Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Bei Verhängung einer Jugendstrafe muss der Erziehungsgedanke berücksichtigt werden.

Was muss bei der Verhängung einer Jugendstrafe beachtet werden? Das beantwortete der Bundesgerichtshof (1 StR 352/22) in seinem Beschluss vom 20. Oktober 2022. Das Landgericht Stuttgart verurteilte den 20-Jährigen Angeklagten zuvor wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und vier Monaten.  Dabei hat das Gericht den Erziehungsgedanken nicht genügend beachtet, stellte der Bundesgerichtshof anschließend fest. Demnach hat es den Umfang des Erziehungsbedarfs beim Angeklagten nicht konkret bestimmt und auch nicht ausreichend begründet, obwohl diesem bei der Verhängung einer Jugendstrafe eine wichtige Bedeutung zukommt.

Anwalt für Strafrecht: Nötigung

Für eine Nötigung können auch frühere Drohungen relevant werden, wenn sie in der Tatgegenwart eine fortwirkende Drohwirkung entfalten.

In seinem Beschluss vom 8. März 2023 hat sich der Bundesgerichtshof (6 StR 378/22) mit der Nötigung auseinandergesetzt. Im hiesigen Sachverhalt betreute der Angeklagte, der als Hochschullehrer an einer Universität tätig war, die aus Vietnam stammende Geschädigte. Die Geschädigte war durch ein gefördertes Promotionsvorhaben an der Universität und sprach nur unzureichend Deutsch. Bei mehreren Treffen drohte der Angeklagte ihr mit der Beendigung der Zusammenarbeit, wenn sie sich nicht von ihm auf ihr Gesäß schlagen lässt. Bei weiteren Treffen forderte er sie erneut auf, ihr Gesäß zu entblößen, um sie zu schlagen, drohte ihr dort aber nicht mit der Beendigung der Zusammenarbeit. Das Landgericht Göttingen wertete die Fälle ohne explizite Drohung nicht als Nötigung. Der Bundesgerichtshof verweist in seinem Beschluss jedoch auf die nicht in Blick genommene mögliche konkludente Drohung. Demnach können auch frühere Drohungen eine in die Tatgegenwart fortwirkende Drohwirkung entfalten. So kann im Einzelfall auch das ausnutzen einer „Drohkulisse“ ausreichen, wenn durch eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Täters eine finale Verknüpfung mit dem Nötigungserfolg hergestellt und dies vom Opfer als Drohung empfunden wird.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Der Angeklagte, der seit mehreren Jahren an einer paranoiden Schizophrenie leidet, lebte zuletzt in einem Gebiet, das insbesondere zum Ausführen von Hunden genutzt wird. Da der Angeklagte Angst vor Hunden hat, kam es bereits häufiger zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und den Hundehaltern.

In seinem Beschluss vom 25. Mai 2022 entscheid der Bundesgerichtshof (4 StR 36/22) über das Vorliegen eines Erlaubnistatbestandsirrtums. Der Angeklagte, der seit mehreren Jahren an einer paranoiden Schizophrenie leidet, lebte zuletzt in einem Gebiet, das insbesondere zum Ausführen von Hunden genutzt wird. Da der Angeklagte Angst vor Hunden hat, kam es bereits häufiger zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und den Hundehaltern. In einem Fall forderte er den Geschädigten barsch auf, seinen Hund wieder anzuleinen. Danach besprühte er das Tier mit einem Tierabwehrspray. Daraufhin schlug er den Geschädigten mit einem Stock gegen den Kopf und die Schulter, weil er sich von diesem bedroht fühlte. Das Landgericht Bielefeld nahm in diesem Fall eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB an. Einen Erlaubnistatbestandsirrtum, welcher vorliegt, wenn der Täter über das Vorliegen aller Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes irrt, verneinte es. Demnach habe der Geschädigte den Angeklagten nicht angegriffen und auch habe sich der Angeklagte nicht irrig ein Geschehen vorgestellt, bei dem die Schläge gerechtfertigt wären. Stattdessen habe er das Geschehen krankheitsbedingt fehlinterpretiert. In seinem Beschluss führt der Bundesgerichtshof aus, dass auch ein krankheitsbedingter Irrtum über das Bestehen einer Notwehrlage eine Strafbarkeit wegen vorsätzlichen Handelns entfallen lässt. Daher müsse die krankheitsbedingte Fehlvorstellung des Angeklagten konkretisiert werden.

Anwalt für Strafrecht: Minder schwerer Fall des Totschlags

Ein Merkmal des minder schweren Falls des Totschlags ist, dass der Täter zur Tat hingerissen wurde. War der Täter bereits vor der Provokation zur Tat entschlossen, liegt diese Voraussetzung nicht vor.

In seinem Beschluss vom 10. Februar 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (1 StR 508/21) mit dem minder schweren Fall des Totschlags befasst. Im Sachverhalt, der dem Beschluss zugrunde liegt, gingen der Angeklagte und ein weiterer Freund auf den Geschädigten zu, um eine vorausgegangene Auseinandersetzung fortzuführen. Dafür nahm der Angeklagte ein 32 cm langes Küchenmesser mit. Als der Angeklagte mit dem Geschädigten aufeinander traf, schlug der Geschädigte dem Angeklagten sofort ins Gesicht. Im Anschluss daran versetzte der Angeklagte dem Geschädigten mit dem Messer einen tödlichen Stich in die linke Oberkörperseite. Das Landgericht München verurteilte den Angeklagten daraufhin wegen Totschlags. Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Beschluss jedoch fest, dass sich die Erwägungen, mit denen der minder schwere Fall des Totschlags nach § 213 Alt. 1 StGB verneint wurden, sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft erweisen. Demnach kommt es bei dem Merkmal „auf der Stelle zu Tat hingerissen“ auf den motivationspsychologischen Zusammenhang zwischen der Misshandlung oder Beleidigung durch das Opfer und der Körperverletzungshandlung des Täters an. Wenn der Täter bereits vor der Provokation zur Tat entschlossen war, liegt kein Fall des § 213 StGB vor. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass der Umstand, dass der Angeklagte damit rechnete, angegriffen zu werden und daher das Messer mitnahm, nicht belegen, dass er es in jedem Fall mit Tötungsvorsatz verwenden wollte.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Niedrig ist ein Beweggrund, der nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist.

In seinem Beschluss vom 6. Dezember 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 479/22) mit dem Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe beschäftigen. Der Angeklagte im hiesigen Fall versuchte, mit mehreren Messerstichen seine Ex-Freundin heimtückisch zu töten. Das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe lehnte das Landgericht Kiel unter anderem mit der Erwägung ab, dass die Trennung von der Geschädigten ausging und das dem Angeklagten unmissverständlich deutlich machte, dass ihre Beziehung zu Ende sei. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch klar, dass der Umstand, dass die Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, für sich gesehen kein gegen die Annahme niedriger Beweggründe sprechendes Indiz darstellt. Weiterhin führt er aus, dass die legitime Inanspruchnahme des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben keine derartige Relevanz für die sozialethische Bewertung des Tötungsmotiv haben kann.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Ein bedingter Tötungsvorsatz liegt zwar bei gefährlichen Gewalthandlungen nahe, trotzdem muss eine umfassende Prüfung durchgeführt werden.

In seinem Beschluss vom 13. Oktober 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (2 StR 327/22) mit dem bedingten Tötungsvorsatz auseinandergesetzt. Der Angeklagte im vorliegenden Fall, der unter einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und einer psychischen und Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch leidet, tötete unter Alkoholeinfluss den Geschädigten nach einer Auseinandersetzung. Im Verlaufe dieser stach der Angeklagte dem Geschädigten mit einem Küchenmesser in den Hals und nahm seinen Tod  nach Auffassung des Landgerichts Frankfurt am Main billigend in Kauf. Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Beschluss daraufhin jedoch klar, dass es bei gefährlichen Gewalthandlungen zwar nahe liegt, dass der Täter mit der Möglichkeit, das Opfer könne dabei zu Tode kommen, rechnet und das in Kauf nimmt, jedoch ist auch in so einem Fall eine umfassende Prüfung beider Elemente des bedingten Tötungsvorsatzes erforderlich.

Anwalt für Strafrecht: versuchter Totschlag

Für die Freiwilligkeit beim Rücktritt ist das Vorstellungsbild des Täters, noch weitere Ausführungshandlungen ausführen zu können, entscheidend.

Wann ein strafbefreiender Rücktritt noch möglich ist, musste der Bundesgerichtshof (1 StR 330/22) in seinem Beschluss vom 16. November 2022 entscheiden. Im hiesigen Fall hat der obdachlose Angeklagte ein hochwertiges Fahrrad gestohlen. Als er danach vom Eigentümer gestellt worden war, holte er ein Messer aus seiner Bauchtasche und stach damit einen hinzukommenden Passanten 2 Mal in Richtung des Bauches. Der Angeklagte folgte dem wegrennenden Geschädigten mit dem Messer, kehrte dann aber um, um seine zurückgebliebenen Sachen zu sichern. Das Landgericht Ulm ist von einem fehlgeschlagenen Tötungsversuch ausgegangen und lehnte einen Rücktritt hab. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch in seinem Beschluss fest, dass sich die Verneinung eines strafbefreiendes Rücktritts als rechtsfehlerhaft erweist, da keine hinreichenden Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung getroffen wurden. Es erscheint demnach nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte nach seinem Vorstellungsbild den weglaufenden Zeugen noch hätte einholen können, was für die Freiwilligkeit des Rücktritts entscheidend ist. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Es ist nicht geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für die keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen.

In seinem Beschluss vom 25. Januar 2023 beschäftigte sich der Bundesgerichtshof (6 StR 163/22) mit dem möglichen Vorliegen von Mordmerkmalen. Im hiesigen Fall trennte sich die Nebenklägerin vom Angeklagten und zog mit der gemeinsamen Tochter aus dem Haus aus. Jedes zweite Wochenende wohnte die Tochter nach der Trennung beim Angeklagten. An einem dieser Wochenenden drückte der Angeklagte die gemeinsame Tochter mit Tötungsabsicht in die gefüllte Badewanne, sodass sie das Bewusstsein verlor. Daraufhin würgte er sie, bis der Tod des Kindes eintrat und unternahm anschließend einen Suizidversuch. Der Angeklagte wurde vom Landgericht Cottbus für diese Tat wegen Totschlags verurteilt. Die Ablehnung der Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe begegnen jedoch nach Auffassung des Bundesgerichtshofes durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Demnach sei die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte dem Tatopfer möglicherweise offen feindselig gegenübergetreten sei, ausschließlich spekulativ. Wenn sich eine Annahme jedoch nur als spekulativ erweist, kann sie auch nicht als Folge des Zweifelssatzes zu Gunsten des Angeklagten den Urteilsfeststellungen zu Grunde gelegt werden. Folglich halten die Erwägungen, mit denen die Voraussetzungen der Heimtücke verneint wurden, rechtlicher Prüfung nicht stand. Bezüglich der Ablehnung der niedrigen Beweggründe führt der Bundesgerichtshof aus, dass ein im vorliegenden Fall naheliegendes Motiv sei, dass der Angeklagte seine Ex-Frau durch die Tötung des Kindes bestrafen wollte. Dieses Motiv würde zum Vorliegen von niedrigen Beweggründen führen, womit sich das Landgericht jedoch nicht ausreichend beschäftigt hat.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel erfasst die „schlichte“ Mehrfachtötung nicht.

In seinem Beschluss vom 10. November 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 192/22) mit dem Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel beschäftigen. Der Angeklagte im vorliegenden Fall fuhr mit seinem Auto in die Menschenmenge des Rosenmontagszugs, um eine möglichst große Anzahl von Personen zu töten. Verletzt wurden dabei über 80 Personen. Das Landgericht Kassel verurteilte den Angeklagten daraufhin unter anderem wegen versuchten Mordes in 89 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen. Als Mordmerkmal stellte das Landgericht die Heimtücke und die Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel fest. Auch der Bundesgerichtshof stellte klar, dass diese im hiesigen Fall vorliegen, erörterte jedoch genauer das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel und grenzte es von der Mehrfachtötung ab. Demnach ist das Mordmerkmal erfüllt, wenn der Täter ein Tötungsmittel einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil der die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Das Mordmerkmal umfasst jedoch nicht die Mehrfachtötung, die vorliegt, wenn sich der Täter mit Tötungsabsicht gegen eine Mehrzahl von ihm individualisierter Opfer richtet und dabei keine Zufallsopfer in Kauf genommen werden. Der Angeklagte im hiesigen Fall hatte nach Auffassung des Bundesgerichtshof insbesondere keine Kontrolle darüber, welche der Personen durch umherfliegende Gegenstände in Lebens- und Lebensgefahr geraten würden, sodass das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel hier einschlägig ist.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Für die Annahme eines besonders schweren Falls des Totschlags muss das in der Totschlagstat zum Ausdruck kommende Verschulden des Täters so außergewöhnlich groß sein, dass die Ahndung aus dem Normalstrafrahmen von bis zu 15 Jahren nicht mehr ausreicht.

Der Bundesgerichtshof (4 StR 95/21) musste sich in seinem Beschluss vom 14. Oktober 2021 mit dem besonders schweren Fall des Totschlags nach § 212 Abs. 2 StGB auseinandersetzen. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt quälte der Angeklagte den Geschädigten ohne eine Tötungsabsicht, bis er ihn mit dem Standfuß einer Lampe  zweimal mit Tötungsabsicht auf die Stirn schlug. An diesen Schlägen verstarb der Geschädigte später. Das Vorliegen eines Mordmerkmals wurde vom Landgericht Bochums verneint. Die Staatsanwaltschaft  beanstandete mit einer Sachrüge, dass das Schwurgericht einen schweren Fall des Totschlags in den Urteilsgründen nicht ausdrücklich erwähnt hat. Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Beschluss fest, dass es keinen durchgreifenden Erörterungsmangel darstellt, dass das Landgericht sich nicht mit dem Vorliegen eines besonders schweren Falls des Totschlags beschäftigt hat. Demnach war das Verhalten des Angeklagten vor den tödlichen Schlägen nach Feststellungen des Landgerichts nicht von einem Tötungsvorsatz umfasst und diente auch nicht der Vorbereitung der Tötung des Geschädigten. Somit war die Brutalität kein Umstand, der unmittelbar die Totschlagstat charakterisierte und war für das Vorliegen des § 212 Abs. 2 StGB nur von untergeordneter Bedeutung.