Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung

Eine religiös motivierte Beschneidung kann als Körperverletzung gem. § 223 StGB gewertet werden, ohne dass Eltern in die Körperverletzung einwilligen können

Das Landgericht Köln hat in seiner Entscheidung vom 7.5.2012 - 151 Ns 169/11 die religiös motivierte Beschneidung eines nicht einwilligungsfähigen männlichen Kleinkindes als tatbestandsmäßige ''Körperverletzung gemäß § 223 StGB'' gewertet.

Das Landgericht Köln sah den Tatbestand der ''Körperverletzung'' durch die Operation als erfüllt an. Die Einwilligung der Eltern zur Beschneidung ihres 4-jährigen Sohnes wurde nicht als sozialadäquat und damit tatbestandsausschließend anerkannt. Auch eine rechtfertigende Einwilligung der Eltern sah das Gericht nicht als gegeben an. Dies begründete es damit, dass vom Sorgerecht der Eltern im Sinne des § 1627 BGB nur solche Erziehungsmaßnahmen gedeckt sind, die dem Wohl des Kindes dienen. Die Beschneidung eines Jungen hingegen entspricht nach dem Landgericht Köln "''weder unter dem Blickwinkel der Vermeidung einer Ausgrenzung des innerhalb des jeweiligen religiös gesellschaftlichen Umfelds noch unter dem des elterlichen Erziehungsrechts dem Wohl des Kindes''". Die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern aus Art. 4 I, 6 II GG werden durch das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung gemäß Art. 2 I und II 1 GG begrenzt. Selbst wenn man die Beschneidung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für erforderlich hält, ist sie nach Auffassung des Gerichts jedenfalls unangemessen. Der Körper des Kindes würde dauerhaft verändert und laufe dem Interesse des Kindes, später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können, zuwider.
Der Angeklagte Arzt, der die Beschneidung durchgeführt hatte, wurde vom Landgericht Köln dennoch freigesprochen. Aufgrund der unklaren Rechtslage zur Beschneidung musste das Gericht einen Verbotsirrtum annehmen, da selbst der Versuch des Angeklagten, sich über die Rechtslage zu informieren, zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt hätte.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung

Das Bespritzen mit Sperma kann eine Körperverletzung darstellen, die bei einer Vorstrafe wegen exhibitionistischer Handlungen bereits zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten führen kann

Das Amtsgericht Lübeck hat in seiner Entscheidung vom 08.06.2011 - 746 Js 13196/11 festgestellt, dass sich jemand wegen vorsätzlicher ''Körperverletzung'' nach § 223 StGB strafbar macht, wenn er sein Opfer mit zuvor abgefülltem Sperma bespritzt und damit ihm zurechenbare psychische oder physische Beeinträchtigungen beim Geschädigten verursacht. Die Beeinträchtigungen müssen allerdings über die Erregung ein bloßes Ekelgefühls hinausgehen, um den Tatbestand des § 223 StGB zu erfüllen.

Der Angeklagte hatte eine Frau, die mit ihrer 7-jährigen Tochter in der Warteschlange eines Supermarkts vor ihm stand, mit zuvor abgefülltem Sperma im Bereich des Gesäßes bespritzt. Die Geschädigte bemerkte die feuchte Stelle im Rückenbereich und erkannte durch den Geruch, dass es sich bei der auf ihrer Kleidung befindlichen Flüssigkeit um Sperma handelte.
Als Folge der Tat litt sie unter erheblichen psychischen Belastungen und massiven Schlafstörungen. Dies war auch darauf zurückzuführen, dass sie im Alter von 15 Jahren Opfer einer Vergewaltigung geworden ist. Außerdem leidet die Geschädigte an der Krankheit Multiple Sklerose, die zusammen mit dem Stress der Tat wiederholte und massive Krampfanfälle ausgelöst hat.

Das Amtsgericht Lübeck ist der Auffassung, dass solche psychischen Vorbeeinträchtigungen des Opfers und die dadurch wieder ausgelösten somatischen Folgen nicht ungewöhnlich und somit für den Täter vorhersehbar sind. Er kann schlichtweg nicht darauf vertrauen, nicht auf ein vorgeschädigtes Opfer zu treffen. Da der Angeklagte zudem einschlägig wegen ''exhibitionistischen Handlungen'' vorbestraft war, wurde er wegen ''vorsätzlicher Körperverletzung'' zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.