Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.

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Anwalt für Strafrecht: Straßenblockade

Eine Verkehrsblockade mit dem Ziel der Beseitigung der Gefahren, die sich aus der globalen Erwärmung ergeben können, ist nicht gerechtfertigt.

Das Bayrische oberste Landesgericht (205 StRR 63/23) hat sich in seinem Beschluss vom 21. April 2023 mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Straßenblockaden durch Klimaaktivisten durch das Gesetz gerechtfertigt sind. Der Angeklagte hat sich nach den Feststellungen des Amtsgerichts auf der Straße mit Sekundenkleber festgeklebt und dadurch Autofahrer am Weiterfahren gehindert. Dafür wurde er wegen Nötigung verurteilt. Seine Revision, in der er argumentierte gerechtfertigt zu sein, hatte keinen Erfolg. Das Gericht stellte fest, dass der Angeklagte weder durch Art. 20 Abs. 4 GG, noch durch den § 34 StGB gerechtfertigt ist. Art. 20 Abs. 4 GG ist demnach nicht einschlägig, da andere Abhilfe möglich ist. Der Staat ist nicht in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt, vielmehr kann der Staat die verfasste Ordnung schützen, er ergreift aber nicht die vom Angeklagten geforderten Maßnahmen. Auch eine Rechtfertigung nach § 34 StGB kommt nicht in Frage, da dem Angeklagten zum Erreichen seines Ziels mildere Mittel zur Verfügung standen (Ausübung der Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Petitionsrecht, Freiheit der Bildung politischer Parteien).

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Die Vorstellungen des Täters sind entscheidend, um zu beurteilen, ob es sich um einen unbeendeten oder beendeten Versuch handelt.

Ob sich der Angeklagte wegen Totschlags strafbar gemacht hat oder ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch vorliegt, musste der Bundesgerichtshof (3 StR 32/23) in seinem Beschluss vom 31. Mai 2023 entscheiden. Der Angeklagte schnitt in einer Wohnung eine Person über die rechte Halsseite und stach auf zwei weitere ein. Zwei Geschädigte verließen daraufhin das Haus und die weitere geschädigte Person brach im Bad zusammen. Das Landgericht Düsseldorf sah in zwei dieser Fälle einen versuchten Totschlag als einschlägig an. Der Bundesgerichtshof merkt jedoch in seinem Beschluss an, dass das Landgericht den strafbefreienden Rücktritt nicht beachtet hat. Das Landgericht hätte demnach untersuchen müssen, ob ein strafbefreiender Rücktritt von den versuchten Taten gem. § 24 Abs. 1 StGB vorliegt. Der angegebene Sachverhalt belegt nicht, dass die Versuche fehlgeschlagen waren und schließen vor allem nicht aus, dass der Angeklagte freiwillig vom unbeendeten Versuch zurücktrat. Für die Beurteilung, ob es sich um einen unbeendeten oder beendeten Versuch handelt, ist die Vorstellung des Täters maßgeblich.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt (§ 24 Abs. 1 S. 1 StGB)

In seinem Beschluss vom 14. Februar 2023 hat sich der Bundesgerichtshof (4 StR 442/22) mit dem Rücktritt beschäftigt und dabei genauer den Punkt der Freiwilligkeit in den Blick genommen. Der Angeklagte im hiesigen Fall stalkte die Geschädigte für mehrere Jahre, nachdem sie 2018 mit ihm Schluss gemacht hatte. Als er sie Ende 2021 mit dem Auto verfolgte, zeigte sie ihm den Mittelfinger, weswegen er anschließend in Wut geriet und in ihr stehendes Auto frontal hereinfuhr. Daraufhin stieg er aus dem Auto aus und stach mit einer Machete mehrmals in Richtung ihres Oberkörpers. Erst als die Geschädigte ihm zurief, dass er an ihren Sohn denken solle, wurde der Angeklagte aus seinem Erregungszustand herausgerissen und hörte mit dem Angriff auf.

Das Landgericht Mosbach lehnte einen Rücktritt ab, da der Angeklagte durch die Schreie der Geschädigten unter Schock stand und die Tat nicht weiter fortführen konnte. Daher hat er die Tatausführung nicht freiwillig abgebrochen. Der Bundesgerichtshof ist von den Ausführungen des Landgerichts jedoch nicht überzeugt. Ein freiwilliger Rücktritt kann auch dann vorliegen, wenn seelische Erschütterung oder Mitleid die Wiederkehr der Steuerungsfähigkeit bewirken. Von den aufgezeigten Punkten kann demnach nicht auf ein psychisches Unvermögen zum Weiterhandeln geschlossen werden. Stattdessen könnte dem Angeklagten nach dem Ende seines Erregungszustandes auch die Unrichtigkeit seines Verhaltens klar geworden sein.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Wenn der Täter von Beginn an mit Tötungsvorsatz handelt, liegt ein Mord aus Verdeckungsabsicht nicht vor, da es and der erforderlichen „anderen“ Straftat fehlt.

Wann ein Mord aus Verdeckungsabsicht vorliegt, hat sich der Bundesgerichtshof (2 StR 462/21) in seinem Beschluss vom 15. März 2023 gefragt. Die Angeklagte im hiesigen Fall vernachlässigte ihre Tochter ab ihrem 2. Lebensjahr, was in Entwicklungsrückständen resultierte. Ab August 2020 erkannte die Angeklagte, dass der Zustand ihrer Tochter lebensbedrohlich war. Aus Sorge, dass die Mangelversorgung behördenbekannt werden und ihr dadurch das erwartete Kind entzogen werden könnte, nahm sie den Tod ihrer Tochter billigend in Kauf. Erst Ende August wurde die Tochter durch das vom Kindergarten eingeschaltete Jugendamt zu einem Kinderarzt und von dort aus ins Krankenhaus gebracht. Das Landgericht Köln verurteilte die Angeklagte wegen dieser Tat unter anderem wegen versuchten Mordes und nahm dabei die Mordmerkmale Grausamkeit und Verdeckungsabsicht an. Demnach handelte die Angeklagte spätestens ab Anfang August 2020 in der Absicht, die vorausgegangene Misshandlung ihrer Tochter zu verdecken. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes wurde die Verdeckungsabsicht jedoch nicht rechtsfehlerfrei belegt. Wenn der Täter von Beginn an mit Tötungsvorsatz handelt, kann ein Verdeckungsmord demnach nicht festgestellt werden, da es an der erforderlichen „anderen“ Straftat fehlt. Im vorliegenden Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein bedingter Tötungsvorsatz auch schon zu einem früheren Zeitpunkt vorlag.

Anwalt für Strafrecht: Handel mit Betäubungsmitteln

Anhaltspunkte bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft sein.

In seinem Beschluss vom 3. Mai 2023 hat sich der Bundesgerichtshof mit der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe beim Transport von Drogen beschäftigt. Dem Angeklagten wurde nach den getroffenen Feststellungen angeboten, Betäubungsmittel nach Schweden zu überführen. Er erhielt ein Fahrzeug, welches er auf seinem Namen zuließ. Die Betäubungsmittel wurden dabei von anderen Personen im Fahrzeug deponiert. Während das Landgericht Rostock darin eine Mittäterschaft sah, führte der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss aus, dass sich der Angeklagte hier in Bezug auf den Betäubungsmittelhandel lediglich der Beihilfe strafbar macht. Demnach war der Angeklagte weisungsgebunden und hatte nicht einmal Kontrolle über die konkreten Modalitäten des Transportgeschäfts.

Anwalt für Strafrecht: Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen

Fotos einer bekleideten Frau im Vorraum einer öffentlichen Toilette verletzen nicht den höchstpersönlichem Lebensbereich der fotografierten Person nach § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB.

Das Landgericht Stuttgart hat in seinem Beschluss vom 13. Februar 2023 entschieden, ob das Fotografieren einer bekleideten Frau im Vorraum einer Damentoilette den höchstpersönlichen Lebensbereich der Person nach § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB verletzt. Der Angeklagte begab sich unbefugt in die Damentoilette eines Einkaufszentrums und fotografierte im Vorraum dieser Toilette die 15-jährige Geschädigte beim Hände waschen. Für eine Strafbarkeit nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB muss der Angeklagte dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der Person verletzt haben. Das Landgericht Stuttgart erklärt in seinem Beschluss, dass sich bei der Entscheidung an dem Begriff der Intimsphäre orientiert werden kann. Diese beschreibt den engsten Persönlichkeitsbereich, der den Kernbereich der höchstpersönlichen Lebensgestaltung umfasst. Das Landgericht vertritt in seinem Beschluss die Auffassung, dass die Fotografie einer vollständig bekleideten Person nicht als Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs der Person anzusehen ist. Das Landgericht führt dazu aus, dass es dem Gesetzgeber in erster Linie um den Schutz entkleideter Personen ging.

Anwalt für Strafrecht: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

Ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB liegt nur dann vor, wenn das Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig eingesetzt wird.

Ob sich der Angeklagte bei seiner Fluchtfahrt vor der Polizei des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315b StGB strafbar gemacht hat, musste der Bundesgerichtshof (4 StR 70/23) in einem Beschluss vom 6. Juni 2023 klären. Der Angeklagte fuhr vor der Polizei davon, begegnete aber auf einem Waldweg einem Polizeiauto, welches ihm entgegenfuhr. Der Polizeibeamte befürchtete eine Kollision zwischen den Fahrzeugen und flüchtete aus dem Auto. Da das Auto immer näher kam entschied er sich dafür, sich über das Einsatzfahrzeug in Sicherheit zu bringen. In diesem Moment kollidierte das Fahrzeug des Angeklagten mit der geöffneten Tür, wodurch der Oberschenkel des Polizeibeamten eingeklemmt wurde. Die Feststellungen reichen für eine Verurteilung des Angeklagten wegen des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht aus. Demnach kann den Urteilgründen nicht entnommen werden, dass der Angeklagte das Fahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig eingesetzt hat. Schon dass er die offene Tür angefahren hat, zeigt, dass er das Einsatzfahrzeug umfahren wollte und somit ein kollisionsfreies Passieren des Autos für möglich hielt und erzielen wollte.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Ein heimtückisches Vorgehen kann auch in der Vorbereitung der Tat liegen.

In seinem Beschluss vom 24. Mai 2023 musste sich der Bundesgerichtshof (2 StR 320/22) erneut mit der Heimtücke, einem der Mordmerkmale, beschäftigen. Der Angeklagte im vorliegenden Fall führte eine außereheliche Beziehung zur später Getöteten. Als diese die Beziehung mit ihm beenden wollte, holte er eine Schusswaffe aus dem Keller seiner Ehefrau und fuhr mit der Geschädigten an einen abgelegenen Ort. Dort schoss er ihr zwei Mal in den Kopf, wodurch sie an Ort und Stelle noch verstarb. Das Landgericht Köln stellte im hiesigen Fall eine Strafbarkeit wegen Totschlags fest. Der Bundesgerichtshof wies in seinem Beschluss aber darauf hin, dass die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Heimtücke abgelehnt hat, rechtsfehlerhaft sind. Dabei führt er aus, dass ein heimtückisches Vorgehen auch in der Vorbereitung liegen kann und der Täter die Tat hier vorher geplant hat. Außerdem hätte sich das Landgericht damit auseinandersetzen müssen, ob die Geschädigte bei einer Bedrohung vor der Tötung überhaupt eine Möglichkeit zur Flucht oder Verteidigung hatte.

Anwalt für Strafrecht: Entziehung der Fahrerlaubnis

Das Fahren von E-Scootern im alkoholischen Zustand kann zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen.

E-Scooter gehören mittlerweile zum Stadtbild. Die Rechtslage bezüglich der Roller ist jedoch oftmals noch unklar. Ob durch das Fahren von E-Scootern im alkoholischen Zustand die Fahrerlaubnis entzogen werden darf, hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (1 Ss 276/22) in seinem Urteil vom 8. Mai 2023 entschieden. Der Angeklagte wurde zuvor vom Amtsgericht Frankfurt am Main wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt, da er betrunken auf einem E-Scooter fuhr. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB lehnte es jedoch ab, wogegen sich die Amtsanwaltschaft in ihrer Revision wendete. Das Oberlandesgericht stellte daraufhin fest, dass eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB auch dann in der Regel erforderlich ist, wenn der Fahrer betrunken einen E-Scooter bedient hat und sich dabei der Trunkenheit im Verkehr strafbar gemacht hat. Zwar gibt es dafür Ausnahmen, jedoch ist es nach Auffassung des Oberlandesgerichtes keine solche Ausnahme, dass es sich lediglich um einen E-Scooter handelte, da Elektrokleinstfahrzeuge als Kraftfahrzeuge gelten. Weiterhin führt das Gericht aus, dass auch die Benutzung eines E-Scooters im betrunkenen Zustand andere Menschen gefährdet und sich somit nicht erschließt, wie dadurch die Regelvermutung des § 69 StGB widerlegt werden könnte.

Anwalt für Strafrecht: Schwere Brandstiftung

Eine Gefängniszelle ist der Lebensmittelpunkt des Inhaftierten und ist daher ein Wohnraum im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB.

In seinem Urteil vom 13. Juni 2022 hat sich das Landgericht Ravensburg (5 Ns 53 Js 2250/21) mit der Brandstiftung beschäftigt. Dem vorliegenden Sachverhalt nach zündete der Angeklagte seine Einzelzelle an, nachdem er über Maßnahmen der JVA verärgert war. Die Matratze entzündete sich jedoch nicht, da diese aus unbrennbaren Material bestand. Auch die Wände und der Boden gerieten nicht in Brand. Das entstandene Feuer konnte von den Mitarbeitern der JVA schnell gelöscht werden. Trotzdem konnte die Zelle anschließend für 1-2 Monate nicht genutzt werden. Der Angeklagte wurde anschließend unter anderem wegen versuchter schwerer Brandstiftung verurteilt und auch das Landgericht Ravensburg bestätigte dieses Urteil nach der Revision des Angeklagten. Insbesondere führte das Landgericht in seinem Urteil aus, dass es sich bei der Haftzelle um einen Wohnraum im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB handelt, da sie den Lebensmittelpunkt des Inhaftierten darstellt und der Raum der privaten Lebensführung dient. Der Raum wurde durch die Brandsetzung des Angeklagten zwar nicht mindestens teilweise zerstört, jedoch hatte der Angeklagte zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar angesetzt, sodass vorliegend ein Versuch der schweren Brandstiftung vorliegt.