Urteile und Entscheidungen im Strafrecht
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Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexuelle Nötigung
Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Beschluss vom 15. September 2020 (3 StR 288/20) damit zu befassen, wie ein minder schwerer Fall der sexuellen Nötigung zu ermitteln ist. Zugunsten des Beschuldigten ist der gerichtlichen Entscheidung im Fall einer sexuellen Nötigung eine geringer Mindeststrafe zugrunde zu legen, falls ein minder schwerer Fall der sexuellen Nötigung vorliegt. Der Beschuldigte wandte in seinem Wohnhaus Gewalt gegen die minderjährige Betroffene an, um die Duldung von ihm vorgenommener sexueller Handlungen zu erzwingen. Dies gelang dem Beschuldigten, indem er dem von ihm festgehaltenen Mädchen an die nackte Scheide fasste. Im Zuge dessen verurteilte das Landgericht den Beschuldigten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern. Einen minder schweren Fall der sexuellen Nötigung lehnte das Landgericht mit der Begründung ab, der Beschuldigte habe sich tateinheitlich wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern strafbar gemacht. Dem schloss sich der BGH nicht an. Die Entscheidung, ob ein minder schwerer Fall gegeben ist, erfordert eine Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Beschuldigten in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Dabei sind alle wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Erst nach dem Gesamteindruck kann entschieden werden, ob der Sonderstrafrahmen anzuwenden ist.
Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexuelle Nötigung
Der Bundesgerichtshof befasste sich in seinem Urteil vom 15. Juli 2020 (6 StR 7/20) damit, ob das Auseinanderdrücken der Beine und der Versuch des Ausziehens der Hose des Betroffenen eine sexuelle Handlung im Sinne einer sexuellen Nötigung darstellt. Wegen sexueller Nötigung macht sich ein Beschuldigter strafbar, welcher gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser vornimmt. Eine sexuelle Handlung liegt immer dann vor, wenn die Handlung objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild, einen eindeutigen Sexualbezug aufweist. Für die Tatvollendung reicht es aus, dass der Beschuldigte mit einer sexuellen Handlung am Körper des Betroffenen begonnen hat. Der Beschuldigte in dem, dem Urteil des BGHs zugrunde liegenden Sachverhalt, hielt der Betroffenen mit einer Hand ihre Arme an den Handgelenken fest und versuchte mit der anderen Hand ihre Schlafshorts und seine Unterhose herunterzuziehen sowie ihre Beine auseinanderzudrücken. Dies erfolgte weil der Beschuldigte gegen den Willen der Betroffenen Geschlechtsverkehr durchführen wollte. Noch bevor ihm dies gelang, konnte die Betroffene sich aus dem festen Griff des Beschuldigten befreien, mit ihren Fäusten auf ihn einschlagen und in den angrenzenden Flur fliehen. Nach Auffassung des BGHs nahm der Beschuldigte eine sexuelle Handlung an der Betroffenen vor. Da es für die Tatvollendung genügt, dass der Beschuldigte mit einer sexuellen Handlung am Körper des Betroffenen begonnen hat, liegt bei einem mit Auseinanderdrücken der Beine verbundenen Herunterziehen der Hose eine sexuelle Handlung vor.
In seiner Entscheidung vom 2. Juli 2020 (4 StR 678/19) musste sich der Bundesgerichtshof der Frage widmen, wann ein Opfer sich in einer „schutzlosen Lage“ im Sinne des § 177 StGB befindet. Insbesondere musste sich der Bundesgerichtshof dazu äußern, ob der Begriff der „schutzlosen Lage“ rein objektiv zu bestimmen ist oder es einer subjektiven Zwangswirkung der Schutzlosigkeit auf das Tatopfer bedarf, das Opfer also wissen muss, dass es sich in einer schutzlosen Lage befindet. Hintergrund der Entscheidung war ein Fall, in dem ein Mann zwei Mädchen sexuell missbraucht hatte. Hierfür hatte er das eine Kind unter einem Vorwand in ein leerstehendes Gebäude gelockt, das andere Kind wurde von ihm überrumpelt und unter der Drohung der Tötung in eine Ruine geführt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs reicht es aus, dass sich das Opfer dem überlegenen Täter allein gegenübersieht und auf fremde Hilfe nicht rechnen kann. Der Tatbestand solle Fälle erfassen, in denen das Opfer starr vor Angst ist und nur deshalb auf Widerstand verzichtet, weil es in einer hilflosen Lage ist und dieser gegen den überlegenen Täter aussichtslos erscheint. Der Begriff der schutzlosen Lage ist folglich objektiv zu bestimmen.
Anwalt für Strafrecht: Stealthing (sexueller Übergriff)
Wegen sexuellen Übergriffs wird gemäß § 177 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt. Ob auch das heimliche Abstreifen eines Kondoms beim Geschlechtsverkehr (sog. Stealthing) als sexueller Übergriff anzusehen ist, beschäftigte das Berliner Kammergericht in seiner Entscheidung vom 27. Juli 2020 (4 Ss 58/20, 161 Ss 48/20). Der Angeklagte hatte vorliegend mit einer Frau einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, die zuvor mehrfach deutlich gesagt hatte, dass sie auf keinen Fall Geschlechtsverkehr ohne Kondom haben wolle. Dennoch entfernte der Angeklagte im Verlauf des Geschlechtsverkehrs heimlich das Kondom und vollzog den Geschlechtsverkehr ungeschützt bis hin zum Samenerguss. Nach Auffassung des Gerichts stellt das Handeln des Angeklagten einen sexuellen Übergriff dar. Dass er die Frau nicht nur gegen deren Willen in ungeschützter Form penetriert, sondern im weiteren Verlauf dieses ungeschützten Geschlechtsverkehrs darüber hinaus in ihren Körper ejakuliert hat, habe die Tathandlung wesentlich geprägt. Zwar war die Frau mit dem Geschlechtsverkehr als solchem einverstanden. Jedoch umfasse das von § 177 Abs. 1 StGB geschützte Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung auch die Freiheit der der Person, über Zeitpunkt, Art, Form und Partner sexueller Betätigung nach eigenem Belieben zu entscheiden. Der Rechtsgutinhaber sei nicht nur frei in seiner Entscheidung darüber, ob überhaupt Geschlechtsverkehr stattfinden soll, sondern auch darüber, unter welchen Voraussetzungen er mit einer sexuellen Handlung einverstanden ist.
Anwalt für Strafrecht: Sexueller Übergriff
Wegen sexuellen Übergriffs unter Gewaltanwendung macht sich ein Beschuldigter strafbar, welcher gegenüber dem Betroffenen im Rahmen des Übergriffs Gewalt anwendet. In seinem Beschluss vom 25. Februar 2020 (4 StR 590/19) setzte sich der Bundesgerichthof damit auseinander, ob die Gewalt gerade Mittel zur Erzwingung der sexuellen Handlung des Betroffenen und daher final sein muss. Der Beschuldigte schloss die Betroffene in einer Wohnung ein. Im Anschluss hieran beschloss er, an der im Zuge einer körperlichen Auseinandersetzung mit dem Beschuldigten bewusstlosen Betroffenen, Analverkehr durchzuführen. Dies wurde durch die Betroffene unterbunden, welche das Bewusstsein wiedererlangte, bevor der Beschuldigte in sie eindringen konnte. Nach Auffassung des Bundesgerichthofs wendete der Beschuldigte im Rahmen des Einschließens der Betroffenen Gewalt gegenüber dieser an. Es ist ausreichend, dass der Beschuldigte die Gewalt im Tatzeitpunkt beziehungsweise im Rahmen eines einheitlichen Tatgeschehens vor, bei oder nach der sexuellen Handlung anwendet. Ein Finalzusammenhang zwischen Gewaltanwendung und sexueller Handlung ist folglich nicht erforderlich. Das Einsperren der Betroffenen stellte vorliegend eine Gewaltanwendung dar.
Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexuelle Nötigung
Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Urteil vom 13. März 2019 (1 StR 424/18) mit der Frage zu befassen, ob die Auffassung eine sexuelle Handlung sei willkommen den Vorsatz des Beschuldigten, bezüglich des Ausnutzens eines Überraschungsmoments entfallen lässt. Zu Lasten des Beschuldigten wirkt es sich aus, wenn er im Zuge einer sexuellen Nötigung ein Überraschungsmoment ausnutzt. Bezüglich des Ausnutzens eines Überraschungsmoments handelt ein Beschuldigter dann vorsätzlich, wenn er weiß, dass er eine sexuelle Handlung unter Einbeziehung des Betroffenen vornimmt, und er sich gerade das Überraschungsmoment zunutze macht. Insbesondere muss der Beschuldigte das Überraschungsmoment als Bedingung für das Erreichen seiner sexuellen Handlung dergestalt erfassen, dass er es zumindest für möglich hält, dass der Betroffene in die sexuelle Handlung nicht einwilligt und dessen Überraschung den Sexualkontakt ermöglicht oder zumindest erleichtert. Der Beschuldigte in dem, dem Beschluss des BGHs zugrunde liegenden Sachverhalt, befand sich mit der Betroffenen in einem Taxi. Der Beschuldigte nutzte die Unachtsamkeit der Betroffenen bei Bezahlung der Fahrtkosten aus, um diese unvermittelt am Arm zu fassen, an sich zu ziehen und ihr einen Zungenkuss zu geben. Hieraufhin drehte sich die Betroffene mit ihrem ganzen Körper zur Seite weg. Im Anschluss hieran führte der Beschuldigte die Hand der Betroffenen mit gewissem Kraftaufwand zu seinem nackten Glied. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nutzte der Beschuldigte zur Vornahme der sexuellen Nötigung ein Überraschungsmoment aus. Es fehlt am Vorsatz, wenn der Beschuldigte annimmt, die überraschende Handlung werde dem Betroffenen willkommen sein. Kennen sich Beschuldigter und Betroffener jedoch nicht oder nur flüchtig, wird eine sexuelle Handlung regelmäßig unter „Ausnutzung“ vorgenommen, da der Beschuldigte durchweg mit dem Unwillkommensein seines Tuns rechnen muss.
Anwalt für Sexualstrafrecht: Tatmehrheit bei sexueller Nötigung
Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Urteil vom 13. Februar 2019 (2 StR 301/18) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob gegen zwei Personen in engem zeitlichem Zusammenhang erfolgte sexuelle Nötigungen eine einheitliche Tat bilden. Die Annahme von Tateinheit wirkt sich bei der Strafzumessung im Gegensatz zu Tatmehrheit zugunsten des Beschuldigten aus. Höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen und deren Verletzung sind einer Tateinheit begründenden additiven Betrachtungsweise, wie sie etwa der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich. Greift ein Beschuldigter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen. Der Beschuldigte in dem, dem Urteil des BGHs zugrunde liegenden Sachverhalt, war Taxifahrer. Er ließ die Betroffenen an einer unbelebten Stelle aus dem Taxi. Anschließend gab er erst einer und dann der anderen Betroffenen unter der Anwendung physischen Zwangs einen Zungenkuss. Dies erfolgte unmittelbar nacheinander. Im Anschluss gelang es den Betroffenen zu fliehen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs machte sich der Beschuldigte wegen sexueller Nötigung in zwei Fällen strafbar. Zwar erfolgten beide Übergriffe in kurzer Folge, zeitlich nacheinander, jedoch war zum Zeitpunkt des zweiten Übergriffs der erste bereits abgeschlossen. Weiterhin erfolgte der Einsatz der Nötigungsmittel nacheinander und voneinander unabhängig.
Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexuelle Belästigung
Um sich wegen einer sexuellen Belästigung strafbar zu machen, muss der Beschuldigte den Betroffenen in sexueller Weise berührt haben. Dass jemand in sexueller Weise berührt wurde ist dann zu bejahen, wenn die Berührung einen Sexualbezug bereits objektiv, also gemessen an dem äußeren Erscheinungsbild, erkennen lässt. Der Bundesgerichtshof befasste sich in seinem Beschluss vom 13. März 2018 (4 StR 570/17) damit, unter welchen Umständen ein Beschuldigter einen Vorsatz bezüglich einer sexuellen Belästigung hat. Die Beschuldigte wurde durch eine Polizeibeamtin körperlich durchsucht. Dies missfiel der Beschuldigten. Daraufhin rief sie der Betroffenen zu, sie werde dieser gleich in den Intimbereich greifen. Dabei griff sie der Betroffenen in den Schritt und kniff sie dort schmerzhaft. Nach Auffassung des Bundesgerichthofs handelte die Beschuldigte vorsätzlich bezüglich der sexuellen Belästigung. Bereits aus dem äußeren Erscheinungsbild der Handlung der Beschuldigten ergibt sich ein Bezug zum Geschlechtlichen, welcher durch deren Äußerungen verstärkt wurde. Außerdem handelte die Beschuldigte vorsätzlich, da sie sich des sexuellen Charakters ihres Tuns bewusst war.
Anwalt für Strafrecht: Sexuelle Belästigung
Für die Erfüllung des Straftatbestandes der sexuellen Belästigung gemäß § 184i Abs. 1 StGB, bedarf es einer körperlichen Berührung in sexuell bestimmter Weise. In seinem Beschluss vom 13. März 2018 (4 StR 570/17) beschäftigte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, wie das Tatbestandsmerkmal der körperlichen Berührung „in sexuell bestimmter Weise“ auszulegen ist. Die Beschuldigte wurde durch eine Polizeibeamtin körperlich durchsucht. Dieser Vorgang missfiel der Beschuldigten, sodass sie der Beamtin zurief: „Und du willst wohl auch gleich in meine Fotze gucken? Soll ich auch in Deine greifen?“. Mit einer schnellen Bewegung griff die Beschuldigte der Polizeibeamtin in den Schritt und kniff sie dort schmerzhaft. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs liegt hierbei eine sexuelle Belästigung durch die Beschuldigte vor. Nach dem äußeren Erscheinungsbild liegt ein Sexualbezug vor, da der Geschädigten in den Intimbereich gekniffen wurde. Die Aussage der Beschuldigten vor der Tat verstärkt zudem den sexuellen Bezug. Die fehlende sexuelle Motivation der Beschuldigten ist unerheblich, da sich eine Berührung in sexuell bestimmter Weise bereits hinreichend aus den äußeren Umständen ergibt.
Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexuelle Nötigung
Bei der sexuellen Nötigung gem. § 177 StGB muss der Beschuldigte eine sexuelle Handlung vornehmen. Eine sexuelle Handlung ist eine Handlung, welche in Bezug auf das geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit ist. In seinem Beschluss vom 4. April 2017 (3 StR 524/16) stellte sich dem Bundesgerichtshof die Frage, ob ein Zungenkuss eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit darstellen kann. Der Beschuldigte versuchte die Betroffene zu küssen und ihr dabei die Zunge in den Mund zu stecken. Dies wurde durch die Betroffene durch zusammenpressen ihrer Lippen verhindert. Die Betroffene war Angestellte der Frau des Beschuldigten und befand sich in keiner sexuellen Beziehung zu diesem. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs stellte der versuchte Zungenkuss, mit Blick auf die Umstände des Einzelfalls, eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit dar. Hierfür spricht, dass die Betroffene in keiner sexuellen Beziehung zum Beschuldigten stand, von diesem wirtschaftlich abhängig war und dass der Beschuldigte versuchte mit seiner Zunge in den Mund der Betroffenen einzudringen.