Urteile und Entscheidungen im Strafrecht
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Anwalt für Strafrecht: Besonders schwere Brandstiftung
In seinem Beschluss vom 29. September 2023 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 178/23) mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern eine bipolare Störung zur Schuldunfähigkeit führen kann. Die Angeklagte, die an einer bipolaren affektiven Störung leidet, schaltete am Tattag ihre Herdplatte an, auf der mehrere Geschirrtücher lagen. Dadurch geriet die Wohnung und auch Teile des Gebäudes, in dem noch weitere Personen wohnten, in Brand. Das Landgericht Heilbronn sah keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Beeinträchtigung der Unrechtseinsicht- oder Steuerungsfähigkeit der Angeklagten bei der Tat. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes liegt ein Beruhen des Verhaltens auf der Krankheit bei der Tat jedoch nahe, nachdem die Angeklagte sich in der Vergangenheit unter Einfluss ihrer Krankheit eigen- und fremdaggressiv verhielt und es 2019 bereits zu einem vergleichbaren Brand durch ihr Verschulden kam. Das Landgericht hätte sich aufgrund mehrere Anzeichen näher mit der Krankheit der Angeklagten auseinandersetzen müssen, sodass der Schuldspruch sowie die Nichtanordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus keinen Bestand hat.
Anwalt für Strafrecht: Mord
Inwiefern das Merkmal der Heimtücke bei der Tötung eines Säuglings zu bewerten ist, hat der Bundesgerichtshof (6 StR 231/23) in seinem Beschluss vom 12. Juli 2023 beantwortet. Die Angeklagte tötete ihr drei Monate altes Baby, während sich ihr Ehemann etwa 360 Meter von dem Gebäude entfernt befand. Das Landgericht Schweinfurt würdigte dies als Mord und nahm das Mordmerkmal der Heimtücke an. Der Bundesgerichtshof führt daraufhin aus, dass das Landgericht die Heimtücke zwar korrekterweise auf den Ehemann abgestellt hat, da ein Kind in dem Alter noch nicht zu Argwohn und Gegenwehr fähig ist. Jedoch verneint der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall trotzdem die Heimtücke. Der schutzbereite Dritte muss demnach den Umständen nach auch den Schutz wirksam erbringen können. Aufgrund der erheblichen räumlichen Entfernung liegt es jedoch nach den getroffenen Feststellungen fern, dass der Ehemann zum Zeitpunkt des Angriffs ein schutzbereiter Dritter war.
Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung
Inwieweit die Art der Tatausführung strafschärfend berücksichtigt werden kann, wenn der Angeklagte gemäß § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig ist, hat der Bundesgerichtshof (6 StR 35/23) in seinem Beschluss vom 22. Februar 2023 entschieden. Der alkoholisierte Angeklagte trat dem Geschädigten mehrmals mit voller Wucht gegen den Kopf bzw. Oberkörper. Das Landgericht Nürnberg-Führt berücksichtigte bei seinem Urteil die Brutalität des Vorgehens strafschärfend. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch klar, dass die Art der Tatausführung einem Angeklagten nur dann uneingeschränkt strafschärfend zur Last gelegt werden darf, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar ist. Nicht jedoch, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenen geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt. Auch bei einem erheblich vermindert schuldfähigen Täter ist zwar Raum für eine strafschärfende Berücksichtigung, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld.
Anwalt für Strafrecht: Straßenblockade
Das Bayrische oberste Landesgericht (205 StRR 63/23) hat sich in seinem Beschluss vom 21. April 2023 mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Straßenblockaden durch Klimaaktivisten durch das Gesetz gerechtfertigt sind. Der Angeklagte hat sich nach den Feststellungen des Amtsgerichts auf der Straße mit Sekundenkleber festgeklebt und dadurch Autofahrer am Weiterfahren gehindert. Dafür wurde er wegen Nötigung verurteilt. Seine Revision, in der er argumentierte gerechtfertigt zu sein, hatte keinen Erfolg. Das Gericht stellte fest, dass der Angeklagte weder durch Art. 20 Abs. 4 GG, noch durch den § 34 StGB gerechtfertigt ist. Art. 20 Abs. 4 GG ist demnach nicht einschlägig, da andere Abhilfe möglich ist. Der Staat ist nicht in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt, vielmehr kann der Staat die verfasste Ordnung schützen, er ergreift aber nicht die vom Angeklagten geforderten Maßnahmen. Auch eine Rechtfertigung nach § 34 StGB kommt nicht in Frage, da dem Angeklagten zum Erreichen seines Ziels mildere Mittel zur Verfügung standen (Ausübung der Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Petitionsrecht, Freiheit der Bildung politischer Parteien).
Anwalt für Strafrecht: Totschlag
Ob sich der Angeklagte wegen Totschlags strafbar gemacht hat oder ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch vorliegt, musste der Bundesgerichtshof (3 StR 32/23) in seinem Beschluss vom 31. Mai 2023 entscheiden. Der Angeklagte schnitt in einer Wohnung eine Person über die rechte Halsseite und stach auf zwei weitere ein. Zwei Geschädigte verließen daraufhin das Haus und die weitere geschädigte Person brach im Bad zusammen. Das Landgericht Düsseldorf sah in zwei dieser Fälle einen versuchten Totschlag als einschlägig an. Der Bundesgerichtshof merkt jedoch in seinem Beschluss an, dass das Landgericht den strafbefreienden Rücktritt nicht beachtet hat. Das Landgericht hätte demnach untersuchen müssen, ob ein strafbefreiender Rücktritt von den versuchten Taten gem. § 24 Abs. 1 StGB vorliegt. Der angegebene Sachverhalt belegt nicht, dass die Versuche fehlgeschlagen waren und schließen vor allem nicht aus, dass der Angeklagte freiwillig vom unbeendeten Versuch zurücktrat. Für die Beurteilung, ob es sich um einen unbeendeten oder beendeten Versuch handelt, ist die Vorstellung des Täters maßgeblich.
Anwalt für Strafrecht: Totschlag
In seinem Beschluss vom 14. Februar 2023 hat sich der Bundesgerichtshof (4 StR 442/22) mit dem Rücktritt beschäftigt und dabei genauer den Punkt der Freiwilligkeit in den Blick genommen. Der Angeklagte im hiesigen Fall stalkte die Geschädigte für mehrere Jahre, nachdem sie 2018 mit ihm Schluss gemacht hatte. Als er sie Ende 2021 mit dem Auto verfolgte, zeigte sie ihm den Mittelfinger, weswegen er anschließend in Wut geriet und in ihr stehendes Auto frontal hereinfuhr. Daraufhin stieg er aus dem Auto aus und stach mit einer Machete mehrmals in Richtung ihres Oberkörpers. Erst als die Geschädigte ihm zurief, dass er an ihren Sohn denken solle, wurde der Angeklagte aus seinem Erregungszustand herausgerissen und hörte mit dem Angriff auf.
Das Landgericht Mosbach lehnte einen Rücktritt ab, da der Angeklagte durch die Schreie der Geschädigten unter Schock stand und die Tat nicht weiter fortführen konnte. Daher hat er die Tatausführung nicht freiwillig abgebrochen. Der Bundesgerichtshof ist von den Ausführungen des Landgerichts jedoch nicht überzeugt. Ein freiwilliger Rücktritt kann auch dann vorliegen, wenn seelische Erschütterung oder Mitleid die Wiederkehr der Steuerungsfähigkeit bewirken. Von den aufgezeigten Punkten kann demnach nicht auf ein psychisches Unvermögen zum Weiterhandeln geschlossen werden. Stattdessen könnte dem Angeklagten nach dem Ende seines Erregungszustandes auch die Unrichtigkeit seines Verhaltens klar geworden sein.
Anwalt für Strafrecht: Mord
Wann ein Mord aus Verdeckungsabsicht vorliegt, hat sich der Bundesgerichtshof (2 StR 462/21) in seinem Beschluss vom 15. März 2023 gefragt. Die Angeklagte im hiesigen Fall vernachlässigte ihre Tochter ab ihrem 2. Lebensjahr, was in Entwicklungsrückständen resultierte. Ab August 2020 erkannte die Angeklagte, dass der Zustand ihrer Tochter lebensbedrohlich war. Aus Sorge, dass die Mangelversorgung behördenbekannt werden und ihr dadurch das erwartete Kind entzogen werden könnte, nahm sie den Tod ihrer Tochter billigend in Kauf. Erst Ende August wurde die Tochter durch das vom Kindergarten eingeschaltete Jugendamt zu einem Kinderarzt und von dort aus ins Krankenhaus gebracht. Das Landgericht Köln verurteilte die Angeklagte wegen dieser Tat unter anderem wegen versuchten Mordes und nahm dabei die Mordmerkmale Grausamkeit und Verdeckungsabsicht an. Demnach handelte die Angeklagte spätestens ab Anfang August 2020 in der Absicht, die vorausgegangene Misshandlung ihrer Tochter zu verdecken. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes wurde die Verdeckungsabsicht jedoch nicht rechtsfehlerfrei belegt. Wenn der Täter von Beginn an mit Tötungsvorsatz handelt, kann ein Verdeckungsmord demnach nicht festgestellt werden, da es an der erforderlichen „anderen“ Straftat fehlt. Im vorliegenden Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein bedingter Tötungsvorsatz auch schon zu einem früheren Zeitpunkt vorlag.
Anwalt für Strafrecht: Handel mit Betäubungsmitteln
In seinem Beschluss vom 3. Mai 2023 hat sich der Bundesgerichtshof mit der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe beim Transport von Drogen beschäftigt. Dem Angeklagten wurde nach den getroffenen Feststellungen angeboten, Betäubungsmittel nach Schweden zu überführen. Er erhielt ein Fahrzeug, welches er auf seinem Namen zuließ. Die Betäubungsmittel wurden dabei von anderen Personen im Fahrzeug deponiert. Während das Landgericht Rostock darin eine Mittäterschaft sah, führte der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss aus, dass sich der Angeklagte hier in Bezug auf den Betäubungsmittelhandel lediglich der Beihilfe strafbar macht. Demnach war der Angeklagte weisungsgebunden und hatte nicht einmal Kontrolle über die konkreten Modalitäten des Transportgeschäfts.
Anwalt für Strafrecht: Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen
Das Landgericht Stuttgart hat in seinem Beschluss vom 13. Februar 2023 entschieden, ob das Fotografieren einer bekleideten Frau im Vorraum einer Damentoilette den höchstpersönlichen Lebensbereich der Person nach § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB verletzt. Der Angeklagte begab sich unbefugt in die Damentoilette eines Einkaufszentrums und fotografierte im Vorraum dieser Toilette die 15-jährige Geschädigte beim Hände waschen. Für eine Strafbarkeit nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB muss der Angeklagte dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der Person verletzt haben. Das Landgericht Stuttgart erklärt in seinem Beschluss, dass sich bei der Entscheidung an dem Begriff der Intimsphäre orientiert werden kann. Diese beschreibt den engsten Persönlichkeitsbereich, der den Kernbereich der höchstpersönlichen Lebensgestaltung umfasst. Das Landgericht vertritt in seinem Beschluss die Auffassung, dass die Fotografie einer vollständig bekleideten Person nicht als Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs der Person anzusehen ist. Das Landgericht führt dazu aus, dass es dem Gesetzgeber in erster Linie um den Schutz entkleideter Personen ging.
Anwalt für Strafrecht: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr
Ob sich der Angeklagte bei seiner Fluchtfahrt vor der Polizei des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315b StGB strafbar gemacht hat, musste der Bundesgerichtshof (4 StR 70/23) in einem Beschluss vom 6. Juni 2023 klären. Der Angeklagte fuhr vor der Polizei davon, begegnete aber auf einem Waldweg einem Polizeiauto, welches ihm entgegenfuhr. Der Polizeibeamte befürchtete eine Kollision zwischen den Fahrzeugen und flüchtete aus dem Auto. Da das Auto immer näher kam entschied er sich dafür, sich über das Einsatzfahrzeug in Sicherheit zu bringen. In diesem Moment kollidierte das Fahrzeug des Angeklagten mit der geöffneten Tür, wodurch der Oberschenkel des Polizeibeamten eingeklemmt wurde. Die Feststellungen reichen für eine Verurteilung des Angeklagten wegen des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht aus. Demnach kann den Urteilgründen nicht entnommen werden, dass der Angeklagte das Fahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig eingesetzt hat. Schon dass er die offene Tür angefahren hat, zeigt, dass er das Einsatzfahrzeug umfahren wollte und somit ein kollisionsfreies Passieren des Autos für möglich hielt und erzielen wollte.