Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Die Art der Tatausführung darf nur dann uneingeschränkt strafschärfend berücksichtigt werden, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar ist.

Inwieweit die Art der Tatausführung strafschärfend berücksichtigt werden kann, wenn der Angeklagte gemäß § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig ist, hat der Bundesgerichtshof (6 StR 35/23) in seinem Beschluss vom 22. Februar 2023 entschieden. Der alkoholisierte Angeklagte trat dem Geschädigten mehrmals mit voller Wucht gegen den Kopf bzw. Oberkörper. Das Landgericht Nürnberg-Führt berücksichtigte bei seinem Urteil die Brutalität des Vorgehens strafschärfend. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch klar, dass die Art der Tatausführung einem Angeklagten nur dann uneingeschränkt strafschärfend zur Last gelegt werden darf, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar ist. Nicht jedoch, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenen geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt. Auch bei einem erheblich vermindert schuldfähigen Täter ist zwar Raum für eine strafschärfende Berücksichtigung, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Direkter Vorsatz kann als strafschärfend berücksichtigt werden.

Ob Absicht als straferhöhend gewertet werden kann, hat der Bundesgerichtshof (3 StR 73/23) in seinem Beschluss vom 4. April 2023 entschieden. Nach einer Prügelei wurde dem Angeklagten  vom Landgericht Duisburg strafschärfend zur Last gelegt, dass er mit Absicht handelte. Der Bundesgerichtshof bestätigte die Annahme, dass der dolus directus 1. Grades in der Strafzumessung  (§ 46 StGB) strafschärfend bewertet werden kann, da die kriminelle Intensität des Täterwillens bei der Absicht grundsätzlich am stärksten ausgeprägt ist.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Für die gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB muss der Täter die Umstände erkennen, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit des Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers ergibt.

Die Voraussetzungen der gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB standen am 15. Februar 2023 im Mittelpunkt des Beschlusses vom Bundesgerichtshof (4 StR 300/22). Der Angeklagte wurde zuvor vom Landgericht Landau wegen gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung verurteilt. In mehreren Punkten zeigten sich Rechtsfehler auf. So auch bezüglich der gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung. Rechtsfehlerfrei wurde festgestellt, dass der Angeklagte den Geschädigten teilweise mittels eines Stuhls und eines Tisches schlug und die Schläge dazu geeignet waren, dessen Leben zu gefährden. Der Bundesgerichtshof führt in seinem Beschluss anschließend aus, dass es neben dem bedingten Verletzungsvorsatz erforderlich ist, dass der Täter die Umstände erkennt, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit des Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers ergibt. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ergibt sich demnach vorliegend nicht, zumal auch der bedingte Tötungsvorsatz abgelehnt wurde, da nicht zu erkennen war, dass der Angeklagte die besondere Gefährlichkeit seiner Handlung im vollem Umfang erkannte.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Bei Verhängung einer Jugendstrafe muss der Erziehungsgedanke berücksichtigt werden.

Was muss bei der Verhängung einer Jugendstrafe beachtet werden? Das beantwortete der Bundesgerichtshof (1 StR 352/22) in seinem Beschluss vom 20. Oktober 2022. Das Landgericht Stuttgart verurteilte den 20-Jährigen Angeklagten zuvor wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und vier Monaten.  Dabei hat das Gericht den Erziehungsgedanken nicht genügend beachtet, stellte der Bundesgerichtshof anschließend fest. Demnach hat es den Umfang des Erziehungsbedarfs beim Angeklagten nicht konkret bestimmt und auch nicht ausreichend begründet, obwohl diesem bei der Verhängung einer Jugendstrafe eine wichtige Bedeutung zukommt.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Der Angeklagte, der seit mehreren Jahren an einer paranoiden Schizophrenie leidet, lebte zuletzt in einem Gebiet, das insbesondere zum Ausführen von Hunden genutzt wird. Da der Angeklagte Angst vor Hunden hat, kam es bereits häufiger zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und den Hundehaltern.

In seinem Beschluss vom 25. Mai 2022 entscheid der Bundesgerichtshof (4 StR 36/22) über das Vorliegen eines Erlaubnistatbestandsirrtums. Der Angeklagte, der seit mehreren Jahren an einer paranoiden Schizophrenie leidet, lebte zuletzt in einem Gebiet, das insbesondere zum Ausführen von Hunden genutzt wird. Da der Angeklagte Angst vor Hunden hat, kam es bereits häufiger zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und den Hundehaltern. In einem Fall forderte er den Geschädigten barsch auf, seinen Hund wieder anzuleinen. Danach besprühte er das Tier mit einem Tierabwehrspray. Daraufhin schlug er den Geschädigten mit einem Stock gegen den Kopf und die Schulter, weil er sich von diesem bedroht fühlte. Das Landgericht Bielefeld nahm in diesem Fall eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB an. Einen Erlaubnistatbestandsirrtum, welcher vorliegt, wenn der Täter über das Vorliegen aller Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes irrt, verneinte es. Demnach habe der Geschädigte den Angeklagten nicht angegriffen und auch habe sich der Angeklagte nicht irrig ein Geschehen vorgestellt, bei dem die Schläge gerechtfertigt wären. Stattdessen habe er das Geschehen krankheitsbedingt fehlinterpretiert. In seinem Beschluss führt der Bundesgerichtshof aus, dass auch ein krankheitsbedingter Irrtum über das Bestehen einer Notwehrlage eine Strafbarkeit wegen vorsätzlichen Handelns entfallen lässt. Daher müsse die krankheitsbedingte Fehlvorstellung des Angeklagten konkretisiert werden.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Ob ein heranwachsender Täter nach Erwachsenenstrafrecht oder nach Jugendstrafrecht verurteilt wird, hängt davon ab, ob er nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichsteht.

Im vorliegenden Beschluss vom 15. Mai 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (2 StR 433/20) mit der Frage beschäftigen, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewandt wird. Im hiesigen Fall wurde der 19-jährige Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung vom Landgericht Gera nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung jedoch nicht stand. Demnach wurden bei der Prüfung und Bewertung der Reife des Angeklagten wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen. Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass es für die Frage, ob der Angeklagte nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichsteht, darauf ankommt, ob er sich noch in einer für Jugendliche typischen Entwicklungsphase befindet. Dafür ist eine Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit notwendig.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Für einen hinterlistigen Überfall muss ein Überraschungsangriff beabsichtigt sein, die wahre Absicht verdeckt und der Überfall gezielt in einer für das Opfer überraschenden Weise durchgeführt werden. Hierfür genügen in der Regel das Entgegentreten mit vorgetäuschter Friedfertigkeit oder ein von Heimlichkeit geprägtes Vorgehen.

In seinem Beschluss vom 15. Dezember 2020 hat sich der Bundesgerichtshof (3 StR 386/20) mit den Voraussetzungen einer gefährlichen Körperverletzung mittels eines hinterlistigen Überfalls befasst. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt bewaffnete sich der Angeklagte heimlich mit einem Messer und ließ sich von der Geschädigten unter einem falschen Vorwand an eine einsame Stelle fahren, um sie zu töten. Auf der Fahrt verhielt er sich friedfertig, um die Geschädigte in Sicherheit zu wiegen. Nachdem die ahnungslose Geschädigte das Auto nach Aufforderung des Angeklagten angehalten hatte, zog dieser das Messer. Die Absicht, die Geschädigte zu töten, hatte der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt aufgegeben. Er wollte sie nunmehr mit dem Tod bedrohen und hierdurch erreichen, dass sie die Beziehung mit ihm fortführt. Hierzu stach er in Richtung ihres Bauch- und Brustbereichs, wobei er Verletzungen der Geschädigten billigend in Kauf nahm. Die Geschädigte erlitt unter anderem einen Schnitt an der Handinnenfläche, weil sie in Panik in die Klinge griff und diese von sich wegdrückte. Der Bundesgerichtshof stellte in seiner Entscheidung fest, dass es sich hierbei nicht nur um eine Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs handelt, sondern auch mittels eines hinterlistigen Überfalls i.S. d. § 224 Abs. 1 Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB). Hinterlistig ist ein Überfall, wenn der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung der wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen. Hierfür genügen in der Regel das Entgegentreten mit vorgetäuschter Friedfertigkeit oder ein mit Heimlichkeit beschaffenes Vorgehen. Der Angeklagte täuschte Friedfertigkeit vor und stellte der Geschädigten eine Falle, indem er sie an einen einsamen Ort führte und sie dort unter einem Vorwand anhalten ließ, um sie mit seinem verborgenen Messer zu töten.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung mittels ausgebauter Einwegrasierklinge

Die Verletzung einer Person mit einer Rasierklinge führt nicht zwingend zu einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung.

In seinem Beschluss vom 10. Februar 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 478/20) damit auseinandersetzen, ob Verletzungshandlungen mit einer Rasierklinge als eine das Leben gefährdende Behandlung gemäß § 224 Nr. 5 StGB gesehen werden können. Im Sachverhalt der Entscheidung des Bundesgerichtshofes hat der Angeklagte im Verlaufe eines Streits einer anderen Person mit einer Einwegrasierklinge in den Gesichts– und Halsbereich geschnitten, wodurch eine oberflächliche Verletzung entstand. Das Landgericht verurteilte ihn dann anschließend wegen gefährlicher Körperverletzung, wogegen er in Revision ging und das Urteil aufgehoben wurde. Das begründete der Bundesgerichtshof damit, dass nicht nur auf die abstrakte Gefährlichkeit, sondern auch auf die konkrete Gefährlichkeit im Einzelfall eingegangen werden muss. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass die Klinge eines Einwegrasierers nur wenige Millimeter breit ist und es schwer ist, mit dieser in den Fingern haltend, ein Leben zu gefährden. Es kann somit nicht von einer gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gesprochen werden.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Eine Zigarette, welche auf der Haut eines Betroffenen ausgedrückt wird, stellt ein gefährliches Werkzeug im Sinne einer gefährlichen Körperverletzung dar.

In seinem Urteil vom 27. September 2001 (4 StR 245/01) setzte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinander, ob eine glühende Zigarette ein gefährliches Werkzeug im Sinne einer gefährlichen Körperverletzung darstellen kann. Wegen gefährlicher Körperverletzung macht sich ein Beschuldigter strafbar, welcher die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs begeht. Ein gefährliches Werkzeug ist jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen. Der Beschuldigte in dem, dem Urteil des BGHs zugrunde liegenden Sachverhalt, drückte eine Zigarette auf der Brust oder dem Arm des Betroffenen aus. Dieser erlitt hierdurch erhebliche Schmerzen und behielt eine Brandwunde zurück. Nach Auffassung des BGHs verwendete der Beschuldigte die Zigarette als gefährliches Werkzeug und machte sich wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar. Maßgebend ist nicht die eingetretene Verletzungsfolge, sondern die potentielle Gefährlichkeit der konkreten Benutzung des Werkzeugs. Diese potentielle Gefährlichkeit ist, wenn eine Zigarette auf der Haut des Betroffenen ausgedrückt wird, schon im Hinblick auf die nicht sicher absehbaren Folgen gegeben.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung mittels eines Kraftfahrzeugs

Wenn ein Kraftfahrzeug als Werkzeug eingesetzt wird, muss die körperliche Misshandlung bereits durch den Anstoß selbst ausgelöst und die Verletzung auf einen unmittelbaren Kontakt zwischen Fahrzeug und Körper zurückzuführen sein.

Wegen Körperverletzung wird gemäß § 223 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft, wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt. Wer die Körperverletzung beispielsweise mittels eines gefährlichen Werkzeugs begeht, wird gemäß § 224 StGB mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Wann auch ein Kraftfahrzeug als ein solches gefährliches Werkzeug eingesetzt werden kann, beschäftigte auch den Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 14. Juli 2020 (4 StR 194/20). Vorliegend hatte der Angeklagte in suizidaler Absicht mit einer Geschwindigkeit von rund 125 km/h eine Frontalkollision mit zwei anderen Kraftfahrzeugen herbeigeführt, wodurch  drei Insassen verletzt wurden. Der Bundesgerichtshof führte in seiner Entscheidung aus, dass es erforderlich ist, dass die Körperverletzung durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel eingetreten ist. Wird ein Kraftfahrzeug als Werkzeug eingesetzt, so müsse die körperliche Misshandlung also bereits durch den Anstoß selbst ausgelöst und die Verletzung auf einen unmittelbaren Kontakt zwischen Fahrzeug und Körper zurückzuführen sein. Verletzungen, die erst durch ein anschließendes Sturzgeschehen oder eine Ausweichbewegung des Tatopfers verursacht worden sind, genügen insoweit nicht. Vorliegend seien die Verletzungen der Insassen der beiden Kraftfahrzeuge aber unmittelbar auf die Frontalkollisionen mit diesen Fahrzeugen zurückzuführen, weshalb eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung keinen rechtlichen Bedenken begegne.