Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Minder schwerer Fall des Totschlags

Bei einem minder schweren Fall des Totschlags nach § 213 StGB sind zuerst die allgemeinen Minderungsgründe zu prüfen. Wenn diese nicht vorliegen, sind jedoch auch andere mögliche Strafmilderungsgründe heranzuziehen.

In seinem Beschluss vom 23. März 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 52/21) mit dem minder schweren Fall des Totschlags nach § 213 StGB auseinandersetzen. Im vorliegenden Fall führten der Angeklagte und die Geschädigte eine Ehe mit vielen Unterbrechungen, wobei die Geschädigte häufig mit Eifersucht zu kämpfen hatte. Als sie dem Angeklagten mal wieder vorwarf, ihr fremdgegangen zu sein, stach er ihr mit einem Küchenmesser in den Oberschenkel. Der Angeklagte verständigte noch den Notruf, jedoch verstarb die Geschädigte später im Krankenhaus. Vom Landgericht Kempten wurde der Angeklagte daraufhin wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Der Bundesgerichtshof hob diese Urteil jedoch auf, da es die Verneinung des minder schweren Totschlags nach § 213 2. Alt. StGB hier nicht für tragfähig hält. Demnach müssen die schweren Umstände der Ehe und die daraus resultierende psychische Belastung als strafmildernd angesehen werden.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Ein Mord aufgrund Verdeckungsabsicht gem. § 211 StGB ist auch mit bedingtem Tötungsvorsatz möglich. Jedoch muss der Täter davon ausgehen, dass er die Aufdeckung der vorangegangenen Straftat unabhängig vom Todeserfolg verhindern kann.

Der Bundesgerichtshof (4 StR 356/21) musste sich in seinem Beschluss vom 30. März 2022 mit der Verdeckungsabsicht beim Mord beschäftigen. Im hiesigen Sachverhalt suchte der Angeklagte eine von ihm schon öfters besuchte Prostituierte auf und hatte mit ihr in dem Wissen, nicht bezahlen zu können, Geschlechtsverkehr. Als sie von ihm das Geld verlangte und anfing laut zu werden, bekam der Angeklagte Angst, dass andere Leute sie hören könnten. Daraufhin fing er an, die Geschädigte zu würgen, sodass diese aufgrund einer durch das Würgen verursachten zentralen Lähmung verstarb. Das Landgericht Dortmund verurteilte den Angeklagten wegen Mordes. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes, lag eine Verdeckungsabsicht nach den vorliegenden Feststellungen jedoch nicht vor. Demnach ist es nicht vereinbar, wenn der Täter wie vorliegend mit bedingtem Tötungsvorsatz handelt, den erstrebten Verdeckungserfolg aber nur durch den Tod der Geschädigten für möglich hält. Es schließen sich der zielgerichtete Wille, eine Straftat durch Tötung zu begehen, und die bloße Billigung dieser gegenseitig aus.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Eine mangelhafte Prüfung der Schuldfähigkeit gem. §§ 20, 21 Strafgesetzbuch (StGB) kann eine erneute Prüfung der Notwehrüberschreitung gem. § 33 StGB erforderlich machen.

Mit der Schuldfähigkeit und der davon beeinflussten Prüfung der Notwehrüberschreitung musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 99/22) in seinem Beschluss vom 12. Mai 2022 beschäftigen. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt schoss der alkoholabhängige Angeklagte auf sich in seinem Haus befindende Einbrecher, die gerade dabei waren, zu flüchten, und tötete dadurch einen der Beiden. Das Landgericht prüfte die Voraussetzungen einer Notwehrüberschreitung nicht ausdrücklich und verhängte aus dem Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes sind jedoch die Feststellungen zum § 21 StGB fehlerhaft. Durch die Alkoholabhängigkeit des Angeklagten kommt eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit in Frage, sowie in Folge dieser eine Notwehrüberschreitung gem. § 33 StGB.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Bei der Beurteilung, ob ein Totschlag oder ein Mord aus niedrigen Beweggründen vorliegt, ist die Vorgeschichte der Tat von entscheidender Bedeutung. Außerdem kann auch eine spontan begangene Tat einen Mord darstellen.

In seinem Beschluss vom 15. Juni 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (6 StR 23/22) mit der Frage beschäftigt, ob im vorliegenden Fall ein Totschlag oder ein Mord aus niedrigen Beweggründen vorliegt. Nachdem die alkoholisierten Angeklagten einen Zaun und ein Auto auf einem Hotelparkplatz beschädigten, informierte die Hotelbesitzerin ihren Ehemann, der die Angeklagten dann zur Rede stellte. Daraufhin schlugen die Angeklagten mehrmals auf den Geschädigten ein, sodass dieser aufgrund seiner Verletzungen verstarb. Vom Landgericht Magdeburg wurden die Angeklagten dafür wegen Totschlags verurteilt, der Bundesgerichtshof schließt einen Mord aus niedrigen Beweggründen jedoch nicht aus. Demnach ist das Verhalten der Angeklagten vor der Tat mehr zu berücksichtigen. Außerdem stellt der Bundesgerichtshof fest, dass eine Spontantat nicht die Annahme von niedrigen Beweggründen hindert.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Vorsätzlicher Totschlag kann auch dann angenommen werden, wenn das konkrete Tatgeschehen nicht bekannt ist und keine Leiche gefunden wurde.

Mit dem Totschlag nach § 212 Strafgesetzbuch (StGB) musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 309/21) in seinem Beschluss vom 4. Mai 2022 beschäftigen. Im hiesigen Sachverhalt tötete der Angeklagte im Flur der gemeinsamen Wohnung die Geschädigte M auf unbekannte Art und Weise. Als die Geschädigte T später in die Wohnung kam, tötete der Angeklagte auch diese auf unbekannte Weise und brachte die Leichen mit dem Auto an einen unbekannten Ort. Das Landgericht München verurteilte ihn dafür wegen Totschlags gem. § 212 StGB, woraufhin seine Revision ohne Erfolg blieb. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes steht der Annahme einer vorsätzlichen Tötung nicht entgegen, dass das Tatgeschehen unbekannt ist. Für eine Tötung reicht jede Art der bewussten und gewollten Verursachung des Todes eines anderen Menschen aus, dabei hat das Landgericht vorliegend rechtsfehlerfrei unter Berücksichtigung der Spuren auf eine vorsätzliche Tötung geschlossen.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Arglos ist ein Tatopfer dann, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnet.

Mit dem heimtückischen Mord, speziell mit der Arglosigkeit, musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 491/21) in seinem Beschluss vom 15. Februar 2022 auseinandersetzen. Der Angeklagte im vorliegenden Fall litt an einer paranoiden Schizophrenie und entwickelte die Wahnvorstellung, dass seine von ihm getrennt lebende Ehefrau im Familienkreis gegen ihn intrigiere. Um die aus seiner Sicht drohende Gefahr zu beenden, begab er sich mit einer versteckten Waffe zur Wohnung seiner Ehefrau, in der sich auch sein Bruder und seine Schwägerin aufhielten. Nachdem er mit einem Nachschlüssel die Wohnung betrat, kam es zum Streit und der Angeklagte schoss auf seinen Bruder und seine Schwägerin. Die Ehefrau seines Bruders verstarb. Das Landgericht Bielefeld verurteilte ihn daraufhin wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord und gefährlicher Körperverletzung. Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes ist das Mordmerkmal der Heimtücke vorliegend nicht gegeben. Demnach ist das Opfer selbst dann nicht arglos, wenn es wegen fehlender Kenntnis von der Bewaffnung des Täters die Gefährlichkeit des Angriffs unterschätzt.

Ein Erpresser ist regelmäßig dann nicht arglos, wenn er im Begriff ist, seine Tat zu vollenden oder zu beenden. Das Erpressungsopfer handelt in so einem Fall in der Regel nicht heimtückisch.

In seinem Beschluss vom 18. November 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 397/21) mit dem Mordmerkmal der Heimtücke auseinandersetzen. Im vorliegenden Sachverhalt kam es zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer zu einem Konflikt bezüglich Zahlungen von Kokain. Das Tatopfer erpresste den Angeklagten daraufhin. Bei einem Treffen erschoss der Angeklagte das Tatopfer dann, welches sich eines Angriffs auf Leib oder Leben nicht versah. Infolgedessen verurteilte das Landgericht München den Angeklagten wegen heimtückischen Mordes. Seine Revision hatte Erfolg und der Schuldspruch wurde geändert. Der Bundesgerichtshof sah das Mordmerkmal der Heimtücke vorliegend nicht als gegeben an. Der Angeklagte überschritt zwar die gesetzlichen Grenzen der Notwehr, befand sich aber in einer Notwehrlage. Bei einer Erpressung muss der Erpresser mit einer Ausübung des Notwehrrechts durch sein Opfer grundsätzlich jederzeit rechnen. Das spricht gegen eine Arglosigkeit. Auch nach den Einzelfallumständen liegt nach dem Bundesgerichtshof keine Heimtücke vor.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Bei dem minder schweren Fall des Totschlags gem. § 213 Strafgesetzbuch (StGB) handelt der Täter ohne Schuld, wenn er keine genügende Veranlassung für die Provokation seitens des Tatopfers gegeben hat und zur Verschärfung der Situation nicht beigetragen hat. Dabei sind alle maßgeblichen Umstände einzubeziehen.

In seinem Beschluss vom 12. Januar 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (1 StR 462/21) mit dem minder schweren Fall des Totschlags gem. § 213 StGB beschäftigt. Im hiesigen Sachverhalt forderte das Tatopfer den Angeklagten auf, zu ihm in die Wohnung zu kommen. Der Angeklagte, der aufgrund ausstehender Zahlungen von Kokain eine Auseinandersetzung befürchtete, nahm ein Springmesser mit. In der Wohnung angekommen, sperrte das Tatopfer die Tür ab und schlug den Angeklagten mehrmals und drückte ihn dann gegen den Schrank. Der Angeklagte, der kurz nur wenig Luft bekam, holte das Messer heraus und schnitt dem Tatopfer mit diesem in den Halsbereich. Anschließend stach er noch 6 weitere Male zu, woraufhin das Tatopfer starb. Das Landgericht hatte einen Totschlag angenommen und den minder schweren Fall des Totschlags verneint. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes hat das Landgericht hier jedoch einen falschen Maßstab angelegt und wichtige Umstände außer Acht gelassen. Das Landgericht ging vorliegend nur auf die Konflikte im Drogenmilieu ein und folgerte daraus eine Schuld des Angeklagten. Jedoch müssen auch die unmittelbaren Tatumstände beachtet werden, durch die sich ein minder schwerer Fall des Totschlags ergeben kann.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Für die Feststellungen, ob ein sonst niedriger Beweggrund und somit Mord vorgelegen hat, ist die Frage nach der Vorsatzform relevant.

In seinem Beschluss vom 8. März 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (6 StR 320/21) mit dem Vorliegen des Mordmerkmals der sonst niedrigen Beweggründe befasst. In dem, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt tötete der Angeklagte sein Stiefkind. Als er sich erneut über das Geschrei des Säuglings ärgerte, verdeckte er dem Kind die Atemwege mehrere Minuten, woraufhin dieses starb. Das Landgericht sah das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe als nicht vorliegend an. Diese Wertung hält rechtlicher Überprüfung jedoch nicht stand. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Es ist nicht eindeutig, dass der Angeklagte den Säugling wegen einer situativ bedingten Wut oder einer feindseligen Grundhaltung gegenüber diesem tötete. Dafür ist die Frage entscheidend, ob der Angeklagte mit Tötungsabsicht handelte, welche vorliegend nicht ausreichend geklärt wurde. Der Bundesgerichtshof schließt nicht aus, dass es bei der Annahme einer Tötungsabsicht zu dem Ergebnis der niedrigen Beweggründe gekommen wäre.

Ein Verdeckungsmord kann gegeben sein, wenn zwischen einer ersten und einer weiteren, nunmehr in Verdeckungsabsicht vorgenommenen Tötungshandlung eine deutliche zeitliche Zäsur liegt.

In seinem Urteil vom 01. Dezember 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (6 StR 270/21) mit dem Merkmal der Verdeckungsabsicht im Rahmen des Mordes auseinandersetzen. Im hiesigen Fall fühlte sich der Angeklagte aufgrund von abfälligen Aussagen des Opfers provoziert, weshalb er dem Tatopfer mehrfach mit der Faust ins Gesicht schlug sowie gegen den Hals, Kopf und Oberkörper trat. Nach mindestens zwölf Tritten und Schlägen, bei denen er damit rechnete und es billigend in Kauf nahm, dass er das Opfer töten werde, entfernte sich der Angeklagte ein Stück vom Tatort. Die Gewaltakte des Angeklagten waren für sich genommen schon tödlich. Anschließend tauchte der Mitangeklagte auf und nahm an, das Opfer sei verstorben. Aus diesem Grund entschloss er sich, einen Ertrinkungstod mittels Flaschen vorzutäuschen. Der Angeklagte kehrte sodann zum Geschehen zurück und half dem Mitangeklagten. Spätestens beim Einführen der Flaschen zeigte das Opfer Lebenszeichen. Ein Verdeckungsmord kann gegeben sein, wenn zwischen einer ersten und einer weiteren, nunmehr in Verdeckungsabsicht vorgenommenen Tötungshandlung eine deutliche zeitliche Zäsur liegt. Eine solche könnte in dem Weggehen des Angeklagten nach Abschluss der gegen das Opfer gerichteten massiven Gewalthandlung gesehen werden. Mit dem später im Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten ausgeführten Einflößen des Wassers zur Vortäuschung eines Ertrinkungstodes hätte der Angeklagte an dem vom Mitangeklagten begangenen versuchten Verdeckungsmord mitgewirkt. Sofern indessen von einem einheitlichen Tatgeschehen auszugehen ist, so hätte der Angeklagte nicht zur Verdeckung einer anderen Tat gehandelt, sondern die von vornherein mit Tötungsvorsatz verübte Tat nunmehr mit Verdeckungsabsicht vollenden wollen. Für diesen Fall käme das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe in Betracht.