Anwalt für Strafrecht: Rechtfertigender Notstand

Der Erwerb von Betäubungsmitteln, um aufgrund einer Krankheit bestehende Schmerzen zu lindern, ist regelmäßig dann nicht durch Notstand gerechtfertigt, wenn es dem Betroffenen möglich ist, die Schmerzen mittels legal zugänglicher Schmerzmittel zu behandeln oder wenn er auf ein Genehmigungsverfahren gem. §3 Abs. 2 BtMG zugrückgreifen kann.

Der Bundesgerichtshof setzte sich in seinem Beschluss vom 28. Juni 2016 (1 StR 613/15) damit auseinander, unter welchen Umständen das Sichverschaffen von Betäubungsmitteln zur Therapierung von Krankheiten bei der Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr geeignet ist. Um eine strafbare Handlung aufgrund Notstands zu rechtfertigen, muss eine gegenwärtige Gefahr vorliegen. Eine entsprechende Gefahr ist ein Zustand, in dem aufgrund tatsächlicher Umstände die Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses besteht. Die strafbare Handlung des Beschuldigten muss weiterhin zur Abwehr der Gefahr erforderlich gewesen sein. Erforderlich ist eine entsprechende Handlung, wenn diese unter den konkreten Umständen des Einzelfalles zum Schutz des Erhaltungsguts geeignet ist und sich bei mehreren zur Gefahrenabwendung geeigneten Handlungsmöglichkeiten als mildestes Mittel erweist. Im Fall der Beschuldigten setzte sich der BGH damit auseinander, ob deren Handlung zur Abwehr von Schmerzen aufgrund einer Erkrankung erforderlich war. Die Beschuldigte erwarb größere Mengen Heroin und Kokain. Die Betäubungsmittel dienten dem Eigenkonsum und um Schmerzen zu lindern, welche die Beschuldigte aufgrund ihrer Sarkoidoseseerkrankung hatte. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hätte die Gefahr für die Gesundheit der Beschuldigten durch die Erkrankung jedoch anders als durch das unerlaubte Sichverschaffen der Betäubungsmittel abgewandt werden können. Somit war das Handeln der Beschuldigten nicht durch Notstand gerechtfertigt. Eine Rechtfertigung im Rahmen des Notstands scheidet regelmäßig aus, wenn die Lösung der vom Notstand vorausgesetzten Konfliktlage zwischen dem Erhaltungsgut und dem Eingriffsgut einem besonderen Verfahren oder einer besonderen Institution vorbehalten ist. Die Beschuldigte hätte auf eine Behandlung mit aufgrund von Verschreibung zugänglichen und für sie wirtschaftlich erreichbarer, ausreichend wirksamer Schmerzmittel oder auf die Einleitung eines Genehmigungsverfahrens gemäß §3 Abs. 2 BtMG zurückgreifen können.

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