Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

Die Tathandlung beim gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr setzt voraus, dass die Tathandlung über die innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Verkehrssituation geführt hat.

In seinem Beschluss vom 7. Mai 2024 setzte sich der Bundesgerichtshof (4 StR 82/24) mit dem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr auseinander. Der Angeklagte warf eine Gehwegplatte auf das fahrende Auto der Geschädigten, was zu einem Sachschaden von 10.000 € führte. Die Zeugin fuhr zurück zum Angeklagten, der ihr daraufhin mit dem Tod drohte. Das Landgericht Darmstadt würdigte dieses Verhalten unter anderem als gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB. Der BGH entgegnet dem jedoch, dass die Tathandlung beim gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr voraussetzt, dass die Tathandlung über die innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Verkehrssituation geführt hat. Die Gefahrverursachung muss sich auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückführen lassen. Im hiesigen Fall wurde durch den Wurf mit der Gehwegplatte zwar in die Sicherheit des Straßenverkehrs eingegriffen, die Zeugin konnte das Auto jedoch weiterhin sicher beherrschen. Daher kann den getroffenen Feststellungen nicht entnommen werden, dass diese Beschädigung auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückzuführen ist.

Anwalt für Strafrecht: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

Ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB liegt nur dann vor, wenn das Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig eingesetzt wird.

Ob sich der Angeklagte bei seiner Fluchtfahrt vor der Polizei des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315b StGB strafbar gemacht hat, musste der Bundesgerichtshof (4 StR 70/23) in einem Beschluss vom 6. Juni 2023 klären. Der Angeklagte fuhr vor der Polizei davon, begegnete aber auf einem Waldweg einem Polizeiauto, welches ihm entgegenfuhr. Der Polizeibeamte befürchtete eine Kollision zwischen den Fahrzeugen und flüchtete aus dem Auto. Da das Auto immer näher kam entschied er sich dafür, sich über das Einsatzfahrzeug in Sicherheit zu bringen. In diesem Moment kollidierte das Fahrzeug des Angeklagten mit der geöffneten Tür, wodurch der Oberschenkel des Polizeibeamten eingeklemmt wurde. Die Feststellungen reichen für eine Verurteilung des Angeklagten wegen des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht aus. Demnach kann den Urteilgründen nicht entnommen werden, dass der Angeklagte das Fahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig eingesetzt hat. Schon dass er die offene Tür angefahren hat, zeigt, dass er das Einsatzfahrzeug umfahren wollte und somit ein kollisionsfreies Passieren des Autos für möglich hielt und erzielen wollte.

Anwalt für Strafrecht: Beteiligung an einem Kraftfahrzeugrennen

Bei einem Kraftfahrzeugrennen gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB muss ein Wettbewerb zwischen zwei Kraftfahrzeugführern stattfinden, bei dem es darum geht, eine höhere Geschwindigkeit als der andere Teilnehmer zu erreichen. Um die Qualifikation des
§ 315d Abs. 2 StGB zu erfüllen, muss der Teilnehmer durch sein eigenes Fahrverhalten eine konkrete Gefahr verursacht haben.

In seinem Beschluss vom 11. November 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 511/20) mit der Beteiligung an einem Kraftfahrzeugrennen beschäftigen. Im vorliegenden Sachverhalt entschlossen sich der Angeklagte und ein weiterer Angeklagter konkludent darauf, ein spontanes Kraftfahrzeugrennen durchzuführen. Bei einer undurchsichtigen Stelle kollidierte der weitere Angeklagte mit einem anderen Fahrzeug, wodurch einer der Insassen zu Tode kam. Bevor der Unfall geschah, erkannte der Angeklagte, dass der weitere Angeklagte ihn überholen wollte, beschleunigte sein Fahrzeug aber weiter. Vom Landgericht Arnsberg wurde er daraufhin wegen vorsätzlichen schweren verbotenen Kraftfahrzeugrennens verurteilt. Seine Revision erwies sich als unbegründet. Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass es keiner ausdrücklichen Absprache für ein Rennen bedarf, sondern eine konkludente Einigung ausreicht. Außerdem kam es vorliegend zu einem Kräftemessen durch die Motivation der Fahrer, sich übertreffen zu wollen, wodurch der Verlust von Kontrolle in Kauf genommen wird. Zuletzt hat der Angeklagte die konkrete Gefährdung durch sein Fahrverhalten eigenhändig mitverursacht, weshalb auch die Qualifikation des § 315d Abs. 2 StGB vorliegt.

Anwalt für Strafrecht: Gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr

Bei einem vollendeten gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr muss der Eingriff zu einer kritischen Situation geführt haben, sodass es nur noch vom Zufall abhängt, ob jemand verletzt wird.

In seinem Beschluss vom 3. Dezember 2020 hat sich der Bundesgerichtshof (4 StR 371/20) mit der Frage auseinandergesetzt, wann ein gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr nach § 315 Abs. 1 Nr. 2 StGB vorliegt. Im vorliegenden Sachverhalt setzte sich der Beschuldigte auf eine Bahnsteigkante, wodurch seine Beine in das Gleisbett ragten. Als eine Bahn herannahte, musste der Stadtbahnführer eine Gefahrenbremsung durchführen. Durch eine Warnung seinerseits wurde niemand der Fahrgäste verletzt. Daraufhin ordnete das Landgericht Hannover eine Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Die Revision des Beschuldigten führte zur Aufhebung des Urteils. Die Gefahrenbremsung genügt nicht den Anforderungen zur Darlegung einer konkreten Gefahr für die körperliche Integrität der Insassen im Sinne des § 315 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Es ist somit zu keinem Beinahe-Unfall gekommen.

Anwalt für Verkehrsstrafrecht: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

Ein Betriebsgelände ist ein Teil des Straßenverkehrs im Sinne eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, wenn es der Allgemeinheit und nicht nur einem durch persönliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis zugänglich ist.

Eine Strafbarkeit des Beschuldigten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr setzt voraus, dass der Beschuldigte die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt. Straßenverkehr bezieht sich auf öffentlichen Verkehrsraum. Ein Verkehrsraum ist dann öffentlich, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird. Dem Bundesgerichthof stellte sich im Zuge dessen in seinem Urteil vom 4. Februar 2004 (4 StR 377/03) die Frage, wann ein Betriebsgelände öffentlicher Verkehrsraum ist. Der Beschuldigte fuhr auf dem Betriebsgelände seiner Arbeitsstätte Richtung Ausfahrt. Als seine Ehefrau die Fahrbahn überqueren wollte entschloss er sich spontan diese anzufahren. Der Beschuldigte fuhr in Kenntnis der möglichen tödlichen Folgen seines Verhaltens von hinten auf seine Frau auf. Im Zuge dessen führte der Bundesgerichtshof aus, dass Betriebsgelände einen öffentlichen Verkehrsraum darstellen können. Ist ein Betriebsgelände der Allgemeinheit, d. h. einem nicht durch persönliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis, zugänglich, sind die darauf befindlichen Verkehrsflächen öffentlicher Verkehrsraum.

Anwalt für Verkehrsstrafrecht: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

Das absichtliche Herbeiführen eines Auffahrunfalls stellt ein Hindernisbereiten im Sinne eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr dar.

Wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr macht sich ein Beschuldigter strafbar, welcher die Sicherheit des Straßenverkehres dadurch beeinträchtigt, dass er Hindernisse bereitet und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet. Der Bundesgerichthof befasste sich in seinem Beschluss vom 25. Januar 2012 (4 StR 507/11) damit, inwiefern das Herbeiführen eines Auffahrunfalls das Bereiten eines Hindernisses darstellt. Die Beschuldigten bremsten auf öffentlichen Straßen unvermittelt vor fremden Fahrzeugen ab, um Auffahrunfälle herbeizuführen. Hiermit wurde bezweckt, die Haftpflichtversicherungen der Betroffenen bezüglich der entstandenen Schäden unberechtigt in Anspruch zu nehmen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs stellt die absichtliche Herbeiführung eines Auffahrunfalls das Bereiten eines Hindernisses dar. Ein Hindernis bereiten ist jede Einwirkung, die dazu geeignet ist, den reibungslosen Verkehrsablauf zu hemmen oder zu gefährden.

Fachanwalt für Strafrecht: Verbotenes Kraftfahrzeugrennen

Allein die Beobachtung eines Zeugen, dass Fahrzeuge mit „radierenden“ Reifen anfahren und dabei starke Motorgeräusche entstehen, rechtfertigt keine Verurteilung wegen der Teilnahme an einem verbotenen Rennen.

Seit dem 1. Oktober 2017 stellen Rennen mit Kraftfahrzeugen nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat dar. Dass tatsächlich ein Rennen stattgefunden hat, das auf die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten ausgerichtet ist, muss allerdings zur Überzeugung des Gerichts feststehen.

Nach einer Entscheidung des Kammergerichts (Aktenzeichen 3 Ws (B) 87/17) reicht für die Feststellung eines Rennens nicht aus, wenn Zeugen bekunden, zwei Fahrzeuge seien nebeneinander mit „radierenden“ Reifen angefahren und es seien beim Beschleunigen laute Motorgeräusche entstanden. Denn das Anfahren mit radierenden Reifen kann nach Ausführungen des Kammergerichts auch lediglich ein Imponiergehabe darstellen, welches häufig ohne die Absicht eines Kraftfahrzeugrennens betrieben wird. Will ein Gericht ein Rennen allein auf Schätzungen von Zeugen zu der Geschwindigkeit stützen, müsse es zumindest darlegen, worauf diese Schätzungen beruhen. Dies hatte das Amtsgericht Tiergarten bei seiner Verurteilung nicht getan.

Anwalt für Verkehrsrecht: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

Für Strafbarkeit wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr muss der Beschuldigte einen Beinahe-Unfall verursacht haben. Um einen solchen zu belegen genügt es nicht, dass festgestellt wird, dass das betroffene Fahrzeug in weniger als 50 Metern Entfernung auswich und dass der betroffene Fahrer Fahrfehler hätte begehen können. Insbesondere ist durch das Gericht zu ermitteln in welchem Abstand sich die Fahrzeuge passierten.

Für einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, muss der Beschuldigte eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeiführen. Diese abstrakte Gefahrenlage muss sich zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder einer Sache von bedeutendem Wert verdichtet haben. Es muss ein sogenannter  „Beinahe Unfall“ vorgelegen haben. Hierfür muss die Tathandlung, über die dieser innewohnenden Gefährlichkeit hinaus, zu einer kritischen Situation geführt haben, in welcher die Sicherheit einer Person oder Sache derart beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob die Person verletzt oder die Sache beschädigt wird. Der Bundesgerichtshof befasste sich in seinem Beschluss vom 30. Juni 2015 (4 StR 188/15) damit, welche Sachverhaltsangaben das Gericht zum Belegen eines Beinahe-Unfalls ermitteln muss. Der Beschuldigte floh vor einer Polizeistreife. Diese alarmierte eine weitere Streife, welche sich, um den fliehenden Beschuldigten an der Flucht zu hindern, an einer Autobahnauffahrt quer zur Fahrbahn stellte. Hierdurch wurde die Fahrbahn so blockiert, dass ein Durchfahren nicht möglich war. Der Beschuldigte beschleunigte, als er den quer stehenden Streifenwagen erblickte und machte keine Anstalten zu bremsen. Als der Beschuldigte weniger als 50 Meter von der Streife entfernt war setzte diese zurück und ließ ihn mit hoher Geschwindigkeit passieren. Das Landgericht sah hierin einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs machte sich der Beschuldigte dessen jedoch nicht des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar. Die Angabe, die Streife hätte in weniger als 50 Metern Abstand zurückgesetzt, genügt nicht, um einen Beinahe-Unfall anzunehmen. Vielmehr hätte es noch Angaben zu den Abständen, in welchen der Beschuldigte die Streife mit überhöhter Geschwindigkeit passierte, bedurft. Auch die Angabe des Landgerichts, es bestand die Möglichkeit, dass der Polizeibeamte einen Fahrfehler macht, genügt zur Begründung eines Beinahe-Unfalls nicht. Die Möglichkeit eines Fahrfehlers muss genauer belegt werden, besonders wenn der fahrende Polizeibeamte durch die verfolgende Streife vorgewarnt war.

Anwalt Verkehrsstrafrecht: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr durch Schüsse auf Fahrzeuge

Wenn der Beschuldigte Schüsse auf Fahrzeuge im Straßenverkehr abgibt, so macht er sich nicht wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar, wenn sich nicht vorstellt und zumindest billigend in Kauf nimmt, durch die Schüsse einen beinahe Unfall zu verursachen.

Für die Strafbarkeit wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr muss der Beschuldigte vorsätzlich handeln. Ein entsprechender Vorsatz liegt vor, wenn nach der Vorstellung des Beschuldigten die konkrete Gefahr für die Schutzgüter, beim gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückzuführen ist. In seinem Urteil vom 4. Dezember 2014 (4 StR 213/14) befasste sich der Bundesgerichtshof mit den Voraussetzungen an den Vorsatz beim gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr durch Schüsse auf Fahrzeuge. Der Beschuldigte schoss im entsprechenden Sachverhalt in mehreren Fällen auf LKWs und Wohnanhänger. Nach der Vorstellung des Angeklagten kam es hierbei nie zu kritischen Verkehrssituationen. Der Bundesgerichthof sieht hierin keinen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Die entsprechende Vorstellung des Beschuldigten über die Schutzgütergefährdung durch die im Straßenverkehr typischen Fortbewegungskräfte fehlt, wenn der entstandene Schaden alleine auf die auftreffenden Projektile zurückzuführen ist. Der Beschuldigte hätte sich zumindest vorstellen und billigen müssen, durch die Schüsse einen beinahe Unfall zu verursachen.