Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Versuchter Mord

Wenn keine konkrete Lebensgefährlichkeit der Tatausführung besteht, die einen bedingten Tötungsvorsatz nahe legt, muss eine umfassende Gesamtwürdigung aller für und gegen einen Tötungsvorsatz sprechenden Umstände vorgenommen werden.

Die Abgrenzung zwischen bedingtem Tötungsvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit ist nicht unproblematisch. In seinem Beschluss vom 10. Mai 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (5 StR 28/22) mit dieser Thematik befasst. Die Angeklagte, die vom Beruf Krankenschwester ist, verabreichte ihrer Tochter in einem Krankenhaus ein nicht für Kinder zugelassenes Schlafmittel sowie weitere Medikamente in einer lebensgefährlichen Dosis. Für das Kind bestand keine akute Lebensgefahr, da die Substanzen sich im Körper wieder abbauten. Das Landgericht Hamburg verurteilte die Angeklagte unter anderem wegen versuchten Mordes. Der Bundesgerichtshof erwiderte dem jedoch, dass eine umfassende Gesamtwürdigung aller für und gegen einen Tötungsvorsatz sprechenden Umstände vorgenommen werden muss, wenn keine konkrete Lebensgefährlichkeit der Tatausführung besteht. So wurde unter anderem nicht in die Entscheidung mit einbezogen, dass sich die Angeklagte bis zur Tat liebevoll und fürsorglich um ihre Kinder kümmerte.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Ein Mord aus niedrigen Beweggründen ist anzunehmen, wenn die Beweggründe nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders verachtenswert sind.

In seinem Beschluss vom 14. Juni 2023 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 399/22) mit dem Mord aus niedrigen Beweggründen auseinandersetzen. Nach dem vorliegenden Sachverhalt quälte und verletzte der Angeklagte den zweijährigen Sohn seiner Lebensgefährtin über Wochen hinweg. An einem Tag trat er den auf dem Rücken liegenden Jungen kräftig in den Bauch. Am folgenden Abend verstarb das Kind. Das Landgericht Ellwangen lehnte einen Mord aus niedrigen Beweggründen ab und verurteilte den Angeklagten unter anderem wegen Totschlags. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes hält die Verneinung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe mit der vom Landgericht abgegebenen Begründung sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Demnach wurden die früheren Misshandlungen bei der Gesamtbetrachtung nicht ausreichend berücksichtigt. Die festgestellte Gleichgültigkeit gegenüber den Befindlichkeiten des Kindes hätte in Bezug zu dem Tritt in den Bauch gesetzt werden müssen.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Bei der Tötung eines Säuglings kommt es bei der Feststellung der Heimtücke auf die Arg- und Wehrlosigkeit eines im Hinblick auf das Kind schutzbereiten Dritten an.

Inwiefern das Merkmal der Heimtücke bei der Tötung eines Säuglings zu bewerten ist, hat der Bundesgerichtshof (6 StR 231/23) in seinem Beschluss vom 12. Juli 2023 beantwortet. Die Angeklagte tötete ihr drei Monate altes Baby, während sich ihr Ehemann etwa 360 Meter von dem Gebäude entfernt befand. Das Landgericht Schweinfurt würdigte dies als Mord und nahm das Mordmerkmal der Heimtücke an. Der Bundesgerichtshof führt daraufhin aus, dass das Landgericht die Heimtücke zwar korrekterweise auf den Ehemann abgestellt hat, da ein Kind in dem Alter noch nicht zu Argwohn und Gegenwehr fähig ist. Jedoch verneint der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall trotzdem die Heimtücke. Der schutzbereite Dritte muss demnach den Umständen nach auch den Schutz wirksam erbringen können. Aufgrund der erheblichen räumlichen Entfernung liegt es jedoch nach den getroffenen Feststellungen fern, dass der Ehemann zum Zeitpunkt des Angriffs ein schutzbereiter Dritter war.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Die Art der Tatausführung darf nur dann uneingeschränkt strafschärfend berücksichtigt werden, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar ist.

Inwieweit die Art der Tatausführung strafschärfend berücksichtigt werden kann, wenn der Angeklagte gemäß § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig ist, hat der Bundesgerichtshof (6 StR 35/23) in seinem Beschluss vom 22. Februar 2023 entschieden. Der alkoholisierte Angeklagte trat dem Geschädigten mehrmals mit voller Wucht gegen den Kopf bzw. Oberkörper. Das Landgericht Nürnberg-Führt berücksichtigte bei seinem Urteil die Brutalität des Vorgehens strafschärfend. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch klar, dass die Art der Tatausführung einem Angeklagten nur dann uneingeschränkt strafschärfend zur Last gelegt werden darf, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar ist. Nicht jedoch, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenen geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt. Auch bei einem erheblich vermindert schuldfähigen Täter ist zwar Raum für eine strafschärfende Berücksichtigung, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Die Vorstellungen des Täters sind entscheidend, um zu beurteilen, ob es sich um einen unbeendeten oder beendeten Versuch handelt.

Ob sich der Angeklagte wegen Totschlags strafbar gemacht hat oder ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch vorliegt, musste der Bundesgerichtshof (3 StR 32/23) in seinem Beschluss vom 31. Mai 2023 entscheiden. Der Angeklagte schnitt in einer Wohnung eine Person über die rechte Halsseite und stach auf zwei weitere ein. Zwei Geschädigte verließen daraufhin das Haus und die weitere geschädigte Person brach im Bad zusammen. Das Landgericht Düsseldorf sah in zwei dieser Fälle einen versuchten Totschlag als einschlägig an. Der Bundesgerichtshof merkt jedoch in seinem Beschluss an, dass das Landgericht den strafbefreienden Rücktritt nicht beachtet hat. Das Landgericht hätte demnach untersuchen müssen, ob ein strafbefreiender Rücktritt von den versuchten Taten gem. § 24 Abs. 1 StGB vorliegt. Der angegebene Sachverhalt belegt nicht, dass die Versuche fehlgeschlagen waren und schließen vor allem nicht aus, dass der Angeklagte freiwillig vom unbeendeten Versuch zurücktrat. Für die Beurteilung, ob es sich um einen unbeendeten oder beendeten Versuch handelt, ist die Vorstellung des Täters maßgeblich.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt (§ 24 Abs. 1 S. 1 StGB)

In seinem Beschluss vom 14. Februar 2023 hat sich der Bundesgerichtshof (4 StR 442/22) mit dem Rücktritt beschäftigt und dabei genauer den Punkt der Freiwilligkeit in den Blick genommen. Der Angeklagte im hiesigen Fall stalkte die Geschädigte für mehrere Jahre, nachdem sie 2018 mit ihm Schluss gemacht hatte. Als er sie Ende 2021 mit dem Auto verfolgte, zeigte sie ihm den Mittelfinger, weswegen er anschließend in Wut geriet und in ihr stehendes Auto frontal hereinfuhr. Daraufhin stieg er aus dem Auto aus und stach mit einer Machete mehrmals in Richtung ihres Oberkörpers. Erst als die Geschädigte ihm zurief, dass er an ihren Sohn denken solle, wurde der Angeklagte aus seinem Erregungszustand herausgerissen und hörte mit dem Angriff auf.

Das Landgericht Mosbach lehnte einen Rücktritt ab, da der Angeklagte durch die Schreie der Geschädigten unter Schock stand und die Tat nicht weiter fortführen konnte. Daher hat er die Tatausführung nicht freiwillig abgebrochen. Der Bundesgerichtshof ist von den Ausführungen des Landgerichts jedoch nicht überzeugt. Ein freiwilliger Rücktritt kann auch dann vorliegen, wenn seelische Erschütterung oder Mitleid die Wiederkehr der Steuerungsfähigkeit bewirken. Von den aufgezeigten Punkten kann demnach nicht auf ein psychisches Unvermögen zum Weiterhandeln geschlossen werden. Stattdessen könnte dem Angeklagten nach dem Ende seines Erregungszustandes auch die Unrichtigkeit seines Verhaltens klar geworden sein.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Wenn der Täter von Beginn an mit Tötungsvorsatz handelt, liegt ein Mord aus Verdeckungsabsicht nicht vor, da es and der erforderlichen „anderen“ Straftat fehlt.

Wann ein Mord aus Verdeckungsabsicht vorliegt, hat sich der Bundesgerichtshof (2 StR 462/21) in seinem Beschluss vom 15. März 2023 gefragt. Die Angeklagte im hiesigen Fall vernachlässigte ihre Tochter ab ihrem 2. Lebensjahr, was in Entwicklungsrückständen resultierte. Ab August 2020 erkannte die Angeklagte, dass der Zustand ihrer Tochter lebensbedrohlich war. Aus Sorge, dass die Mangelversorgung behördenbekannt werden und ihr dadurch das erwartete Kind entzogen werden könnte, nahm sie den Tod ihrer Tochter billigend in Kauf. Erst Ende August wurde die Tochter durch das vom Kindergarten eingeschaltete Jugendamt zu einem Kinderarzt und von dort aus ins Krankenhaus gebracht. Das Landgericht Köln verurteilte die Angeklagte wegen dieser Tat unter anderem wegen versuchten Mordes und nahm dabei die Mordmerkmale Grausamkeit und Verdeckungsabsicht an. Demnach handelte die Angeklagte spätestens ab Anfang August 2020 in der Absicht, die vorausgegangene Misshandlung ihrer Tochter zu verdecken. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes wurde die Verdeckungsabsicht jedoch nicht rechtsfehlerfrei belegt. Wenn der Täter von Beginn an mit Tötungsvorsatz handelt, kann ein Verdeckungsmord demnach nicht festgestellt werden, da es an der erforderlichen „anderen“ Straftat fehlt. Im vorliegenden Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein bedingter Tötungsvorsatz auch schon zu einem früheren Zeitpunkt vorlag.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Ein heimtückisches Vorgehen kann auch in der Vorbereitung der Tat liegen.

In seinem Beschluss vom 24. Mai 2023 musste sich der Bundesgerichtshof (2 StR 320/22) erneut mit der Heimtücke, einem der Mordmerkmale, beschäftigen. Der Angeklagte im vorliegenden Fall führte eine außereheliche Beziehung zur später Getöteten. Als diese die Beziehung mit ihm beenden wollte, holte er eine Schusswaffe aus dem Keller seiner Ehefrau und fuhr mit der Geschädigten an einen abgelegenen Ort. Dort schoss er ihr zwei Mal in den Kopf, wodurch sie an Ort und Stelle noch verstarb. Das Landgericht Köln stellte im hiesigen Fall eine Strafbarkeit wegen Totschlags fest. Der Bundesgerichtshof wies in seinem Beschluss aber darauf hin, dass die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Heimtücke abgelehnt hat, rechtsfehlerhaft sind. Dabei führt er aus, dass ein heimtückisches Vorgehen auch in der Vorbereitung liegen kann und der Täter die Tat hier vorher geplant hat. Außerdem hätte sich das Landgericht damit auseinandersetzen müssen, ob die Geschädigte bei einer Bedrohung vor der Tötung überhaupt eine Möglichkeit zur Flucht oder Verteidigung hatte.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Direkter Vorsatz kann als strafschärfend berücksichtigt werden.

Ob Absicht als straferhöhend gewertet werden kann, hat der Bundesgerichtshof (3 StR 73/23) in seinem Beschluss vom 4. April 2023 entschieden. Nach einer Prügelei wurde dem Angeklagten  vom Landgericht Duisburg strafschärfend zur Last gelegt, dass er mit Absicht handelte. Der Bundesgerichtshof bestätigte die Annahme, dass der dolus directus 1. Grades in der Strafzumessung  (§ 46 StGB) strafschärfend bewertet werden kann, da die kriminelle Intensität des Täterwillens bei der Absicht grundsätzlich am stärksten ausgeprägt ist.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Für die gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB muss der Täter die Umstände erkennen, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit des Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers ergibt.

Die Voraussetzungen der gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB standen am 15. Februar 2023 im Mittelpunkt des Beschlusses vom Bundesgerichtshof (4 StR 300/22). Der Angeklagte wurde zuvor vom Landgericht Landau wegen gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung verurteilt. In mehreren Punkten zeigten sich Rechtsfehler auf. So auch bezüglich der gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung. Rechtsfehlerfrei wurde festgestellt, dass der Angeklagte den Geschädigten teilweise mittels eines Stuhls und eines Tisches schlug und die Schläge dazu geeignet waren, dessen Leben zu gefährden. Der Bundesgerichtshof führt in seinem Beschluss anschließend aus, dass es neben dem bedingten Verletzungsvorsatz erforderlich ist, dass der Täter die Umstände erkennt, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit des Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers ergibt. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ergibt sich demnach vorliegend nicht, zumal auch der bedingte Tötungsvorsatz abgelehnt wurde, da nicht zu erkennen war, dass der Angeklagte die besondere Gefährlichkeit seiner Handlung im vollem Umfang erkannte.