Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Mord

Es ist nicht geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für die keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen.

In seinem Beschluss vom 25. Januar 2023 beschäftigte sich der Bundesgerichtshof (6 StR 163/22) mit dem möglichen Vorliegen von Mordmerkmalen. Im hiesigen Fall trennte sich die Nebenklägerin vom Angeklagten und zog mit der gemeinsamen Tochter aus dem Haus aus. Jedes zweite Wochenende wohnte die Tochter nach der Trennung beim Angeklagten. An einem dieser Wochenenden drückte der Angeklagte die gemeinsame Tochter mit Tötungsabsicht in die gefüllte Badewanne, sodass sie das Bewusstsein verlor. Daraufhin würgte er sie, bis der Tod des Kindes eintrat und unternahm anschließend einen Suizidversuch. Der Angeklagte wurde vom Landgericht Cottbus für diese Tat wegen Totschlags verurteilt. Die Ablehnung der Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe begegnen jedoch nach Auffassung des Bundesgerichtshofes durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Demnach sei die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte dem Tatopfer möglicherweise offen feindselig gegenübergetreten sei, ausschließlich spekulativ. Wenn sich eine Annahme jedoch nur als spekulativ erweist, kann sie auch nicht als Folge des Zweifelssatzes zu Gunsten des Angeklagten den Urteilsfeststellungen zu Grunde gelegt werden. Folglich halten die Erwägungen, mit denen die Voraussetzungen der Heimtücke verneint wurden, rechtlicher Prüfung nicht stand. Bezüglich der Ablehnung der niedrigen Beweggründe führt der Bundesgerichtshof aus, dass ein im vorliegenden Fall naheliegendes Motiv sei, dass der Angeklagte seine Ex-Frau durch die Tötung des Kindes bestrafen wollte. Dieses Motiv würde zum Vorliegen von niedrigen Beweggründen führen, womit sich das Landgericht jedoch nicht ausreichend beschäftigt hat.

Anwalt für Strafrecht: Bewaffnetes Handeltreibende mit Betäubungsmitteln

Einziehung von Tatmitteln

In seinem Beschluss vom 4. Januar 2023 musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 393/22) mit der Einziehung von Tatmitteln auseinandersetzen. Der Angeklagte im hiesigen Fall wurde wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Zudem traf das Landgericht Berlin eine Einziehungsentscheidung, die sich jedoch als rechtsfehlerhaft erweist. Neben den Betäubungsmitteln und Tatmitteln, wie einer Feinwaage und einem Baseballschläger, wurden auch verpackte Macheten und Messer eingezogen. In seinem Beschluss stellt der Bundesgerichtshof fest, dass es sich dabei nicht um Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 Hs. 2 StGB handelt, da sie nicht zur Vorbereitung oder Begehung der abgeurteilten Tat gebraucht wurden. Auch waren sie dafür nicht bestimmt. Aufgrund der Verpackung waren sie beim Handeltreiben mit den Betäubungsmitteln nicht griffbereit, sodass die Einziehung der noch verpackten Messer und Macheten keinen Bestand hat.

Anwalt für Strafrecht: Gefährdung des Straßenverkehrs

Eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben nach § 315c Abs. 1 StGB liegt vor, wenn die Tathandlung über die ihr innewohnenden latenten Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat.

Mit der Frage, wann von einer vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs auszugehen ist, musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 377/22) in seinem Beschluss vom 20. Dezember 2022 beschäftigen. Im hiesigen Fall führte der Angeklagte Kokain über die niederländisch-deutsche Grenze. An einer Ampel dachte er irrig, dass die Polizisten ihn kontrollieren wollen, beschleunigte daraufhin sein Fahrzeug und überfuhr die noch „rot“ zeigende Ampel über die Linksabbiegerspur. Dabei musste ein anderer Verkehrsteilnehmer eine Notbremsung vornehmen, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Dafür wurde er vom Landgericht Aachen unter anderem wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt. In seinem Beschluss führt der Bundesgerichtshof aus, dass es für die Verurteilung wegen Gefährdung des Straßenverkehrs zu einem sogenannten „Beinahe-Unfall“ kommen muss. Vorliegend wurden jedoch keine Feststellungen getroffen, die einen solchen belegen. So fehlt es an Darlegungen zu den gefahrenen Geschwindigkeiten, den Abständen zwischen den Fahrzeugen und der Intensität der Bremsung. Aufgrund dessen hält die Verurteilung revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel erfasst die „schlichte“ Mehrfachtötung nicht.

In seinem Beschluss vom 10. November 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 192/22) mit dem Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel beschäftigen. Der Angeklagte im vorliegenden Fall fuhr mit seinem Auto in die Menschenmenge des Rosenmontagszugs, um eine möglichst große Anzahl von Personen zu töten. Verletzt wurden dabei über 80 Personen. Das Landgericht Kassel verurteilte den Angeklagten daraufhin unter anderem wegen versuchten Mordes in 89 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen. Als Mordmerkmal stellte das Landgericht die Heimtücke und die Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel fest. Auch der Bundesgerichtshof stellte klar, dass diese im hiesigen Fall vorliegen, erörterte jedoch genauer das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel und grenzte es von der Mehrfachtötung ab. Demnach ist das Mordmerkmal erfüllt, wenn der Täter ein Tötungsmittel einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil der die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat. Das Mordmerkmal umfasst jedoch nicht die Mehrfachtötung, die vorliegt, wenn sich der Täter mit Tötungsabsicht gegen eine Mehrzahl von ihm individualisierter Opfer richtet und dabei keine Zufallsopfer in Kauf genommen werden. Der Angeklagte im hiesigen Fall hatte nach Auffassung des Bundesgerichtshof insbesondere keine Kontrolle darüber, welche der Personen durch umherfliegende Gegenstände in Lebens- und Lebensgefahr geraten würden, sodass das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel hier einschlägig ist.

Anwalt für Strafrecht: Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

Der Wirkstoffgehalt von Betäubungsmitteln muss für die Bestimmung des Unrechts- und Schuldgehalts bemessen werden.

In seinem Beschluss vom 23. März 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (3 StR 53/21) mit der Frage beschäftigen, wie wichtig die Bestimmung des Wirkstoffgehaltes von Cannabis bei der Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist. Im hiesigen Fall verfügte der Angeklagte über einen Handelsbestand von einem Kilogramm Marihuana in Form von Cannabisblüten. Außerdem bestellte er weitere zwei Kilogramm Marihuana, die aber nicht geliefert wurden. Der Wirkstoffgehalt der Rauschmittel wurde vom Landgericht Koblenz nicht zahlenmäßig bestimmt. Stattdessen wurde es lediglich als von zumindest durchschnittlicher Qualität beschrieben. Die verhängte Einzelstrafe von zwei Jahren und neun Monaten hat jedoch aufgrund der versäumten Feststellungen bezüglich des Wirkstoffgehaltes keinen Bestand. Dieser bedarf es demnach bei einer Betäubungsmittelstraftat regelmäßig, da dadurch das Unrecht der Tat und die Schuld des Täters maßgeblich bestimmt werden.

Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidigung

Bei der notwendigen Verteidigung ist das in Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK gewährleistete Recht auf Selbstverteidigung nicht berührt.

In seinem Beschluss vom 15. November 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (StB 51/22) mit der Pflichtverteidigung beschäftigt. Der Ermittlungsrichter des BGH hatte der Beschuldigten, die mutmaßlich der „Reichsbürgerszene“ angehört, einen Pflichtverteidiger bestellt. Dagegen wendete sich diese mit ihrer sofortigen Beschwerde, in der sie vorgebracht hatte, keinen Rechtsanwalt zu benötigen und sich selbst verteidigen zu wollen. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch in seinem Beschluss fest, dass die sofortige Beschwerde unzulässig ist. Das Recht auf Selbstverteidigung, das der Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK gewährleistet, bleibt in Fällen der notwendigen Verteidigung unberührt. Eine Beschwerde diesbezüglich kommt demnach nur in Betracht, wenn der bestellte Verteidiger wegen mangelnder Eignung oder wegen Interessengegensatzes unfähig erscheint, die Verteidigung ordnungsgemäß zu führen oder der Beschuldigte in seinem Recht auf Bezeichnung des zu bestellenden Verteidigers und dessen Beiordnung aus § 142 Abs. 5 S. 1 und 3 StPO betroffen ist.

Anwalt für Strafrecht: Die Jugendstrafe

Auch auf Nachtatverhalten kann für das Fortbestehen einer schädlichen Neigung verwiesen werden, jedoch muss dieses prozessordnungsgemäß in der Hauptverhandlung eingeführt und festgestellt werden.

Die Jugendstrafe nach § 17 JGG stand im Mittelpunkt des Beschlusses des Bundesgerichtshofes (2 StR 435/21) vom 1. Juni 2022. Der Angeklagte wurde vom Landgericht Bonn wegen versuchten schweren Raubes und weiteren Straftaten zu einer Jugendstrafe von 4 Jahren verurteilt. Die Erwägungen des Landgerichts zum Vorliegen schädlicher Neigungen und zur Höhe der verhängten Jugendstrafe halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Für die Begründung einer schädlichen Neigung nach § 17 Abs. 2 JGG wurde demnach unter anderem angeführt, dass dem Angeklagten während der Hauptverhandlung verbotene Gegenstände zugesteckt wurden, die dieser in die JVA schmuggeln wollte. Dazu führt der Bundesgerichtshof aus, dass für das Fortbestehen der schädlichen Neigung zwar auf Nachtatverhalten verwiesen werde kann, jedoch muss dieses auch prozessordnungsgemäß festgestellt oder in einem anderen Verfahren bereits rechtskräftig abgeurteilt worden sein. Da das vorliegend nicht der Fall war, führt der aufgezeigte Rechtsfehler zur Aufhebung des Ausspruchs über die Höhe der Jugendstrafe.

Anwalt für Strafrecht: Schwerer Raub

Die Benutzung einer Scheinwaffe begründet keinen minder schweren Fall des schweren Raubes.

In seinem Urteil vom 20. Juli 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (2 StR 34/22) mit der Benutzung einer Scheinwaffe im Kontext eines schweren Raubes befasst. Der Angeklagte im hiesigen Fall befand sich in einer angespannten finanziellen Lage und lockte Freier mit der Aussicht auf seine Lebensgefährtin, die sich als Prostituierte ausgab, an entlegene Orte. Mit einer Scheinwaffe bedrohte er diese dann, um an die vereinbarte Entlohnung von 300,00 € zu kommen. Das Landgericht Gießen sah darin lediglich einen minder schweren Fall des schweren Raubes, da der Angeklagte keine echte Waffe benutzte. Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof sah darin keinen minder schweren Fall, sodass die Strafzumessung hier einen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler aufweist. Die Strafkammer durfte demnach nicht bei der Prüfung des minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB auf die Scheinwaffe abstellen, da für diese Fälle der § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB geschaffen wurde, der auch vorliegt, wenn der Täter eines Raubes eine nicht funktionsfähige Waffe mit sich führt.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Für die Annahme eines besonders schweren Falls des Totschlags muss das in der Totschlagstat zum Ausdruck kommende Verschulden des Täters so außergewöhnlich groß sein, dass die Ahndung aus dem Normalstrafrahmen von bis zu 15 Jahren nicht mehr ausreicht.

Der Bundesgerichtshof (4 StR 95/21) musste sich in seinem Beschluss vom 14. Oktober 2021 mit dem besonders schweren Fall des Totschlags nach § 212 Abs. 2 StGB auseinandersetzen. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt quälte der Angeklagte den Geschädigten ohne eine Tötungsabsicht, bis er ihn mit dem Standfuß einer Lampe  zweimal mit Tötungsabsicht auf die Stirn schlug. An diesen Schlägen verstarb der Geschädigte später. Das Vorliegen eines Mordmerkmals wurde vom Landgericht Bochums verneint. Die Staatsanwaltschaft  beanstandete mit einer Sachrüge, dass das Schwurgericht einen schweren Fall des Totschlags in den Urteilsgründen nicht ausdrücklich erwähnt hat. Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Beschluss fest, dass es keinen durchgreifenden Erörterungsmangel darstellt, dass das Landgericht sich nicht mit dem Vorliegen eines besonders schweren Falls des Totschlags beschäftigt hat. Demnach war das Verhalten des Angeklagten vor den tödlichen Schlägen nach Feststellungen des Landgerichts nicht von einem Tötungsvorsatz umfasst und diente auch nicht der Vorbereitung der Tötung des Geschädigten. Somit war die Brutalität kein Umstand, der unmittelbar die Totschlagstat charakterisierte und war für das Vorliegen des § 212 Abs. 2 StGB nur von untergeordneter Bedeutung.

Anwalt für Strafrecht: Versuchter Totschlag

Bei der Bewertung der Notwehr muss auch die Schnelligkeit des Kampfgeschehens berücksichtigt werden.

In seinem Beschluss vom 4. August 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (5 StR 175/22) mit der Notwehr nach § 32 StGB auseinandergesetzt. Im hiesigen Sachverhalt kam es zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger zu einer Auseinandersetzung, nachdem der Nebenkläger den Angeklagten aufsuchte, um ihn in einem Faustkampf zu verprügeln. Während der Nebenkläger sein Vorhaben in die Tat umsetzte, holte der Angeklagte ein Messer heraus und stach damit 6 Mal zu, sodass der Nebenkläger intensivmedizinisch versorgt werden musste. Daraufhin wurde der Angeklagte wegen versuchten Totschlags verurteilt. Eine Notwehr verneinte das Landgericht Hamburg, wofür unter anderem die Vielzahl und die Intensität der zugefügten Messerstiche als Begründung aufgezählt wurden. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch fest, dass die Ablehnung der Notwehr rechtlicher Überprüfung nicht standhält. Demnach findet die Annahme, dass es dem Angeklagten möglich gewesen wäre, das Messer auf weniger gefährliche Art und Weise einzusetzen, im Urteil keine Stütze, da das Kampfgeschehen als hochdynamisch beschrieben wurde. Eine Notwehr ist mit den getroffenen Feststellungen und der vorliegenden Begründung somit nicht auszuschließen.