Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Notwehrexzess bei Körperverletzung

Um einen Notwehrexzess zu erfüllen, muss jemand die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschreiten. Zu berücksichtigen sind dabei alle Umstände des Falles. Auch bei einem „kurz vor dem Durchdrehen“ ist dies nicht auszuschließen.

In seinem Beschluss vom 16. September 2014 (2 StR 113/14) äußerte sich der Bundesgerichtshof zu den Voraussetzungen eines Notwehrexzesses. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass nicht ohne weiteres die Möglichkeit eines Notwehrexzess auszuschließen sei, wenn jemand „kurz vor dem Durchdrehen“ und „hektisch hin und her gelaufen“ sei. Dem Beschluss lag als Sachverhalt die Auseinandersetzung zwischen zwei Personen zugrunde. Der Angeklagte hatte den Geschädigten beleidigt, woraufhin dieser anfing seine Flinte zu laden. Durch diese Handlung sah sich der Angeklagte einer Gefahr ausgesetzt und schoss daher auf den Geschädigten. Dieser zog sich dadurch Verletzungen im Rumpfbereich zu.

Um einen Notwehrexzess nach § 33 StGB zu begehen, muss jemand die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschritten haben. Um allerdings unter die Notwehr nach § 32 StGB zu fallen, ist eine Notwehrlage notwendig. Diese ist gegeben, wenn man sich eines gegenwärtigen, rechtwidrigen Angriffs auf seine Person ausgesetzt sieht. Dann dürfen Verteidigungshandlungen ergriffen werden, die geeignet und erforderlich sind. Dabei ist wichtig die mildeste Form der Verteidigung zu wählen. Überschreitet man in hohem Maße die gebotene Verteidigungsform, kann dies dennoch nach § 33 StGB gerechtfertigt sein, wenn man dies aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken tut.

Im vorliegenden Fall stellte der Bundesgerichtshof zunächst fest, dass die Notwehrhandlung des Angeklagten nicht erforderlich gewesen sei. Der Angeklagte hatte nur ein eingeschränktes Notwehrrecht, weil er den Geschädigten zuvor beleidigt hatte. Daraufhin fing dieser an seine Flinte zu laden. Zwar hätte der Angeklagte zunächst andere, mildere Mittel einsetzen müssen, um den Geschädigten von einem Schuss abzuhalten. Jedoch sei der Angeklagte „kurz vor dem Durchdrehen“ gewesen und „hektisch hin und her gelaufen“. Bei wertender Betrachtung ist daher nicht auszuschließen, dass ein „kurz vor dem Durchdrehen“ und ein „hektisch hin und her gelaufen“ unter § 33 StGB bzw. unter Verwirrung, Furcht oder Schrecken fällt. Dadurch wäre der Angeklagte in seiner Handlung gerechtfertigt gewesen. Das hätte hier durch das Landgericht untersucht werden müssen.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung und Irrtum

Wird bei Ende einer Notwehrlage die Verteidigungshandlung weitergeführt, so ist die Vorstellung des Verteidigenden maßgeblich dafür, ob eine vorsätzliche Körperverletzung oder ein Tatbestandsirrtum vorliegt.

Das Notwehrecht gibt den Angegriffenen die Möglichkeit, sich z.B. gegen eine Körperverletzung zur Wehr zu setzen. Endet die Notwehrlage, die Verteidigungshandlung wird jedoch fortgeführt, so kann sowohl eine vorsätzliche Körperverletzung oder ein Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 StGB vorliegen. Ob eine Körperverletzung oder ein Tatbestandsirrtum vorliegt, hängt maßgeblich von der Tätervorstellung ab. Im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. August 2013 – 1 Str 449/13 - hielt der Angegriffene es für erforderlich, die Verteidigungshandlung fortzusetzen. Er befürchtete, dass er anderenfalls erneut durch den Angreifer verletzt werden könnte. Tatsächlich war der Angreifende bereits kampfunfähig und die Notwehrlage somit beendet. Hätte der Verteidigende erkannt, dass die Notwehrlage beendet war, würde eine vorsätzliche Körperverletzung vorliegen. Stellt sich der Verteidiger jedoch vor, die Notwehrsituation besteht weiterhin, da bei Aufgabe der Verteidigungshandlung weitere Angriffe zu befürchten sind, so befindet sich der Verteidigende in einem Irrtum über Tatumstände nach. In diesem Fall entfällt die Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Körperverletzung.

Anwalt für Strafrecht: Notwehr

Auch derjenige, der den Angriff eines anderen pflichtwidrig provoziert hat, handelt entschuldigt, wenn er die Grenzen seines Notwehrrechts aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschreitet.

In seinem Urteil vom 03.06.2015 - 2 StR 473/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass der Entschuldigungsgrund des Notwehrexzesses nach § 33 StGB auch dann Anwendung findet, wenn die Notwehrlage pflichtwidrig provoziert wurde. Wurde der Angriff eines anderen also ganz bewusst provoziert, so heißt dies nicht automatisch, dass eine unangemessene Verteidigungshandlung nicht entschuldigt sein kann. Denn derjenige, der einen Angriff von sich abwehrt und dabei die Grenzen seines Notwehrrechts überschreitet, kann nach § 33 StGB entschuldigt sein, wenn es zu der Überschreitung aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken kommt.
Damit hob der BGH ein Urteil des Landgerichts Gießen auf, durch das der Angeklagte wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wurde. Der Angeklagte hatte einen Angriff seines Nachbarn provoziert und diesen dann mit einem unverhältnismäßigen Schlag mittels eines Spatens auf den Kopf des Nachbarn abgewehrt. Das Landgericht hatte ausgeschlossen, dass der Angeklagte die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschritten hat (§ 33 StGB), da er die Notwehrlage selbst provoziert habe. Nach Ansicht des BGH hätte dies aber als Tatsachenfrage der Beweiswürdigung unterworfen werden müssen, da die Annahme eines Ausschlusses des § 33 StGB bei einer provozierten Notwehrlage rechtsfehlerhaft sei.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung

Ein Schlag mit der Hand gegen die von einem Pressefotografen vor seinem Gesicht gehaltene Kamera erfüllt nicht ohne weiteres den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung durch Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs.

Das Oberlandesgericht Hamburg stellte mit Beschluss vom 5.4.2012 - Aktenzeichen 3-14/12 unter anderem fest, dass es sich bei einer Kamera nicht zwingend um ein gefährliches Werkzeug handelt.

Ein gefährliches Werkzeug ist ein Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach Art der Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche ''Körperverletzungen'' zuzufügen. Dabei kommt es nach Ausführungen des Gerichts entscheidend auf die Erheblichkeit der Verletzungen an, die der Täter durch den Einsatz des Werkzeuges verursacht hat oder verursachen wollte.

Im zu verhandelnden Fall hatte der Angeklagte mit flacher Hand gegen die Kamera eines Pressefotografen geschlagen, um weitere Bildaufnahmen zu verhindern. Dadurch, dass die Kamera gegen das Gesicht des Fotografen gedrückt wurde, erlitt dieser Schmerzen im Oberkiefer und Kopfschmerzen, die allerdings nicht behandelt werden mussten und nach wenigen Tagen wieder verschwunden waren.

Diese Verletzungen stufte das Oberlandesgericht als vergleichsweise gering ein. Auch hätten sie durch einen Schlag mit der bloßen Hand in das Gesicht herbeigeführt werden können. Außerdem habe das Landgericht nicht hinreichend belegt, dass der Angeklagte durch den Schlag tatsächlich erhebliche Verletzungen verursachen wollte. Auf dieser Grundlage sei lediglich eine Verurteilung wegen einfacher ''Körperverletzung'' möglich gewesen. Die Strafe einer ''gefährlichen Körperverletzung'' beträgt Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Im Gegensatz hierzu sieht das Gesetz für eine einfache Körperverletzung lediglich Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor.