetzen, ob es sich auch bei dem Schlafraum einer Kindertagesstätte um einen „gegen Einblicke besonders geschützten Raum“ handelt. Hintergrund war, dass der Beschuldigte vom Gehweg aus mit seinem Mobiltelefon durch ein geöffnetes Fenster in den Schlafraum einer Kindertagesstätte fotografierte, in dem mehrere nur noch mit Unterwäsche bekleidete Kinder gerade ihren Mittagsschlaf antreten sollten. In seinem Beschluss stellte das Landgericht fest, dass es sich auch bei der Kindertagesstätte (unabhängig von einem Sichtschutz) um einen gegen Einblick besonders geschützten Raum handelt. Mit der Schaffung von § 201a StGB habe der Gesetzgeber die Intimsphäre auch mit den Mitteln des Strafrechts gegen unbefugte Bildaufnahmen schützen wollen, den Strafschutz dabei aber auf den „letzten Rückzugsbereich“ des Einzelnen beschränkt. Mit diesem Schutzzweck sei es nicht zu vereinbaren, die Verwirklichung des Tatbestands davon abhängig zu machen, ob der Raum, in dem sich der Geschädigte aufhält, objektiv über einen Sichtschutz verfügt. Vielmehr komme es entscheidend darauf an, ob sich der Geschädigte an einem Rückzugsort aufhält, an dem er seine Intimsphäre vor unbefugten Bildaufnahmen geschützt wähnt. Dies sei bei Kleinkindern in Kindertagesstätten der Fall.

Anwalt für Strafrecht: Erpresserischer Menschenraub

Bei einem erpresserischen Menschenraub liegt die tätige Reue gemäß § 239a Abs. 4 S. 1 StGB dann vor, wenn der Täter das Opfer in seinen Lebensbereich zurückgelangen lässt und zudem auf die erstrebte Leistung verzichtet, wobei er hierfür von der erhobenen Forderung vollständig Abstand nehmen muss. Freiwillig muss er dabei aber nicht handeln, auf die Motive des Täters kommt es folglich nicht an.

Wegen erpresserischem Menschenraub macht sich gemäß § 239a Abs. 1 StGB strafbar, wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt. Die Strafe kann dabei gemildert werden, wenn der Täter tätige Reue zeigt, § 239a Abs. 4 StGB. In seinem Beschluss vom 24. März 2020 (6 StR 18/20) musste sich der Bundesgerichtshof mit dem Begriff der tätigen Reue näher auseinandersetzen. In dem Fall hatten die zwei Angeklagten einen Geschädigten unter einem Vorwand auf die Rückbank eines Autos gelockt. Dann forderten beide den Geschädigten unter der Drohung, ihn anderenfalls umzubringen, dazu auf, noch ausstehende Drogenschulden zu begleichen. Hierfür nahmen sie ihm sein Handy weg, schlugen ihm mehrfach ins Gesicht und drohten ihm zusätzliche Verletzungen mittels eines erhitzen Radkreuzes an. Der Geschädigte schlug daher vor, zu seinen Eltern zu fahren und diese um Geld zu bitten. Nachdem die Angeklagten von den Eltern vergeblich die Zahlung von 2.000 € forderten, verließen sie die Wohnung ohne den Geschädigten und nahmen von der erhobenen Forderung Abstand. Dem Bundesgerichtshof zufolge, liegen die Voraussetzungen der tätigen Reue gemäß § 239a Abs. 4 StGB hier vor. Tätige Reue liege vor, wenn der Täter das Opfer in seinen Lebensbereich zurückgelangen lässt und zudem auf die erstrebte Leistung verzichtet, wobei er hierfür von der erhobenen Forderung vollständig Abstand nehmen muss. Dies haben die Angeklagten vorliegend getan. Da die Freiwilligkeit für die tätige Reue keine Voraussetzung sei, stehe der Annahme tätiger Reue vorliegend auch nicht entgegen, dass die Angeklagten lediglich in Anbetracht der Erkenntnis fehlender Erfolgsaussicht von dem Geschädigten abgelassen hatten.

Anwalt für Strafrecht: Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen

Auf Bildaufnahmen muss die aufgenommene Person für eine Strafbarkeit wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs nicht eindeutig erkennbar sein. Es genügt, wenn die Aufnahmen es der aufgenommenen Person ermöglichen, die Aufnahmen aufgrund hinreichender Identifizierungsmerkmale der eigenen Person zuzuordnen.  

Der Beschuldigte macht sich des Herstellens einer Bildaufnahme im Sinne einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs strafbar, indem er von einer Person Bildaufnahmen herstellt. Die Person muss sich in einer Wohnung oder einer anderweitig besonders gegen Blicke geschützten Räumlichkeit befinden. Durch die Bildaufnahmen muss der höchstpersönliche Lebensbereich der Person verletzt werden. In seinem Beschluss vom 26. Februar 2015 (4 StR 328/14) stellte der Bundesgerichtshof fest, welche Anforderungen an die entsprechenden Bildaufnahmen bezüglich der Identifizierbarkeit des Aufgenommenen zu stellen sind. Der Beschuldigte fertigte während ärztlicher Behandlungen Bildaufnahmen an. Auf diesen Bildaufnahmen waren nicht alle Betroffenen vollständig erkennbar abgebildet. Hierin ist nach Aussage des Bundesgerichtshofs jedoch trotzdem ein Herstellen entsprechender Bildaufnahmen zu sehen. Vom Tatbestand des Verletzens des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen sind auf jeden Fall solche Bildaufnahmen erfasst, welche es den Betroffenen ermöglichen, die Bildaufnahmen aufgrund hinreichend vorhandener Identifizierungsmerkmale der eigenen Person zuzuordnen.