Urteile und Entscheidungen im Strafrecht
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Anwalt für Strafrecht: Strafzumessung
In seinem Beschluss vom 5. April 2016 - 3 StR 428/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt, dass die pauschale Behauptung, eine Mittäterschaft wirke für den Angeklagten strafschärfend, fehlerhaft ist. Zwar könne die Beteiligung mehrerer Personen an einer Straftat im Rahmen der Strafzumessung grundsätzlich zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden. Allerdings gelte dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt, da allein der Umstand des mittäterschaftlichen Handelns noch nichts über das Maß der Tatschuld des einzelnen Beteiligten aussage. Das Zusammenwirken mit einer anderen Person kann nach den Ausführungen des BGH im Einzelfall sogar zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, etwa wenn der Tatbeitrag des anderen Beteiligten den Beitrag des Angeklagten in einem milderen Licht erscheinen lasse. Deshalb verstößt die pauschal strafschärfende Bewertung der Mittäterschaft gegen § 46 Abs. 3 StGB, nach dem Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden dürfen. Damit hob der BGH das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach auf, durch das der Angeklagte wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war.
Anwalt für Strafrecht: Handynutzung am Steuer
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat mit seinem Beschluss vom 25.4.2016 - 4 Ss 212/16 eine überraschende Entscheidung zur Handynutzung am Steuer getroffen. Während die Rechtsprechung das Verbot der Handynutzung bisher auf jegliche Art der Nutzung ausgeweitet hat, hat das OLG Stuttgart nun entschieden, dass ein Kraftfahrzeugführer, der während der Fahrt ein mit einer Freisprechanlage verbundenes Mobiltelefon in der Hand hält und über die Freisprechanlage telefoniert, keine Ordnungswidrigkeit begeht. Dies gilt allerdings nach Ausführungen des OLG nur, wenn keine weiteren Funktionen des Handys benutzt werden.
Nach § 23 Abs. 1a StVO darf ein Fahrzeugführer ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür der Hörer aufgenommen oder gehalten werden muss. Das Verbot erfasse damit nach Ansicht des OLG Stuttgart nicht die Benutzung jeglicher Mobilfunkgeräte, die der Fahrer hält, sondern beziehe sich nur auf Geräte, die zur Benutzung in der Hand gehalten werden müssen. Dies sei aber bei der Benutzung einer Freisprechanlage über das Mobiltelefon gerade nicht der Fall, da dem Fahrer weiterhin beide Hände für die eigentliche Fahraufgabe zur Verfügung stünden. Daher sei die Verwendung eines Mobiltelefons über Bluetooth, bei der das Mobiltelefon lediglich gehalten wird, keine Benutzung im Sinne des § 23 Abs. 1a S. 1 StVO, wenn der Fahrzeugführer dazu den Telefonhörer nicht aufnehmen oder halten müsse.
Anwalt für Strafrecht: gefährliche Körperverletzung
In seinem Beschluss vom 18. Februar 2016 - 4 StR 550/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut die Anforderungen an eine Verurteilung wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung definiert. Eine gemeinschaftliche Begehung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die Körperverletzungshandlung von einer weiteren, am Tatort anwesenden Person bewusst in einer Weise, die geeignet ist die Lage des Verletzten zu verschlechtern, verstärkt wird. Die erforderliche verstärkte Gefährlichkeit wird vor allem in Fällen anerkannt, in denen die Beteiligung einer zweiten Person der Schwächung der Abwehrmöglichkeiten des Verletzten dient. Dies ist nach Ausführungen des BGH auch der Fall, wenn der Verletzte durch das Zusammenwirken in seiner Chance beeinträchtigt wird, dem Täter der Körperverletzung Gegenwehr zu leisten, ihm auszuweichen oder zu flüchten. Im zu verhandelnden Fall hat die Verletzte den Komplizen des Handelnden aber erst gar nicht wahrgenommen, sodass ihre Abwehr- oder Fluchtmöglichkeiten nicht durch dessen Anwesenheit eingeschränkt wurden und von einer gemeinschaftlichen Körperverletzung deshalb nicht die Rede sein konnte.
Anwalt für Strafrecht: gefährliche Körperverletzung
In seinem Beschluss vom 03. Februar 2016 - 4 StR 594/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut deutlich gemacht, dass eine gefährliche Körperverletzung nicht automatisch gegeben ist, wenn die Verletzung im weitesten Sinne durch ein Kraftfahrzeug ausgelöst wurde. Vielmehr erfordert die gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB eine Begehung mittels eines gefährlichen Werkzeugs. Das bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des BGH, dass die Körperverletzung durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel eintreten muss. Im Fall des Einsatzes eines Kraftfahrzeugs muss die körperliche Misshandlung also bereits durch den Anstoß selbst ausgelöst werden. Eine erst infolge eines anschließenden Sturzes erlittene Körperverletzung reicht nach Ausführungen des BGH nicht, da sie nicht auf den unmittelbaren Kontakt zwischen Fahrzeug und Körper zurückzuführen ist.
Die beiden Angeklagten hatten versucht, den Geschädigten, den sie zuvor bestohlen hatten, von der Motorhaube ihres Autos abzuschütteln, als dieser die Angeklagten von der Flucht abhalten wollte. Sie fuhren mit dem Auto mit mittlerer Geschwindigkeit über den Parkplatz, wobei der Geschädigte von der Motorhaube abrutschte und sein linker Fuß kurzzeitig unter die Motorhaube geriet. Die tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung wurde vom BGH aufgehoben.
Anwalt für Strafrecht: Drogenstrafrecht / Strafzumessung
In seinem Beschluss vom 25. Februar 2016 - 2 StR 39/16 hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass ein fortgesetzter Eigenkonsum von Drogen bei der Strafzumessung nicht unbedingt nachteilig bewertet werden darf.
Das Landgericht Bonn hatte den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Dabei hatte es strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte während des laufenden Verfahrens weiter, wenn auch reduziert, Betäubungsmittel konsumiert hat. Der Angeklagte hatte nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft gelegentlich Joints geraucht und zweimal Amphetamin konsumiert. Der straflose Eigenkonsum von Drogen ist jedoch nach Ansicht des BGH bei dieser Sachlage kein bestimmender Strafschärfungsgrund, sodass der Strafausspruch keinen Bestand haben konnte.
Anwalt für Strafrecht: Wohnungseinbruchdiebstahl
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Beschluss vom 10. März 2016 - 3 StR 404/15 entschieden, dass derjenige, der eine Räumlichkeit durch eine zum ordnungsgemäßen Zugang bestimmte Tür betritt, sich nicht wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar macht, unabhängig davon, auf welche Weise er die Tür geöffnet hat.
Der Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte hatte aus einem Wohnhaus Alkohol entwendet. Um in das Wohnhaus zu gelangen, griff er durch ein auf Kipp stehendes Fenster und löste die am oberen Fensterrahmen angebrachte Verriegelungsschiene. Dadurch war es ihm möglich, das Fenster weiter nach hinten zu kippen, den Griff der danebenliegenden Terrassentür umzulegen und die Wohnung zu betreten.
Da das hier in Betracht kommende Merkmal des Einsteigens in eine Wohnung aber erfordert, dass durch eine zum ordnungsgemäßen Eintreten nicht bestimmte Öffnung unter Überwindung eines entgegenstehenden Hindernisses eingedrungen wird, war der Tatbestand nach Ansicht des BGH nicht erfüllt. Die Terrassentür sei eine zum Eintreten bestimmte Tür, was auch nicht dadurch verneint werden könne, dass sie auf manipulative Art und Weise geöffnet werde.
Anwalt für Strafrecht: Bußgeldverfahren
In seinem aktuellen Beschluss vom 14.12.2015 - 2 Ss (OWi) 294/15 hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden, dass Erkenntnisse, die einem Strafverfahren durch Abhören von Telekommunikation erlangt wurden, nicht in einem Bußgeldverfahren verwendet werden dürfen.
Betroffen war ein Polizeibeamter, der sich gegen einen Bußgeldbescheid seiner Polizeidirektion wehren wollte. In dem Bescheid wurde er zur Zahlung eines Bußgeldes verurteilt, weil er ohne dienstlichen Grund Auskünfte von verschiedenen Personen über das polizeiliche Auskunftssystem abgefragt hatte. Über diese Erkenntnisse verfügte die Polizeidirektion aber nur, weil gegen den Polizeibeamten vorher ein Strafverfahren wegen Bestechlichkeit eingeleitet wurde, in dem eine Telefonüberwachung des Betroffenen stattfand. Der Vorwurf der Bestechlichkeit konnte nicht bestätigt werden, sodass das Strafverfahren eingestellt werden musste. Dass die Polizeidirektion die Daten aber dennoch für die Verfolgung des Betroffenen in einem Bußgeldverfahren verwendete, war unzulässig. Zwar können die im Rahmen einer Telefonüberwachung gewonnen Daten unter bestimmten Voraussetzungen in einem anderen Strafverfahren gegen den Betroffenen verwendet werden. Dies gilt aber nach Ansicht des OLG Oldenburg nicht für ein Bußgeldverfahren und ist im Übrigen unverhältnismäßig.
Anwalt für Strafrecht: Raub / Diebstahl
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Beschluss vom 28.4.2015 - 3 StR 48/15 entschieden, dass die Wegnahme eines Mobiltelefons, um an Bilddateien zu gelangen und diese zu löschen, den Tatbestand des Raubes nicht erfüllt. Die erforderliche Zueignungsabsicht, die sowohl beim Raub als auch beim Diebstahl vorliegen muss, fehlt, wenn es dem Wegnehmenden auf das Handy selbst nicht ankommt.
Zueignungsabsicht hat, wer sich oder einem Dritten die Sache zumindest vorübergehend aneignen und den Eigentümer dauerhaft aus seiner Eigentumsposition verdrängen will. Sie muss sich auf die Sache selbst oder ihren Wert richten. Nach Ansicht des BGH ist Zueignungsabsicht nicht gegeben, wenn ein Mobiltelefon zum Zeitpunkt der Wegnahme nicht über die zur Löschung der Bilder benötigte Zeit hinaus behalten werden soll. Dass die beabsichtigte Durchsuchung des Speichers im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache liegt, ist für den BGH unschädlich, da der Sachgebrauch jedenfalls nicht zum Verbrauch der Sache führt.
Damit hob der BGH eine Verurteilung der Angeklagten durch das Landgericht Kleve wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung auf. Die Angeklagten hatten dem Geschädigten sein Handy unter Gewalteinwirkung weggenommen, um nach Bildern zu suchen und diese zu löschen. Das Handy wollten sie dem Geschädigten nicht zurückgeben und über dessen Verbleib zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.
Anwalt für Strafrecht: Untersuchungshaft
Das Kammergericht in Berlin hat mit Beschluss vom 08. Februar 2016 - 5 Ws 12/16 entschieden, dass sich der Haftgrund der Fluchtgefahr gem. § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO daraus ergeben kann, dass der Angeklagte einen Wohnsitz im (EU-) Ausland begründet und seinen Aufenthalt derart verschleiert, dass er für die deutschen Behörden nicht erreichbar ist. Der Angeklagte war wegen insgesamt 14 Betrugstaten per Haftbefehl gesucht und schließlich auf Mallorca verhaftet worden. Nach seiner Auslieferung wurde der Angeklagte Im Strafverfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Berufung gegen dieses Urteil wurde verworfen. Über die Revision ist noch nicht entschieden. Mit beiden Urteilen wurde jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Diese Anordnung der U-Haft wegen Fluchtgefahr wird nun durch das Kammergericht bestätigt.
Das Kammergericht stützt seine Entscheidung darauf, dass die Untersuchungshaft nicht nur die Durchführung des Strafverfahrens sicherstellen soll, sondern auch den Vollzug einer zu erwartenden Freiheitsstrafe. Unter Anrechnung der bisher erlittenen Auslieferungs- und Untersuchungshaft bliebe nach Rechtskraft des Urteils immer noch eine Restfreiheitsstrafe von etwas mehr als einem Jahr und zehn Monaten zu erwarten. Diese biete dem Angeklagten erheblichen Anreiz, sich der Strafvollstreckung zu entziehen. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bereits seit Februar 2013 unbekannten Aufenthalts und damit für die deutschen Behörden faktisch unerreichbar gewesen war. An seiner angegebenen Meldeanschrift in Deutschland wurde der Angeklagte seinerzeit nicht angetroffen, zudem ergaben sich Hinweise darauf, dass die angegebene Wohnung tatsächlich leer stand. Später verlegte der Angeklagte seinen Wohnsitz nach Mallorca, ohne sich bei den deutschen Behörden abzumelden. Auch in Spanien war der Angeklagte ersichtlich um Geheimhaltung seines Aufenthaltsortes bemüht und verwendete lediglich eine Postfachanschrift. Aufgrund dieser Umstände sei nach Auffassung des Kammergerichts auch zukünftig damit zu rechnen, dass der Angeklagte im Falle seiner Haftentlassung untertauchen und sich der Strafvollstreckung entziehen würde, sodass im konkreten Fall der Haftgrund der Fluchtgefahr bestehe.
Anwalt für Strafrecht: Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion
Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 08. Dezember 2015 - 3 StR 438/15 klargestellt, dass "Sprengstoff" im Sinne des § 308 StGB auch Gase sein können. Der Entscheidung lag eine Serie von Überfällen auf Geldautomaten zugrunde, bei denen eine Bande verschiedene Geldautomaten aufgesprengt und das darin befindliche Geld entwendet hatte. Zur Sprengung der Geldautomaten wurde ein Gemisch aus brennbaren Gasen und Sauerstoff in die Automaten geleitet und dann mittels eines eingeleiteten elektrischen Zünders zur Explosion gebracht. Durch die Einordnung der verwendeten Gase als Sprengstoff im Sinne des § 308 StGB schafft der BGH nun etwas Klarheit in der juristischen Debatte um die rechtliche Qualität von Sprengstoffen. Dabei schließt sich der BGH der alten Definition des Reichsgerichts an, das Sprengstoffe als alle explosiven Stoffe beschrieb, welche sich zur Verwendung als Sprengmittel eignen, also alle diejenigen Stoffe, die bei Entzündung eine gewaltsame und plötzliche Ausdehnung dehnbarer (elastischer) Flüssigkeiten und Gase hervorrufen, und geeignet sind, dadurch den Erfolg einer Zerstörung herbeizuführen. Der Aggregatzustand des Stoffes sei demnach unerheblich.