Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Mord

Die Blutrache ist regelmäßig als besonders verwerflich und sozial rücksichtslos einzustufen und kann daher ein niedriger Beweggrund sein.

Wie die Blutrache im Kontext zum Mord aus niedrigen Beweggründen zu sehen ist, hat der Bundesgerichtshof (6 StR 365/23) in seinem Beschluss vom 16. April 2024 entschieden. Der Angeklagte suchte mit weiteren Personen den Geschädigten auf, um Geld einzutreiben. Dabei ging es dem Angeklagten jedoch auch darum, die durch die Zahlungsweigerung beeinträchtigte Familienehre wiederherzustellen. Bei einem Treffen verletzte der Angeklagte den Geschädigten mit einem Messer tödlich. Nachdem das Landgericht Hannover dies als Totschlag eingestuft hatte, wies der Bundesgerichtshof darauf hin, dass das Landgericht bei einer gebotenen Prüfung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe, möglicherweise zu einer Strafbarkeit wegen Mordes gelangt wäre. Demnach kam es bei der Tat in hohem Maße darauf an, die Familienehre wiederherzustellen. Eine Tötung aus Blutrache ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofes regelmäßig als besonders verwerflich und sozial rücksichtslos anzusehen. Der Täter erhebe sich durch das selbst gefällte Todesurteil über die Rechtsordnung und einen anderen Menschen. 

Anwalt für Strafrecht: Versuchter Mord

Für die Entscheidung, ob der Täter von der Straftat zurücktreten kann, ist auch das Vorstellungsbild des Täters zu beachten.

Zu den Voraussetzungen des Rücktritts äußerte sich der Bundesgerichtshof (2 StR 77/24) in seinem Beschluss vom 13. März 2024. Der Angeklagte fuhr zu seiner Ex-Freundin, um diese zur Rede zu stellen. Dabei führte er ein Messer mit, womit er der Geschädigten zwei Schnittverletzungen im Halsbereich zufügte. Die Geschädigte blutete massiv. Nachdem der Angeklagte seine Ex-Freundin mit dem Messer geschnitten hatte, verließ er die Tatörtlichkeit. Die Geschädigte hatte in der Zwischenzeit die Tür geschlossen. Die Verletzungen, die der Angeklagte der Geschädigten zugefügt hatte, waren nicht konkret lebensgefährlich. Das Landgericht Aachen verurteilte den Angeklagten daraufhin wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Der Bundesgerichtshof merkte in seinem Beschluss jedoch an, dass ein strafbefreiender Rücktritt hier nicht ausreichend geprüft wurde. Demnach muss neben dem äußeren Geschehensablauf auch das Vorstellungsbild des Angeklagten geschildert und berücksichtigt werden.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag, Vergewaltigung, Störung der Totenruhe

Mit der Handhabung der Höchststrafe hat sich der Bundesgerichtshof (3 StR 466/23) in seinem Beschluss vom 20. Februar 2024 auseinandergesetzt. Der Angeklagte vergewaltigte seine Lebensgefährtin, tötete sie dann und verübte anschließend beschimpfenden Unfug am Leichnam. 

Das Landgericht verurteilte den Angeklagten zur Höchststrafe von 15 Jahren. Der Bundesgerichtshof führt in seinem Beschluss aus, dass Schuldspruch und Einzelstrafaussprüche keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lassen, jedoch hält die Gesamtfreiheitsstrafe sachlich rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Demnach erschließe sich nicht ohne Begründung, weshalb die Strafkammer trotz strafmildernder Umstände den Angeklagten mit der Höchststrafe bestraft hat. Die Strafe von 15 Jahren hätte demnach näher bzw. überhaupt begründet werden müssen, weshalb die Revision in diesem Punkt erfolgreich ist. Die zugehörigen Feststellungen bleiben jedoch bestehen.

Anwalt für Strafrecht: Mord und Raub mit Todesfolge

Eine abgebrochene Schul- oder Berufsausbildung oder das Fehlen einer kontinuierlichen Erwerbstätigkeit können für Reifedefizite sprechen und zur Anwendung von Jugendstrafrecht führen.

Ob der heranwachsende Angeklagte im Sinne des Gesetzes als Jugendlicher oder Erwachsener behandelt wird, hat der Bundesgerichtshof (5 StR 285/22) in seinem Urteil vom 2. Februar 2023 entschieden. Der Angeklagte führte mit weiteren Personen einen Raubüberfall durch, wobei sich die Angeklagten während des Überfalls beschlossen, den Geschädigten zu töten, nachdem dieser ihnen nicht die Verstecke für sein Geld nennen wollte. Das Landgericht Berlin wandte auf den 20-jährigen Heranwachsenden Jugendstrafrecht an. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die auf die Anwendung von Jugendstrafrecht gerichtet war, hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass die Frage, ob der Heranwachsende bei der Tat in seiner geistigen und sittlichen Entwicklung einem jugendlichen gleichstand, eine Tatfrage ist, bei der dem Jugendrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum zur Verfügung steht. Die hier genannten Gründe, wie eine abgebrochene Schul- oder Berufsausbildung oder das Fehlen einer kontinuierlichen Erwerbstätigkeit können Anhaltspunkte dafür sein. Auch das starke Abhängigkeitsverhältnis zur (Groß-)Familie des Angeklagten spricht dafür.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Ein heimtückischer Mord nach § 211 Abs. 2 StGB erfordert kein heimliches Vorgehen.

Hat der Angeklagte einen heimtückischen Mord begangen? Mit dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 194/23) in seinem Beschluss vom 15. November 2023 befassen. Dieser traf auf dem Bahnhof auf den Geschädigten, den er aus einer früheren Auseinandersetzung wiedererkannte. Nachdem sie sich gegenseitig beleidigten, zog der frontal zum Geschädigten stehende Angeklagte ein Jagdmesser aus seiner Tasche und stach dem Geschädigten wuchtig ins Herz. Dieser verstarb kurz darauf. Das Landgericht Stuttgart stellte in seinem Urteil das Mordmerkmal der Heimtücke fest. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Entscheidung. Demnach erfordere die Heimtücke kein heimliches Vorgehen. Das Opfer kann auch dann arglos sein, wenn ihm keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen, auch dann, wenn der Angreifer ihm feindselig entgegentritt. Der Geschädigte hatte weder Kampf- noch Abwehrverletzungen. Aus der Gesamtschau lässt lässt sich daher der Schluss ziehen, dass sich der Geschädigte zum Zeitpunkt des Messerstichs keines erheblichen Angriffs auf seine körperliche Unversehrtheit versah.

Totschlag durch Unterlassen durch Hebamme

Der Anwendungsbereich des § 212 StGB beginnt bei einem regulären Geburtsverlauf nach herrschender Auffassung mit dem Beginn der Eröffnungswehen.

Ob sich eine Hebamme wegen Totschlags durch Unterlassen strafbar gemacht hat, musste der Bundesgerichtshof (6 StR 128/23) in seinem Beschluss vom 2. November 2023 entscheiden. Die Angeklagte, die als Hebamme tätig war, bestärkte die Nebenklägerin darin, eine Hausgeburt durchzuführen. Nach dem Blasensprung schritt die Geburt nur sehr langsam voran. 3 Tage nach dem Blasensprung war der Muttermund sieben bis acht Zentimeter geöffnet. Einen Tag später verspürte die Nebenklägerin einen stechenden Schmerz im Bauch und nahm außerdem fortan keine Bewegungen des Kindes mehr wahr. Nachdem bei einer veranlassten Ultraschalluntersuchung nur noch ein stark verlangsamter Herzschlag festzustellen war, wurde ein Rettungswagen alarmiert. Spätestens während des Transports in das Krankenhaus verstarb das Kind an einer Minderversorgung des Körpers. Nach Eröffnung der Fruchtblase muss innerhalb von 18 bzw. spätestens 24 Stunden eine Antibiotikatherapie durchgeführt werden, wenn nicht abzusehen ist, dass die Geburt unmittelbar bevorsteht. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Das Landgericht führte in seinem Beschluss aus, dass der Tod des Kindes drei Tage nach dem Blasensprung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu vermeiden gewesen wäre. Am darauffolgenden Tag hätte nur noch eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Überleben des Kindes bestanden. Weiterhin führt das Landgericht aus, dass sich die Angeklagte wissentlich den geltenden Leit- und Richtlinien entgegengesetzt hat, da sie tiefgreifende Vorbehalte gegen Krankenhausgeburten hat. Daher habe sich die Angeklagte unter anderem wegen Totschlags durch Unterlassen strafbar gemacht. Der Bundesgerichtshof bestätigt zwar, dass die Verurteilung wegen Totschlags möglich ist, da kein Schwangerschaftsabbruch nach § 218 StGB vorliegt. Vielmehr hat die Geburt nach den Eröffnungswehen bereits begonnen. Jedoch stellt der Bundesgerichtshof klar, dass ein Unterlassen nur dann ursächlich für den Erfolg ist, wenn dessen Eintritt bei Vornahme der gebotenen Handlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden wäre. Laut dem Urteil des Landgerichts sei der Angeklagten spätestens 4 Tage nach dem Blasensprung bewusst gewesen, dass ein weiteres Abwarten unweigerlich zum Tod des Kindes führen würde. Jedoch bestand zu diesem Zeitpunkt nur noch eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Rettung der Tochter.

Anwalt für Strafrecht: Versuchter Mord

Wenn keine konkrete Lebensgefährlichkeit der Tatausführung besteht, die einen bedingten Tötungsvorsatz nahe legt, muss eine umfassende Gesamtwürdigung aller für und gegen einen Tötungsvorsatz sprechenden Umstände vorgenommen werden.

Die Abgrenzung zwischen bedingtem Tötungsvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit ist nicht unproblematisch. In seinem Beschluss vom 10. Mai 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (5 StR 28/22) mit dieser Thematik befasst. Die Angeklagte, die vom Beruf Krankenschwester ist, verabreichte ihrer Tochter in einem Krankenhaus ein nicht für Kinder zugelassenes Schlafmittel sowie weitere Medikamente in einer lebensgefährlichen Dosis. Für das Kind bestand keine akute Lebensgefahr, da die Substanzen sich im Körper wieder abbauten. Das Landgericht Hamburg verurteilte die Angeklagte unter anderem wegen versuchten Mordes. Der Bundesgerichtshof erwiderte dem jedoch, dass eine umfassende Gesamtwürdigung aller für und gegen einen Tötungsvorsatz sprechenden Umstände vorgenommen werden muss, wenn keine konkrete Lebensgefährlichkeit der Tatausführung besteht. So wurde unter anderem nicht in die Entscheidung mit einbezogen, dass sich die Angeklagte bis zur Tat liebevoll und fürsorglich um ihre Kinder kümmerte.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Ein Mord aus niedrigen Beweggründen ist anzunehmen, wenn die Beweggründe nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders verachtenswert sind.

In seinem Beschluss vom 14. Juni 2023 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 399/22) mit dem Mord aus niedrigen Beweggründen auseinandersetzen. Nach dem vorliegenden Sachverhalt quälte und verletzte der Angeklagte den zweijährigen Sohn seiner Lebensgefährtin über Wochen hinweg. An einem Tag trat er den auf dem Rücken liegenden Jungen kräftig in den Bauch. Am folgenden Abend verstarb das Kind. Das Landgericht Ellwangen lehnte einen Mord aus niedrigen Beweggründen ab und verurteilte den Angeklagten unter anderem wegen Totschlags. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes hält die Verneinung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe mit der vom Landgericht abgegebenen Begründung sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Demnach wurden die früheren Misshandlungen bei der Gesamtbetrachtung nicht ausreichend berücksichtigt. Die festgestellte Gleichgültigkeit gegenüber den Befindlichkeiten des Kindes hätte in Bezug zu dem Tritt in den Bauch gesetzt werden müssen.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Bei der Tötung eines Säuglings kommt es bei der Feststellung der Heimtücke auf die Arg- und Wehrlosigkeit eines im Hinblick auf das Kind schutzbereiten Dritten an.

Inwiefern das Merkmal der Heimtücke bei der Tötung eines Säuglings zu bewerten ist, hat der Bundesgerichtshof (6 StR 231/23) in seinem Beschluss vom 12. Juli 2023 beantwortet. Die Angeklagte tötete ihr drei Monate altes Baby, während sich ihr Ehemann etwa 360 Meter von dem Gebäude entfernt befand. Das Landgericht Schweinfurt würdigte dies als Mord und nahm das Mordmerkmal der Heimtücke an. Der Bundesgerichtshof führt daraufhin aus, dass das Landgericht die Heimtücke zwar korrekterweise auf den Ehemann abgestellt hat, da ein Kind in dem Alter noch nicht zu Argwohn und Gegenwehr fähig ist. Jedoch verneint der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall trotzdem die Heimtücke. Der schutzbereite Dritte muss demnach den Umständen nach auch den Schutz wirksam erbringen können. Aufgrund der erheblichen räumlichen Entfernung liegt es jedoch nach den getroffenen Feststellungen fern, dass der Ehemann zum Zeitpunkt des Angriffs ein schutzbereiter Dritter war.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Die Vorstellungen des Täters sind entscheidend, um zu beurteilen, ob es sich um einen unbeendeten oder beendeten Versuch handelt.

Ob sich der Angeklagte wegen Totschlags strafbar gemacht hat oder ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch vorliegt, musste der Bundesgerichtshof (3 StR 32/23) in seinem Beschluss vom 31. Mai 2023 entscheiden. Der Angeklagte schnitt in einer Wohnung eine Person über die rechte Halsseite und stach auf zwei weitere ein. Zwei Geschädigte verließen daraufhin das Haus und die weitere geschädigte Person brach im Bad zusammen. Das Landgericht Düsseldorf sah in zwei dieser Fälle einen versuchten Totschlag als einschlägig an. Der Bundesgerichtshof merkt jedoch in seinem Beschluss an, dass das Landgericht den strafbefreienden Rücktritt nicht beachtet hat. Das Landgericht hätte demnach untersuchen müssen, ob ein strafbefreiender Rücktritt von den versuchten Taten gem. § 24 Abs. 1 StGB vorliegt. Der angegebene Sachverhalt belegt nicht, dass die Versuche fehlgeschlagen waren und schließen vor allem nicht aus, dass der Angeklagte freiwillig vom unbeendeten Versuch zurücktrat. Für die Beurteilung, ob es sich um einen unbeendeten oder beendeten Versuch handelt, ist die Vorstellung des Täters maßgeblich.