Urteile und Entscheidungen im Strafrecht
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Anwalt für Strafrecht: Anstiftung zur Falschaussage Prozessbetrug
Der Beschuldigte in dem, dem Beschluss des Bundesgerichthofs vom 12. Juli 2018 zugrunde liegenden Sachverhalt, erwarb einen Dritten, welcher anschließend zugunsten des Beschuldigten vor dem Landgericht aussagte. Ziel des Beschuldigten war es, ein für ihn günstiges Urteil in einem Versicherungsfall zu erwirken. Die Versicherungsleistung ließ der Beschuldigte geltend machen, nachdem er den Diebstahl der Bestuhlung aus seinem PKW vorgetäuscht hatte. Zwischen zwei oder mehreren Straftatbeständen wird Tateinheit angenommen, wenn der Beschuldigte durch ein und dieselbe Handlung alle Straftatbestände verletzt hat. Wird zwischen mehreren Straftatbeständen Tatmehrheit angenommen, so wirkt sich dies zu Ungunsten des Beschuldigten aus. Dem BGH stellte sich nun die Frage, unter welchen Umständen zwischen einer Anstiftung zur Falschaussage und Prozessbetrug Tateinheit vorliegt. Das Landgericht nahm an, dass die Anstiftung des Zeugen zur Falschaussage zu dem versuchten gemeinschaftlichen Prozessbetrug zum Nachteil der Versicherung in Tatmehrheit steht. Dem schloss sich der Bundesgerichtshof nicht an. Nach Auffassung des Bundesgerichthof lag zwischen beiden Delikten Tateinheit vor. Es war Teil des Plans des Beschuldigten das Gericht durch die Falschaussage zur Verfügung über das Vermögen der Versicherungsgesellschaft zu veranlassen. In der Beweisführung mit der Falschaussage selbst liegt die Handlungseinheit begründende Überschneidung der Tathandlungen.
Fachanwalt für Strafrecht: Pflichtverteidigung
Im Strafrecht gibt es keine Prozesskostenhilfe. Nur in eng umgrenzten Fällen bestellt das Gericht dem Beschuldigten im Rahmen der sogenannten notwendigen Verteidigung einen Pflichtverteidiger, dessen Kosten übernommen und im Falle einer Verurteilung von dem Verurteilten zurückgeholt werden. Ein Pflichtverteidiger wird etwa bestellt, wenn die Sach- oder Rechtslage schwierig ist. Das Landgericht Magdeburg hat nun entschieden, dass ein Pflichtverteidiger wegen einer schwierigen Sachlage auch dann bestellt werden muss, wenn der Beschuldigte auf Facebook als Täter einer Straftat wiedererkannt worden sein soll.
In dem von dem Landgericht zu verhandelnden Fall war gegen den Beschuldigten unter anderem wegen Körperverletzung ermittelt worden. Der Geschädigte war der Überzeugung, den Beschuldigten auf der Facebook-Seite eines Freundes als den Täter wiedererkannt zu haben. Er ging zur Polizei, die daraufhin eine Wahllichtbildvorlage erstellte, auf der der Geschädigte den Beschuldigten erneut identifizierte. Problematisch an diesem Vorgehen ist, dass es sich um eine zweite Wiedererkennung handelt, bei der ein Irrtum nicht ausgeschlossen werden kann. Denn es besteht die nicht von der Hand zu weisende Möglichkeit, dass der Zeuge bei der Wahllichtbildvorlage nicht den tatsächlichen Täter, sondern nur die Person auf Facebook wiedererkannt hat. Um dem zu entgegnen und sich effektiv verteidigen zu können, ist dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger beizuordnen.
Anwalt für Strafrecht: Anklageschrift
Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, während seines Gefängnisaufenthaltes einen Mithäftling gebeten zu haben, zur Beseitigung seiner Ex-Frau einen Auftragsmörder zu beschaffen. In der Anklage der Staatsanwaltschaft war die Tat des Beschuldigten lediglich wie folgt beschrieben:
Sowohl im November 2015 als auch zu Beginn des Jahres 2016 bemühte sich der Angeschuldigte, der sich wegen versuchten Mordes zum Nachteil seiner früheren Ehefrau in Strafhaft befindet, ernsthaft und wiederholt, einen Mitgefangenen dazu zu bringen, einen Auftragsmörder zu beschaffen, der dann die geschiedene Frau des Angeschuldigten töten sollte.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes (BGH) war die Anklage unwirksam, da sie das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten nicht hinreichend identifiziert hat. Die Umgrenzungsfunktion der Anklage sei nicht erfüllt, da weder bestimmte Situationen, bei denen der Beschuldigte den Anstiftungsversuch unternommen haben soll, noch bestimmte Anstiftungshandlungen beschrieben seien. Ist die Anklage unwirksam, muss das Strafverfahren wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt werden. Demzufolge hat der BGH die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Anstiftung zum Mord durch das Landgericht Detmold mit seinem Beschluss vom 16. August 2018 – 4 StR 200/18 aufgehoben und das Verfahren hinsichtlich dieses Tatvorwurfes eingestellt.
Fachanwalt für Strafrecht: Ablehnung eines Schöffen wegen Befangenheit
Richter und Schöffen können wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters bzw. Schöffen zu rechtfertigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH liegt ein solcher Grund vor, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung ist dabei ein vernünftiger bzw. ein verständiger Angeklagter.
In seinem Beschluss vom 6. März 2018 – 3 StR 559/17 hat der Bundesgerichtshof bestätigt, dass das Misstrauen ein Schöffe begründet ist, wenn der Schöffe in einer Hauptverhandlung bei der Verlesung einer schriftlichen Einlassung des Angeklagten äußert, ob er den „Quatsch“ glaube, den er „hier“ erzähle. Es handele sich nicht um eine hinnehmbare bloße Unmutsäußerung des Richters, da die Form der Äußerung grob unsachlich gewesen sei und der Schöffe mit seiner Bemerkung deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass er der Einlassung des Angeklagten nicht nur nicht folgen werde, sondern sie für vollkommen unsinnig halte.
Das Landgericht Potsdam hatte das Ablehnungsgesuch des Angeklagten zuvor als unbegründet abgelehnt. Das Urteil des Landgerichts, in dem der Angeklagte unter anderem wegen Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt wurde, hob der Bundesgerichtshof auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Potsdam.
Fachanwalt für Strafrecht: Notwendige Verteidigung
Im Strafrecht gibt es keine Prozesskostenhilfe, sondern nur das Institut der notwendigen Verteidigung. Die notwendige Verteidigung greift jedoch nur in den von § 140 StPO genannten Fällen, insbesondere bei einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von einem Jahr, dem Vollzug der Untersuchungshaft sowie Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage.
Das Landgericht Karlsruhe hat in einem aktuellen Beschluss vom 12. März 2018 – 3 Qs 16/18 entschieden, dass eine schwierige Sachlage auch bestehen kann, wenn der Angeklagte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, sämtliche in dem Verfahren zu erwartenden Zeugen und Geschädigte Polizeibeamte sind und weitere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen. Bei dieser Beweislage könne eine sachgerechte Verteidigung nur durch Kenntnis des gesamten Akteninhaltes gewährleistet werden, insbesondere um eventuelle Widersprüche in den Angaben der Belastungszeugen aufzuzeigen. Da eine umfassende Akteneinsicht aber nur dem Verteidiger gewährt wird, der dann den Akteninhalt mit seinem Mandanten bespricht, ging das Landgericht Karlsruhe hier von einem Fall der notwendigen Verteidigung aus und erklärte die Beschwerde des Angeklagten gegen die Ablehnung der Bestellung eines Pflichtverteidigers für begründet.
Anwalt für Strafrecht: Verhandlungsunfähigkeit
Der BGH befasste sich in seinem Urteil vom 04.07.2018 (5 StR 46/18) mit der Frage, ob ein Beschuldigter verhandlungsunfähig ist, wenn er aufgrund von Vorerkrankungen sprachliche Defizite aufweist und sein Lang- und Kurzzeitgedächtnis zeitlich eingeschränkt sind. Der Beschuldigte hat einen Schlaganfall erlitten und ist im Sprachverständnis sowie in der verbalen Ausdrucksmöglichkeit gestört. Trotz allem ist eine substantielle Kommunikation mit dem Beschuldigten möglich. Des Weiteren konnte er sich im Rahmen der Exploration mit dem Tatvorwurf inhaltlich auseinandersetzen. Nach der Auffassung des BGHs reicht es, dass der Beschuldigte seine Interessen zumindest zeitweilig mit Hilfe seines Verteidigers wahrnehmen kann. Eine Verhandlungsunfähigkeit liegt bei Einschränkungen der geistigen, psychischen oder körperlichen Fähigkeiten nicht vor, wenn die Auswirkungen der Einschränkungen auf die Wahrnehmung der Verfahrensrechte durch Hilfen ausreichend ausgeglichen werden können.
Anwalt für Strafrecht: Freiwilligkeit des Rücktritts
In seinem Urteil vom 28. September 2017 (4 StR 282/17) machte der Bundesgerichtshof genauere Ausführungen zum Tatbestandsmerkmal der „Freiwilligkeit“ im Rahmen des Rücktritts und entschied, wann die „Furcht vor Entdeckung“ zur Ablehnung der Freiwilligkeit eines Rücktritts bei einem unbeendeten Versuch führt.
Der Rücktritt von einer Straftat ist nur im Rahmen des Versuchs einer Straftat möglich und bewirkt, dass der Täter in die Legalität zurückkehrt. Wichtigste Voraussetzung ist, dass der Täter muss aus autonomen Motiven, also freiwillig, von der weiteren Ausführung der Tat Abstand nimmt. Unfreiwillig ist eine Entscheidung zum Rücktritt dann, wenn Umstände von außen hinzutreten, die sich für den Täter als Hindernis darstellen und damit einer Tatvollendung zwingend entgegenstehen.
Vorliegend entschied der Bundesgerichtshof, dass ein Hindernis für die weitere Tatvollendung besteht, wenn der Täter fürchtet, von Zeugen entdeckt zu werden. Dieses Hindernis führe dann dazu, dass ein freiwilliger Rücktritt ausscheide. Der Angeschuldigte in diesem Fall soll versucht haben, die Nebenklägerin zu töten. Dabei soll der Angeschuldigte erst Abstand von weiteren Schlägen auf die Geschädigte genommen haben, als er versuchte, herannahende Personen „abzuwimmeln“. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hätte die Strafkammer des Landgerichts genauer untersuchen müssen, inwiefern sich der Angeschuldigte allein deshalb gegen die Tatvollendung entschieden hatte. Eine Freiwilligkeit des Rücktritts wäre dann aufgrund dieses von außen hinzugetretenen Hindernisses abzulehnen gewesen. Der Bundesgerichtshof wies die Sache daher an das zuständige Landgericht zur erneuten Entscheidung zurück.
Anwalt für Strafrecht: Tötungsvorsatz
Bedingten Tötungsvorsatz hat der Beschuldigte, wenn er den Eintritt des Todes als mögliche, nicht gänzlich fernliegende Folge seines Handelns erkennt und dies billigend in Kauf nimmt. Bei dem Beschuldigten müssen ein Wissens- und ein Willenselement vorliegen. Die Beurteilung ob diese vorliegen erfolgt auf Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Tatumstände. Hierbei ist insbesondere die konkrete Angriffsweise, die psychische Verfassung und Motivation des Beschuldigten bei Tatbegehung einzubeziehen. Der Bundesgerichthof hatte sich in seinem Urteil vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14 damit zu befassen, welche Indizien gegen einen bedingten Tötungsvorsatz des Beschuldigten sprechen können. In dem, dem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt verletzte der Beschuldigte den Betroffenen mit mehreren Messerstichen in der Kopfregion lebensgefährlich. Der Beschuldigte handelte aus Wut und sah von weiteren Tathandlungen ab, als er die Folgen seines Handelns erkannte. Im Anschluss daran tätigte der Beschuldigte den Notruf. Weiterhin litt der Beschuldigte unter einer Anpassungsstörung. Nach Aussage des Bundesgerichtshofs sprechen das Handeln aus Wut, das Betätigen des Notrufs und die Anpassungsstörung gegen einen bedingten Vorsatz des Beschuldigten. Grund hierfür ist, dass entsprechende Psychische Ausnahmesituationen oder Störungen insbesondere dazu führen, dass der Beschuldigte die von seinem Handeln ausgehende Lebensgefahr für den Betroffenen unzutreffend beurteilt.
Anwalt für Strafrecht: Räuberischer Diebstahl ohne wesentliche Beteiligung am Diebstahl
Täter eines räuberischen Diebstahls kann nicht sein, wer weder selbst im Besitz einer entwendeten Sache ist, noch mittäterschaftlich am Diebstahl beteiligt war. Im Zuge dessen hatte sich der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 16. September 2014 – 3 StR 373/14 damit zu befassen, ob Täterschaft des Beschuldigten an einem räuberischen Diebstahl vorliegen kann, wenn er nur die Wiedererlangung der entwendeten Sache verhindert. Dem liegt der Diebstahl eines Laptops durch eine Bekannte des Beschuldigten zugrunde. Der Diebstahl erfolgte in Anwesenheit des Beschuldigten und auf Idee der Bekannten hin. Diese brachte den Laptop in ihrem Jutebeutel unter. Als der betroffene Eigentümer unterbinden wollte, dass sich die Bekannte mit dem Laptop entfernt, schritt der Beschuldigte ein. Der Beschuldigte hinderte den Betroffenen durch Gewaltanwendung daran, den Laptop wiederzuerlangen. Hierbei unterstütze ihn die Bekannte. Nach Aussage des Bundesgerichthofs macht sich der Beschuldigte hier nicht der Begehung eines räuberischen Diebstahls strafbar. Dies liegt daran, dass die Bekannte Besitz am Laptop hatte. Weiterhin kann dem Beschuldigten der Besitz am Laptop nicht zugerechnet werden. Dieser hatte keinen Einfluss auf die Wegnahme, da diese alleine eine Idee der Bekannten war und diese alleine Nutzen aus der Tat ziehen sollte. Somit mangelt es an der mittäterschaftlichen Begehung des Diebstahls durch den Beschuldigten und dieser kann sich ebenfalls nicht der mittäterschaftlichen Begehung des räuberischen Diebstahls strafbar machen.
Anwalt für Strafrecht: Rechtsfehlerhaftes Urteil bei mehreren Sachverhaltsalternativen
Die Beweiswürdigung obliegt dem Tatrichter. Wenn das Tatgericht somit Zweifel daran hat, ob der subjektive Tatbestand des Beschuldigten vorliegt, so hat das Revisionsgericht diese Zweifel hinzunehmen. Alleine das Tatgericht macht sich unter Eindruck der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von der Schuld des Beschuldigten. Das Revisionsgericht beschränkt sich darauf zu prüfen, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Rechtfehler liegen zum Beispiel vor, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist sowie wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungswerte verstößt. In seinem Urteil vom 16. Juni 2014 – 3 StR 154/14 befasste sich der Bundesgerichtshof damit, ob die Beweiswürdigung eines Tatrichters in der Revision als rechtsfehlerhaft anzusehen ist, wenn aus den Tatumständen auch andere Schlüsse als die des Tatgerichts gezogen werden können. Im vorliegenden Fall nahm das Landgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung an, der Beschuldigte habe die Tat heimtückisch begangen, obwohl es Zweifel hatte, dass sich der Beschuldigte der Betroffenen so näherte, dass er sie mit seinem Angriff überraschen konnte. Hiergegen führte die Revision unter anderem an, dass der Beschuldigte den Tatentschluss spontan fasste, die Tatbegehung nicht geplant hat und insbesondere aufgrund einer Persönlichkeitsstörung nicht das für Heimtücke erforderliche Ausnutzungsbewusstsein hatte. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs wäre es zwar möglich gewesen aus den Tatumständen andere Schlüsse zu ziehen, jedoch reicht es, wenn die vom Tatgericht gezogenen Schlüsse möglich sind, sie müssen nicht zwingend gewesen sein. Somit war die Beweiswürdigung des Tatgerichts nicht rechtsfehlerhaft.