Urteile und Entscheidungen im Strafrecht
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In seiner Entscheidung vom 2. Juli 2020 (4 StR 678/19) musste sich der Bundesgerichtshof der Frage widmen, wann ein Opfer sich in einer „schutzlosen Lage“ im Sinne des § 177 StGB befindet. Insbesondere musste sich der Bundesgerichtshof dazu äußern, ob der Begriff der „schutzlosen Lage“ rein objektiv zu bestimmen ist oder es einer subjektiven Zwangswirkung der Schutzlosigkeit auf das Tatopfer bedarf, das Opfer also wissen muss, dass es sich in einer schutzlosen Lage befindet. Hintergrund der Entscheidung war ein Fall, in dem ein Mann zwei Mädchen sexuell missbraucht hatte. Hierfür hatte er das eine Kind unter einem Vorwand in ein leerstehendes Gebäude gelockt, das andere Kind wurde von ihm überrumpelt und unter der Drohung der Tötung in eine Ruine geführt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs reicht es aus, dass sich das Opfer dem überlegenen Täter allein gegenübersieht und auf fremde Hilfe nicht rechnen kann. Der Tatbestand solle Fälle erfassen, in denen das Opfer starr vor Angst ist und nur deshalb auf Widerstand verzichtet, weil es in einer hilflosen Lage ist und dieser gegen den überlegenen Täter aussichtslos erscheint. Der Begriff der schutzlosen Lage ist folglich objektiv zu bestimmen.
Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexueller Missbrauch von Kindern
Der Beschuldigte in dem, dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 6. Mai 2020 (2 StR 543/19) zugrunde liegenden Sachverhalt, fasste in fünf Fällen Mädchen zwischen zehn und dreizehn Jahren im Bus bzw. in der Straßenbahn an. Dabei fasste der Beschuldigte jeweils an die bedeckte Brust der Mädchen, zum Teil streichelte er sie „mehrfach“ oder „einige Zeit“. Im Zuge dessen hatte sich der BGH mit der Frage zu befassen, ob der Beschuldigte den Betroffenen gegenüber einer sexuellen Handlung im Sinne eines sexuellen Missbrauchs von Kindern vornahm. Sexuelle Handlungen sind solche, die im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind. Als erheblich sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen. Bei Tatbeständen, die wie sexueller Missbrauch von Kindern, dem Schutz von Kindern dienen, sind an das Merkmal der Erheblichkeit geringere Anforderungen zu stellen als bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Erwachsener. Allerdings reichen auch hier kurze, flüchtige oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen, insbesondere auch der bekleideten Brust, grundsätzlich nicht aus. Zur Feststellung der Erheblichkeit bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut. Solche wurden durch das Landgericht nicht vorgenommen. Im Zuge dessen hob der BGH die Verurteilung des Beschuldigten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern auf.
Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen
Sexuelle Handlungen im Sinne eines sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen, sind solche, die bereits objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen. Zum anderen können sogenannte ambivalente Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein. Insoweit ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt. In seinem Beschluss vom 7. April 2020 (3 StR 44/20) hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage zu befassen, ob eine Handlung durch einen Arzt dann keine sexuelle Handlung darstellen kann, wenn sie medizinisch indiziert ist. Der Beschuldigte war Arzt und fasste der ihm als Praktikantin unterstellten 14jährigen Betroffenen unter die Unterhose auf deren Schamhügel. Er ließ sie dort einige Minuten liegen, um sich sexuell zu erregen. Dies erfolgte unter dem Vorwand die menstruationsbedingten Bauschmerzen der Betroffenen zu behandeln. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beschuldigte seine Approbation bereits verloren. Im Zuge dessen führte der Bundesgerichthof aus, dass es zumindest fraglich ist, ob medizinisch indizierte und ärztlich regelrecht durchgeführte Handlungen grundsätzlich als sexuelle Handlungen ausscheiden. Nimmt der Beschuldigte eine Behandlung als Arzt vor, obwohl er keine ärztliche Approbation hat, ist eine sexuelle Handlung jedoch nicht generell ausgeschlossen. Für die Erörterung eines entsprechenden Ausschlusses besteht zumindest dann kein Anlass, wenn es an der für eine ärztliche Tätigkeit vorausgesetzten Erlaubnis fehlt und mithin die Behandlung bereits deshalb nicht regelgerecht durchgeführt ist.
Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexueller Übergriff/Sexueller Missbrauch
Wegen sexuellen Missbrauchs macht sich ein Beschuldigter strafbar, welcher zur Vornahme sexueller Handlungen ausnutzt, dass der Betroffene aufgrund seines psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung seines Willens erheblich eingeschränkt ist. Der Bundesgerichthof befasste sich in seinem Beschluss vom 12. Februar 2020 (2 StR 5/20) damit, ob die Ausnutzung fehlender Durchsetzungsfähigkeit des Betroffenen eine Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs oder wegen sexuellen Übergriffs begründet. Die erheblich alkoholisierte Betroffene lehnte sexuelle Handlungen des Beschuldigten unmissverständlich ab, war aber nicht in der Lage, sich körperlich gegen den Beschuldigten zur Wehr zu setzten. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs machte sich der Beschuldigte nicht wegen sexuellen Missbrauchs, sondern wegen sexuellen Übergriffs strafbar. Mangelnde Durchsetzungsfähigkeit des Betroffenen bei der Vornahme sexueller Handlungen unterfällt dem sexuellen Übergriff.
Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexueller Übergriff
Die Beschuldigte in dem, dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2020 (5 StR 580/19) zugrunde liegenden Sachverhalt, berührte ihre schlafende Tochter in deren Intimbereich und fuhr mit ihrer Zunge über deren Klitoris. Hierbei wusste die Beschuldigte, dass die sexuellen Handlungen nicht dem Willen ihrer Tochter entsprachen. Wegen sexuellen Übergriffs macht sich ein Beschuldigter strafbar, welcher sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt und dabei ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern. Der Beschuldigte nutzt die Unfähigkeit des Betroffenen zur Willensbildung oder -äußerung schon dann aus, wenn er diesen Zustand bewusst als Gelegenheit begreift, in der er eine Auseinandersetzung mit einem stets möglichen, seinem sexuellen Ansinnen entgegenstehenden Willen der betroffenen Person in der konkreten Situation vermeiden kann. Der Bundesgerichthof hatte sich im Zuge dessen mit der Frage auseinander zu setzten, ob es für ein Ausnutzen eines Willensdefizits des Betroffenen erforderlich ist, dass der Beschuldigte davon ausgeht, ohne das Willensdefizit wären die sexuellen Handlungen zurückgewiesen worden. Ein Ausnutzen knüpft auch in subjektiver Hinsicht nicht an einen fiktiven Willen oder eine fiktive Willensäußerung des Betroffenen an, sondern an das - zustandsbedingte - tatsächliche Fehlen einer entsprechenden Willensbildung und/oder -äußerung. Infolge dessen ist es nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs für ein Ausnutzen eines Willensdefizits ohne Belang, ob der Beschuldigte es bei den sexuellen Handlungen für möglich hält, dass diese ohne das Willensdefizit unterblieben oder zurückgewiesen worden wären oder mit Nötigungsmitteln hätten erzwungen werden müssen.
Anwalt für Sexualstrafrecht: Schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes
Wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes macht sich ein Beschuldigter strafbar, wenn er als Person über achtzehn Jahren sexuelle Handlungen an einem Kind vornimmt, die mit dem Eindringen in dessen Körper verbunden sind. Der Begriff des Eindringens beschreibt besonders nachhaltige Begehungsweisen und ist nicht auf den Beischlaf, den Anal- oder den Oralverkehr beschränkt, sondern erfasst auch die Penetration mit anderen Körperteilen oder Gegenständen. Auch eine Penetration mit Körpersekreten kann ein Eindringen sein. In seinem Beschluss vom 15. August 2019 (4 StR 289/19) setzte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinander, welche Anforderungen an die Vorstellung des Beschuldigten bzgl. des Eindringens von Sekreten zu stellen sind. Der Beschuldigte nahm „kopulierende Bewegungen“ mit seinem Penis in der Gesäßspalte der Betroffenen vor. Hierbei drang Ejakulat in den Anus der Betroffenen ein. Es war nicht ersichtlich, ob für den Beschuldigten das Eindringen des Ejakulats von der Sexualbezogenheit seines Verhaltens mitbestimmt war. Im Zuge dessen machte sich der Beschuldigte nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht wegen schweren sexuellen Missbrauchs der Betroffenen strafbar. Ein Eindringen setzt voraus, dass gerade (auch) in dem Eindringen von Körpersekret jedenfalls aus Sicht des Beschuldigten die Sexualbezogenheit des Vorgangs liegt. Dies war bezüglich des Beschuldigten nicht ersichtlich.
Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen
Bei einer ehe- oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, im Sinne eines sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen, handelt es sich um eine Lebensgemeinschaft zwischen zwei Personen, die auf Dauer angelegt ist, keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen und damit über die Beziehung in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. In seinem Beschluss vom 23. Januar 2018 (1 StR 625/17) hatte sich der Bundesgerichthof mit der Frage auseinander zu setzten, ob der Beschuldigte in einer lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft lebt, wenn er nur an Wochenenden bei dem Betroffenen und seinem Partner lebt. Der Beschuldigte hielt sich im Tatzeitraum nur an Wochenenden in der Wohnung seiner Partnerin der Mutter der Betroffenen auf. Er unterstützte seine Partnerin bei Einkäufen und beim Haushalt. Weiterhin nahm der Beschuldigte Mahlzeiten in der Wohnung ein und übernachtete dort. Nach Auffassung des Bundesgerichthofs befand sich der Beschuldigte mit seiner Partnerin in einer lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft. Der Begründung einer solchen Gemeinschaft steht es nicht entgegen, dass diese nur an den Wochenenden ausgeübt wird. Angesichts des Lebenszuschnitts einer offenkundig erheblichen Zahl von Partnerschaften in der Rechtsform der Ehe oder der (eingetragenen) Lebenspartnerschaft, bei dem die Partner aus unterschiedlichen Gründen lediglich zeitweilig tatsächlich räumlich zusammen wohnen, steht dieser Umstand nicht per se einer „eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft“ entgegen.
Anwalt für Sexualstrafrecht: Schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes
Wegen schweren sexuellen Missbrauchs macht sich strafbar, wer über achtzehn Jahre alt ist und mit einem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind. Eindringen in den Körper umschreibt besonders nachhaltige Begehungsweisen der Tat. Es ist nicht auf Vaginal-, Anal- oder Oralverkehr beschränkt. Die Handlung muss jedoch dem Beischlaf ähnlich sein. Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Beschluss vom 14. November 2018 (2 StR 419/18) damit auseinander zu setzten, ob das Einführen eines Fingers in den Mund eines Kindes dem Beischlaf ähnlich ist. Der Beschuldigte verband der betroffenen Minderjährigen die Augen um sie im Rahmen eines „Probier-Spiels“ verschiedene Lebensmittel probieren zu lassen. Der Beschuldigte strich sich Marmelade auf ein Körperteil und steckte es der Betroffenen in den Mund. Das Gericht nahm zu Gunsten des Beschuldigten an, bei dem Körperteil handele es sich um einen Finger. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist das Einführen eines Fingers in den Mund eines Kindes nicht dem Beischlaf ähnlich. Eine solche Handlung besitzt kein mit dem Beischlaf vergleichbares Belastungsgewicht für das geschützte Rechtsgut und es ist kein primäres Geschlechtsorgan an den Handlungen beteiligt.
Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexueller Missbrauch eines Kindes
Der Bundesgerichtshof setzte sich in seinem Beschluss vom 14. Juni 2018 (3 StR 180/18) damit auseinander, ob ein Film bereits deshalb eine pornographische Darstellung darstellt, weil der als Pornofilm bezeichnet wird. Der Beschuldigte zeigte dem betroffenen Neunjährigen auf einem Laptop einen „Pornofilm“. In diesem Film waren sexuelle Handlungen zwischen einer erwachsenen Frau und einem erwachsenen Mann zu sehen. Hierdurch wollte sich der Beschuldigte sexuell erregen und das Interesse des Kindes in sexueller Richtung anregen. Durch den BGH musste nun geklärt werden, ob der gezeigte Film eine pornographische Darstellung darstellt. Pornographisch, im Sinne des sexuellen Missbrauchs eines Kindes, durch Vorzeigen pornographischer Darstellungen, sind Darstellungen, die sexualbezogene Geschehen vergröbern und ohne Sinnzusammenhang mit anderen Lebensäußerungen zeigen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs stellt ein Film nicht bereits deshalb eine pornographische Darstellung dar, weil er als „Pornofilm“ bezeichnet wird. Eine pornographische Darstellung stellt der Film dar, weil sein Inhalt eine Mehrzahl sexueller Handlungen zwischen zwei Erwachsenen war und er der sexuellen Erregung des Beschuldigten sowie des Betroffenen diente.
Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen
Der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen ist bei Betroffenen zwischen 16 und 18 Jahren möglich, wenn die sexuellen Handlungen unter Missbrauch einer, mit einem festgestellten Obhutsverhältnis verbundenen Abhängigkeit des Schutzbefohlenen vorgenommen werden. Ein Missbrauch der Abhängigkeit liegt vor, wenn der Beschuldigte seine Macht und Überlegenheit in einer für den Jugendlichen erkennbar werdenden Weise als Mittel einsetzt, um diesen gefügig zu machen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn für Jugendliche eine Drucksituation besteht. Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Urteil vom 11. Juli 2017 (5 StR 112/17) mit der Frage zu befassen, wann in entsprechendes Abhängigkeitsverhältnis vorliegt. Der Beschuldigte war Stiefvater der sechzehnjährigen Betroffenen. Er nahm an ihr wiederholt sexuelle Handlungen vor. Innerhalb der Familie nahm der Beschuldigte in Absprache mit seiner Ehefrau die Vaterrolle wahr. Auf Ablehnung seiner sexuellen Handlungen reagierte der Beschuldigte cholerisch gegenüber dem Stiefkinder und seiner Ehefrau, bis diese seinem Verlangen nachkamen, um den Hausfrieden nicht zu gefährden. Der Beschuldigte belegte eine beherrschende Rolle innerhalb der Familie und lenke diese meist nach seinem Belieben. Seine Handlungen waren von der Betroffenen ungewünscht. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs machte sich der Beschuldigte des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen strafbar. Die Betroffene duldete die sexuellen Handlungen nach ihrem 16 Lebensjahr nur aufgrund der vom Beschuldigten aufgebauten familiären Machtverhältnisse, die ihm eine beherrschende Stellung zuwiesen.