Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.

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Anwalt für Strafrecht: Strafrahmenverschiebung

Eine Strafrahmenverschiebung nach den §§ 21, 49 I StGB kann versagt werden, wenn die Verminderung der Schuldunfähigkeit auf eine vom Täter selbst zu verantwortende Berauschung zurückzuführen ist. Diese muss ihm jedoch auch zum Vorwurf gemacht werden können.

Der Bundesgerichtshof (3 StR 487/21) musste sich in seinem Beschluss vom 25. Januar 2022 mit der Strafrahmenverschiebung beschäftigen. Im hiesigen Fall wurde der alkohol- und drogenabhängige Angeklagte unter anderem wegen Körperverletzung verurteilt, wobei seine Steuerungsfähigkeit bei der Begehung durch Alkohol- und Drogenkonsum erheblich eingeschränkt war. Trotz dieses Umstandes wurde ihm eine Strafmilderung in Form einer Strafrahmenverschiebung versagt mit der Begründung, der Alkohol- und Drogenrausch des Angeklagten sei selbstverschuldet gewesen. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch fest, dass eine Intoxikation dem Täter dann nicht uneingeschränkt zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn dieser alkoholkrank, alkoholüberempfindlich oder drogenabhängig ist.

Anwalt für Strafrecht: Strafzumessung

Bei der Verurteilung eines Anwalts wegen eines Aussagedelikts muss sich das Gericht bei der Strafzumessung auch mit den beruflichen Nebenwirkungen der Strafe auseinandersetzen.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Gericht zu entscheiden, ob strafmildernde oder straferschwerende Gründe vorliegen. Dabei hat das Gericht die beruflichen Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung auf das Leben eines Angeklagten jedenfalls dann als bestimmenden Strafzumessungsgrund ausdrücklich anzuführen, wenn dieser durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert.

Wird ein Anwalt wegen eines Aussagedelikts verurteilt, ist es wahrscheinlich, dass ihm eine Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft (§§ 113 I, 114 I Nr. 5 BRAO) - mithin also der Verlust seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Basis - droht, da Aussagedelikte einen besonders schweren Verstoß gegen die Kernpflicht anwaltlicher Tätigkeit darstellen.

Will das Gericht einen Anwalt also wegen eines Aussagedelikts verurteilen, muss es sich mit diesem Aspekt im Rahmen seiner Strafzumessung auseinandersetzen und gegebenenfalls strafmildernd berücksichtigen. Dies stellte der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 8. März 2022 (3 StR 398/21) klar. Der Angeklagte, ein Anwalt, war hier wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden, wobei die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Bei der Strafzumessung hatte sich das Landgericht lediglich mit der Frage eines Berufsverbots nach § 70 StGB befasst und dessen Verhängung abgelehnt.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs hätte die Vorinstanz aber vor dem Hintergrund des drohenden Ausschlusses aus der Anwaltschaft, auch die erheblichen Auswirkungen einer Verurteilung auf den Berufsweg des Anwalts berücksichtigen müssen.

Anwalt für Strafrecht: Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

Erheblich im Sinne des § 63 StGB sind insbesondere Taten, die Zufallsopfer in der Öffentlichkeit treffen können und schwerwiegende Folgen haben.

In seinem Beschluss vom 17. Februar 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (4 StR 380/21) mit der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) beschäftigt. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt zündete der an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie leidende Angeklagte sein Sofa an, weil er es für magisch hielt. Die Erwägungen, mit denen eine Gefährlichkeitsprognose und damit die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt wurden, halten der Prüfung vor dem Bundesgerichtshof nicht stand. Die Brandlegung in einem Mehrfamilienhaus ist eine mit einem gemeingefährlichen Mittel begangene Tat und kann somit als grundsätzlich erhebliche rechtswidrige Tat gewertet werden. Diese sind nämlich insbesondere dann erheblich, wenn sie Zufallsopfer im öffentlichen Raum treffen.

Anwalt für Strafrecht: Vollrausch

Ein Vollrausch im Sinne des § 323a Abs. 1 StGB wird dann bedingt vorsätzlich herbeigeführt, wenn der Täter es bei dem Genuss von Rauschmitteln für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass er sich dadurch in einen Rauschzustand versetzt und dadurch seine Einsichtsfähigkeit oder sein Hemmungsvermögen jedenfalls erheblich vermindert.

In seinem Beschluss vom 8. Dezember 2021 hat sich der Bundesgerichtshof (2 StR 391/21) mit dem Vollrausch nach § 323a Strafgesetzbuch (StGB) beschäftigt. Im vorliegenden Fall wurde der Angeklagte wegen vorsätzlichen Vollrauschs verurteilt. Der Schuldspruch hält rechtlicher Prüfung jedoch nicht stand. Der Bundesgerichtshof stellt fest, dass die Begründung, dem Angeklagten sei die berauschende Wirkung des Kokains wegen seiner langjährigen Erfahrung bekannt gewesen, nicht genügt, um einen Vollrausch nach § 323a Abs. 1 StGB festzustellen. Vielmehr müsste darauf eingegangen werden, dass er seiner Erfahrung nach durch Kokain nie aggressiv wurde, es ihn stattdessen beruhigte. Außerdem müsste berücksichtigt werden, dass der Kokainkonsum bei dem Angeklagten durch eine hirnorganische Veränderung atypische Folgen hervorruft.

Anwalt für Strafrecht: Freiheitsberaubung

Bei einer schweren Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 3 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB) muss zwischen der schweren Gesundheitsschädigung und der Freiheitsberaubung ein ursächlicher Zusammenhang liegen. Außerdem muss der Erfolg für den Täter vorhersehbar gewesen sein.

In seinem Beschluss vom 28. Januar 2021 hat sich der Bundesgerichtshof (3 StR 279/20) mit der schweren Freiheitsberaubung beschäftigt. In dem hiesigen Sachverhalt kam es zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger zu einer Auseinandersetzung in der Wohnung des Angeklagten. Dieser sperrte den Nebenkläger daraufhin in seiner Wohnung ein. Nach 2-3 Stunden sprang der Nebenkläger aus dem über 7m hohen Fenster, wodurch dieser sich schwerwiegende Verletzungen zuzog. Der Angeklagte wurde anschließend vom Landgericht Oldenburg wegen Freiheitsberaubung verurteilt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes wurde vorliegend jedoch nicht ausreichend auf die schwere Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 3 Nr. 2 StGB eingegangen. Zwischen der Gesundheitsschädigung und der Tat könnte es einen ursächlichen Zusammenhang geben. Zudem ist die Vorhersehbarkeit des Erfolges bei Fluchtversuchen in der Regel zu bejahen.

Ein Erpresser ist regelmäßig dann nicht arglos, wenn er im Begriff ist, seine Tat zu vollenden oder zu beenden. Das Erpressungsopfer handelt in so einem Fall in der Regel nicht heimtückisch.

In seinem Beschluss vom 18. November 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 397/21) mit dem Mordmerkmal der Heimtücke auseinandersetzen. Im vorliegenden Sachverhalt kam es zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer zu einem Konflikt bezüglich Zahlungen von Kokain. Das Tatopfer erpresste den Angeklagten daraufhin. Bei einem Treffen erschoss der Angeklagte das Tatopfer dann, welches sich eines Angriffs auf Leib oder Leben nicht versah. Infolgedessen verurteilte das Landgericht München den Angeklagten wegen heimtückischen Mordes. Seine Revision hatte Erfolg und der Schuldspruch wurde geändert. Der Bundesgerichtshof sah das Mordmerkmal der Heimtücke vorliegend nicht als gegeben an. Der Angeklagte überschritt zwar die gesetzlichen Grenzen der Notwehr, befand sich aber in einer Notwehrlage. Bei einer Erpressung muss der Erpresser mit einer Ausübung des Notwehrrechts durch sein Opfer grundsätzlich jederzeit rechnen. Das spricht gegen eine Arglosigkeit. Auch nach den Einzelfallumständen liegt nach dem Bundesgerichtshof keine Heimtücke vor.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Bei dem minder schweren Fall des Totschlags gem. § 213 Strafgesetzbuch (StGB) handelt der Täter ohne Schuld, wenn er keine genügende Veranlassung für die Provokation seitens des Tatopfers gegeben hat und zur Verschärfung der Situation nicht beigetragen hat. Dabei sind alle maßgeblichen Umstände einzubeziehen.

In seinem Beschluss vom 12. Januar 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (1 StR 462/21) mit dem minder schweren Fall des Totschlags gem. § 213 StGB beschäftigt. Im hiesigen Sachverhalt forderte das Tatopfer den Angeklagten auf, zu ihm in die Wohnung zu kommen. Der Angeklagte, der aufgrund ausstehender Zahlungen von Kokain eine Auseinandersetzung befürchtete, nahm ein Springmesser mit. In der Wohnung angekommen, sperrte das Tatopfer die Tür ab und schlug den Angeklagten mehrmals und drückte ihn dann gegen den Schrank. Der Angeklagte, der kurz nur wenig Luft bekam, holte das Messer heraus und schnitt dem Tatopfer mit diesem in den Halsbereich. Anschließend stach er noch 6 weitere Male zu, woraufhin das Tatopfer starb. Das Landgericht hatte einen Totschlag angenommen und den minder schweren Fall des Totschlags verneint. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes hat das Landgericht hier jedoch einen falschen Maßstab angelegt und wichtige Umstände außer Acht gelassen. Das Landgericht ging vorliegend nur auf die Konflikte im Drogenmilieu ein und folgerte daraus eine Schuld des Angeklagten. Jedoch müssen auch die unmittelbaren Tatumstände beachtet werden, durch die sich ein minder schwerer Fall des Totschlags ergeben kann.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Für die Feststellungen, ob ein sonst niedriger Beweggrund und somit Mord vorgelegen hat, ist die Frage nach der Vorsatzform relevant.

In seinem Beschluss vom 8. März 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (6 StR 320/21) mit dem Vorliegen des Mordmerkmals der sonst niedrigen Beweggründe befasst. In dem, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt tötete der Angeklagte sein Stiefkind. Als er sich erneut über das Geschrei des Säuglings ärgerte, verdeckte er dem Kind die Atemwege mehrere Minuten, woraufhin dieses starb. Das Landgericht sah das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe als nicht vorliegend an. Diese Wertung hält rechtlicher Überprüfung jedoch nicht stand. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Es ist nicht eindeutig, dass der Angeklagte den Säugling wegen einer situativ bedingten Wut oder einer feindseligen Grundhaltung gegenüber diesem tötete. Dafür ist die Frage entscheidend, ob der Angeklagte mit Tötungsabsicht handelte, welche vorliegend nicht ausreichend geklärt wurde. Der Bundesgerichtshof schließt nicht aus, dass es bei der Annahme einer Tötungsabsicht zu dem Ergebnis der niedrigen Beweggründe gekommen wäre.

Ein Verdeckungsmord kann gegeben sein, wenn zwischen einer ersten und einer weiteren, nunmehr in Verdeckungsabsicht vorgenommenen Tötungshandlung eine deutliche zeitliche Zäsur liegt.

In seinem Urteil vom 01. Dezember 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (6 StR 270/21) mit dem Merkmal der Verdeckungsabsicht im Rahmen des Mordes auseinandersetzen. Im hiesigen Fall fühlte sich der Angeklagte aufgrund von abfälligen Aussagen des Opfers provoziert, weshalb er dem Tatopfer mehrfach mit der Faust ins Gesicht schlug sowie gegen den Hals, Kopf und Oberkörper trat. Nach mindestens zwölf Tritten und Schlägen, bei denen er damit rechnete und es billigend in Kauf nahm, dass er das Opfer töten werde, entfernte sich der Angeklagte ein Stück vom Tatort. Die Gewaltakte des Angeklagten waren für sich genommen schon tödlich. Anschließend tauchte der Mitangeklagte auf und nahm an, das Opfer sei verstorben. Aus diesem Grund entschloss er sich, einen Ertrinkungstod mittels Flaschen vorzutäuschen. Der Angeklagte kehrte sodann zum Geschehen zurück und half dem Mitangeklagten. Spätestens beim Einführen der Flaschen zeigte das Opfer Lebenszeichen. Ein Verdeckungsmord kann gegeben sein, wenn zwischen einer ersten und einer weiteren, nunmehr in Verdeckungsabsicht vorgenommenen Tötungshandlung eine deutliche zeitliche Zäsur liegt. Eine solche könnte in dem Weggehen des Angeklagten nach Abschluss der gegen das Opfer gerichteten massiven Gewalthandlung gesehen werden. Mit dem später im Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten ausgeführten Einflößen des Wassers zur Vortäuschung eines Ertrinkungstodes hätte der Angeklagte an dem vom Mitangeklagten begangenen versuchten Verdeckungsmord mitgewirkt. Sofern indessen von einem einheitlichen Tatgeschehen auszugehen ist, so hätte der Angeklagte nicht zur Verdeckung einer anderen Tat gehandelt, sondern die von vornherein mit Tötungsvorsatz verübte Tat nunmehr mit Verdeckungsabsicht vollenden wollen. Für diesen Fall käme das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe in Betracht.

Anwalt für Strafrecht: Urkundenfälschung

Der mehrfache selbständige Gebrauch einer unechten Urkunde bildet mit dem Herstellen einer unechten Urkunde eine tatbestandliche Handlungseinheit und damit eine materiell-rechtliche Tat, wenn der mehrfache Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht.

In seinem Beschluss vom 18. Februar 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 279/20) mit dem Gesamtvorsatz im Rahmen der Urkundenfälschung befassen. Im hiesigen Fall hatte der Angeklagte, der über keine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen verfügt, an seinem Kraftfahrzeug ein Kennzeichen angebracht, das er von einem anderen Fahrzeug abmontiert und mit amtlichen Siegeln versehen hatte. Im Zuge einer Fahrt rammte er sodann mindestens fünf Straßenpoller. Im Anschluss entfernte er sich vom Unfallort, obwohl er die Beschädigung bemerkt hatte, und setzte seine Fahrt fort. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten u. a. wegen Urkundenfälschung. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil des Landgerichts. Hierbei führte der Bundesgerichtshof an, dass das Geschehen als eine Tat der Urkundenfälschung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu werten ist. Der mehrfache selbständige Gebrauch einer unechten Urkunde bildet mit dem Herstellen einer unechten Urkunde eine tatbestandliche Handlungseinheit und damit eine materiell-rechtliche Tat, wenn der mehrmalige Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht. Ein solcher Gesamtvorsatz ist regelmäßig gegeben, wenn der Täter die für ein anderes Fahrzeug ausgegebenen amtlichen Kennzeichen an einem Fahrzeug anbringt, um dieses als vermeintlich zugelassen im öffentlichen Straßenverkehr mehrfach zu nutzen. Dies gilt fernerhin, wenn ein einheitliches Gebrauchmachen der zusammengesetzten Urkunde vorliegt. Aus dem jeweils tateinheitlichen Zusammentreffen weiterer Delikte mit der einheitlichen Urkundenfälschung folgt, dass sämtliche Gesetzesverstöße, die nicht schwerer wiegen, zu einer Tat im materiell-rechtlichen Sinne verklammert werden.