Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Alkohol am Steuer

Derjenige, der unter Alkoholeinfluss ein Fahrzeug auf einem durch Schranken verschlossenem Parkplatz führt, macht sich nicht wegen vorsätzlicher Trunkenheit am Steuer (Trunkenheitsfahrt) strafbar, da sich der Parkplatz in diesem Fall nicht im öffentlichen Verkehrsraum befindet.

Mit Beschluss vom 30.1.2013 - 4 StR 527/12 hat der BGH eine Entscheidung des Landgerichts Halle aufgehoben, in dem der Angeklagte unter anderem wegen vorsätzlicher Trunkenheit am Steuer verurteilt wurde, weil er betrunken auf einem Parkplatzgelände Auto gefahren ist. Da der Parkplatz allerdings durch Schranken abgesperrt wurde, gehörte er nach Ansicht des BGH nicht mehr zum öffentlichen Verkehrsraum, weswegen auch die Verurteilung nicht aufrechterhalten werden konnte.
Der BGH führte dazu aus, dass zum öffentlichen Verkehrsraum zunächst einmal alle Verkehrsflächen gehören, die dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind, wie beispielsweise Straßen, Plätze und Fußwege. Ferner würden auch Plätze und Wege dazu gehören, die ungeachtet der Eigentumsverhältnisse entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen seien. Ob der Verkehr geduldet werde, hänge dabei von den auf die für etwaige Besucher erkennbaren Umstände ab. Die Zugehörigkeit einer Fläche zum öffentlichen Verkehrsraum endet nach Ansicht des BGH allerdings, wenn der Verfügungsberechtigte eine äußerlich manifestierte Handlung vornimmt, die unmissverständlich erkennbar macht, dass der öffentliche Verkehr nicht oder nicht mehr geduldet wird. Diese sei mit dem Schließen der Schranke gegeben.

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Unterschreitung des Sicherheitsabstandes

Ein bußgeldrechtliche Ahndung wegen einer Abstandsunterschreitung - i.S. eines "nicht nur vorübergehenden Verstoßes" - ist jedenfalls dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die vorwerfbare Dauer der Abstandsunterschreitung mindestens 3 Sekunden oder (alternativ) die Strecke der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung mindestens 140m betragen hat.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes zu einer Geldbuße von 180 Euro verurteilt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts führte der Betroffene einen PKW auf der BAB 1. Bei Kilometer 327,700 wurde im Rahmen einer polizeilichen Verkehrsüberwachung mit dem System Vidit Typ VKS 3.0 Version 3.1. für sein Fahrzeug bei einer (nach Abzug eines Toleranzwertes von 5 km/h) Geschwindigkeit von 131 km/h ein Abstand von nur 26 m zum vorausfahrenden Fahrzeug ermittelt. Die Messstrecke betrug rund 123 m. Die Messstelle war so eingerichtet, dass eine Strecke von insgesamt 500m übersehen werden konnte. Das Amtsgericht hat ausgeschlossen, dass ein anderes Fahrzeug vor dem Betroffenen eingeschert war.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er meint, die Rechtsbeschwerde sei zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, um die Mindestlänge bzw. die Mindestdauer der Abstandsunterschreitung obergerichtlich zu klären.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Die Rechtsbeschwerde war - jeweils durch Alleinentscheidung des mitunterzeichnenden Berichterstatters - zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zuzulassen und dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern nach § 80a Abs. 3 OWiG zur Entscheidung zu übertragen. Die Zulassung ist zur Fortbildung des Rechts geboten, um die für eine bußgeldrechtliche Ahndung nach §§ 4, 49 StVO notwendige Dauer bzw. Länge einer Abstandsunterschreitung näher zu konkretisieren. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung war die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil ansonsten schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung fortbestehen würden. So hat das AG Lüdinghausen mit Urteil vom 28.01.2013 (19 OWi 216/12) für eine Ahndung eine Abstandsunterschreitung auf einer Fahrstrecke von mindestens 150 m, ja sogar eher noch von 250 bis 300 m für erforderlich erachtet. Im angefochtenen Urteil wird hingegen die deutlich geringere, den Mindestabstand unterschreitende, Fahrstrecke von 123 m für ausreichend erachtet.

Die - auch im Übrigen zulässige - Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Die Rügeanforderungen gemäß der §§ 80 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO sieht der Senat noch als erfüllt an. Es wurde zwar nicht ausdrücklich die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhoben. Jedoch geht aus dem Gesamtzusammenhang der Begründung des Zulassungsantrages noch hinreichend hervor, dass der Betroffene sich dagegen wenden will, dass das Amtsgericht hier eine Abstandsunterschreitung auf weniger als 150 m Fahrstrecke für die Bejahung des Verkehrsverstoßes hat ausreichen lassen.

Das angefochtene Urteil weist keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf.

Insbesondere ist die Annahme des Amtsgerichts, dass eine Abstandsunterschreitung auf einer Messstrecke von 123 m den Bußgeldtatbestand nach §§ 4, 49 StVO i.V.m. Nr. 12.6.2. der Tabelle 2 der BKatV erfülle, wenn der vorwerfbare Verstoß mindestens 3 Sekunden angedauert hat, rechtlich nicht zu beanstanden.

Für die Ahndung eines Abstandsverstoßes ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wie auch der Obergerichte erforderlich, dass die Abstandsunterschreitung nicht nur ganz vorübergehend ist. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es Situationen geben kann, wie z.B. das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder einen abstandsverkürzenden Spurwechsel eines vorausfahrenden Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könnte (OLG Hamm NZV 1994, 120; OLG Koblenz, Beschl. v. 02.05.2002 - 1 Ss 75/02 = BeckRS 2002, 30257446; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.07.2007 - 1 Ss 197/07 = BeckRS 2008, 08770; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 4 Rdn. 22).

Wann eine nicht nur ganz vorübergehende Abstandsunterschreitung vorliegt, wird in der Rechtsprechung der Obergerichte unterschiedlich beurteilt. Einige Gerichte halten eine Strecke von 250-300m, in der die Abstandsunterschreitung vorliegen muss, für ausreichend (vgl. OLG Celle NJW 1979, 325; OLG Düsseldorf NZV 2002, 519; OLG Karlsruhe NJW 1972, 2235). Andere lassen jedenfalls 150 m ausreichen, wenn die Messung in einem standardisierten Messverfahren durchgeführt wurde, ein kurz zuvor erfolgter Spurwechsel eines vorausfahrenden Fahrzeugs ausgeschlossen werden kann und die Dauer der abstandsunterschreitenden Fahrt mehr als 3 Sekunden betrug (OLG Hamm NZV 2013, 203; vgl. auch OLG Köln VRS 66, 463; König a.a.O. Rdn. 22).

Im Gesetz selbst ist keine Mindestdauer in zeitlicher oder örtlicher Hinsicht Voraussetzung der Ahndung einer Abstandsunterschreitung. Die vom Bundesgerichtshof aufgestellte Voraussetzung, dass die Abstandsunterschreitung nicht nur vorübergehend sein darf, bezieht sich nach Auffassung des Senats auf die Dauer oder Länge der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung, nicht auf die Dauer oder Länge der insgesamt festgestellten Abstandsunterschreitung. Nach § 10 OWiG kann nur vorsätzliches oder - wenn das Gesetz dies (wie hier) ausdrücklich vorsieht - fahrlässiges Handeln als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Auf die Dauer oder Länge der insgesamt festgestellten Abstandsunterschreitung kann es daher letztlich nicht entscheidend ankommen. Maßgeblich ist also, dass der Anteil an der Gesamtstrecke der Abstandsunterschreitung, der von dem Betroffenen verschuldet wurde (und nicht etwa durch ein Verhalten Dritter oder durch andere Ereignisse, auf die der Betroffene noch nicht reagieren und den erforderlichen Abstand wieder herstellen konnte), nicht nur "vorübergehender" Natur ist.

Bei der Frage, wann eine Abstandsunterschreitung nicht nur vorübergehend ist, steht für den Senat die zeitliche Komponente im Vordergrund. Schon die Formulierung in der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofes legt dies nahe. Auch erscheint es naheliegender, sich der zeitlichen Komponente zum Ausschluss eines nur kurzfristigen - und damit aus Verhältnismäßigkeitsgründen nicht ahndungswürdigen - Versagens des Fahrzeugführers zu bedienen. Der Senat hält jedenfalls eine Abstandsunterschreitung für die Dauer von mehr als 3 Sekunden - wie hier - für kein kurzfristiges Versagen des Fahrzeugführers mehr, wenn kurz zuvor erfolgte abstandsverkürzende, vom Betroffenen nicht zu vertretende, Ereignisse (Abbremsen des vorausfahrendes Fahrzeugs, abstandsverkürzender Fahrspurwechsel eines Dritten, auf die der Betroffene noch keine Möglichkeit hatte zu reagieren) - wie hier - ausgeschlossen werden können (in diese Richtung wohl auch: OLG Koblenz a.a.O.). Auch unter angemessener Berücksichtigung üblicher Reaktionszeiten ist von jedem Betroffenen noch innerhalb einer Dauer der Abstandsunterschreitung von drei Sekunden ohne Dritteinwirkung einerseits das Bewusstsein zu verlangen, dass er handeln und den Sicherheitsabstand vergrößern muss, sowie andererseits auch eine entsprechende Umsetzung abstandsvergrößernder Maßnahmen. Jedenfalls ist eine länger andauernde Gefährdung des Straßenverkehrs durch eine bußgeldbewehrte und damit in jedem Fall erhebliche Unterschreitung des gebotenen Sicherheitsabstandes nicht hinnehmbar. Fährt der Betroffene trotzdem mit einem unzulässig geringen Abstand weiter hinter einem anderen Fahrzeug her, so kann hier von einem nur vorübergehenden Pflichtenverstoß nicht mehr die Rede sein.

Um allerdings besonders schnell fahrende Fahrzeugführer nicht zu privilegieren, hält der Senat aber auch eine Abstandsunterschreitung auf einer Strecke von jedenfalls 140 m unter den o.g. weiteren Voraussetzungen (Ausschluss eines abstandsverkürzenden Ereignisses, auf das der Betroffene noch nicht reagieren konnte, bis zum Beginn der Messstrecke) für nicht nur vorübergehend. Das beruht auf der Erwägung, dass derjenige, der die Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h deutlich überschreitet und damit die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs deutlich erhöht, wegen der erhöhten durch ihn begründeten Gefahr bei einer Abstandsunterschreitung auch schneller wieder den erforderlichen Mindestabstand herstellen muss. Eine solche - auch haftungsrechtlich relevante - Überschreitung der Richtgeschwindigkeit wird jedenfalls ab einer Geschwindigkeit von 160 km/h angenommen (OLG Hamm NJW-RR 2011, 464 m.w.N.). Bei dieser Geschwindigkeit legt ein Fahrzeug in 3 Sekunden etwa 133,3 m zurück. Großzügig zugunsten des Betroffenen aufgerundet ergeben sich die o.g. 140 m.

Ob auch bei noch kurzfristigeren Abstandsunterschreitungen ein ahndungswürdiger Verstoß gegeben ist kann der Senat offen lassen.

OLG Hamm, Beschluss vom 9. Juli 2013 - Az. 1 RBs 78/13 -

Weitere Informationen zum Verkehrsrecht finden Sie unter:

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Anwalt für Strafrecht: Drogenstrafrecht / Nicht geringe Menge

Bei der unerlaubten Betäubungsmittelabgabe gilt für die nicht geringe Menge von Fentanyl ein Grenzwert von 75 mg.

In seiner Entscheidung vom 29.4.2013 - Ss 259/12 legte der 1. Strafsenat des Oberlandesgericht Nürnberg den Grenzwert für die nicht geringe Menge bei Fentanyl fest, der 75 mg beträgt. Dazu verglich das OLG die Wirkung des Fentanyls mit der Wirkung von Heroin und stellte bei seiner Bestimmung zudem auf opiatgewohnte Personen ab.
Fentanyl ist ein Betäubungsmittel aus den Gruppen der Opioide (zu dieser Gruppe gehört auch Heroin), das normalerweise als Schmerzmittel oder für Kurznarkosen verwendet wird. Die medizinische Anwendung erfolge laut Nachforschungen des Gerichts häufig durch Pflaster auf der Haut, bei denen 24-84% des Wirkstoffs im Pflaster verbleiben. Diese Pflaster würden Konsumenten meistens aus dem Müll der Krankenhäuser holen oder sich von verschiedenen Ärzten im Rahmen des sogenannten "Ärztehoppings" verschreiben lassen, um an den Wirkstoff zu gelangen. Da beide Methoden nach Ansicht des OLG für ein Verhalten bereits opiatsüchtiger Personen sprechen, könne bei der Bestimmung des Grenzwertes nicht von Erstkonsumenten ausgegangen werden.

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl

Das Einstecken von 6 Flaschen Whiskey in zwei mitgebrachte Tüten stellt erst dann einen vollendeten Diebstahl dar, wenn der Kassenbereich des Supermarktes verlassen wird.

In seinem Beschluss vom 18.6.2013 - 2 StR 145/13 macht der BGH noch einmal deutlich, dass kein vollendeter Diebstahl vorliegt, wenn umfangreiche Beute in einem Supermarkt zwar eingesteckt, der Kassenbereich mit ihr jedoch nicht passiert wird.
In solchen Fällen darf in der Regel nur ein versuchter Diebstahl angenommen werden, da eine vollendete Wegnahme im Selbstbedienungsladen erst dann vorliegt, wenn der Täter Sachen von geringem Umfang einsteckt oder sie sonst verbirgt. Wird also eine sogenannte Gewahrsamsenklave gebildet, so kommt es für die Vollendung des Diebstahls nicht mehr darauf an, dass der Kassenbereich passiert wird. Das Wegtragen umfangreicherer Beute innerhalb der Gewahrsamssphäre des Ladeninhabers stellt jedoch nach Ansicht des BGH noch keine Gewahrsamsenklave dar.
Damit änderte der BGH den zuvor vom Landgericht Aachen ausgesprochenen Schuldspruch dahingehend ab, dass der Angeklagte nur eines versuchten Diebstahls schuldig ist. Er hatte 6 Flaschen Whiskey in zwei mitgebrachte Tüten gesteckt und war, nachdem er von einem aufmerksamen Kunden des Supermarktes bemerkt wurde, ohne die Beute geflohen.

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Akteneinsichtsrecht in die Bedienungsanleitung von Geschwindigkeitsmessgeräten

Die Vorenthaltung der Bedienungsanleitung kann eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung nach § 338 Nr. 8 StPO darstellen.

Dies erfordere jedoch einen Antrag auf Akteneinsicht und Unterbrechung bzw. Aussetzung in der Hauptverhandlung und einen ablehnenden Gerichtsbeschluss.

Mit der Verfahrensrüge sei sodann vorzutragen, welche Tatsachen sich aus welchen genau bezeichneten Stellen der Akten ergeben hätten und welche Konsequenzen für die Verteidigung darauf gefolgt wären.

Sollte dies wegen des vorenthaltenen Aktenmaterials nicht möglich sein, weil dem Verteidiger die Akten nicht zugänglich gemacht worden sind, müsse der Verteidiger dartun, dass und wie er sich bis zum Ablauf der Frist zur Begründung der Verfahrensrüge weiter erfolglos um Einsichtnahme bemüht habe.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 07. Januar 2013 - 3 Ws(B) 596/12

www.rechtsanwalt-punkte-in-flensburg.de

Anwalt für Strafrecht: Untersuchungshaft gegen jugendlichen Einbrecher

Der Umstand, dass Vortaten des Beschuldigten bisher nur mit jugendgerichtlichen Zuchtmitteln geahndet worden sind, steht der Annahme einer "die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat", die für den hier nach § 112a StPO ergebenden Haftgrund erforderlich ist, nicht entgegen.

Dem 20-jährigen Beschuldigten wird vorgeworfen gemeinsam mit zwei unbekannt gebliebenen Personen in ein freistehendes Gehöft eingebrochen zu sein. Dazu sollen sie mit einem Vorschlaghammer ein Fenster des Wohnzimmers eingeschlagen haben und durch dieses Fenster in das Wohnzimmer eingestiegen sein. Dort sollen sie dem dort sitzenden 89-jährigen Geschädigten mit dem Vorschlaghammer gegen das rechte Bein geschlagen, ihn zu Boden gebracht und mit Kabelbinder an Händen und Füßen gefesselt haben.

Anschließend sollen sie das Haus durchsucht und u. a. eine Pistole, zwei EC- Karten und Bargeld in Höhe von ca. 8.000,00 ? entwendet haben. Der Geschädigte erlitt durch den Schlag mit dem Vorschlaghammer einen Bruch des Unterschenkels, der im Krankenhaus operativ versorgt werden musste. Der dringende Tatverdacht gegen den Beschuldigten ergab sich daraus, dass an den verwendeten Kabelbindern DNA-Spuren gefunden wurden, die ihm zugeordnet werden konnten.

Bereits im Vorfeld war der Beschuldigte wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in zwei Fällen und anderen Delikten zur Absolvierung eines sechsmonatigen Sozialen Trainingskurses sowie 20 Tagen gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Der Beschuldigte steht zudem in einem weiteren Verfahren in Verdacht, mit Mittätern einen Wohnungseinbruchsdiebstahl begangen zu haben.
Das Amtsgericht Bremen - Jugendgericht - hat gegen den 20-jährigen Beschuldigten mit Haftbefehl vom 10. September 2012 die Untersuchungshaft wegen des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO unter Bezugnahme auf die Verurteilung sowie das weitere Verfahren angeordnet.

Auf Antrag des Beschuldigten setzte das Amtsgericht Bremen mit Beschluss vom 23. Oktober 2012 den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug. Gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts Bremen legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein. Mit Beschluss verwarf das Landgericht die Beschwerde der Staatsanwaltschaft und hob gleichzeitig den Haftbefehl des Amtsgerichts Bremen auf. Zur Begründung führte das Landgericht an, dass der Haftbefehl schon deshalb keinen Bestand haben könne, weil der Beschuldigte in der Vergangenheit bislang nur zu erzieherischen Maßnahmen, nicht aber zu einer Jugendstrafe verurteilt worden sei.

Gegen den Beschluss des Landgerichts legte die Staatsanwaltschaft weitere Beschwerde vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) in Bremen ein.

Das OLG Bremen hat den Haftbefehl durch Beschluss vom 01. März 2013 wieder in Vollzug gesetzt. Zur Begründung hat das OLG ausgeführt, dass - entgegen der Auffassung des Landgerichts - der Umstand, dass Vortaten des Beschuldigten bisher nur mit jugendgerichtlichen Zuchtmitteln geahndet worden sind, der Annahme einer "die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat", die für den hier nach § 112a StPO ergebenden Haftgrund erforderlich ist, nicht entgegensteht.

Auch wenn die Voraussetzungen unter denen eine Jugendstrafe verhängt werden kann, andere sind und dort die Täterpersönlichkeit und der Erziehungsgedanke im Vordergrund stehen, dient die Haftanordnung nach § 112a StPO in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit.

Eine automatische Herausnahme derjenigen Straftaten aus den Haftgründen, die nur zu einer Ahndung mit jugendrichterlichen Zuchtmitteln geführt haben, gibt das Gesetz nicht her. Das würde im Übrigen dazu führen, dass der Schutz der Bevölkerung vor heranwachsenden Serienstraftätern nicht im gleichen Maße möglich wäre wie der Schutz vor erwachsenen Serienstraftätern. Insbesondere ist es für die Außenwirkung einer Tat und die Folgen für das Opfer in der Regel ohne Belang, ob die Tat von einem Heranwachsenden oder Erwachsenen begangen worden ist. Da hier auch die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begeht, war die Vollziehbarkeit des Haftbefehls anzuordnen.

Oberlandesgericht Bremen, Beschluss vom 01. März 2013

www.verteidiger-berlin.info/docs/anwalt-untersuchungshaft.php

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Beweisverwertungsverbot einer Blutprobe

Die Unzulässigkeit der Beschlagnahme einer im Zuge einer Behandlung im Krankenhaus entnommenen Blutprobe führe nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.

Die durch die Auswertung der Blutprobe gewonnene Erkenntnis - hier die Blutalkoholkonzentration - gehöre nicht zum Kernbereich privater Lebensgestaltung und entstamme auch nicht dem besonders vertraulichen Arzt-Patienten-Gespräch. Sie sei schließlich auch über eine Anordnung nach § 81a StPO zu erzielen.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 21. September 2011 - 3-91/11

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

Die Urteilsgründe müssen im Falle einer Verurteilung nach § 142 StGB wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort mit der gebotenen Klarheit erkennen lassen, dass der Angeklagte die Erheblichkeit des Schadens erkannt hat oder dies für möglich hielt, nicht aber ob er den Schaden hätte erkennen können.

Entscheidend seien die Vorstellungen vom Umfang des Schadens.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 23. März 2012 / Beschluss vom 21. Dezember 2011 - 3-127/11

Ein völlig belangloser Schaden schließe jedoch bekanntlich den Tatbestand des § 142 StGB aus. Dies gelte auch bei ganz geringfügigen Beeinträchtigungen der körperlichen Integrität. Geringfügige Hautabschürfungen genügen ebenso wenig wie alsbald vergehende Schmerzen.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 03. Dezember 2012 - 3-160/12

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Geschwindigkeitsmessung

Die mangelnde Kenntnis der Messwertbildung des Geschwindigkeitsmessgerätes ESO ES 3.0 begründet keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses. Bestehen keine konkreten Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messung, muss das Gericht keine weiteren Ermittlungen zur Funktionsweise anstellen.

Die mangelnde Kenntnis der genauen Funktionsweise des Geschwindigkeitsmessgerätes ESO ES 3.0 begründet keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses.

Das Gericht ist nicht verpflichtet, aufgrund eines Beweisantrages weitere Ermittlungen zur Funktionsweise dieses Messgerätes anzustellen, wenn keine konkreten Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messung bestehen. Es ist dem Betroffenen zumutbar, solche Zweifel konkret darzulegen.

Das Amtsgericht müsse keine weiteren Ermittlungen zur genauen Funktionsweise des Messgerätes anstellen. Die mangelnde Kenntnis der genauen Funktionsweise des Geschwindigkeitsmessgerätes ESO ES 3.0, das eine Bauartzulassung von der Physikalisch-Technische Bundesanstalt erhalten habe, begründe keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses.

Die genaue Funktionsweise von Messgeräten sei den Gerichten auch in den Bereichen der Kriminaltechnik und der Rechtsmedizin nicht bekannt, ohne dass insoweit jeweils Zweifel an der Verwertbarkeit der Gutachten aufgekommen seien, die auf den von diesen Geräten gelieferten Messergebnissen beruhen. Nach welchem Prinzip das Geschwindigkeitsmessgerät funktioniere, sei bekannt. Bei dem Messverfahren handele es sich um standardisiertes Messverfahren.

Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messung können aber nur konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung begründen. Ohne derartige Anhaltspunkte, würde der der Tatrichter die an seine Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen überspannen, wenn er dennoch an der Zuverlässigkeit der Messung zweifle (OLG Koblenz a.a.O. - mit diesem Urteil wurde das vom Betroffenen zitierte Urteil des AG Kaiserslautern vom 14.03.2012 - 6270 Js 9747/11.1 OWi aufgehoben). Solche Anhaltspunkte lagen hier - s.o. - nicht vor.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 29. Januar 2013 - III-1 RBs 2/13

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Sicherheitsabstand

Kein Beweis mit unscharfem Frontfoto

Ein Foto nach einem Verkehrsverstoß muss deutlich sein, um den Betroffenen zu überführen. Ist das nicht der Fall, muss der Richter detailliert darlegen, warum er den Fahrer dennoch identifizieren konnte. Ein pauschaler Hinweis auf das Bild reicht nicht aus, entschied das Oberlandesgericht Bamberg am 22. Februar 2012 (AZ: 2 Ss OWi 143/12). Damit hob das Gericht eine Entscheidung des Amtsgerichts auf, wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Eine Autofahrerin wurde wegen ungenügenden Sicherheitsabstandes zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt. Der Richter des Amtsgerichts identifizierte die Frau pauschal anhand eines Frontfotos der Videoüberwachungsanlage. Tatsächlich war die Frau aber nur schwer auf dem Bild zu erkennen: Die Kinnpartie wurde durch Armaturenbrett und Lenkrad verdeckt, die Augenpartie samt der Augenbrauen durch eine große Sonnenbrille. Daher hob das Oberlandesgericht das Urteil wieder auf. Der Richter des Amtsgerichts hätte die auf dem Foto erkennbaren charakteristischen Merkmale benennen und beschreiben müssen, die ihm die Identifizierung ermöglicht hätten. Das Urteil wurde dem Amtsgericht zur erneuten Entscheidung vorgelegt.

OLG Bamberg, 22.02.2012 - Az.: 2 Ss OWi 401/12 -