Urteile und Entscheidungen im Strafrecht
Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.
Über das Auswahlmenü für Kategorien oder die Volltextsuche in der linken Spalte und auf der Suchseite können Sie die für sie interessanten Entscheidungen weiter einschränken.
Anwalt für Strafrecht: Betäubungsmittelstrafrecht / Bewaffnetes Handeltreiben
Der Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG stellt das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung von Schusswaffen oder Gegenständen unter Strafe, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind. Für das Merkmal des Mitführens kommt es darauf an, dass der Täter den gefährlichen Gegenstand bei Begehung der Tat bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich dessen jederzeit bedienen kann.
Allein die Feststellung, dass sich in der Wohnung des Angeklagten unter anderem auf dem Wohnzimmerschrank zu gewinnbringendem Weiterverkauf bestimmte Drogen und in der aufklappbaren Wohnzimmercouch ein griffbereit liegendes Fahrtenmesser mit einer abgebrochenen Spitze befinden, lege die Annahme eines Bewusstseins von einer jederzeitigen Gebrauchsbereitschaft jedoch nicht zwingend nahe. Vielmehr, so führt es der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Beschluss vom 8. Januar 2014 - 5 StR 542/13 aus, müssen genauere Feststellungen dazu getroffen werden, wem das Messer gehört und von wem es aus welchen Gründen in der Couch abgelegt wurde. Darüber hinaus seien auch Feststellungen dazu erforderlich, dass es sich bei dem Messer um einen zur Verletzung von Personen bestimmten Gegenstand handelt. Aus der Beschreibung der abgebrochenen Klinge ergebe sich zwar die objektive Eignung Personen zu verletzen, eine notwendige subjektive Zweckbestimmung des Gegenstand durch den Täter sei hiermit jedoch nicht belegt.
Anwalt für Strafrecht: Alkohol am Steuer
Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Celle macht sich ein Berufskraftfahrer wegen ''vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr'' strafbar, wenn er trotz Alkoholkonsums eine Fahrt antritt.
Bereits bei einem Kraftfahrer gilt nach dem OLG der Erfahrungssatz, dass dieser seine Fahruntüchtigkeit jedenfalls dann in Kauf nimmt und vorsätzlich handelt, wenn er nach hohem Alkoholkonsum eine Fahrt mit dem Kraftfahrzeug antritt. Daher könne bei Berufskraftfahrern die Annahme eines jedenfalls bedingt vorsätzlichen Verhaltens schon allein damit begründet werden, dass diese in ihrer Funktion als Berufskraftfahrer um die besonderen Gefahren eines solchen Verhaltens wissen.
Das OLG Celle verwarf damit eine Revision seitens einer angeklagten Taxifahrerin als unbegründet, die vom Amtsgericht wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt wurde. Darüber hinaus wurde ihr die Fahrerlaubnis und der Führerschein entzogen, sowie eine Sperre von sechs Monaten für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis festgesetzt. Sie hatte mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,14 ? Fahrgäste befördert.
Anwalt für Strafrecht: Versuch
In seinem Beschluss vom 18.6.2013 - 2 StR 75/13 hob der Bundesgerichtshof (BGH) eine Entscheidung des Landgerichts Kassel auf, durch die die drei Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt wurden. Die Angeklagten wollten ihr Opfer überfallen, um diesem die Herausgabe eines Laptops abzunötigen, auf dem sie kinderpornographische Bilddateien vermuteten, und damit später Geldzahlungen erpressen. Bei dem Überfall sollten sowohl eine Gaspistole als auch Messer getragen werden. Nachdem einer der Angeklagten an der Haustür des Opfers klingelte, während die anderen beiden hinter eine Hecke warteten, sah dieser ein Kind hinter der Türverglasung und nahm daher von der Tat Abstand. Die anderen beiden wurden kurz darauf von der Polizei festgenommen, die das Trio observiert hatte.
Bei dieser Fallkonstellation bleibt nach Ansicht des BGH offen, ob die Täter nach ihrer Vorstellung bereits unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt haben. Einen eventuellen Vorbehalt sah das Gericht vor allem in einer nicht widerlegten Aussage einer der Angeklagten. Dieser berichtete von der vorherigen Vereinbarung des Trios, die Tat nicht durchzuführen, wenn ein Kind anwesend ist. Habe der Täter einen solchen Vorbehalt, so sei die Schwelle zum Versuch nach der Tätervorstellung noch nicht überschritten. In diesem Fall komme lediglich eine Strafbarkeit wegen des Verabredens zum Verbrechen in Betracht, bei der ein Rücktritt für jeden Angeklagten gesondert nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB geprüft werden müsse.
Anwalt für Strafrecht: absolute Revisionsgründe
In seinem Beschluss vom 19.11.2013 - 2 StR 379/13 stellte der Bundesgerichtshof (BGH) eine Verletzung des Anwesenheitsrechts des Angeklagten nach § 230 Abs. 1 in Verbindung mit § 338 Nr. 5 StPO fest, da während einer Zeugenvernehmung, von der der Angeklagte ausgeschlossen war, eine Beweiserhebung durch Augenschein durchgeführt wurde. Bei dieser Vernehmung wurde der Zeugin eine Luftbildaufnahme vom Tatort gezeigt, die mit ihr erörtert wurde und auf der die Zeugin Standorte von Personen und Fahrzeugen markierte. Sodann wurde die Skizze von allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen und eine Erklärung des Vorsitzenden abgegeben, obwohl der Angeklagte immer noch von der Vernehmung ausgeschlossen war. Auch in seiner späteren Anwesenheit wurde der Augenscheinbeweis nicht wiederholt.
Der BGH wertete dieses Vorgehen als eine Verletzung des Anwesenheitsrechts des Angeklagten, die einen absoluten Revisionsgrund darstellt und somit zur Aufhebung des Urteils führen musste. Es handele sich bei der Betrachtung des Luftbildes nicht lediglich um einen Vernehmungsbehelf, sondern um eine Beweiserhebung durch Augenschein. Da die Luftbildaufnahme den Tatort betraf, stelle sie außerdem einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung dar.
Anwalt für Strafrecht: Brandstiftung
Mit seinem Beschluss vom 23.10.2013 - 4 StR 401/03 änderte der Bundesgerichtshof eine Entscheidung des Landgerichts Potsdam dahingehend ab, dass der Angeklagte wegen versuchter, anstatt wegen vollendeter besonders schwerer Brandstiftung verurteilt wurde. Der Angeklagte hatte ein Wohnmobil angezündet, wobei er damit rechnete, dass in diesem Menschen schliefen, die durch Rauchgase oder Flammen zu Tode kommen könnten. Das in dem Wohmobil schlafende Paar wurde allerdings frühzeitig durch den Rauchgeruch geweckt und konnte den Brand dadurch rechtzeitig löschen.
Der BGH sah in diesen Feststellungen keine vollendete besonders schwere Brandstiftung nach § 306 Abs. 2 Nr. 1 StGB, da es an einer für den Tatbestand erforderlichen konkreten Gefahr des Todes gefehlt hat. Eine solche Gefahr liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt wurde, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob ein Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Allein der Umstand, dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zu einem Brand befinden würden, genüge allerdings für die Annahme einer konkreten Gefahr nicht. Umgekehrt werde die Annahme einer Gefahr aber auch durch das Ausbleiben eines Schadens nicht ausgeschlossen. Erforderlich sei vielmehr ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelange, dass das noch einmal gut gegangen sei. Da beide Geschädigte den Brand früh bemerkten, ihn innerhalb von fünf Minuten löschen konnten und es zu einem Vollbrand des Wohnmobils erst nach einer viertel bis halben Stunde gekommen wäre, war nach Ansicht des BGH zwar eine abstrakte, aber noch keine konkrete Lebensgefahr gegeben. Auch den Umstand, dass der Brandherd zwischen der Schlafkabine und der Außentür des Wohnmobils lag und den Insassen bei Fortentwicklung des Brandes somit der Fluchtweg hätte abgeschnitten werden können, hatte das Landgericht nicht festgestellt.
Anwalt für Strafrecht: Diebstahl
Mit seinem Beschluss vom 6.9.2013 - 5 RVs 80/13 bestätigte das Oberlandesgericht Hamm (OLG) die Verurteilung eines Angeklagten wegen vollendeten gemeinschaftlichen Diebstahls gemäß §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 3 StGB durch das Landgericht Essen.
Dazu führte das OLG aus, dass die Wegnahme im Rahmen des Diebstahls mit der Begründung neuen Gewahrsams an der Sache vollendet wird. Wann der Täter die dazu erforderliche tatsächliche Herrschaft über die gestohlene Sache ausübt, ist nach ständiger Rechtsprechung im Einzelfall mit der Anschauung des täglichen Lebens zu beurteilen. Einen großen Unterschied mache daher, ob es sich bei dem Diebesgut um umfangreiche, schwere oder sperrige Sachen handele.
In dem zu entscheidenden Fall waren die entwendeten großen und unhandlichen Edelstahlteile, mit einem Gesamtwert von etwa 70.000,- ?, bereits über den Zaun des Firmengeländes gereicht und in eines der Täterfahrzeuge eingeladen worden. Alle Täter waren zurück über den Zaun geklettert und befanden sich abfahrbereit außerhalb des Zauns, um mit der Beute vom Firmengelände zu fliehen. Nach Ansicht des OLG wurde somit der Gewahrsamsbereich des Firmeninhabers gänzlich verlassen, da dieser nicht mehr ungehindert auf die bereits in Täterfahrzeuge verladene Ware hätte zugreifen können. Das Landgericht Essen hat demnach zu Recht einen vollendeten Diebstahl angenommen.
Anwalt für Strafrecht: Anwalt für Strafrecht
Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung eines Rechtsanwalts bestätigt, der Entwürfe für anwaltliche Mahnschreiben an die Kunden von sog. Gewinnspieleintragungsdiensten erstellt hatte. Wie die Vorinstanz (LG Essen, Urteil vom 13.12.2012 - 59 KLs 1/12) sah der BGH den Tatbestand einer (versuchten) Nötigung verwirklicht und bestätigte die Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe.
Im Vorfeld war zahlreichen Menschen über Callcenter angeboten worden, sie gegen Zahlung eines Geldbetrags in Gewinnspiele einzutragen. Die Eintragung wurde jedoch nicht vorgenommen.
Um dennoch an die "Gebühren" zu gelangen, beauftragte der gesondert verurteilte Verantwortliche des Gewinnspieleintragungsdienstes den Rechtsanwalt mit dem Entwurf für Mahnschreiben.
In den Mahnschreiben wurde sodann der Eindruck erweckt, der Rechtsanwalt habe die Forderungen geprüft und werde sie konsequent gerichtlich verfolgen, sollte eine Zahlung ausbleiben, und Anzeige wegen Betrugs erstatten.
In Wirklichkeit kannte der Anwalt die Empfänger der Mahnschreiben jedoch nicht und hatte auch nicht vor, die Forderungen gerichtlich geltend zu machen.
Das Landgericht hat hierin eine strafbare Nötigung gesehen.
Der BGH hat es zutreffend als mit den "Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar" angesehen, dass "juristische Laien durch Behauptungen und Androhungen, die der Rechtsanwalt mit der Autorität eines Organs der Rechtspflege ausgesprochen hatte", zur Begleichung der ungeprüften - im Ergebnis auch unberechtigten - Forderungen veranlasst werden sollten.
Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht / Beiordnung eines Pflichtverteidigers
In seinem Beschluss vom 7.5.2013 - 4 Ws 37/13 beschäftigte sich das Kammergericht (KG) Berlin mit der Bestellung eines ''Pflichtverteidigers'' im Jugendstrafverfahren, für die zunächst die Grundsätze des Erwachsenenstrafrechts gelten. Liegen also die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 StPO nicht vor, so ist die Mitwirkung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 2 StPO erforderlich, wenn sie wegen der Schwere der Tat oder der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Angeklagte nicht selbst verteidigen kann. Bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe ist laut KG auf die im Erwachsenenrecht ergangene Rechtsprechung abzustellen, wobei allerdings den Besonderheiten des Jugendstrafverfahrens Rechnung zu tragen sei.
Der Umstand, dass Anklage vor dem Jugendschöffengericht erhoben wurde oder überhaupt die Verhängung einer Jugendstrafe zu erwarten ist, mache die Pflichtverteidigerbestellung nicht zwingend notwendig. Auch hinsichtlich der Schwere der Tat stellt das KG erneut auf die allgemeinen Regeln des Erwachsenenrechts ab. Nach diesen ist die Beiordnung eines Pflichtverteidigers grundsätzlich geboten, wenn nach den Gesamtumständen eine Freiheitsentziehung von mindestens einem Jahr zu erwarten ist oder jedenfalls angesichts konkreter Umstände in Betracht kommt. Um eine starre Grenze handele es sich hierbei jedoch nicht. Vielmehr müssen nach Ansicht des KG auch sonstige Umstände berücksichtigt werden, die die Mitwirkung eines Verteidigers auch bei einer niedrigeren Strafe geboten erscheinen lassen. Denn gerade im Jugendstrafrecht sei die Beiordnung eines Pflichtverteidigers aufgrund der geringeren Lebenserfahrung des Angeklagten und seiner daher größeren Schutzbedürftigkeit eher erforderlich.
Anwalt für Strafrecht: Betäubungsmittel
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit seinem Beschluss vom 6.11.2012 - 2 StR 349/12 über die Revision des Angeklagten, der vom Landgericht Aachen wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt wurde.
Der Angeklagte hatte in den Niederlanden Heroin und Kokain erworben und war damit auf dem Weg zurück nach Deutschland, als er von der Polizei angehalten und neben diesen Drogen auch ein Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 7,5 cm in seiner Jackentasche gefunden wurde.
Der BGH sah den Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr.2 BtMG nicht als erfüllt an, da dieser voraussetzt, dass der Täter den bei der Tatbegehung mit sich geführten Gegenstand zur Verletzung von Personen bestimmt hat. Dass der Angeklagte das Messer mitführte, um damit Personen zu verletzen, habe das Landgericht nicht hinreichend ausgeführt. Aus der Beschreibung als Klappmesser mit einer Klingenlänge von 7,5cm ergebe sich lediglich die objektive Geeignetheit des Messers, eine Person zu verletzen. Seine subjektiv erforderliche Zweckbestimmung wurde damit nach Ansicht des BGH jedoch nicht ausdrücklich festgestellt und begründet.
Anwalt für Strafrecht: Schwarzfahren
Der Inhaber einer Monatskarte für die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels, der die Karte entgegen den Beförderungsbedingungen nicht bei sich führt, erfüllt jedenfalls dann nicht den Tatbestand des § 265a StGB, wenn es sich um eine personengebundene, nicht übertragbare Karte handelt.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten des Erschleichens von Leistungen nach § 265a StGB schuldig gesprochen und ihn angewiesen, 20 Stunden Freizeitarbeiten abzuleisten.
Nach den Urteilsfeststellungen benutzte der Angeklagte am 05. April 2011 die U-Bahn der Linie 7 im Bereich des Bahnhofs B. ohne einen gültigen Fahrausweis, um das Fahrgeld nicht zu entrichten. Der vom Jugendschöffengericht für glaubhaft erachteten Einlassung des Angeklagten zufolge hatte dieser zwar eine Schülermonatskarte für den Monat April 2011, diese aber verloren, was ihm auf dem Weg zur U-Bahn aufgefallen war.
Die hiergegen gerichtete (Sprung-)Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt und lediglich die Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung begehrt, hat Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat unter Bezugnahme auf die obergerichtliche Rechtsprechung zutreffend darauf hingewiesen, dass die vom Jugendschöffengericht getroffenen Feststellungen den Schuldspruch nicht tragen und der Angeklagte freizusprechen ist.
Die Strafbarkeit nach § 265a StGB setze einen Vermögensschaden voraus, der darin liege, dass der Täter die Leistung eines Transportunternehmens in Anspruch nimmt, ohne diese bezahlt zu haben. Wenn es ein Verkehrsbetrieb einem Kunden ermöglicht, nach Bezahlen einer Monatskarte innerhalb eines zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs beliebige Fahrten zu unternehmen, erleide er nicht dadurch einen Vermögensschaden, dass der Fahrgast, der die Karte zuvor tatsächlich bezahlt hat, sie bei einer Kontrolle lediglich nicht bei sich führt (vgl. KG, Beschluss vom 16. Juli 2008 - 3 Ws 201/08 -). Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob der Angeklagte die Mitnahme der Karte vergessen oder sie verloren hat. Soweit der Angeklagte in der Absicht handelte, das Fahrgeld nicht zu entrichten handele es sich um ein Wahndelikt.
Diese Ansicht, wonach bereits der objektive Tatbestand des Erschleichens von Leistungen nicht erfüllt ist, entspricht der herrschenden Meinung (vgl. OLG Koblenz NJW 2000, 86; BayObLG NJW 1986, 1504; Fischer, StGB 59. Aufl., § 265a Rn. 9, jeweils m.w.N.) und trifft jedenfalls für den hier gegebenen Fall zu, dass es sich bei dem Dauerfahrausweis um eine nicht übertragbare, also personengebundene Fahrkarte handelt. Ob anders zu entscheiden ist, wenn die Monatskarte übertragbar ist (dagegen OLG Koblenz aaO; dafür mit beachtlicher Argumentation Kudlich NStZ 2001, 90f.), braucht der Senat hier nicht zu entscheiden.
Soweit das Jugendschöffengericht darauf abgestellt hat, dass infolge Verlustes und Untergangs der Karte als Inhaberpapier im Sinne des § 807 BGB der Inhaber des Papiers "keine Leistung mehr einfordern" könne, hat es unzulässig die zivilrechtliche Seite mit der Frage der Strafbewehrung vermengt. Es hat übersehen, dass die vertragliche Verpflichtung, die Entgeltzahlung zu beweisen, also den Fahrausweis vorzuweisen, durch § 265a StGB nicht sanktioniert ist. Ein Verstoß gegen die Beförderungsbedingungen ist von der Strafbarkeit nach § 265a StGB zu unterscheiden. Sinn der Pflicht zum Beisichführen des Fahrausweises ist die Beweiserleichterung, die darin liegt, dass nicht der Verkehrsbetrieb die Nichtzahlung, sondern der Fahrgast durch Mitführen des Fahrscheins die Zahlung des Entgelts nachzuweisen hat. Ist das Entgelt tatsächlich bezahlt worden, kann die bloße Nichteinhaltung einer derartigen Regelung eine Vermögensstraftat nicht begründen (vgl. OLG Koblenz und BayObLG, jeweils aaO).
KG Berlin, Beschluss vom 15. März 2012 - (4) 121 Ss 113/12 (149/12) -
Weitere Informationen zu Tatvorwürfen nach dem Strafgesetzbuch (StGB) finden Sie unter:
http://www.verteidiger-berlin.info/docs/anwalt-strafrecht.php