Urteile und Entscheidungen im Strafrecht
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Anwalt für Strafrecht: Urkundenfälschung
In seinem Beschluss vom 18. Februar 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 279/20) mit dem Gesamtvorsatz im Rahmen der Urkundenfälschung befassen. Im hiesigen Fall hatte der Angeklagte, der über keine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen verfügt, an seinem Kraftfahrzeug ein Kennzeichen angebracht, das er von einem anderen Fahrzeug abmontiert und mit amtlichen Siegeln versehen hatte. Im Zuge einer Fahrt rammte er sodann mindestens fünf Straßenpoller. Im Anschluss entfernte er sich vom Unfallort, obwohl er die Beschädigung bemerkt hatte, und setzte seine Fahrt fort. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten u. a. wegen Urkundenfälschung. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil des Landgerichts. Hierbei führte der Bundesgerichtshof an, dass das Geschehen als eine Tat der Urkundenfälschung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu werten ist. Der mehrfache selbständige Gebrauch einer unechten Urkunde bildet mit dem Herstellen einer unechten Urkunde eine tatbestandliche Handlungseinheit und damit eine materiell-rechtliche Tat, wenn der mehrmalige Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht. Ein solcher Gesamtvorsatz ist regelmäßig gegeben, wenn der Täter die für ein anderes Fahrzeug ausgegebenen amtlichen Kennzeichen an einem Fahrzeug anbringt, um dieses als vermeintlich zugelassen im öffentlichen Straßenverkehr mehrfach zu nutzen. Dies gilt fernerhin, wenn ein einheitliches Gebrauchmachen der zusammengesetzten Urkunde vorliegt. Aus dem jeweils tateinheitlichen Zusammentreffen weiterer Delikte mit der einheitlichen Urkundenfälschung folgt, dass sämtliche Gesetzesverstöße, die nicht schwerer wiegen, zu einer Tat im materiell-rechtlichen Sinne verklammert werden.
Anwalt für Strafrecht: Bedingter Tötungsvorsatz
In seinem Beschluss vom 4. März 2021 hat sich der Bundesgerichtshof (5 StR 509/20) mit der Frage befasst, wann von einem bedingten Tötungsvorsatz auszugehen ist. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt wollte der Angeklagte Betäubungsmittel kaufen, woraufhin es an einem Bahnsteig zum Streit kam. Als das Tatopfer sich umdrehte und losging, stieß der Angeklagte ihm aus vollem Lauf in den Rücken. Daraufhin fiel dieser, wie auch vom Angeklagten beabsichtigt, ins Gleisbett. Kurz darauf wurde er von einer U-Bahn erfasst. Das Landgericht Berlin hatte den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. Indessen hatte die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Erfolg. Diese sah einen bedingten Tötungsvorsatz als gegeben an. Bereits der Stoß in das Gleisbett wurde vom Bundesgerichtshof als gefährliche Handlung eingestuft. Zudem hielt sich der Angeklagte schon länger am Bahnsteig auf und konnte somit erkennen, dass schon über 8 Minuten keine U-Bahn mehr kam. Sein Vertrauen darauf, dass es nicht zu einem tödlichen Ausgang kommen würde, basierte somit eher auf Hoffnung als auf Tatsachen.
Anwalt für Strafrecht: Rücktritt
In seinem Beschluss vom 24. November 2021 hat sich der Bundesgerichtshof (4 StR 345/21) mit den Voraussetzungen des Rücktritts befasst. In dem hiesigen Sachverhalt hatte der Angeklagte den Entschluss gefasst, seinen Nachbarn zu überfallen. Hierbei führte er ein Messer bei sich, welches er ausschließlich als Drohmittel einsetzen wollte. Sodann klingelte der Angeklagte maskiert an der Haustür des Geschädigten. Nachdem dieser die Tür geöffnete hatte, griff er nach dem Messer und zugleich nach der Maskierung des Angeklagten. Dabei sagte er: „Ich kenne dich! Hier gibt es nichts zu holen!“ Im Anschluss flüchtete der Angeklagte. Das Landgericht hat einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch des besonders schweren Raubes verneint. Der Versuch sei fehlgeschlagen. Indessen führte der Bundesgerichtshof an, dass diese Entscheidung nicht tragfähig sei. Ein Fehlschlag des Versuchs ist gegeben, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung jedoch Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann, sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung. So liegt der Fehlschlag eines Versuchs nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen, um den Erfolg herbeizuführen. Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten.
Anwalt für Strafrecht: Gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr
In seinem Beschluss vom 3. Dezember 2020 hat sich der Bundesgerichtshof (4 StR 371/20) mit der Frage auseinandergesetzt, wann ein gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr nach § 315 Abs. 1 Nr. 2 StGB vorliegt. Im vorliegenden Sachverhalt setzte sich der Beschuldigte auf eine Bahnsteigkante, wodurch seine Beine in das Gleisbett ragten. Als eine Bahn herannahte, musste der Stadtbahnführer eine Gefahrenbremsung durchführen. Durch eine Warnung seinerseits wurde niemand der Fahrgäste verletzt. Daraufhin ordnete das Landgericht Hannover eine Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Die Revision des Beschuldigten führte zur Aufhebung des Urteils. Die Gefahrenbremsung genügt nicht den Anforderungen zur Darlegung einer konkreten Gefahr für die körperliche Integrität der Insassen im Sinne des § 315 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Es ist somit zu keinem Beinahe-Unfall gekommen.
Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung
In seinem Beschluss vom 15. Dezember 2020 hat sich der Bundesgerichtshof (3 StR 386/20) mit den Voraussetzungen einer gefährlichen Körperverletzung mittels eines hinterlistigen Überfalls befasst. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt bewaffnete sich der Angeklagte heimlich mit einem Messer und ließ sich von der Geschädigten unter einem falschen Vorwand an eine einsame Stelle fahren, um sie zu töten. Auf der Fahrt verhielt er sich friedfertig, um die Geschädigte in Sicherheit zu wiegen. Nachdem die ahnungslose Geschädigte das Auto nach Aufforderung des Angeklagten angehalten hatte, zog dieser das Messer. Die Absicht, die Geschädigte zu töten, hatte der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt aufgegeben. Er wollte sie nunmehr mit dem Tod bedrohen und hierdurch erreichen, dass sie die Beziehung mit ihm fortführt. Hierzu stach er in Richtung ihres Bauch- und Brustbereichs, wobei er Verletzungen der Geschädigten billigend in Kauf nahm. Die Geschädigte erlitt unter anderem einen Schnitt an der Handinnenfläche, weil sie in Panik in die Klinge griff und diese von sich wegdrückte. Der Bundesgerichtshof stellte in seiner Entscheidung fest, dass es sich hierbei nicht nur um eine Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs handelt, sondern auch mittels eines hinterlistigen Überfalls i.S. d. § 224 Abs. 1 Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB). Hinterlistig ist ein Überfall, wenn der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung der wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen. Hierfür genügen in der Regel das Entgegentreten mit vorgetäuschter Friedfertigkeit oder ein mit Heimlichkeit beschaffenes Vorgehen. Der Angeklagte täuschte Friedfertigkeit vor und stellte der Geschädigten eine Falle, indem er sie an einen einsamen Ort führte und sie dort unter einem Vorwand anhalten ließ, um sie mit seinem verborgenen Messer zu töten.
Anwalt für Strafrecht: Strafrahmenverschiebung
In seinem Beschluss vom 10. Juni 2021 musste der Bundesgerichtshof (4 StR 30/21) die Versagung einer Strafrahmenverschiebung beurteilen. In der hiesigen Entscheidung konsumierte der Angeklagte in der Annahme, später von einem Bekannten abgeholt zu werden, erhebliche Mengen Alkohol sowie Amphetamin auf einem Fest. Als der Angeklagte indessen nicht abgeholt wurde, fuhr er selbst mit seinem Fahrzeug. Infolge überhöhter Geschwindigkeit und seiner drogen- und alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit verursachte der Angeklagte einen Unfall, bei dem ein anderer Fahrer tödlich verletzt wurde. Der Angeklagte fuhr weiter, obwohl er davon ausging, dass der Fahrer schwer verletzt war und ohne sofortige Hilfe versterben könnte, was er billigend in Kauf nahm. Das Landgericht hat angenommen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten infolge seines Alkohol- und Drogenkonsums nicht ausschließbar erheblich vermindert war. Eine Verschiebung des Strafrahmens lehnte es jedoch im ersten Fall ab, da bei einer Gesamtwürdigung die Schuldminderung durch schulderhöhende Umstände kompensiert werden würde (u.a. der Gesichtspunkt, dass der Angeklagte mit seiner Trunkenheitsfahrt bis zum Unfall gleich mehrere Delikte verletzt habe und sich seiner Alkoholisierung „bewusst“ gewesen wäre). Die Entscheidung des Landgerichts halte nach Auffassung des Bundesgerichtshofes einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. So wurde zwar zutreffend die selbstverantwortete Trunkenheit als schulderhöhend gewertet. Indes wurde insoweit nicht bedacht, dass der Angeklagte nach den Feststellungen im Zeitpunkt des Sich-Betrinkens nicht in Fahrbereitschaft war, sondern davon ausging, abgeholt zu werden. Diesen Umstand hätte das Landgericht im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung mit Blick auf den dem Angeklagten zur Last gelegten Vorwurf einer Trunkenheitsfahrt und der hierdurch verursachten fahrlässigen Tötung nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Mithin sei nicht auszuschließen, dass das Landgericht von einem zu hohen Schuldgehalt ausgegangen ist.
Anwalt für Strafrecht: Brandstiftung
In seinem Beschluss vom 24. August 2021 hat sich der Bundesgerichtshof (3 StR 247/21) mit der Frage des tauglichen Tatobjekts i.S.d. schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) befasst. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt verbrannte der Angeklagte Fotos in einem Plastikeimer. Als das Feuer auf den Eimer übergriff und Löschbemühungen des Angeklagten erfolglos blieben, verließ er die Wohnung. Aufgrund der dadurch entstandenen Brandschäden wurde die Wohnung unbewohnbar. Der Angeklagte kehrte einige Tage später wieder in die Wohnung zurück und entzündete in Suizidabsicht einen Brand im Badezimmer. Die Wohnung war durch die Brandschäden erneut nicht nur vorübergehend unbewohnbar, sondern es waren umfassende Sanierungsarbeiten erforderlich. Der Angeklagte wurde wegen fahrlässiger Brandstiftung verurteilt. Der zweite Brand führte zur Unbrauchbarkeit verschiedener zuvor noch nicht betroffener Wohnungsbestandteile und schränkte die Nutzbarkeit weitergehend ein. Eine weitere Beeinträchtigung der Sachsubstanz kommt je nach dem Umfang der Vorschädigung noch in Betracht. Indes erfasst der Tatbestand des § 306a Abs. 1 StGB gerade abstrakte Gefahren für Leib und Leben von Menschen. Diese Gefahren gehen regelmäßig auch mit einer wiederholten Brandlegung in Bezug auf dasselbe Objekt einher. Mithin drohen ganz unabhängig davon, ob eine Wohnung bereits zuvor unbrauchbar gewesen war, allgemein Gefahren für sonstige Hausbewohner oder Rettungskräfte.
Anwalt für Strafrecht: Bestechung
In seinem Beschluss vom 21. Oktober 2020 hat sich der Bundesgerichtshof (2 StR 72/20) mit der Frage befasst, wie die Vorteilsgabe bei der Bestechung zu beurteilen ist. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt hatte ein Gefangener in der JVA einem Vollzugsbeamten 500 EUR dafür versprochen, dass er sein Mobiltelefon an sich nehme und es vor den Durchsuchungskräften verstecke. Der Angeklagte übergab dem Vollzugsbeamten vor diesem Hintergrund als Gegenleistung für sein Verhalten 500 EUR. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechung verurteilt. Der Angeklagte hat alle Tatbestandsmerkmale des § 334 StGB in eigener Person erfüllt, indem er dem gesondert Verfolgten, wie mit dem Gefangenen vereinbart, 500 EUR als Entgelt dafür zahlte, dass dieser es unterließ, das Mobiltelefon des Gefangenen sicherzustellen, und es stattdessen an sich nahm und beseitigte. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 25 Abs. 1 StGB ist derjenige, der einen Tatbestand eigenhändig verwirklicht, stets Täter und nicht Gehilfe. Im vorliegenden Fall hingen die Durchführung und der Ausgang der Tat allein vom Willen des Angeklagten ab, der sich die Sache zu Eigen gemacht hatte.
Anwalt für Strafrecht: Rücktritt
In seinem Beschluss vom 7. Oktober 2021 hat sich der Bundesgerichtshof (1 StR 315/21) genauer mit dem Rücktritt beschäftigt. Im vorliegenden Sachverhalt kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Vater seiner Lebensgefährtin, woraufhin sie die Polizei rief. Als der Nebenkläger sich umdrehen wollte, um in die Wohnung zu gehen, stach der Angeklagte mehrmals auf den Nebenkläger ein und verletzte ihn lebensbedrohlich. Daraufhin entfernte sich der Angeklagte vom Unfallort und seine Lebensgefährtin rief erneut die Polizei an. Als sich der Angeklagte im Auto befand, rief auch er die Polizei und verriet nach rund anderthalb Minuten, dass der Nebenkläger verletzt sei. Vom Landgericht Mannheim wurde er anschließend unter anderem wegen versuchten Mordes verurteilt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes ist in diesem Fall der Rücktritt genauer zu klären, weshalb dieser das Urteil aufhob und an ein anderes Gericht zurückverwies. Es sei nicht erforderlich unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung die sicherste und schnellste zu wählen. Ausreichend ist es stattdessen, eine neue, erfolgsabwendende Kausalkette in Gang zu setzen. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass die Polizei erst aufgrund des Anrufs des Angeklagten kam.
Anwalt für Strafrecht: Mittäterschaftliche Tatbeteiligung
Im Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 29. Juli 2021 (1 StR 83/21) musste sich dieser mit der mittäterschaftlichen Tatbeteiligung auseinandersetzen. Der Angeklagte beteiligte sich am Betrug von meist älteren Menschen. Dabei gab sich die Bande als Polizei aus, um an das Vermögen der Menschen zu kommen. Da sie aus der Türkei arbeiteten, brauchten sie Leute, die vor Ort das Geld abholten, was der Angeklagte für 1.000-5.000 € tat. Dafür wurde er vom Landgericht Augsburg wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs verurteilt. Vor dem Bundesgerichtshof hielt diese Entscheidung jedoch nicht stand. Das Zusammenschließen zu einer Bande bedeutet nicht zwingend, dass jeder auch Mittäter ist. Nach ihrer Auffassung muss bei jedem Täter für jede einzelne Tat festgestellt werden, ob es sich um einen Mittäter, Anstifter oder Gehilfen handelt.