Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Fehlschlag des Versuchs

Versucht der Täter bei seinem Opfer mittels eines Elektroschockers einen Stromschlag auszulösen und gelingt ihm dies aus technischen Gründen nicht, so liegt insbesondere dann kein Fehlschlag des Versuchs der gefährlichen Körperverletzung vor, wenn der Täter den Verletzungserfolg noch mit anderen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln (hier Pfefferspray) herbeiführen kann.

In seinem ''Beschluss vom 6.5.2014 - 3 StR 134/14'' hob der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Landgerichts Kleve auf, durch das der Angeklagte unter anderem wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurde. Dem lag ein Wohnungseinbruchsdiebstahl des Angeklagten zugrunde, bei dem er sein Opfer versuchte mit einem Elektroschocker zu verletzen, was ihm jedoch aufgrund des in dem Gerät fehlenden Sicherheitsstiftes nicht gelang. Das Landgericht nahm einen Fehlschlag des Versuchs mit der Folge an, dass dem Angeklagten der Rücktritt vom Versuch verwehrt blieb.

Der BGH bewertete dies als rechtsfehlerhaft. Dem Angeklagten sei es zwar aus technischen Gründen nicht gelungen, einen Stromstoß auszulösen. Daraus folge aber nicht zwingend der Fehlschlag des Versuchs, da der Angeklagte ersichtlich noch nicht alles getan habe, um den Körperverletzungserfolg herbeizuführen. Insbesondere trug er bei dem Einbruchsdiebstahl ein Pfefferspray dabei, mit dem er den Körperverletzungserfolg des Opfers hätte herbeiführen können. Dass der Angeklagte aus irgendwelchen Gründen daran gehindert war dieses einzusetzen, belege das Urteil des Landgerichts jedoch nicht. Insofern liege kein Fehlschlag des Versuchs vor.

Anwalt für Strafrecht: Widerstand / Körperverletzung

Der Tatbestand des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gem. § 113 Abs. 3 StGB ist nicht erfüllt, wenn Polizeibeamte dem Betroffenen falsch belehren und die Diensthandlung dadurch rechtwidrig i. S. d. § 113 Abs. 3 S. 1 StGB ist.

Mit Beschluss vom 23.07.2012 - 31 Ss 27/12 - hob das OLG Celle die Verurteilung eines Angeklagten wegen ''Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte'' und einer vorsätzliche ''Körperverletzung'' auf.
Der Angeklagte wurde von zwei Polizeibeamten wegen des Verdachts einer ''Trunkeinheitsfahrt'' angehalten. Allerdings belehrten die Polizeibeamten den Angeklagten nicht über den konkreten Verdacht einer Verkehrsstraftat, sondern eröffneten gegenüber diesen lediglich die Durchführung einer allgemeinen Verkehrskontrolle. Auf die Frage des Angeklagten nach der Berechtigung ihres Vorgehens, wurde diesem erklärt, dass die Polizeibeamten jederzeit das Recht hätten, eine allgemeine Fahrzeugkontrolle i. S. d. § 36 Abs. 5 StVO durchzuführen. Der Angeklagte setze sich daraufhin mit Beschimpfung und körperlicher Gewalt zur Wehr. Es kam zu einer Rangelei beim sich ein Polizeibeamter körperliche Schmerzen zuzog. Daraufhin brachte ein Polizeibeamter den Angeklagten zu Boden, wo er diesen dann wegen des Verdachts der Straftaten der Beleidigung und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte belehrte.

Das OLG Celle machte in seinem Beschluss deutlich, dass der Tatbestand des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gem. § 113 Abs. 3 StGB als objektive Bedingung der Strafbarkeit voraus setzt, dass die maßgebliche Diensthandlung der ein Widerstand entgegengesetzt wird, rechtmäßig ist. Wird die Rechtmäßigkeit einer Diensthandlung nicht bewiesen, so stellt die Diensthandlung einen rechtswidrigen Angriff da, gegen den der Betroffene grundsätzlich ein Notwehrrecht besitzt (BGHSt 4, 163). Dies erfasst auch eine hiermit in Zusammenhang stehende Körperverletzung (OLG Hamm, GA 73, 245).
Der Entscheidung zufolge haben die tätig gewordenen Polizeibeamten den Betroffen im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle zur Herausgabe seiner Fahrzeugpapiere aufgefordert. Über die den konkreten Verdacht einer Verkehrsstraftat oder eine Ordnungswidrigkeit wurde der Betroffen jedoch nicht belehrt. Weiterhin wurde dem Betroffen auf seine Frage nach der Berechtigung ihres Vorgehens erklärt, dass die Polizeibeamten jederzeit das Recht hätten, eine Fahrzeugkontrolle i. S. d. § 36 Abs. 5 StVO durchzuführen und die Verkehrstauglichkeit des Fahrers zu überprüfen. Allerdings besteht für die allgemeine Verkehrskontrolle kein Raum, wenn das Anhalten eines Verkehrsteilnehmers wegen des konkreten Verdachts einer Verkehrsstraftat oder Verkehrsordnungswidrigkeit erfolgt ist (BGH NStZ 1984, 270).

Zwar wurde der Betroffenen hier auch über den Tatvorwurf des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und der vorsätzlichen Körperverletzung belehrt, jedoch nicht über den konkreten Verdacht der Trunkenheitsfahrt, einer Ordnungswidrigkeit oder zu mindestens eines Versuchs der Trunkenheitsfahrt. Dies führt zum Fehlen der Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Diensthandlung der Polizeibeamten und berechtigte den Betroffen damit zur Ausübung seines Notwehrrechts. Damit sprach das Gericht den Anklagten vom Vorwurf der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und der vorsätzlichen Körperverletzung frei.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung mit Todesfolge

Wird ein Brechmitteleinsatz zum Auffinden von Drogen fortgesetzt, obwohl das Opfer sich in einem körperlich kritischen Zustand befindet, so ist der Todeseintritt für einen erfahrenen Facharzt vorhersehbar und erfüllt damit den Tatbestand einer Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 StGB.

In seinem Urteil vom 20.06.2012 - 5 StR 536/11 hob der BGH den zweiten Freispruch eines vor dem ''Landgericht Bremen'' Angeklagten Arztes im Hinblick auf den tödlichen Einsatz von Brechmitteln bei einem mutmaßlichen ''Drogenkurier'' erneut auf. Das Opfer war Anfang 2005 in Polizeigewahrsam gestorben, nachdem ihm der Arzt trotz seines kritischen Gesundheitszustandes gewaltsam Brechmittel eingeflößt hatte, um angeblich verschlucktes ''Kokain'' zu sichern. Das Opfer brach bei dieser Prozedur zusammen, fiel ins Koma und starb daraufhin im Krankenhaus. Das Landgericht Bremen sprach den Angeklagten in zwei Prozessen vom Vorwurf der ''Körperverletzung mit Todesfolge'' frei.
Diese Entscheidung kassierte der BGH nun erneut und machte deutlich, dass der Angeklagte den Todeseintritt des Opfers hätte erkennen können und müssen. Dazu führte er aus, dass die Fortsetzung des Brechmitteleinsatzes aufgrund des Risikos von erneuten Komplikationen nicht durch § 81a StPO gedeckt war und demnach eine rechtswidrige ''Körperverletzungshandlung'' darstellt. Außerdem habe der Arzt, durch die Fortführung des Brechmitteleinsatzes trotz Verschlechterung des Gesundheitszustandes beim Opfer nach der ersten Phase, seine Sorgfaltspflicht verletzt. In dieser Situation hätte er den Todeseintritt des Opfers nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten als Arzt vorhersehen müssen, auch wenn die Todesursache durch viele Faktoren ausgelöst wurde. Denn auch mit Komplikationen aufgrund nicht auf den ersten Blick erkennbarer Vorschädigungen müsse der fachkundige Arzt bei einem so gearteten Zwangseingriff stets rechnen.
Der Rechtsstreit um den tödlichen Brechmitteleinsatz geht damit in die dritte Runde, die erneut vor einer anderen Schwurgerichtskammer des Landgerichts Bremen verhandelt werden muss.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung

Ein Schlag mit der Hand gegen die von einem Pressefotografen vor seinem Gesicht gehaltene Kamera erfüllt nicht ohne weiteres den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung durch Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs.

Das Oberlandesgericht Hamburg stellte mit Beschluss vom 5.4.2012 - Aktenzeichen 3-14/12 unter anderem fest, dass es sich bei einer Kamera nicht zwingend um ein gefährliches Werkzeug handelt.

Ein gefährliches Werkzeug ist ein Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach Art der Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche ''Körperverletzungen'' zuzufügen. Dabei kommt es nach Ausführungen des Gerichts entscheidend auf die Erheblichkeit der Verletzungen an, die der Täter durch den Einsatz des Werkzeuges verursacht hat oder verursachen wollte.

Im zu verhandelnden Fall hatte der Angeklagte mit flacher Hand gegen die Kamera eines Pressefotografen geschlagen, um weitere Bildaufnahmen zu verhindern. Dadurch, dass die Kamera gegen das Gesicht des Fotografen gedrückt wurde, erlitt dieser Schmerzen im Oberkiefer und Kopfschmerzen, die allerdings nicht behandelt werden mussten und nach wenigen Tagen wieder verschwunden waren.

Diese Verletzungen stufte das Oberlandesgericht als vergleichsweise gering ein. Auch hätten sie durch einen Schlag mit der bloßen Hand in das Gesicht herbeigeführt werden können. Außerdem habe das Landgericht nicht hinreichend belegt, dass der Angeklagte durch den Schlag tatsächlich erhebliche Verletzungen verursachen wollte. Auf dieser Grundlage sei lediglich eine Verurteilung wegen einfacher ''Körperverletzung'' möglich gewesen. Die Strafe einer ''gefährlichen Körperverletzung'' beträgt Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Im Gegensatz hierzu sieht das Gesetz für eine einfache Körperverletzung lediglich Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor.

Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht

Verweigert ein Zeuge aufgrund seines Zeugnisverweigerungsrechts erst in der Hauptverhandlung die Aussage, so dürfen das vom Zeugen in der polizeilichen Vernehmung übergebene Tonband und die daraus gefertigte Verschriftung nicht verwertet werden.

Nach § 252 StPO darf die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, nicht verlesen werden. Nach einem aktuellen Beschluss des BGH vom 23.10.2012 - 1 StR 137/12 unterliegen auch Tonbandaufnahmen, die der zeugnisverweigerungsberechtigte Zeuge der Polizei in einer früheren Vernehmung übergeben hat, diesem Verwertungsverbot.

In dem zu verhandelnden Fall war der Bruder der Angeklagten freiwillig bei der Polizei erschienen und hatte dort ein von ihm heimlich aufgenommenes Tonband übergeben, auf dem sich die Angeklagte belastende Äußerungen befanden. In der Hauptverhandlung berief er sich dann auf sein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO und widersprach der Verwertung der polizeilichen Vernehmung. Die in die deutsche Sprache übersetzte Verschriftung des Tonbandes wurde vom Landgericht Mannheim dennoch mit der Begründung verlesen, dass das Tonband kein Bestandteil der Vernehmung und im Gegensatz zu einem Schriftstück nicht unmittelbar wahrnehmbar ist.

Auf die Revision der Verteidigung stellte der BGH fest, dass die vorgenommene Verwertung und Verschriftung des vom Zeugen übergebenen Tonbandes das Beweisverwertungsverbot des § 252 StPO verletzt. Zur Begründung führte er an, dass sich das Verbot nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen auch auf Schriftstücke erstreckt und es auf das die Beweisinformation enthaltene Speichermedium grundsätzlich nicht ankommen kann. Folglich müsse auch für die Tonbandaufzeichnung ein Verwertungsverbot gelten. Dass der Inhalt der Aufzeichnung nicht unmittelbar wahrnehmbar sei, kann nach Ansicht des BGH keine andere Behandlung rechtfertigen, da dies beispielsweise auch auf ein in einer fremden Sprache verfasstes Schriftstück zutrifft. Außerdem stelle die eigene Initiative des Zeugen keine Spontanäußerung außerhalb der Vernehmung dar, da die Niederschrift der Vernehmung von der Polizei explizit als einstündige Zeugenvernehmung gekennzeichnet wurde. Weil der BGH jedoch ausschließen konnte, dass das Urteil des Landgerichts auf diesem Rechtsfehler beruht, wurde es nicht aufgehoben und die Revision der Verteidigung als unbegründet verworfen.
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=179619789e0a2de0b7175d34aaf5ea7c&nr=62058&pos=0&anz=1

Anwalt für Strafrecht: Vergewaltigung

Der Qualifikationstatbestand der besonders schweren Vergewaltigung ist nicht erfüllt, wenn sich der Täter erst nach Abschluss der Gewalthandlung dazu entschließt, den Geschlechtsverkehr mit seinem Opfer durchzuführen

Zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten kam es zu einem Streit, bei dem die Geschädigte dem Angeklagten ein Glas Wodka ins Gesicht schüttete. Daraufhin wurde der Angeklagte so wütend, dass er auf die Geschädigte einschlug und ihr mit einem Küchenmesser drohte, sie zu erstechen. Er warf das Messer in die Spüle, schubste die Geschädigte ins Schlafzimmer und führte den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr aus. Ihm war dabei bewusst, dass sich die Geschädigte aufgrund der vorher erlittenen Verletzungen nicht zur Wehr setzen konnte.

Anhand dieser Feststellungen hatte das Landgericht ''Bielefeld'' den Angeklagten wegen ''besonders schwerer Vergewaltigung'' gemäß § 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2a StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt und seine Unterbringung in Sicherheitsverwahrung angeordnet.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hob dieses Urteil mit dem Beschluss vom 29.8.2012 - 4 StR 277/12 auf. Ohne Zweifel hat eine körperliche Misshandlung der Geschädigten stattgefunden. Das Landgericht hat jedoch nach Ansicht des BGH nicht hinreichend erkennen lassen, dass die Misshandlung bei Durchführung des Geschlechtsverkehrs stattgefunden hat.

Als der Angeklagte auf die Geschädigte einschlug, passierte dies zunächst aus Wut und nicht mit der gegenwärtigen Absicht, sie zu ''vergewaltigen''. Da der Entschluss zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs erst nach Abschluss der Gewalthandlung entstanden ist, ist die Anwendung des Qualifikationstatbestandes ausgeschlossen.
Die mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter 5 Jahren belegte Qualifikation ist lediglich dann anwendbar, wenn das Opfer während der Vergewaltigung körperlich misshandelt wird.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Ein gezielter Messerstich in den Brustkorb des Opfers begründet nicht zwingend die Annahme eines direkten Tötungsvorsatz beim Täter, so dass auch lediglich eine Bestrafung wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Betracht kommt

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte am 16.8.2012 in dem Verfahren 3 StR 237/12 ein Urteil des Landgerichts Osnabrück, in dem der Angeklagte wegen ''Körperverletzung mit Todesfolge'' zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde.

Der Angeklagte hatte sein Opfer in alkoholisiertem Zustand nach einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem Klappmesser gezielt in die linke Brusthälfte gestochen. Das Opfer verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus an seinen Verletzungen.

Die Nebenklägerin legte gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück Revision vor dem BGH ein, da das Landgericht bei dem Angeklagten keinen Tötungsvorsatz festgestellt und ihn deswegen nicht wegen ''Totschlags'' verurteilt hatte.

Allerdings konnte sich auch der BGH nur von einem direkten ''Körperverletzungsvorsatz'' überzeugen. Er führte aus, dass der Täter, um einen ''Tötungsvorsatz'' annehmen zu können, den Tod des Opfers als nicht ganz fern liegend erkennen und diesen Erfolg billigen oder sich zumindest um des erstrebten Zieles willen damit abfinden muss.

Zwar war der gezielte Messerstich in den Brustkorb des Opfers eine hochgradig gefährliche Gewaltanwendung, die als Indiz für die Billigung des Todes gegen den Angeklagten gewertet wurde.

Zugunsten des Angeklagten wurde allerdings der unter enthemmender Wirkung von Alkohol spontan ausgeführte Messerstich, das fehlende Tötungsmotiv und die im Allgemeinen nicht zu Aggressionen neigende Persönlichkeit des Angeklagten berücksichtigt. Aufgrund der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung kam damit auch der BGH zu dem Entschluss, dass der Angeklagte sich zwar der Gefahr des Todeseintritts bewusst war, er diesen aber zu keinem Zeitpunkt innerlich als Resultat seiner Tat gebilligt hat.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung

Eine religiös motivierte Beschneidung kann als Körperverletzung gem. § 223 StGB gewertet werden, ohne dass Eltern in die Körperverletzung einwilligen können

Das Landgericht Köln hat in seiner Entscheidung vom 7.5.2012 - 151 Ns 169/11 die religiös motivierte Beschneidung eines nicht einwilligungsfähigen männlichen Kleinkindes als tatbestandsmäßige ''Körperverletzung gemäß § 223 StGB'' gewertet.

Das Landgericht Köln sah den Tatbestand der ''Körperverletzung'' durch die Operation als erfüllt an. Die Einwilligung der Eltern zur Beschneidung ihres 4-jährigen Sohnes wurde nicht als sozialadäquat und damit tatbestandsausschließend anerkannt. Auch eine rechtfertigende Einwilligung der Eltern sah das Gericht nicht als gegeben an. Dies begründete es damit, dass vom Sorgerecht der Eltern im Sinne des § 1627 BGB nur solche Erziehungsmaßnahmen gedeckt sind, die dem Wohl des Kindes dienen. Die Beschneidung eines Jungen hingegen entspricht nach dem Landgericht Köln "''weder unter dem Blickwinkel der Vermeidung einer Ausgrenzung des innerhalb des jeweiligen religiös gesellschaftlichen Umfelds noch unter dem des elterlichen Erziehungsrechts dem Wohl des Kindes''". Die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern aus Art. 4 I, 6 II GG werden durch das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung gemäß Art. 2 I und II 1 GG begrenzt. Selbst wenn man die Beschneidung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für erforderlich hält, ist sie nach Auffassung des Gerichts jedenfalls unangemessen. Der Körper des Kindes würde dauerhaft verändert und laufe dem Interesse des Kindes, später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können, zuwider.
Der Angeklagte Arzt, der die Beschneidung durchgeführt hatte, wurde vom Landgericht Köln dennoch freigesprochen. Aufgrund der unklaren Rechtslage zur Beschneidung musste das Gericht einen Verbotsirrtum annehmen, da selbst der Versuch des Angeklagten, sich über die Rechtslage zu informieren, zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt hätte.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung

Das Bespritzen mit Sperma kann eine Körperverletzung darstellen, die bei einer Vorstrafe wegen exhibitionistischer Handlungen bereits zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten führen kann

Das Amtsgericht Lübeck hat in seiner Entscheidung vom 08.06.2011 - 746 Js 13196/11 festgestellt, dass sich jemand wegen vorsätzlicher ''Körperverletzung'' nach § 223 StGB strafbar macht, wenn er sein Opfer mit zuvor abgefülltem Sperma bespritzt und damit ihm zurechenbare psychische oder physische Beeinträchtigungen beim Geschädigten verursacht. Die Beeinträchtigungen müssen allerdings über die Erregung ein bloßes Ekelgefühls hinausgehen, um den Tatbestand des § 223 StGB zu erfüllen.

Der Angeklagte hatte eine Frau, die mit ihrer 7-jährigen Tochter in der Warteschlange eines Supermarkts vor ihm stand, mit zuvor abgefülltem Sperma im Bereich des Gesäßes bespritzt. Die Geschädigte bemerkte die feuchte Stelle im Rückenbereich und erkannte durch den Geruch, dass es sich bei der auf ihrer Kleidung befindlichen Flüssigkeit um Sperma handelte.
Als Folge der Tat litt sie unter erheblichen psychischen Belastungen und massiven Schlafstörungen. Dies war auch darauf zurückzuführen, dass sie im Alter von 15 Jahren Opfer einer Vergewaltigung geworden ist. Außerdem leidet die Geschädigte an der Krankheit Multiple Sklerose, die zusammen mit dem Stress der Tat wiederholte und massive Krampfanfälle ausgelöst hat.

Das Amtsgericht Lübeck ist der Auffassung, dass solche psychischen Vorbeeinträchtigungen des Opfers und die dadurch wieder ausgelösten somatischen Folgen nicht ungewöhnlich und somit für den Täter vorhersehbar sind. Er kann schlichtweg nicht darauf vertrauen, nicht auf ein vorgeschädigtes Opfer zu treffen. Da der Angeklagte zudem einschlägig wegen ''exhibitionistischen Handlungen'' vorbestraft war, wurde er wegen ''vorsätzlicher Körperverletzung'' zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.