Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Minder schwerer Fall des Totschlags

Ein Merkmal des minder schweren Falls des Totschlags ist, dass der Täter zur Tat hingerissen wurde. War der Täter bereits vor der Provokation zur Tat entschlossen, liegt diese Voraussetzung nicht vor.

In seinem Beschluss vom 10. Februar 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (1 StR 508/21) mit dem minder schweren Fall des Totschlags befasst. Im Sachverhalt, der dem Beschluss zugrunde liegt, gingen der Angeklagte und ein weiterer Freund auf den Geschädigten zu, um eine vorausgegangene Auseinandersetzung fortzuführen. Dafür nahm der Angeklagte ein 32 cm langes Küchenmesser mit. Als der Angeklagte mit dem Geschädigten aufeinander traf, schlug der Geschädigte dem Angeklagten sofort ins Gesicht. Im Anschluss daran versetzte der Angeklagte dem Geschädigten mit dem Messer einen tödlichen Stich in die linke Oberkörperseite. Das Landgericht München verurteilte den Angeklagten daraufhin wegen Totschlags. Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Beschluss jedoch fest, dass sich die Erwägungen, mit denen der minder schwere Fall des Totschlags nach § 213 Alt. 1 StGB verneint wurden, sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft erweisen. Demnach kommt es bei dem Merkmal „auf der Stelle zu Tat hingerissen“ auf den motivationspsychologischen Zusammenhang zwischen der Misshandlung oder Beleidigung durch das Opfer und der Körperverletzungshandlung des Täters an. Wenn der Täter bereits vor der Provokation zur Tat entschlossen war, liegt kein Fall des § 213 StGB vor. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass der Umstand, dass der Angeklagte damit rechnete, angegriffen zu werden und daher das Messer mitnahm, nicht belegen, dass er es in jedem Fall mit Tötungsvorsatz verwenden wollte.

Anwalt für Strafrecht: Räuberische Erpressung

Beim Wiedererkennen des Angeklagten durch einen Zeugen darf sich nicht ohne Weiteres auf die subjektive Gewissheit des Zeugen verlassen werden.

Mit der Wiedererkennung eines Angeklagten durch den Zeugen hat sich der Bundesgerichtshof
(6 StR 516/22) in seinem Beschluss vom 8. Februar 2023 auseinandergesetzt. Der Angeklagte wurde unter anderem wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Beweiswürdigung ist in einem Fall jedoch rechtsfehlerhaft. In diesem hat das Landgericht Göttingen seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich darauf gestützt, dass die Nebenklägerin ihn bei einer Wahllichtbildvorlage und dann erneut in der Hauptverhandlung wiedererkannt hat. Jedoch kann der subjektiven Gewissheit der Nebenklägerin bei der Wiedererkennung des Angeklagten, den sie zuvor nicht kannte und nur kurz beobachtete, kein derart großes Gewicht zukommen. Vielmehr hätte das Gericht aufgrund objektiver Kriterien nachprüfen müssen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Niedrig ist ein Beweggrund, der nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist.

In seinem Beschluss vom 6. Dezember 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 479/22) mit dem Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe beschäftigen. Der Angeklagte im hiesigen Fall versuchte, mit mehreren Messerstichen seine Ex-Freundin heimtückisch zu töten. Das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe lehnte das Landgericht Kiel unter anderem mit der Erwägung ab, dass die Trennung von der Geschädigten ausging und das dem Angeklagten unmissverständlich deutlich machte, dass ihre Beziehung zu Ende sei. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch klar, dass der Umstand, dass die Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, für sich gesehen kein gegen die Annahme niedriger Beweggründe sprechendes Indiz darstellt. Weiterhin führt er aus, dass die legitime Inanspruchnahme des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben keine derartige Relevanz für die sozialethische Bewertung des Tötungsmotiv haben kann.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Ein bedingter Tötungsvorsatz liegt zwar bei gefährlichen Gewalthandlungen nahe, trotzdem muss eine umfassende Prüfung durchgeführt werden.

In seinem Beschluss vom 13. Oktober 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (2 StR 327/22) mit dem bedingten Tötungsvorsatz auseinandergesetzt. Der Angeklagte im vorliegenden Fall, der unter einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und einer psychischen und Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch leidet, tötete unter Alkoholeinfluss den Geschädigten nach einer Auseinandersetzung. Im Verlaufe dieser stach der Angeklagte dem Geschädigten mit einem Küchenmesser in den Hals und nahm seinen Tod  nach Auffassung des Landgerichts Frankfurt am Main billigend in Kauf. Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Beschluss daraufhin jedoch klar, dass es bei gefährlichen Gewalthandlungen zwar nahe liegt, dass der Täter mit der Möglichkeit, das Opfer könne dabei zu Tode kommen, rechnet und das in Kauf nimmt, jedoch ist auch in so einem Fall eine umfassende Prüfung beider Elemente des bedingten Tötungsvorsatzes erforderlich.

Anwalt für Strafrecht: versuchter Totschlag

Für die Freiwilligkeit beim Rücktritt ist das Vorstellungsbild des Täters, noch weitere Ausführungshandlungen ausführen zu können, entscheidend.

Wann ein strafbefreiender Rücktritt noch möglich ist, musste der Bundesgerichtshof (1 StR 330/22) in seinem Beschluss vom 16. November 2022 entscheiden. Im hiesigen Fall hat der obdachlose Angeklagte ein hochwertiges Fahrrad gestohlen. Als er danach vom Eigentümer gestellt worden war, holte er ein Messer aus seiner Bauchtasche und stach damit einen hinzukommenden Passanten 2 Mal in Richtung des Bauches. Der Angeklagte folgte dem wegrennenden Geschädigten mit dem Messer, kehrte dann aber um, um seine zurückgebliebenen Sachen zu sichern. Das Landgericht Ulm ist von einem fehlgeschlagenen Tötungsversuch ausgegangen und lehnte einen Rücktritt hab. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch in seinem Beschluss fest, dass sich die Verneinung eines strafbefreiendes Rücktritts als rechtsfehlerhaft erweist, da keine hinreichenden Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung getroffen wurden. Es erscheint demnach nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte nach seinem Vorstellungsbild den weglaufenden Zeugen noch hätte einholen können, was für die Freiwilligkeit des Rücktritts entscheidend ist. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils.

Anwalt für Strafrecht: Sexueller Übergriff nach § 177 Abs. 1 StGB

Geschlechtsverkehr, der heimlich ohne Kondom durchgeführt wurde, stellt einen sexuellen Übergriff dar.

Mit dem sogenannten „Stealthing“ musste sich der Bundesgerichtshof (3 StR 372/22) in seinem Beschluss vom 13. Dezember 2022 beschäftigen. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt wollten der Angeklagte und die Geschädigte einvernehmlichen Oralverkehr haben. Das Kondom, das der Angeklagte aus der Kommode holte, zog dieser jedoch heimlich nicht auf, sondern tat lediglich so. Das Landgericht Düsseldorf verurteilte den Angeklagten dafür wegen sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB. Auch der Bundesgerichtshof bestätigt, dass das Stealthing einen sexuellen Übergriff darstellt. In der Begründung heißt es, dass Geschlechtsverkehr unter Nutzung eines Kondoms und der ohne ein solches unterschiedliche sexuelle Handlungen darstellen und die Geschädigte in der konkreten Situation ungeschützten Geschlechtsverkehr ablehnte. Das war für den Angeklagten nach den näher dargelegten Umständen auch erkennbar.

Anwalt für Strafrecht: Sexueller Missbrauch von Kindern

Sexuelle Handlungen an einem Kind im Sinne des § 184 h Nr. 1 StGB liegen vor, wenn diese bereits objektiv eine Sexualbezogenheit erkennen lassen.

Mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 218/22) in seinem Beschluss vom 18. Januar 2023 beschäftigen. Der Angeklagte im hiesigen Fall küsste den geschädigten Jungen für wenige Sekunden auf den Mund und schlug ihm daraufhin mit der flachen Hand auf das Gesäß. Das Landgericht Hamburg nahm einen sexuellen Missbrauch an Kindern gem. § 176 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB an und auch der Bundesgerichtshof bestätigte dies in seinem Beschluss. Demnach mache sich nach § 176 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB strafbar, wer sexuelle Handlungen an einer Person unter 14 Jahren vornimmt. Sexuelle Handlungen nach § 184 h Nr. 1 StGB sind solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind. Der Zusammenhang von dem Kuss und dem Schlag auf den Po lässt vorliegend nach Auffassung des Bundesgerichtshofes die erforderliche Sexualbezogenheit erkennen. Auch die pädophilen Interessen und der Konsum von kinderpornographischen Bild- und Filmmateriellen belegten demnach die sexuelle Motivation der Handlungen des Angeklagten. Außerdem besteht zwischen dem Geschädigten und dem Angeklagten kein Vertrauensverhältnis, das die Handlungen als Ausdruck familiärer oder freundschaftlicher Zuneigung rechtfertigen könnte. Abschließend stellt der Bundesgerichtshof fest, dass die vorgenommenen Handlungen von einiger Erheblichkeit sind, da bei Kindern geringere Anforderungen zu stellen sind und es sich hierbei um keine unbedeutsame Berührung handelte.

Anwalt für Strafrecht: Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern

Die Strafbarkeit von sexuellen Handlungen vor einem Kind gem. § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB ist nach § 184 h Nr. 2 StGB auf solche Handlungen beschränkt, die vom Kind wahrgenommen werden.

Die Strafbarkeit von sexuellen Handlungen vor einem Kind gem. § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB ist nach § 184 h Nr. 2 StGB auf In seinem Beschluss vom 17. Januar 2023 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 216/22) mit dem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in kinderpornographischer Absicht beschäftigen. Die Angeklagte soll sich auf Anweisung ihres Liebhabers unter anderem vor ihren Kindern einen Massagestab in die Vagina eingeführt und dies gefilmt haben. Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Beschluss fest, dass die Strafbarkeit von sexuellen Handlungen vor einem Kind gem. § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB nach § 184 h Nr. 2 StGB auf solche Handlungen beschränkt ist, die vom Kind wahrgenommen werden. Zudem muss das Kind auch vom Täter in das sexuelle Geschehen mit einbezogen werden. In einigen Fällen liegen demnach dafür keine Anhaltspunkte vor, da die Kinder in den Videos nicht den Anschein machen, als würden sie das Geschehen wahrnehmen. Aus den Videos soll sich weder eine Wahrnehmung der sexuellen Handlungen durch die Kinder noch die handlungsleitende Bedeutung einer solchen Wahrnehmung für die Angeklagte ergeben, sodass der Schuldspruch für die hiesigen Fälle rechtsfehlerhaft ist.

 

Anwalt für Strafrecht: Raub

Die Wegnahme beim Raub ist vollzogen, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist.

In seinem Beschluss vom 4. Mai 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (6 StR 628/21) mit der Vollendung der Wegnahme beim Raub beschäftigen. Im hiesigen Fall brachen die Angeklagten in eine Wohnung ein, um Geld und Drogen zu stehlen. Beim Eintreten der Wohnung schlugen sie dem Geschädigten ins Gesicht und suchten die Beute. Einer der Angeklagten konnte jedoch in der Wohnung von Freunden und Familie des Angeklagten gestellt werden und der andere unten im Treppenhaus. Das Landgericht Magdeburg verurteilte die Angeklagten jeweils unter anderem wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. In der Revision führte die Staatsanwaltschaft aus, dass es sich dabei um einen vollendeten Raub und nicht um einen Versuch handelte. Auch der Bundesgerichtshof ist dieser Auffassung. Demnach hatten die als Mittäter handelnden Angeklagten das Gewahrsam an den Sachen des Geschädigten spätestens dann gebrochen und neu begründet, als einer der Angeklagten die Wohnung verlassen hatte und das Treppenhaus hinuntergelaufen war. Dass er das Haus nicht verlassen konnte, hinderte nicht die Vollendung der Tat, sondern nur die Beendigung dieser durch die Sicherung der Beute.

Anwalt für Strafrecht: Raub

Raub und räuberische Erpressung wird nach dem äußeren Erscheinungsbild des vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten abgegrenzt.

Mit der Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung musste sich der Bundesgerichtshof (6 StR 44/23) in seinem Beschluss vom 22. Februar 2023 auseinandersetzen. Die Angeklagten führten mehrere Überfälle durch. In einem Fall entnahm einer der Angeklagten Bargeld aus der Kasse einer Spielothek, die von einem Mitarbeiter entriegelt wurde, nachdem er vom anderen Angeklagten mit einer Waffe bedroht wurde. Bei einem weiteren Überfall an einer Tankstelle forderte einer der Angeklagten unter Vorhalt einer Schusswaffe die Herausgabe des Geldes. Die Mitarbeiterin der Tankstelle stellte daraufhin die Schublade mit Bargeld auf den Tresen. Das Landgericht Braunschweig wertete diese Fälle als besonders schwere räuberische Erpressung. Der Bundesgerichtshof sieht darin jedoch einen Raub. Demzufolge liegt ein Raub vor, wenn der Geschädigte gezwungen wird, die Wegnahme durch den Täter zu dulden. Wird er jedoch zur Vornahme einer vermögensschädigenden Handlung genötigt, ist eine räuberische Erpressung anzunehmen. Im vorliegenden Fall hat das mit den Waffen erzwungene Verhalten der Mitarbeiter nur eine Gewahrsamslockerung und keine Gewahrsamsübertragung zur Folge. Lediglich die Möglichkeit zur anschließenden Wegnahme wurde durch das Verhalten ermöglicht, sodass von einem Raub in beiden Fällen auszugehen ist.