Urteile und Entscheidungen im Strafrecht
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Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidigung
Ab wann die Beiordnung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers zulässig ist, hat der Bundesgerichtshof (StB 17/24) in seinem Beschluss vom 19. März 2024 ausgeführt. Dem Beschwerdeführer wird zur Last gelegt, dass er als Sympathisant der terroristischen Vereinigung „IS“ Gelder für diese gesammelt habe. Für das Verfahren, das sich über 20 Hauptverhandlungstage erstrecken soll, wurde ihm ein Pflichtverteidiger beigeordnet. Dabei beantragte ein weiterer Rechtsanwalt seine Beiordnung als zusätzlichen zweiten Pflichtverteidiger gemäß § 144 Abs. 1 StPO, da der beigeordnete Pflichtverteidiger ein Kind erwartet und deshalb möglicherweise für längere Zeit nicht zur Verfügung stehe. Außerdem sei ein zweiter Pflichtverteidiger wegen des Umfangs des Verfahrensstoffes notwendig. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Auch der Bundesgerichtshof stimmt dem zu. Demnach ist die Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen. Etwa wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache. Damit sollen die sachgerechte Wahrnehmung der Rechte des Angeklagten gewahrt werden sowie ein dem Beschleunigungsgrundsatz entsprechender Verfahrensablauf gewährleistet werden. Die Voraussetzungen liegen vorliegend jedoch nicht vor.
Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidigung
Wie damit umzugehen ist, wenn dem Angeklagten bei der polizeilichen Vernehmung kein Pflichtverteidiger bestellt wurde, hat der Bundesgerichtshof (2 StR 49/23) in seinem Beschluss vom 7. Dezember 2023 entschieden. Das Landgericht Limburg a. d. Lahn verurteilte den Angeklagten zuvor wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Dem Angeklagten war jedoch bei seiner polizeilichen Vernehmung entgegen §§ 141a S. 1, 141 Abs. 2, 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO kein Pflichtverteidiger bestellt worden. Ein Verwertungsverbot ergibt sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofes jedoch daraus nicht. Demnach sei ein Verwertungsverbot nur bei schwerwiegenden, bewussten oder objektiv willkürlichen Rechtsverstößen anzunehmen. Vorliegend sind die Beamten aber wegen einer Neuregelung noch davon ausgegangen, dass eine Vernehmung auch ohne Verteidiger möglich ist, wenn der Beschuldigte damit einverstanden ist. Außerdem ist zu beachten, dass das staatliche Verfolgungs- und Aufklärungsinteresse bei wie hiesigen schwerwiegenden Delikten hoch ist.
Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidiger
Wann ein Wechsel des Pflichtverteidigers möglich ist, beantwortete der Bundesgerichtshof (StB 49/23) in seinem Beschluss vom 10. August 2023. Dem Angeschuldigten wird unter anderem vorgeworfen, sich an einer kriminellen Vereinigung beteiligt zu haben. Der Antrag des Angeschuldigten, seinen Pflichtverteidiger zu wechseln, wurde abgelehnt. Dagegen legte er Beschwerde ein und führte dafür aus, dass es hier keiner Zustimmung des Verteidigers benötige und außerdem das Vertrauensverhältnis zerstört sei, da der Rechtsanwalt den Angeschuldigten seit über einem Dreiviertel Jahr nicht in der Untersuchungshaft besucht habe und ohne einen ersichtlichen Grund den Verteidigerwechsel verweigert. Daneben soll er ohne Rücksprache mit dem Angeschuldigten eigene Ermittlungen durchgeführt haben. Das solle dazu führen, dass auch ein Verteidigerwechsel wegen endgültiger Zerstörung des Vertrauensverhältnisses nach § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO möglich ist. Der Bundesgerichtshof führt zunächst aus, dass für einen konsensualen Verteidigerwechsel auch in diesem Fall die Zustimmung des Rechtsanwalts benötigt wird. Voraussetzung für diese Art des Verteidigerwechsels sind das Einverständnis des bisherigen Verteidigers sowie des neuen Rechtsanwalts. Außerdem darf es zu keiner Verfahrensverzögerung und keiner Mehrbelastung für die Staatskasse kommen. Zuletzt liegt nach Ansicht des Bundesgerichtshofes auch keine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses vor, die einen Verteidigerwechsel begründen würde.
Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidigung
In seinem Beschluss vom 15. November 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (StB 51/22) mit der Pflichtverteidigung beschäftigt. Der Ermittlungsrichter des BGH hatte der Beschuldigten, die mutmaßlich der „Reichsbürgerszene“ angehört, einen Pflichtverteidiger bestellt. Dagegen wendete sich diese mit ihrer sofortigen Beschwerde, in der sie vorgebracht hatte, keinen Rechtsanwalt zu benötigen und sich selbst verteidigen zu wollen. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch in seinem Beschluss fest, dass die sofortige Beschwerde unzulässig ist. Das Recht auf Selbstverteidigung, das der Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK gewährleistet, bleibt in Fällen der notwendigen Verteidigung unberührt. Eine Beschwerde diesbezüglich kommt demnach nur in Betracht, wenn der bestellte Verteidiger wegen mangelnder Eignung oder wegen Interessengegensatzes unfähig erscheint, die Verteidigung ordnungsgemäß zu führen oder der Beschuldigte in seinem Recht auf Bezeichnung des zu bestellenden Verteidigers und dessen Beiordnung aus § 142 Abs. 5 S. 1 und 3 StPO betroffen ist.
Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidigung
In seinem Beschluss vom 5. Dezember 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 429/22) mit dem Verteidigerwechsel gem. § 143a StPO auseinandersetzen. Im vorliegenden Fall trug der Angeklagte vor, dass ein Verteidigerwechsel entscheidende Bedeutung für seine Ehre und Familie hätte und gegen seinen bisherigen Pflichtverteidiger bereits Strafanzeige gestellt habe. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch fest, dass der Antrag unbegründet ist, da die Voraussetzungen für einen Pflichtverteidigerwechsel gem. § 143a Abs. 2 und 3 nicht vorliegen. Eine Störung des Vertrauensverhältnisses ist demnach aus Sicht eines verständigen Angeklagten zu beurteilen und von diesem oder seinem Verteidiger substantiiert darzulegen. Die Erstattung einer Strafanzeige ohne anschließende Begründung reicht nicht aus.
Anwalt für Strafrecht: Auswechslung des Pflichtverteidigers
In seinem Beschluss vom 25. August 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (StB 35/22) mit der Frage auseinandergesetzt, wann eine Auswechslung des beigeordneten Pflichtverteidigers in Betracht kommt. Im hiesigen Fall konnte der Beigeordnete nur an 7 der 15 Hauptverhandlungstermine, sodass der Vorsitzende des mit der Sache befassten Strafsenats ihn entpflichtete und einen anderen Pflichtverteidiger bestellte. Die daraufhin erhobene Beschwerde des Angeklagten ist unbegründet. Nach § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Alt. 2 StPO ist die Bestellung des Pflichtverteidigers unter anderem dann aufzuheben, wenn aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung gewährleistet ist. Auf den Willen des Angeklagten kommt es dabei nicht an.
Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidigung
In seinem Beschluss vom 24. März 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (StB 9/21) mit der Frage befassen, wann eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen einem Verteidiger und seinem Mandanten anzunehmen ist. Im hiesigen Fall beantragte die Angeklagte, die Bestellung ihrer Pflichtverteidigerin aufzuheben und ihr als neuen Pflichtverteidiger einen anderen Rechtsanwalt zu bestellen, da sie kein Vertrauen mehr zu ihrer Pflichtverteidigerin habe. Das Vertrauensverhältnis zwischen der Pflichtverteidigerin und der Angeklagten sei nämlich nicht endgültig zerstört und ein sonstiger Grund, die Verteidigerbestellung aufzuheben, bestehe ebenfalls nicht. Eine Störung des Vertrauensverhältnisses ist aus Sicht eines verständigen Angeklagten zu beurteilen und von diesem oder seinem Verteidiger substantiiert darzulegen. Insoweit kann zwar von Bedeutung sein, wenn ein Pflichtverteidiger zu seinem inhaftierten Mandanten über einen längeren Zeitraum überhaupt nicht in Verbindung tritt. Gleichwohl liegt es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Verteidigers, in welchem Umfang und auf welche Weise er mit dem Beschuldigten Kontakt hält. Die unverzichtbaren Mindeststandards müssen jedenfalls gewahrt sein. Im vorliegenden Fall hat die Verteidigerin die Angeklagte mehrmals in der Untersuchungshaft besucht. Die Angeklagte selbst hat keinen weitergehenden Kontakt zu ihrer Verteidigerin aufgenommen oder einen solchen erbeten. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes hat das Oberlandesgericht den Antrag der Angeklagten auf Aufhebung der Bestellung ihrer Pflichtverteidigerin mithin zurecht abgelehnt.
Anwalt für Strafrecht: Notwendige Verteidigung
Nach § 140 Abs. 1 Nr. 2 liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird. Ein Verbrechen wird einem Beschuldigten jedenfalls dann zur Last gelegt, wenn dem Beschuldigten förmlich, also in der Anklageschrift, dem Eröffnungsbeschluss oder einer Nachtragsanklage ein Verbrechen i.S.d. § 12 StGB „zur Last gelegt wird“. In dem Beschluss vom 11. März 2020 (25 Qs 855 Js 81720/19) setzte sich das Landgericht Magdeburg mit der Frage auseinander, ob dem Beschuldigten ein Verbrechen auch dann zur Last gelegt, wenn wegen eines solchen lediglich ermittelt wird. Vorliegend wurde gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ein Ermittlungsverfahren geführt, eine Anklageschrift war aber noch nicht zugestellt worden. Der Antrag des Beschuldigten auf einen Pflichtverteidiger war vom Amtsgericht daher abgelehnt worden. Das Landgericht Magdeburg führte in seiner Entscheidung jedoch aus, dass dem Beschuldigten auch bereits im Stadium des Ermittlungsverfahrens ein Verbrechen zur Last gelegt wird, wenn wegen eines solchen lediglich ermittelt wird. Da vorliegend jedenfalls auch wegen des Verdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) ermittelt wurde, das aufgrund der angeordneten Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr ein Verbrechen darstellt, seien die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung erfüllt. Dem Beschuldigten sei daher ein Pflichtverteidiger beizuordnen.
Anwalt für Strafrecht: Notwendige Verteidigung
Im Strafrecht gibt es keine Prozesskostenhilfe, sondern nur das Institut der notwendigen Verteidigung. Gemäß § 140 Abs. 2 StPO liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung dann vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. Die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge wird dann angenommen, wenn eine Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe gegeben ist. Das Landgericht Magdeburg musste sich in dem Beschluss vom 30. April 2020 (25 Qs 802 Js 70719/20) damit auseinandersetzen, ob ein Fall der notwendigen Verteidigung auch bei geringfügigen Vorwürfen vorliegen kann. Vorliegend war gegen den Angeklagten vor dem Amtsgericht Halberstadt wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz Anklage erhoben worden. Der Antrag des Angeklagten auf einen Pflichtverteidiger wurde abgelehnt, da die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung nicht gegeben sein sollen. Zeitgleich war gegen den Angeklagten aber auch bei dem Amtsgericht Gardelegen ein Verfahren wegen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und Diebstahl anhängig, bei dem die Voraussetzungen der Pflichtverteidigung gegeben sind. Nach Ansicht des Landgerichts Magdeburg können die beiden Verfahren nicht isoliert betrachtet werden, da für beide Verfahren eine Gesamtstrafenfähigkeit vorliege. Bei Bildung der Gesamtstrafe würde die Strafe jedenfalls in den Bereich der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolgen im Sinne von § 140 Abs. 2 StPO gelangen, weshalb die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung erfüllt seien und dem Angeklagten für beide Verfahren daher ein Pflichtverteidiger beizuordnen sei.
Anwalt für Strafrecht: Ablösung des Pflichtverteidigers
Wann ein Pflichtverteidiger seine Bestellung als Pflichtverteidiger zurücknehmen kann, ist in § 143a StPO geregelt. Nach § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO ist die Bestellung des Pflichtverteidigers dann aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem endgültig zerstört oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist. In seiner Entscheidung vom 5. März 2020 (StB 6/20) musste sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinandersetzen, wann ein solches Vertrauensverhältnis endgültig zerstört ist. In dem Fall führt das Oberlandesgericht Celle gegen den Angeklagten eine Hauptverhandlung wegen des Vorwurfs der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Die Pflichtverteidiger des Angeklagten haben beantragt, ihre Bestellung als Pflichtverteidiger zurückzunehmen, da der Angeklagte ohne Absprache mit ihnen entschieden habe, ein Geständnis abzulegen, wodurch das Vertrauensverhältnis zu dem Angeklagten vollständig zerrüttet sei. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs rechtfertigen Differenzen zwischen dem Pflichtverteidiger und dem Angeklagten über die Verteidigungsstrategie für sich genommen die Entpflichtung jedoch nicht. Etwas andere könne allenfalls gelten, wenn solche Meinungsverschiedenheiten über das grundlegende Verteidigungskonzept nicht behoben werden können und der Verteidiger sich etwa wegen der Ablehnung seines Rats außerstande erklärt, die Verteidigung des Angeklagten sachgemäß zu führen. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall, weshalb der Antrag der Pflichtverteidiger abzulehnen sei.