Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.

Über das Auswahlmenü für Kategorien oder die Volltextsuche in der linken Spalte und auf der Suchseite können Sie die für sie interessanten Entscheidungen weiter einschränken.

Anwalt für Verkehrsstrafrecht: Fahrverbot und Fahrerlaubnisentziehung

Das Verhängen eines Fahrverbots und einer Fahrerlaubnisentziehung bzw. Festsetzung einer isolierten Sperrfrist schließen einander regelmäßig aus. Dies ist dann nicht der Fall, wenn das Gericht dem Beschuldigten das Fahren mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen verbieten oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen von der Sperre ausnehmen will.

In seinem Beschluss vom 7. August 2018 (3 StR 204/18) setzte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinander, ob ein Fahrverbot und eine Fahrerlaubnisentziehung gleichzeitig verhängt werden dürfen. Der Beschuldigte machte sich wegen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und vorsätzlichem Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar. Das Landgericht entscheid daraufhin, dass dem Beschuldigten vor Ablauf von neun Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf und dem Beschuldigten wurde untersagt für die Dauer von drei Monaten im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen. Das Fahrverbot begründete das Landgericht damit, dass dieses als „Denkzettel zur Einwirkung auf den Beschuldigten erforderlich sei“. Dem schloss sich der Bundesgerichtshof nicht an. Nach Auffassung des Bundesgerichthofs schließen Fahrverbot und Fahrerlaubnisentziehung, bzw. Festsetzung einer isolierten Sperrfrist einander regelmäßig aus. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn das Gericht dem Beschuldigten das Fahren mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen verbieten oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen von der Sperre ausnehmen will.  

Anwalt für Verkehrsstrafrecht: Gefährdung des Straßenverkehrs

Der Gefahrenverwirklichungszusammenhang im Sinne einer Gefährdung des Straßenverkehrs kann entfallen, obwohl der Beschuldigte Abbiegeregeln missachtet und daraufhin eine andere Person verletzt. Dies ist der Fall, wenn die die Verletzung des Betroffenen auch bei Beachtung der Abbiegeregeln eingetreten wäre.

Der Beschuldigte in dem, dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15. März 2018 (4 StR 469/17) zugrunde liegenden Sachverhalt, fuhr mit einem PKW auf eine Kreuzung zu. Um die vor einer roten Ampel stehenden Autos zu überholen wechselte der Beschuldigte auf eine Linksabbiegespur, obwohl er die Absicht hatte, geradeaus zu fahren. Der Beschuldigte fuhr bei Rotlicht über die Haltelinie in die Kreuzung ein, wobei er mit dem Betroffenen kollidierte. Der Betroffenen überquerte die Kreuzung und konnte von dem Beschuldigten erst eine Sekunde vor überqueren der Haltelinie wahrgenommen werden. Dem Beschuldigten war ein Anhalten oder Ausweichen nicht mehr möglich. Der Betroffene zog sich schwere Verletzungen zu. Das Landgericht verurteilte den Betroffenen wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, weil er durch ignorieren der Linksabbiegespur vorsätzlich falsch überholte. Dem BGH stellte sich nun die Frage, ob die Verurteilung des Beschuldigten mangels des, für die Strafbarkeit wegen Gefährdung des Straßenverkehrs erforderlichen, Gefahrenverwirklichungszusammenhangs entfällt. Für die Gefährdung des Straßenverkehrs muss die Handlung des Beschuldigten zu einer konkreten Gefahr für Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremden Sache von bedeutendem Wert geführt haben. Es muss ein innerer Zusammenhang zwischen der herbeigeführten Gefahr und den, mit den verschiedenen Tatbestandsalternativen typischerweise verbundenen Risiken bestehen, der Gefahrenverwirklichungszusammenhang. In der eingetretenen Gefahrenlage muss sich das spezifische Risiko der Handlung des Beschuldigten verwirklicht haben. Dass der Gefahrenerfolg nur gelegentlich der Handlung des Beschuldigten eintritt genügt nicht. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs liegt jedoch keine vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs vor. Der erforderliche Gefahrenverwirklichungszusammenhang ist nicht gegeben. Die zu den Körperschäden des Betroffenen führende Gefährdung wäre auch dann eingetreten, wenn der Beschuldigte links abgebogen wäre. Somit machte sich der Beschuldigte nicht der Gefährdung des Straßenverkehrs strafbar.

Anwalt für Verkehrsstrafrecht: Führen eines Fahrzeugs nach Cannabiskonsum

Es ist zulässig, dass der Tatrichter bei der Überschreitung des analytischen THC-Grenzwerts von 1,0 ng/ml, im Blut eines beschuldigten Kraftfahrzeug Fahrers, fahrlässiges Fahren unter Einwirkung berauschender Mittel annimmt. 

Der Beschuldigte in dem, dem Beschluss des Bundesgerichthofs vom 14. Februar 2017 (4 StR 422/15) zugrunde liegenden Sachverhalt, fuhr mit einem PKW, wobei er eine Konzentration von 1,5 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut aufwies. Infolge dessen stand der Beschuldigte unter Wirkung von Cannabis. Das Amtsgericht verurteilte den Beschuldigten wegen fahrlässigen Fahrens unter Einwirkung berauschender Mittel. Im Anschluss daran hatte sich der BGH damit zu befassen, ob es für die Feststellung von Fahrlässigkeit genügt, dass der Tatrichter auf eine, den analytischen Grenzwert überschreitende, THC-Konzentration im Blut des Fahrers abstellt. Ordnungswidrig im Sinne des §24a Abs. 2 und 3 StVG handelt, wer unter Wirkung von Cannabis im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine entsprechende Wirkung liegt vor, wenn im Blut des Fahrers eine mindestens den analytischen Grenzwert erreichende Konzentration des Wirkstoffs THC nachgewiesen wird. Fahrlässig ordnungswidrig handelt der beschuldigte Fahrer nicht nur dann, wenn er die Auswirkungen des konsumierten Cannabis wahrnehmen kann oder zu einer näheren physiologischen oder biochemischen Einordnung der Wirkungen von Cannabis in der Lage ist. Es reicht viel mehr aus, dass der Beschuldigte zu der Erkenntnis gelangen kann, unter der Wirkung einer zumindest den analytischen Grenzwert erreichenden THC-Konzentration im Blut zu stehen. Der Bundesgerichthof bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Dem Tatrichter ist es nicht verwehrt, beim Fehlen gegenläufiger Beweisanzeichen, allein aus der Feststellung einer den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml THC mindestens erreichenden THC-Konzentration auf fahrlässiges Verhalten des Beschuldigten zu schließen.

Anwalt für Verkehrsstrafrecht: Gefährdung des Straßenverkehrs

Das Überqueren einer Fußgängerfurt unter Nichtbeachtung eines roten Ampelsignals durch den Betroffenen ist grundsätzlich nicht geeignet, den Risikozusammenhang bei einer Gefährdung des Straßenverkehrs entfallen zu lassen. Dies ist insbesondere in Innenstädten am späten Abend der Fall.

Um sich wegen Gefährdung des Straßenverkehrs gem. §315c StGB strafbar zu machen, muss ein Risikozusammenhang zwischen der Handlung des Beschuldigten und deren Folge für Betroffene bestehen. §315c Abs. 1 Nr. 2d StGB dient dem Schutz von Fußgängern, die an Kreuzungen oder Einmündungen die Fahrbahn überqueren. Mit diesem Risiko muss der Verkehrsteilnehmer rechnen und sich darauf konzentrieren. Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Urteil vom 1. März 2018 (4 StR 311/17) mit der Frage zu befassen, ob ein entsprechender Risikozusammenhang entfällt, wenn der Betroffenen an einer Fußgängerfurt ein rotes Ampelsignal nicht beachtet. Der Beschuldigte fuhr mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit mit einem Motorrad auf eine Fußgängerfurt zu. Der alkoholisierte Betroffene betrat die Fahrbahn und missachtete hierbei das angezeigte Rotlicht. Der Beschuldigte leitete eine Vollbremsung ein, konnte das Motorrad jedoch nicht mehr rechtzeitig zum Stehen bringen und kollidierte mit dem Betroffenen. Hätte der Beschuldigte die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten, hätte er sein Motorrad noch vor dem Betroffenen durch einen normalen Bremsvorgang zum Stehen bringen können. Der Bundesgerichthof ist nicht der Auffassung, dass der Risikozusammenhang entfällt, weil der Betroffene die Fußgängerfurt bei rotem Ampelsignal betrat. An innerstädtischen Kreuzungen und Einmündungen sind insbesondere am späten Abend, Rotlichtverstöße an Fußgängerüberwegen nicht unüblich und gehören damit zum typischen Risiko eines solchen Verkehrsbereiches. Um auf solches Fehlverhalten reagieren zu können verbietet sich an diesen Stellen zu schnelles Fahren.

Fachanwalt für Strafrecht: Verbotenes Kraftfahrzeugrennen

Allein die Beobachtung eines Zeugen, dass Fahrzeuge mit „radierenden“ Reifen anfahren und dabei starke Motorgeräusche entstehen, rechtfertigt keine Verurteilung wegen der Teilnahme an einem verbotenen Rennen.

Seit dem 1. Oktober 2017 stellen Rennen mit Kraftfahrzeugen nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat dar. Dass tatsächlich ein Rennen stattgefunden hat, das auf die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten ausgerichtet ist, muss allerdings zur Überzeugung des Gerichts feststehen.

Nach einer Entscheidung des Kammergerichts (Aktenzeichen 3 Ws (B) 87/17) reicht für die Feststellung eines Rennens nicht aus, wenn Zeugen bekunden, zwei Fahrzeuge seien nebeneinander mit „radierenden“ Reifen angefahren und es seien beim Beschleunigen laute Motorgeräusche entstanden. Denn das Anfahren mit radierenden Reifen kann nach Ausführungen des Kammergerichts auch lediglich ein Imponiergehabe darstellen, welches häufig ohne die Absicht eines Kraftfahrzeugrennens betrieben wird. Will ein Gericht ein Rennen allein auf Schätzungen von Zeugen zu der Geschwindigkeit stützen, müsse es zumindest darlegen, worauf diese Schätzungen beruhen. Dies hatte das Amtsgericht Tiergarten bei seiner Verurteilung nicht getan.

Anwalt für Verkehrsstrafrecht: Gefährdung des Straßenverkehrs

Selbst wenn sich der Beschuldigte auf der Flucht vor der Polizei befindet, kann in einer deutlich unsicheren, waghalsigen und fehlerhaften Fahrweise ein Beweiszeichen für eine rauschmittelbedingte Fahruntüchtigkeit, im Sinne einer Gefährdung des Straßenverkehrs, gesehen werden.

Anders als bei Alkohol kann der Nachweis einer rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit, im Sinne einer Gefährdung des Straßenverkehrs, nicht alleine durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden. Es bedarf neben dem Blutwirkstoffbefund noch weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass der Beschuldigte nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei schwieriger Verkehrslage, sicher zu steuern. Der Bundesgerichtshof sah sich in seinem Beschluss vom 31. Januar 2017 (4 StR 597/16) mit der Frage konfrontiert, welche aussagekräftigen Beweiszeichen nach Rauschmittelkonsum Fahrunsicherheit belegen können. Der Beschuldigte befand sich nach dem Konsum von Amphetaminen und Cannabis auf der Flucht vor der Polizei. Er fuhr mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit durch eine Stadt, fuhr in falscher Richtung durch einen Einbahnstraße und stieß bei einem Einparkversuch frontal gegen ein anderes Auto. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs kann auch aus der Fahrweise auf eine relative Fahruntüchtigkeit geschlossen werden. Befand sich der Beschuldigte auf der Flucht muss dies in die Beurteilung des Indizwertes seines Fahrverhaltens einbezogen werden. Hierbei darf jedoch in einer deutlich unsicheren, waghalsigen und fehlerhaften Fahrweise ein Beweisanzeichen für eine rauschmittebedingte Fahruntüchtigkeit gesehen werden.

Fachanwalt für Strafrecht: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

Der selbständig befahrbare Bereich innerhalb einer Waschstraße gehört zum öffentlichen Straßenverkehr, sodass eine Unfallflucht auch begehen kann, wer beim Herausfahren aus der Waschstraße einen Unfall verursacht.

Eine Unfallflucht begeht, wer sich nach der Beteiligung an einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, ohne seiner Vorstellungs- oder Wartepflicht nachzukommen. Zum öffentlichen Straßenverkehr im Sinne des § 142 StGB gehören alle öffentlichen Straßen und alle sonstigen Verkehrsflächen, die der Benutzung durch jedermann oder einen bestimmten Personenkreis offen stehen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat mit seinem Urteil vom 4. Juni 2018 – 1 Ss 83/18 entschieden, dass auch der befahrene Bereich innerhalb einer Waschstraße zum öffentlichen Straßenverkehr gehört. Zur Begründung führte das OLG aus, dass grundsätzlich auch private Zufahrtswege, wie etwa Zu- und Ausfahrten eines Tankstellengeländes, zu dem öffentlichen Straßenverkehr gehören. Das Merkmal der Öffentlichkeit entfalle nur dann, wenn entweder durch die eindeutige Gestaltung der Anlage oder durch eine Einzelkontrolle der Zugang von vorneherein beschränkt sei. Die Benutzung einer Waschanlage stehe aber jedermann frei, sofern er nur das Entgelt hierfür entrichtet habe.

Der Angeklagten dürfte die Auslegung des Merkmals durch das OLG nicht gefallen. Sie war auf der falschen Seite im Bereich der Ausfahrt in die Waschanlage eingefahren und hatte dabei einen Schaden von 1.600,00 € versucht. Obwohl sie wusste, mit der Waschanlage kollidiert und möglicherweise einen erheblichen Schaden verursacht zu haben, fuhr die Angeklagte davon, ohne Angaben zu ihrer Person zu machen.

Anwalt für Verkehrsstrafrecht: Trunkenheit im Verkehr bei Rauschmittelkonsum

Eine phänomengebundene Schilderung des Erscheinungsbilds des Beschuldigten als „leicht beeinflusst“, ist kein aussagekräftiges Beweiszeichen für die Fahruntüchtigkeit des Beschuldigten, für eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr.

Für den Nachweis einer Trunkenheit im Verkehr nach dem Konsum von Rauschmitteln, bei welchen es sich nicht um Alkohol handelt, bedarf es neben dem Nachweis der Rauschmittelkonzentration im Blut des Beschuldigten, noch weiterer aussagekräftiger Beweiszeichen. Diese aussagekräftigen Beweiszeichen müssen im Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des fahrenden Beschuldigten soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug sicher im Straßenverkehr zu führen. In seinem Beschluss vom 21. Dezember 2011 (4 StR 477/11) befasste sich der Bundesgerichtshof damit, welche Indizien für Trunkenheit im Verkehr nach dem Konsum von Rauschmitteln sprechen. Der Beschuldigte geriet nach dem Konsum von Kokain mit seinem PKW in einen Verkehrsunfall. Eine nach dem Unfall entnommene Blutprobe ergab eine hohe Konzentration von Rauschmitteln im Blut des Beschuldigten. Bei der Blutentnahme schien der Beschuldigte „leicht beeinflusst“ zu sein. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs genügen diese Angaben noch nicht zum Nachweis der Trunkenheit im Verkehr. Neben der gemessenen Rauschmittelkonzentration reicht lediglich eine phänomengebundene Schilderung des Erscheinungsbilds des Beschuldigten als leicht beeinflusst nicht zum Nachweis der Fahruntüchtigkeit des Beschuldigten

Anwalt für Verkehrsrecht: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

Für Strafbarkeit wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr muss der Beschuldigte einen Beinahe-Unfall verursacht haben. Um einen solchen zu belegen genügt es nicht, dass festgestellt wird, dass das betroffene Fahrzeug in weniger als 50 Metern Entfernung auswich und dass der betroffene Fahrer Fahrfehler hätte begehen können. Insbesondere ist durch das Gericht zu ermitteln in welchem Abstand sich die Fahrzeuge passierten.

Für einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, muss der Beschuldigte eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeiführen. Diese abstrakte Gefahrenlage muss sich zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder einer Sache von bedeutendem Wert verdichtet haben. Es muss ein sogenannter  „Beinahe Unfall“ vorgelegen haben. Hierfür muss die Tathandlung, über die dieser innewohnenden Gefährlichkeit hinaus, zu einer kritischen Situation geführt haben, in welcher die Sicherheit einer Person oder Sache derart beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob die Person verletzt oder die Sache beschädigt wird. Der Bundesgerichtshof befasste sich in seinem Beschluss vom 30. Juni 2015 (4 StR 188/15) damit, welche Sachverhaltsangaben das Gericht zum Belegen eines Beinahe-Unfalls ermitteln muss. Der Beschuldigte floh vor einer Polizeistreife. Diese alarmierte eine weitere Streife, welche sich, um den fliehenden Beschuldigten an der Flucht zu hindern, an einer Autobahnauffahrt quer zur Fahrbahn stellte. Hierdurch wurde die Fahrbahn so blockiert, dass ein Durchfahren nicht möglich war. Der Beschuldigte beschleunigte, als er den quer stehenden Streifenwagen erblickte und machte keine Anstalten zu bremsen. Als der Beschuldigte weniger als 50 Meter von der Streife entfernt war setzte diese zurück und ließ ihn mit hoher Geschwindigkeit passieren. Das Landgericht sah hierin einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs machte sich der Beschuldigte dessen jedoch nicht des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar. Die Angabe, die Streife hätte in weniger als 50 Metern Abstand zurückgesetzt, genügt nicht, um einen Beinahe-Unfall anzunehmen. Vielmehr hätte es noch Angaben zu den Abständen, in welchen der Beschuldigte die Streife mit überhöhter Geschwindigkeit passierte, bedurft. Auch die Angabe des Landgerichts, es bestand die Möglichkeit, dass der Polizeibeamte einen Fahrfehler macht, genügt zur Begründung eines Beinahe-Unfalls nicht. Die Möglichkeit eines Fahrfehlers muss genauer belegt werden, besonders wenn der fahrende Polizeibeamte durch die verfolgende Streife vorgewarnt war.

Anwalt Verkehrsstrafrecht: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr durch Schüsse auf Fahrzeuge

Wenn der Beschuldigte Schüsse auf Fahrzeuge im Straßenverkehr abgibt, so macht er sich nicht wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar, wenn sich nicht vorstellt und zumindest billigend in Kauf nimmt, durch die Schüsse einen beinahe Unfall zu verursachen.

Für die Strafbarkeit wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr muss der Beschuldigte vorsätzlich handeln. Ein entsprechender Vorsatz liegt vor, wenn nach der Vorstellung des Beschuldigten die konkrete Gefahr für die Schutzgüter, beim gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückzuführen ist. In seinem Urteil vom 4. Dezember 2014 (4 StR 213/14) befasste sich der Bundesgerichtshof mit den Voraussetzungen an den Vorsatz beim gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr durch Schüsse auf Fahrzeuge. Der Beschuldigte schoss im entsprechenden Sachverhalt in mehreren Fällen auf LKWs und Wohnanhänger. Nach der Vorstellung des Angeklagten kam es hierbei nie zu kritischen Verkehrssituationen. Der Bundesgerichthof sieht hierin keinen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Die entsprechende Vorstellung des Beschuldigten über die Schutzgütergefährdung durch die im Straßenverkehr typischen Fortbewegungskräfte fehlt, wenn der entstandene Schaden alleine auf die auftreffenden Projektile zurückzuführen ist. Der Beschuldigte hätte sich zumindest vorstellen und billigen müssen, durch die Schüsse einen beinahe Unfall zu verursachen.