Anwalt für Strafrecht: Wiederaufnahme des Verfahrens

Ein Sachverständiger ist in einem Wiederaufnahmeverfahren ein neues Beweismittel gem. § 359 Nr. 5 StPO, wenn das Gericht bei der Urteilsbildung keinen Sachverständigen gehört hat und die eigene Sachkunde in den Urteilsgründen nicht ausreichend erörtert wurde.

Das Landgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 15.12.2015 - 17 Qs 71/15 entschieden, dass ein Sachverständiger ein neues Beweismittel in einem Wiederaufnahmeverfahren gem. § 359 Nr. 5 StPO darstellt, wenn bisherige Urteilsfeststellungen keinen Anlass dazu geboten haben, einen Sachverständigen zu befragen oder das Gericht bei der Urteilsbildung aufgrund eigener Sachkunde keinen Sachverständigen hinzugezogen hat.

Vorausgegangen war ein Verfahren, in dem der Angeklagte durch das Amtsgericht Stuttgart wegen Erschleichens von Leistungen verurteilt wurde. Nachdem das Urteil rechtskräftig geworden ist, stellte der Verurteilte einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Als Begründung legte er ein psychiatrisches Gutachten vor. In diesem konstatierte der erstmals herangezogene Sachverständige, dass die Schuldunfähigkeit des Verurteilten gem. § 20 StGB zur Tatzeit nicht ausgeschlossen sei.
Das zuständige Amtsgericht lehnte den Antrag zur Wiederaufnahme des Verfahrens ab. Als Begründung führte es aus, aufgrund eigener Sachkunde keinen Sachverständigen hinzugezogen zu haben. Demzufolge sei der Sachverständige kein neues Beweismittel im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO.
Dieser Auffassung schloss sich das Landgericht nicht an. Da zur Urteilsbildung des Amtsgerichts kein Sachverständiger herangezogen wurde und das Amtsgericht die ihm bekannte Psychose des Verurteilten vor dem Hintergrund des § 20 StGB nicht nachvollziehbar dargelegt hatte, ist der Sachverständige gem. § 359 Nr. 5 StPO ein neues Beweismittel.
Folglich ist der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig.

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