Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Versuchter Totschlag

Bei der Bewertung der Notwehr muss auch die Schnelligkeit des Kampfgeschehens berücksichtigt werden.

In seinem Beschluss vom 4. August 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (5 StR 175/22) mit der Notwehr nach § 32 StGB auseinandergesetzt. Im hiesigen Sachverhalt kam es zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger zu einer Auseinandersetzung, nachdem der Nebenkläger den Angeklagten aufsuchte, um ihn in einem Faustkampf zu verprügeln. Während der Nebenkläger sein Vorhaben in die Tat umsetzte, holte der Angeklagte ein Messer heraus und stach damit 6 Mal zu, sodass der Nebenkläger intensivmedizinisch versorgt werden musste. Daraufhin wurde der Angeklagte wegen versuchten Totschlags verurteilt. Eine Notwehr verneinte das Landgericht Hamburg, wofür unter anderem die Vielzahl und die Intensität der zugefügten Messerstiche als Begründung aufgezählt wurden. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch fest, dass die Ablehnung der Notwehr rechtlicher Überprüfung nicht standhält. Demnach findet die Annahme, dass es dem Angeklagten möglich gewesen wäre, das Messer auf weniger gefährliche Art und Weise einzusetzen, im Urteil keine Stütze, da das Kampfgeschehen als hochdynamisch beschrieben wurde. Eine Notwehr ist mit den getroffenen Feststellungen und der vorliegenden Begründung somit nicht auszuschließen.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Für die Gegenwärtigkeit des Angriffs bei der Notwehr ist nicht nur die Vornahme der Verletzungshandlung entscheidend.

In seinem Beschluss vom 6. Oktober 2021 hat sich der Bundesgerichtshof (6 StR 348/21) mit der Gegenwärtigkeit als Voraussetzung der Notwehr beschäftigt. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt suchten der später getötete G und sein Freund M bewaffnet mit Messer und Schraubenzieher den Angeklagten in seiner Wohnung auf, um ihn dort zu verletzen. Als der Angeklagte die Wohnungstür aufmachte, forderten sie ihn auf, mit ihnen vor das Haus zu kommen. Der Angeklagte schloss sofort die Tür, woraufhin G und F von draußen gegen die Tür schlugen. Der Angeklagte holte dann ein Messer aus der Küche, machte die Tür wieder auf und stach mit dem Messer erst G in den Oberbauch und im Anschluss den M. G verstarb wenig später. Das Landgericht Halle lehnte eine Rechtfertigung durch Notwehr mit der Begründung ab, dass nach dem Schließen der Wohnungstür keine konkrete Gefahr bestanden habe. Die Verurteilung des Angeklagten hält rechtlicher Überprüfung jedoch nicht stand. Der Bundesgerichtshof wendet zum einen ein, dass G und M weiterhin gegen die Tür klopften und sich Zugang verschaffen könnten und die Gefahr somit nicht klar beendet war. Zum anderen ergeben die bisherigen Feststellungen, dass zum Zeitpunkt der Messerstiche ein rechtswidriger Angriff unmittelbar bevorstand und dass dies die Gegenwärtigkeit des Angriffs begründet.

Anwalt für Strafrecht: Versuchter Mord

Das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes liegt dann vor, wenn ein Mensch aufgrund ideologischer Überzeugungen getötet wird.

Im Beschluss des Bundesgerichtshofes (AK 27/22) vom 6. September 2022 stand der Mord aus niedrigen Beweggründen im Mittelpunkt. Im hiesigen Fall ordnete der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes die Fortdauer der Untersuchungshaft an und begründete indessen den dringenden Verdacht des versuchten Mordes. Der Angeschuldigte im hiesigen Fall fuhr mit seinem Auto einen Polizisten an, der dadurch schwer verletzt wurde. Das tat der Angeschuldigte aufgrund ideologischer Überzeugungen und fühlte sich aufgrund seiner eigenen abweichenden Rechtslage gerechtfertigt. Damit wollte er nach Auffassung des Bundesgerichtshofes seine unzutreffende Rechtsauffassung gewaltsam durchzusetzen und sich aus egoistischen Motiven staatlicher Einflussnahme entziehen. Ein solches Motiv stellt demnach einen niedrigen Beweggrund im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB dar.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Das Tatopfer ist arglos, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten Angriff rechnet.

Mit dem Mordmerkmal der Heimtücke musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 81/22) in seinem Beschluss vom 5. April 2022 beschäftigen. Im vorliegenden Sachverhalt fand der Angeklagte Chat-Nachrichten mit sexuellem Inhalt, die seine Ehefrau mit einem anderen Mann austauschte. Daraufhin stellte er sie zur Rede und gab dann seinen über Jahre angestauten Aggressionen nach und erstach seine Ehefrau mit einem Küchenmesser. Anschließend würgte er sie, um den Eintritt des Todes zu beschleunigen. Das Landgericht München I verurteilte den Angeklagten wegen Mordes unter Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke. Die getroffenen Feststellungen tragen  nach Auffassung des Bundesgerichtshofes jedoch nicht das Mordmerkmal der Heimtücke. Bereits die Annahme einer Arglosigkeit in objektiver Hinsicht begegnet Bedenken, da im Gespräch zwischen den beiden klar wurde, dass sie von einer drohenden schweren tätlichen Auseinandersetzung ausging. Zudem lässt sich die Heimtücke nicht allein darauf stützen, dass der Angeklagte durch einen schnellen Messerstich seine Ehefrau überraschen wollte. Auch lässt sich die Heimtücke nicht dadurch begründen, dass der Angeklagte seine Ehefrau in den Hinterhalt locken wollte, da weder festgestellt ist, dass der Angeklagte das Messer vor Beginn des Gesprächs bereitlegte, um es dann einzusetzen, noch, dass er seine Ehefrau zum Sofa lockte, um sie dort zu erstechen.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung mit Todesfolge

Für die Annahme eines minder schweren Falls einer Körperverletzung mit Todesfolge reicht es aus, wenn der Täter durch die körperliche Misshandlung zu der eigenen Handlung hingerissen wurde.

In seinem Beschluss vom 9. März 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 21/22) mit dem minder schweren Fall einer Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 Abs. 2 StGB beschäftigen. Im hiesigen Fall wurde der Angeklagte vom Landgericht Traunstein wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. Ein minder schwerer Fall nach § 227 Abs. 2 StGB wurde verneint. Der Bundesgerichtshof stellt fest, dass zwar zu Recht die Ausführungen des § 213 StGB herangezogen wurden, der den minder schweren Fall des Totschlags regelt, jedoch sind diese nicht frei von Rechtsfehlern. Vorliegend packte der Geschädigte den Angeklagten am Kragen und schlug ihm mit der Faust auf die Brust, bevor der Angeklagte ihm mit einer Bratpfanne schlug. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes muss der Täter durch die körperliche Misshandlung nicht in einen Affekt im Sinne der §§ 20, 21 StGB versetzt worden sein, es reicht stattdessen aus, wenn er dadurch zu der eigenen Körperverletzungshandlung hingerissen wurde.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Ob ein heranwachsender Täter nach Erwachsenenstrafrecht oder nach Jugendstrafrecht verurteilt wird, hängt davon ab, ob er nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichsteht.

Im vorliegenden Beschluss vom 15. Mai 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (2 StR 433/20) mit der Frage beschäftigen, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewandt wird. Im hiesigen Fall wurde der 19-jährige Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung vom Landgericht Gera nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung jedoch nicht stand. Demnach wurden bei der Prüfung und Bewertung der Reife des Angeklagten wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen. Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass es für die Frage, ob der Angeklagte nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichsteht, darauf ankommt, ob er sich noch in einer für Jugendliche typischen Entwicklungsphase befindet. Dafür ist eine Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit notwendig.

Anwalt für Strafrecht: Versuchter Totschlag

Eine Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB durch einen Eifersuchtswahn erfordert eine umfassende Würdigung der Befundtatsachen.

Mit der Frage, wann ein Eifersuchtswahn zur Schuldunfähigkeit führt, hat sich der Bundesgerichtshof (6 StR 470/21) in seinem Beschluss vom 18. Mai 2022 beschäftigt. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt entwickelte der Angeklagte die wahnhafte Idee, seine Ehefrau habe ein Verhältnis mit dem Nebenkläger. In Folge dieser Idee suchte der Angeklagte den Nebenkläger auf und stach ihm mit einem Messer in den Bauch. Dieser wurde durch den Angriff lebensgefährlich verletzt, konnte aber überleben. Nach dem Landgericht Saarbrücken lag darin ein versuchter Totschlag; es sprach den Angeklagten jedoch frei, da seine Steuerungsfähigkeit bei der Tat womöglich vollständig aufgehoben gewesen sei. Demnach könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte bei der Tat unter dem Bann seines „Eifersuchtswahns“ gestanden habe. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes hält die Schuldfähigkeitsprüfung rechtlicher Überprüfung in mehrfacher Hinsicht jedoch nicht stand. Zum einen sei es zu keiner umfassenden Erörterung und Würdigung der Befundtatsachen gekommen. Zum anderen ergibt sich aus dem Urteil nicht, ob der angenommene Eifersuchtswahn einer „wahnhaften psychotischen Störung“ der krankhaften seelischen Störung oder der schweren anderen seelischen Störung angehört, was jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht offenbleiben darf.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Bedingter Tötungsvorsatz muss unter Berücksichtigung der Gefährlichkeit der Tathandlung und der Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts beurteilt werden, aber auch die Einzelfallumstände müssen beachtet werden.

In seinem Beschluss vom 23. März 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (6 StR 343/21) mit dem bedingten Tötungsvorsatz beschäftigt. Im vorliegenden Fall würgte der Angeklagte die Geschädigte etwa zwei Minuten in Folge eines Streits, bis er durch einen Zeugen von ihr getrennt wurde. Das Landgericht Bamberg stellte eine gefährliche Körperverletzung fest und verneinte einen bedingten Tötungsvorsatz, da sich der Angeklagte nicht mit dem Tod seiner Frau abfand und diesem auch nicht gleichgültig gegenüber stand. Außerdem lag keine konkrete Lebensgefahr vor. Der Bundesgerichtshof stimmte dem zu und stellte fest, dass vorliegend eine Gesamtschau der bedeutsamen objektiven und subjektiven Tatumstände vorgenommen wurde. Außerdem weist es darauf hin, dass die Geschädigte das Bindeglied zwischen dem Angeklagten und dem gemeinsamen Sohn war und der Angeklagte dem Tod der Geschädigten somit nicht gleichgültig gegenüber stand.

 

Anwalt für Strafrecht: Minder schwerer Fall des Totschlags

Bei einem minder schweren Fall des Totschlags nach § 213 StGB sind zuerst die allgemeinen Minderungsgründe zu prüfen. Wenn diese nicht vorliegen, sind jedoch auch andere mögliche Strafmilderungsgründe heranzuziehen.

In seinem Beschluss vom 23. März 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 52/21) mit dem minder schweren Fall des Totschlags nach § 213 StGB auseinandersetzen. Im vorliegenden Fall führten der Angeklagte und die Geschädigte eine Ehe mit vielen Unterbrechungen, wobei die Geschädigte häufig mit Eifersucht zu kämpfen hatte. Als sie dem Angeklagten mal wieder vorwarf, ihr fremdgegangen zu sein, stach er ihr mit einem Küchenmesser in den Oberschenkel. Der Angeklagte verständigte noch den Notruf, jedoch verstarb die Geschädigte später im Krankenhaus. Vom Landgericht Kempten wurde der Angeklagte daraufhin wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Der Bundesgerichtshof hob diese Urteil jedoch auf, da es die Verneinung des minder schweren Totschlags nach § 213 2. Alt. StGB hier nicht für tragfähig hält. Demnach müssen die schweren Umstände der Ehe und die daraus resultierende psychische Belastung als strafmildernd angesehen werden.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Ein Mord aufgrund Verdeckungsabsicht gem. § 211 StGB ist auch mit bedingtem Tötungsvorsatz möglich. Jedoch muss der Täter davon ausgehen, dass er die Aufdeckung der vorangegangenen Straftat unabhängig vom Todeserfolg verhindern kann.

Der Bundesgerichtshof (4 StR 356/21) musste sich in seinem Beschluss vom 30. März 2022 mit der Verdeckungsabsicht beim Mord beschäftigen. Im hiesigen Sachverhalt suchte der Angeklagte eine von ihm schon öfters besuchte Prostituierte auf und hatte mit ihr in dem Wissen, nicht bezahlen zu können, Geschlechtsverkehr. Als sie von ihm das Geld verlangte und anfing laut zu werden, bekam der Angeklagte Angst, dass andere Leute sie hören könnten. Daraufhin fing er an, die Geschädigte zu würgen, sodass diese aufgrund einer durch das Würgen verursachten zentralen Lähmung verstarb. Das Landgericht Dortmund verurteilte den Angeklagten wegen Mordes. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes, lag eine Verdeckungsabsicht nach den vorliegenden Feststellungen jedoch nicht vor. Demnach ist es nicht vereinbar, wenn der Täter wie vorliegend mit bedingtem Tötungsvorsatz handelt, den erstrebten Verdeckungserfolg aber nur durch den Tod der Geschädigten für möglich hält. Es schließen sich der zielgerichtete Wille, eine Straftat durch Tötung zu begehen, und die bloße Billigung dieser gegenseitig aus.