Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexuelle Nötigung

Bei einem mit Auseinanderdrücken der Beine verbundenen Herunterziehen der Hose des Betroffenen liegt eine sexuelle Handlung im Sinne einer sexuellen Nötigung vor.

Der Bundesgerichtshof befasste sich in seinem Urteil vom 15. Juli 2020 (6 StR 7/20) damit, ob das Auseinanderdrücken der Beine und der Versuch des Ausziehens der Hose des Betroffenen eine sexuelle Handlung im Sinne einer sexuellen Nötigung darstellt. Wegen sexueller Nötigung macht sich ein Beschuldigter strafbar, welcher gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser vornimmt. Eine sexuelle Handlung liegt immer dann vor, wenn die Handlung objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild, einen eindeutigen Sexualbezug aufweist. Für die Tatvollendung reicht es aus, dass der Beschuldigte mit einer sexuellen Handlung am Körper des Betroffenen begonnen hat. Der Beschuldigte in dem, dem Urteil des BGHs zugrunde liegenden Sachverhalt, hielt der Betroffenen mit einer Hand ihre Arme an den Handgelenken fest und versuchte mit der anderen Hand ihre Schlafshorts und seine Unterhose herunterzuziehen sowie ihre Beine auseinanderzudrücken. Dies erfolgte weil der Beschuldigte gegen den Willen der Betroffenen Geschlechtsverkehr durchführen wollte. Noch bevor ihm dies gelang, konnte die Betroffene sich aus dem festen Griff des Beschuldigten befreien, mit ihren Fäusten auf ihn einschlagen und in den angrenzenden Flur fliehen. Nach Auffassung des BGHs nahm der Beschuldigte eine sexuelle Handlung an der Betroffenen vor. Da es für die Tatvollendung genügt, dass der Beschuldigte mit einer sexuellen Handlung am Körper des Betroffenen begonnen hat, liegt bei einem mit Auseinanderdrücken der Beine verbundenen Herunterziehen der Hose eine sexuelle Handlung vor.

Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexueller Missbrauch von Jugendlichen

Einem Betroffenen mangelt es nicht bereits an der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung, im Sinne des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen durch eine Person über 21 Jahren, wenn er unter 16 Jahren alt ist.

Wegen sexuellen Missbrauchs Missbrauch von Jugendlichen durch einen Person über 21 Jahren macht sich eine Beschuldigter im entsprechenden Alter strafbar, wenn er eine Person unter sechzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt und dabei die dem Betroffenen fehlende Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt. Im Zuge dessen setzte sich der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 10. Juli 2020 (1 StR 221/20) mit der Frage auseinander, ob fehlende Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung bei einem 15-jährigen Betroffenen immer vorliegt. Der fast 20 Jahre ältere Beschuldigte verleitet die 15-jährige Betroffene wiederholt dazu sich mit ihm zu treffen. Hierbei kam es wiederholt zur Vornahme sexueller Handlungen des Beschuldigten an der Betroffenen. Das Landgericht verurteilte den Beschuldigten im Anschluss hieran wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen. Hierbei verwies das Landgericht unter anderem darauf, dass sie Betroffene aus altersbedingter Unreife nicht in der Lage gewesen sei, sich dem Beschuldigten zu widersetzten. Hiergegen wandte sich der BGH. Das vom Tatbestand vorausgesetzte Fehlen der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung dem Beschuldigten gegenüber ergibt sich nicht schon aus dem Umstand allein, dass die betroffene jugendliche Person unter 16 Jahre alt ist. Einschränkungen der Selbstbestimmungsfähigkeit sind in dieser Altersstufe zwar möglich, werden aber, anders als bei Kindern unter 14 Jahren, vom Gesetz nicht als zwingend gegeben vorausgesetzt. Insoweit bedarf es für des Feststellung des Fehlens der Selbstbestimmungsfähigkeit konkreter Feststellungen.

Anwalt für Sexualstrafrecht: Schwere Zwangsprostitution

Das Schaffen eines Anreizes zur Prostitutionsausübung stellt keine List im Sinne schwerer Zwangsprostitution dar. Irreführende Machenschaften im Zuge von List müssen sich auf die Prostitutionsausübung an sich beziehen.

Der Qualifikationstatbestand der schweren Zwangsprostitution liegt vor, wenn der Beschuldigten den Betroffenen durch List zur Aufnahme oder Fortsetzung von Prostitution veranlasst. List ist jede Verhaltensweise des Beschuldigten, die darauf gerichtet ist, seine Ziele unter geflissentlichem und geschicktem Verbergen der wahren Absichten und Umstände durchzusetzen. Im Zuge dessen setzte sich der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 4. August 2020 (3 StR 132/20) mit der der Frage auseinander, ob das arglistige Schaffen eines Anreizes zur Prostitutionsausübung List darstellt. Der Betroffenen wurde eine Liebesbeziehung vorgespiegelt. Im Rahmen dessen wurde sie durch Dritte in den Glauben versetzt ihr vorgeblicher Partner sei krank und habe Schulden, für deren Rückzahlung er Einnahmen der Betroffenen aus der Prostitution bedürfe. Dies erfolgte „Um ihre Bereitschaft zur Prostitution zu verstärken und sie dazu anzuhalten, möglichst viele Kunden zu bedienen,". Der Beschuldigte verstärkte die Betroffene in der Auffassung ihr Partner liebe sie wirklich. Im Zuge dessen verurteilte das Landgericht den Beschuldigten wegen Beihilfe zur besonders schweren Zwangsprostitution. Dem schloss sich der BGH nicht an. Die Dritten veranlassten die Betroffene nicht durch List zur Fortsetzung der Prostitution. Das reine Hervorrufen eines Motivirrtums des Betroffenen stellt regelmäßig keine List dar. Die irreführenden Machenschaften müssen sich auf die Tatsache der Prostitutionsausübung an sich beziehen, während das lediglich arglistige Schaffen eines Anreizes gegenüber einer Person, die sich frei für oder gegen eine Prostitutionsaufnahme oder -fortsetzung entscheiden kann, nicht ausreicht. Die Dritten ließen die Betroffene jedoch nie darüber im Unklaren, dass sie von ihr die Ausübung von Prostitution erwarten.

Der Begriff der schutzlosen Lage ist rein objektiv zu bestimmen. Einer subjektiven Zwangswirkung der Schutzlosigkeit auf das Tatopfer bedarf es nicht.

In seiner Entscheidung vom 2. Juli 2020 (4 StR 678/19) musste sich der Bundesgerichtshof der Frage widmen, wann ein Opfer sich in einer „schutzlosen Lage“ im Sinne des § 177 StGB befindet. Insbesondere musste sich der Bundesgerichtshof dazu äußern, ob der Begriff der „schutzlosen Lage“ rein objektiv zu bestimmen ist oder es einer subjektiven Zwangswirkung der Schutzlosigkeit auf das Tatopfer bedarf, das Opfer also wissen muss, dass es sich in einer schutzlosen Lage befindet. Hintergrund der Entscheidung war ein Fall, in dem ein Mann zwei Mädchen sexuell missbraucht hatte. Hierfür hatte er das eine Kind unter einem Vorwand in ein leerstehendes Gebäude gelockt, das andere Kind wurde von ihm überrumpelt und unter der Drohung der Tötung in eine Ruine geführt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs reicht es aus, dass sich das Opfer dem überlegenen Täter allein gegenübersieht und auf fremde Hilfe nicht rechnen kann. Der Tatbestand solle Fälle erfassen, in denen das Opfer starr vor Angst ist und nur deshalb auf Widerstand verzichtet, weil es in einer hilflosen Lage ist und dieser gegen den überlegenen Täter aussichtslos erscheint. Der Begriff der schutzlosen Lage ist folglich objektiv zu bestimmen.

Anwalt für Strafrecht: Stealthing (sexueller Übergriff)

Das heimliche Abstreifen des Kondoms (sog. Stealthing) erfüllt jedenfalls dann den Tatbestand des sexuellen Übergriffs gemäß § 177 Abs. 1 StGB, wenn der Täter das Opfer nicht nur gegen dessen Willen in ungeschützter Form penetriert, sondern im weiteren Verlauf dieses ungeschützten Geschlechtsverkehrs darüber hinaus in den Körper des bzw. der Geschädigten ejakuliert.

Wegen sexuellen Übergriffs wird gemäß § 177 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt. Ob auch das heimliche Abstreifen eines Kondoms beim Geschlechtsverkehr (sog. Stealthing) als sexueller Übergriff anzusehen ist, beschäftigte das Berliner Kammergericht in seiner Entscheidung vom 27. Juli 2020 (4 Ss 58/20, 161 Ss 48/20). Der Angeklagte hatte vorliegend mit einer Frau einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, die zuvor mehrfach deutlich gesagt hatte, dass sie auf keinen Fall Geschlechtsverkehr ohne Kondom haben wolle. Dennoch entfernte der Angeklagte im Verlauf des Geschlechtsverkehrs heimlich das Kondom und vollzog den Geschlechtsverkehr ungeschützt bis hin zum Samenerguss. Nach Auffassung des Gerichts stellt das Handeln des Angeklagten einen sexuellen Übergriff dar. Dass er die Frau nicht nur gegen deren Willen in ungeschützter Form penetriert, sondern im weiteren Verlauf dieses ungeschützten Geschlechtsverkehrs darüber hinaus in ihren Körper ejakuliert hat, habe die Tathandlung wesentlich geprägt. Zwar war die Frau mit dem Geschlechtsverkehr als solchem einverstanden. Jedoch umfasse das von § 177 Abs. 1 StGB geschützte Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung auch die Freiheit der der Person, über Zeitpunkt, Art, Form und Partner sexueller Betätigung nach eigenem Belieben zu entscheiden. Der Rechtsgutinhaber sei nicht nur frei in seiner Entscheidung darüber, ob überhaupt Geschlechtsverkehr stattfinden soll, sondern auch darüber, unter welchen Voraussetzungen er mit einer sexuellen Handlung einverstanden ist.

Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexueller Missbrauch von Kindern

Eine Handlung ist in der Regel dann keine sexuelle Handlung im Sinne eines sexuellen Missbrauchs von Kindern, wenn sie als kurze, flüchtige oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen, insbesondere auch der bekleideten Brust, nicht hinreichend erheblich ist.

Der Beschuldigte in dem, dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 6. Mai 2020 (2 StR 543/19) zugrunde liegenden Sachverhalt, fasste in fünf Fällen Mädchen zwischen zehn und dreizehn Jahren im Bus bzw. in der Straßenbahn an. Dabei fasste der Beschuldigte jeweils an die bedeckte Brust der Mädchen, zum Teil streichelte er sie „mehrfach“ oder „einige Zeit“. Im Zuge dessen hatte sich der BGH mit der Frage zu befassen, ob der Beschuldigte den Betroffenen gegenüber einer sexuellen Handlung im Sinne eines sexuellen Missbrauchs von Kindern vornahm. Sexuelle Handlungen sind solche, die im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind. Als erheblich sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen. Bei Tatbeständen, die wie sexueller Missbrauch von Kindern, dem Schutz von Kindern dienen, sind an das Merkmal der Erheblichkeit geringere Anforderungen zu stellen als bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Erwachsener. Allerdings reichen auch hier kurze, flüchtige oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen, insbesondere auch der bekleideten Brust, grundsätzlich nicht aus. Zur Feststellung der Erheblichkeit bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut. Solche wurden durch das Landgericht nicht vorgenommen. Im Zuge dessen hob der BGH die Verurteilung des Beschuldigten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern auf.

Anwalt für Strafrecht: Sexueller Übergriff

Wegen sexuellen Übergriffs unter Gewaltanwendung macht sich ein Beschuldigter auch dann strafbar, wenn er Gewalt gerade nicht zum Zweck des sexuellen Übergriffs anwendet. Entscheidend ist, dass der Beschuldigte die Gewalt im Tatzeitpunkt beziehungsweise im Rahmen eines einheitlichen Tatgeschehens vor, bei oder nach der sexuellen Handlung anwendet.

Wegen sexuellen Übergriffs unter Gewaltanwendung macht sich ein Beschuldigter strafbar, welcher gegenüber dem Betroffenen im Rahmen des Übergriffs Gewalt anwendet. In seinem Beschluss vom 25. Februar 2020 (4 StR 590/19) setzte sich der Bundesgerichthof damit auseinander, ob die Gewalt gerade Mittel zur Erzwingung der sexuellen Handlung des Betroffenen und daher final sein muss. Der Beschuldigte schloss die Betroffene in einer Wohnung ein. Im Anschluss hieran beschloss er, an der im Zuge einer körperlichen Auseinandersetzung mit dem Beschuldigten bewusstlosen Betroffenen, Analverkehr durchzuführen. Dies wurde durch die Betroffene unterbunden, welche das Bewusstsein wiedererlangte, bevor der Beschuldigte in sie eindringen konnte. Nach Auffassung des Bundesgerichthofs wendete der Beschuldigte im Rahmen des Einschließens der Betroffenen Gewalt gegenüber dieser an. Es ist ausreichend, dass der Beschuldigte die Gewalt im Tatzeitpunkt beziehungsweise im Rahmen eines einheitlichen Tatgeschehens vor, bei oder nach der sexuellen Handlung anwendet. Ein Finalzusammenhang zwischen Gewaltanwendung und sexueller Handlung ist folglich nicht erforderlich. Das Einsperren der Betroffenen stellte vorliegend eine Gewaltanwendung dar.

Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen

Die Handlung eines Arztes, welcher seine Approbation verloren hat, kann nicht alleine deshalb ihre Qualität als sexuelle Handlung im Sinne eines sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen verlieren, weil sie medizinisch indiziert ist.

Sexuelle Handlungen im Sinne eines sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen, sind solche, die bereits objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen. Zum anderen können sogenannte ambivalente Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein. Insoweit ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt. In seinem Beschluss vom 7. April 2020 (3 StR 44/20) hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage zu befassen, ob eine Handlung durch einen Arzt dann keine sexuelle Handlung darstellen kann, wenn sie medizinisch indiziert ist. Der Beschuldigte war Arzt und fasste der ihm als Praktikantin unterstellten 14jährigen Betroffenen unter die Unterhose auf deren Schamhügel. Er ließ sie dort einige Minuten liegen, um sich sexuell zu erregen. Dies erfolgte unter dem Vorwand die menstruationsbedingten Bauschmerzen der Betroffenen zu behandeln. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beschuldigte seine Approbation bereits verloren. Im Zuge dessen führte der Bundesgerichthof aus, dass es zumindest fraglich ist, ob medizinisch indizierte und ärztlich regelrecht durchgeführte Handlungen grundsätzlich als sexuelle Handlungen ausscheiden. Nimmt der Beschuldigte eine Behandlung als Arzt vor, obwohl er keine ärztliche Approbation hat, ist eine sexuelle Handlung jedoch nicht generell ausgeschlossen. Für die Erörterung eines entsprechenden Ausschlusses besteht zumindest dann kein Anlass, wenn es an der für eine ärztliche Tätigkeit vorausgesetzten Erlaubnis fehlt und mithin die Behandlung bereits deshalb nicht regelgerecht durchgeführt ist.

Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexueller Übergriff/Sexueller Missbrauch

Ein Beschuldigter, welcher die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit des Betroffenen bei der Vornahme sexueller Handlungen ausnutzt, macht sich nicht wegen sexuellen Missbrauchs, sondern wegen sexuellen Übergriffs strafbar.

Wegen sexuellen Missbrauchs macht sich ein Beschuldigter strafbar, welcher zur Vornahme sexueller Handlungen ausnutzt, dass der Betroffene aufgrund seines psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung seines Willens erheblich eingeschränkt ist. Der Bundesgerichthof befasste sich in seinem Beschluss vom 12. Februar 2020 (2 StR 5/20) damit, ob die Ausnutzung fehlender Durchsetzungsfähigkeit des Betroffenen eine Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs oder wegen sexuellen Übergriffs begründet. Die erheblich alkoholisierte Betroffene lehnte sexuelle Handlungen des Beschuldigten unmissverständlich ab, war aber nicht in der Lage, sich körperlich gegen den Beschuldigten zur Wehr zu setzten. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs machte sich der Beschuldigte nicht wegen sexuellen Missbrauchs, sondern wegen sexuellen Übergriffs strafbar. Mangelnde Durchsetzungsfähigkeit des Betroffenen bei der Vornahme sexueller Handlungen unterfällt dem sexuellen Übergriff.

Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexueller Übergriff

Für eine Strafbarkeit wegen sexuellen Übergriffs unter Ausnutzung eines Willensdefizits des Betroffenen ist es nicht von Belang, ob der Beschuldigte bei der Vornahme sexueller Handlungen davon ausging, diese würden bei Fehlen des Willensdefizits zurückgewiesen werden.

Die Beschuldigte in dem, dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2020 (5 StR 580/19) zugrunde liegenden Sachverhalt, berührte ihre schlafende Tochter in deren Intimbereich und fuhr mit ihrer Zunge über deren Klitoris. Hierbei wusste die Beschuldigte, dass die sexuellen Handlungen nicht dem Willen ihrer Tochter entsprachen. Wegen sexuellen Übergriffs macht sich ein Beschuldigter strafbar, welcher sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt und dabei ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern. Der Beschuldigte nutzt die Unfähigkeit des Betroffenen zur Willensbildung oder -äußerung schon dann aus, wenn er diesen Zustand bewusst als Gelegenheit begreift, in der er eine Auseinandersetzung mit einem stets möglichen, seinem sexuellen Ansinnen entgegenstehenden Willen der betroffenen Person in der konkreten Situation vermeiden kann. Der Bundesgerichthof hatte sich im Zuge dessen mit der Frage auseinander zu setzten, ob es für ein Ausnutzen eines Willensdefizits des Betroffenen erforderlich ist, dass der Beschuldigte davon ausgeht, ohne das Willensdefizit wären die sexuellen Handlungen zurückgewiesen worden. Ein Ausnutzen knüpft auch in subjektiver Hinsicht nicht an einen fiktiven Willen oder eine fiktive Willensäußerung des Betroffenen an, sondern an das - zustandsbedingte - tatsächliche Fehlen einer entsprechenden Willensbildung und/oder -äußerung. Infolge dessen ist es nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs für ein Ausnutzen eines Willensdefizits ohne Belang, ob der Beschuldigte es bei den sexuellen Handlungen für möglich hält, dass diese ohne das Willensdefizit unterblieben oder zurückgewiesen worden wären oder mit Nötigungsmitteln hätten erzwungen werden müssen.