Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Mord

Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tabestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und dass er ihn billigend in Kauf nimmt.

Mit der Frage, ob im vorliegenden Fall ein bedingter Tötungsvorsatz gegeben ist, hat sich der Bundesgerichtshof (6 StR 71/24) in seinem Beschluss vom 26. Juni 2024 befasst. Der Angeklagte kaufte im Internet Rattengift aus dem Ausland, mit dem er zuerst seine Mutter vergiftete. Diese konnte jedoch gerettet werden. Außerdem mischte der Angeklagte das Gift in einen Frischkäse, den er zwei seiner Kollegen anbot. Auch diese konnten durch eine mehrmonatige Behandlung mit Vitamin K gerettet werden. Das Landgericht Hannover nahm im ersten Fall einen versuchten Mord an. Im Fall der Vergiftung seiner Kollegen ging es dagegen lediglich von einer gefährlichen Körperverletzung aus. Das Landgericht führte als Begründung an, dass der Angeklagte seinen Kollegen lediglich einen Denkzettel verpassen wollte, sie aber nicht tödlich verletzten wollte. Auch die bessere Fitness seiner Kollegen habe ihn laut des Gerichts glauben lassen, dass das Gift nicht zum Tod seiner Kollegen führt. Der Bundesgerichtshof erwidert dem jedoch, dass es für diese Annahmen keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte gegeben hat. Die Beweiserwägungen zu dem Vorstellungsbild des Angeklagten erweisen sich in mehreren Punkten  vielmehr als lückenhaft. So hat das Landgericht unter anderem keine Feststellungen zu dem Gesundheitszustand der Geschädigten getroffen.

Anwalt für Strafrecht: Schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung

Für die Aneignungsabsicht ist es notwendig, dass der Täter die Sache körperlich oder wirtschaftlich seinem Vermögen einverleiben will, auch wenn dies nur vorübergehend der Fall ist.

Die Zueignungsabsicht beim Raub: Um diese ging es im Beschluss des Bundesgerichtshofes (1 StR 75/24) vom 3. April 2024. Die Angeklagten wollten dem Geschädigten eine Abreibung verpassen, nachdem sie sich mit ihm zerstritten und über eine Internetplattform gegenseitig beleidigt hatten. Dafür drangen sie in das Zimmer des Geschädigten ein und verletzten und drohten diesen. Damit wollten sie ihn erdniedrigen, aber auch die Wegnahme seines Handys ermöglichen. Dieses nahmen die Angeklagten mit der Begründung an sich, dass der Geschädigte sie beleidigt und beschimpft habe. Bei der späteren Durchsuchung konnte das Handy bei den Angeklagten nicht aufgefunden werden. Das Landgericht Augsburg entschied sich dazu, die Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu verurteilen. Eine Zueignungsabsicht lasse sich jedoch nicht feststellen, stellt der Bundesgerichtshof fest. Besonders die Aneignungskomponente bereitet im vorliegenden Fall Probleme. Es reicht zwar eine vorübergehende Aneignung grundsätzlich aus, jedoch muss eine Aneignungsabsicht vorliegen. Für diese genügt es nicht, wenn der Täter die Sache zerstören, wegwerfen oder nur vorübergehend für sich behalten will. Stattdessen ist es erforderlich, dass der Täter die Sache körperlich oder wirtschaftlich seinem Vermögen einverleiben will, auch wenn dies nur vorübergehend der Fall ist. Daran fehlt es unter anderem dann, wenn der Täter dem Geschädigten mit der Wegnahme nur einen Denkzettel verpassen will. 

Anwalt für Strafrecht: Versuchter Mord

Bei der Bewertung einer freiwilligen Vollendungsverhinderung beim beendeten Versuch ist es entscheidend, ob der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ bleibt.

Wann ist ein freiwilliger Rücktritt beim beendeten Versuch noch möglich? Mit der Beantwortung dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshof (6 StR 324/23) in seinem Beschluss vom 10. Januar 2024 auseinandersetzen. Der Angeklagte fand in der Vergangenheit einen Ausgleich für die von ihm gefühlte Zurückweisung durch Frauen, in dem Anschauen von gewaltbezogener Pornographie. In den Filmen wurden Frauen erschlagen oder erschossen und anschließend sexuell missbraucht. Als der Angeklagte für einen Auftrag in die Wohnung der Geschädigten gerufen wurde und mit dieser alleine war, entschied er sich dazu, diese Gewaltfantasien auszuleben. Er erschlug die Nebenklägerin mehrfach mit einem Hammer, um sie anschließend sexuell zu missbrauchen. Aufgrund des massiven Verletzungsbildes kam es jedoch nicht zu sexuellen Handlungen. Als er die Wohnung verließ, spielte er vor Passanten vor, dass er einen Einbrecher verfolgen würde, der zuvor eine Frau in einer Wohnung angegriffen habe. Dabei hielt er eine Zeugin dazu an, einen Krankenwagen zu rufen. Das tat er jedoch nicht aus freien Stücken, sondern da ihm der gefühlte innere seelische Druck keine Handlungsalternative ließ. Insbesondere war er um die sozialen, beruflichen und strafrechtlichen Konsequenzen seiner Tat besorgt. Die Geschädigte konnte durch die medizinische Hilfe gerettet werden. Das Landgericht Würzburg verurteilte den Angeklagten unter anderem wegen versuchten Mordes aus Heimtücke und zur Befriedigung des Geschlechtstriebes. Einen Rücktritt lehnt auch der Bundesgerichtshof ab.  Demnach ist bei der freiwilligen Vollendungsverhinderung beim beendeten Versuch entscheidend, ob der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ bleibt und auf der Grundlage eine willensgesteuerte Entscheidung die Vollendung der Tat verhindert. Vorliegend hat der Angeklagte die Rettungskette aber erzwungenermaßen in Gang gesetzt und deshalb den Erfolg nicht freiwillig verhindert. 

Anwalt für Strafrecht: Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln

Die Einfuhr von Betäubungsmitteln ist in Ausnahmefällen nicht erst beendet, wenn das eingeführte Rauschgift im Inland in Sicherheit gebracht wurde, sondern bereits nach der Beschlagnahme der Drogen durch die Behörden.

Was unter einer Einfuhr von Betäubungsmitteln verstanden werden kann und wann diese beendet ist, hat der Bundesgerichtshof (2 StR 221/23) in seinem Beschluss vom 31. Januar 2024 festgestellt. Ein weiterer Angeklagter veranlasste zuvor eine andere Person dazu, drei Reisetaschen mit Kokain in verpackten Kartons per Flugzeug in einem Frachtcontainer von Brasilien nach Deutschland zu transportieren. Durch eine Zollkontrolle wurde das Kokain in Deutschland gefunden und gegen einen Kokainersatzstoff ausgetauscht. Die Kartons wurden anschließend mit einem Lkw transportiert, den der Angeklagte mit dem Auto absicherte. Das Landgericht Kassel verurteilte den Angeklagten dafür wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Er soll in die Geschäfte der Person, die den Transport nach Deutschland veranlasst hat, verstrickt sein. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes liegt eine derartige Strafbarkeit nach den getroffenen Feststellungen jedoch nicht vor. Die Einfuhr war nach dem Austausch des Kokains durch die Behörden bereits beendet. Inwiefern der Angeklagte in die Geschäfte der veranlassenden Person verstrickt ist, hat das Landgericht nicht ausreichend ausgeführt, weshalb es neuer Verhandlung und Entscheidung bedarf.

Anwalt für Strafrecht: Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

Ein entschuldigender Notstand setzt voraus, dass der Täter in einer gegenwärtigen, nicht anderes abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden.

Wie damit umzugehen ist, wenn der Angeklagte „gezwungen“ wird, bei der Aufzucht von Cannabispflanzen mitzuhelfen, hat der Bundesgerichtshof (3 StR 185/23) in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2023 entschieden. Der Angeklagte arbeitete die Schulden seines Schwagers ab, indem er die Betreiber einer Cannabisplantage bei der Aufzucht der Pflanzen unterstützte. Seinem Schwager werde ansonsten ins Knie geschossen, hatte einer der Betreiber angekündigt. Eine Straffreiheit in diesem Fall aufgrund eines entschuldigenden Notstands lehnte der Bundesgerichtshof ab. Demnach ist eine Gefahr nicht anders abwendbar, wenn bei einer Ex-ante-Betrachtung kein milderes, gleichermaßen zur Gefahrenabwehr geeignetes Mittel vorhanden ist. Im hiesigen Fall wäre jedoch die Inanspruchnahme behördlicher Hilfe  ein milderes Mittel gewesen. Es bestand ohne Weiteres die Möglichkeit, die Drohungen abzuwenden, indem diese den zuständigen Behörden angezeigt werden. Ein Ausnahmefall liegt nicht vor.

Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidigung

Die Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen.

Ab wann die Beiordnung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers zulässig ist, hat der Bundesgerichtshof (StB 17/24) in seinem Beschluss vom 19. März 2024 ausgeführt. Dem Beschwerdeführer wird zur Last gelegt, dass er als Sympathisant der terroristischen Vereinigung „IS“ Gelder für diese gesammelt habe. Für das Verfahren, das sich über 20 Hauptverhandlungstage erstrecken soll, wurde ihm ein Pflichtverteidiger beigeordnet. Dabei beantragte ein weiterer Rechtsanwalt seine Beiordnung als zusätzlichen zweiten Pflichtverteidiger gemäß § 144 Abs. 1 StPO, da der beigeordnete Pflichtverteidiger ein Kind erwartet und deshalb möglicherweise für längere Zeit nicht zur Verfügung stehe. Außerdem sei ein zweiter Pflichtverteidiger wegen des Umfangs des Verfahrensstoffes notwendig. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Auch der Bundesgerichtshof stimmt dem zu. Demnach ist die Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen. Etwa wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache. Damit sollen die sachgerechte Wahrnehmung der Rechte des Angeklagten gewahrt werden sowie ein dem Beschleunigungsgrundsatz entsprechender Verfahrensablauf gewährleistet werden. Die Voraussetzungen liegen vorliegend jedoch nicht vor.

Anwalt für Strafrecht: Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes

Worte im Sinne des § 201 StGB sind dann öffentlich gesprochen, wenn sich ein Polizeibeamter bei einer Versammlung unter freiem Himmel an eine bestimmte Person oder einen bestimmten Personenkreis wendet, da der Beamte unter diesen Bedingungen nicht sicherstellen kann, dass seine Äußerungen nicht durch umstehende Teilnehmer oder Passanten wahrgenommen werden.

Mit dem Straftatbestand des § 201 StGB, der die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes regelt, hat sich das Oberlandesgericht Celle in dem Beschluss vom 22. November 2023 befasst. Der Angeklagte lief mit aktivierter Videofunktion auf seinem Handy durch die Stadt und traf dabei auf einen Polizeibeamten, der sich im Dienst befand, aber zivil gekleidet war. Das Gespräch mit dem Polizeibeamten nahm der Angeklagte daraufhin auf, ohne dass der Beamte davon wusste. Nach einer polizeilichen Durchsuchung, bei der das Video auf dem Notebook des Angeklagten entdeckt wurde, verurteilte das Landgericht den Angeklagten wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes. Das Oberlandesgericht erklärt, dass es strittig ist, wie sich die Vorschrift bei einem Wortwechsel zwischen Polizeibeamten und Privatpersonen im Zusammenhang mit Demonstrationen bzw. Versammlungen unter freiem Himmel sowie bei Äußerungen in belebter Umgebung verhält. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle sind die Worte im Sinne der Vorschrift öffentlich gesprochen, wenn sich ein Polizeibeamter bei einer Versammlung unter freiem Himmel an eine bestimmte Person oder einen bestimmten Personenkreis wendet, da der Beamte unter diesen Bedingungen nicht sicherstellen kann, dass seine Äußerungen nicht durch umstehende Teilnehmer oder Passanten wahrgenommen werden. Auch im vorliegenden Fall erschien eine Mithörmöglichkeit für andere naheliegend. Für eine Beurteilung dessen bedarf es laut des Gerichts genauerer Feststellungen zu der Gesprächssituation, weshalb eine erneute Verhandlung vonnöten ist.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Niedrige Beweggründe, die zugleich spezielle Mordmerkmale erfüllen und denen darüber hinaus kein weiterer Unrechtsgehalt zukommt, werden von den speziellen Mordmerkmalen verdrängt.

Mit dem Mord aus niedrigen Beweggründen hat sich der Bundesgerichtshof (4 StR 448/23) in seinem Beschluss vom 13. März 2024 auseinandergesetzt. Der jugendliche Angeklagte suchte die Wohnung des 83-jährigen Geschädigten auf, um dessen Auto zu fordern. Mit diesem wollte er ein Mädchen beeindrucken. Nachdem der Geschädigte die Schlüssel nicht hergeben wollte, stach der Angeklagte auf den Geschädigten ein. Als der Angeklagte schließlich zwei Tage später mit dem Auto einen Unfall gebaut hatte, wurde die Leiche des Geschädigten aufgefunden. Das Landgericht Arnsberg verurteilte den Angeklagten für die Tat wegen Mordes in Tateinheit mit Raub in Todesfolge zu einer Jugendstrafe von über neun Jahren. Dabei nahm es die Mordmerkmale der Ermöglichungsabsicht und der niedrigen Beweggründe an. Der Bundesgerichtshof wendete dem jedoch ein, dass niedrige Beweggründe, die zugleich spezielle Mordmerkmale erfüllen und denen darüber hinaus kein weiterer Unrechtsgehalt zukommt, von den speziellen Mordmerkmalen verdrängt werden. Das Landgericht begründete das Vorliegen der beiden Mordmerkmale gleich, sodass das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht vorliegend das der niedrigen Beweggründe verdrängt.

Anwalt für Strafrecht: Bedingter Tötungsvorsatz

Bedingter Tötungsvorsatz setzt voraus, dass der Täter den tatbestandlichen Erfolg als möglich erachtet und ihn billigend in Kauf nimmt.

Wann kann von einem bedingten Tötungsvorsatz ausgegangen werden? Zu dieser Frage äußerte sich der Bundesgerichtshof (5 StR 510/23) in seinem Beschluss vom 24. April 2024. Der Angeklagte attackierte den Nebenkläger mit zwei weiteren Personen in einem Park. Dabei stachen sie insbesondere auf das Bein des Geschädigten ein, der sich deswegen in akuter Lebensgefahr befand. Die Mittäter stachen während des Angriffes auch in den Brustkorb des Geschädigten. Einen Tötungsvorsatz lehnte das Landgericht Kiel beim Angeklagten ab. Die Prüfung des Tötungsvorsatzes weist aber Rechtsfehler auf, stellt der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss fest. Das Landgericht wertete zuvor als vorsatzkritisch, dass die Messerstiche in die Beinregion gesetzt wurden. Jedoch wurde dabei außer Acht gelassen, dass diese in einer akuten Lebensgefahr für den Geschädigten resultierten. Außerdem könnten auch die Verletzungen im Brustkorb dem Angeklagten zugerechnet werden, welche durch andere Tatbeteiligte ausgelöst wurden. Demnach können Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen den Umständen des Falles nach gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst werden, auch wenn er sich diese nicht eigens vorgestellt hat.

Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht

Versäumt der Verurteilte die Frist gemäß § 356a StPO, ist ihm das Verschulden seines Verteidigers zuzurechnen.

Was passiert, wenn der Verteidiger eine Frist wegen eines Urlaubs versäumt; mit dieser Thematik beschäftigte sich der Bundesgerichtshof (1 StR 450/23) in seinem Beschluss vom 4. April 2024. Laut des Verteidigers habe er den Beschluss zur verworfenen Revision erst nach Rückkehr von einer Urlaubsreise zur Kenntnis genommen. Daher soll er die anschließende Anhörungsrüge fristgerecht erhoben haben. Der Bundesgerichtshof stellt aber fest, dass er die Anhörungsrüge nicht fristgerecht erhoben hat, da er den Senatsbeschluss bereits 2 Wochen zuvor erhalten habe.  Bei längerer urlaubsbedingter Abwesenheit hätte er die Bestellung eines Vertreters veranlassen müssen. Ein etwaiges Verschulden des Verteidigers ist dem Verurteilten zuzurechnen.