Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.

Über das Auswahlmenü für Kategorien oder die Volltextsuche in der linken Spalte und auf der Suchseite können Sie die für sie interessanten Entscheidungen weiter einschränken.

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

Die Urteilsgründe müssen im Falle einer Verurteilung nach § 142 StGB wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort mit der gebotenen Klarheit erkennen lassen, dass der Angeklagte die Erheblichkeit des Schadens erkannt hat oder dies für möglich hielt, nicht aber ob er den Schaden hätte erkennen können.

Entscheidend seien die Vorstellungen vom Umfang des Schadens.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 23. März 2012 / Beschluss vom 21. Dezember 2011 - 3-127/11

Ein völlig belangloser Schaden schließe jedoch bekanntlich den Tatbestand des § 142 StGB aus. Dies gelte auch bei ganz geringfügigen Beeinträchtigungen der körperlichen Integrität. Geringfügige Hautabschürfungen genügen ebenso wenig wie alsbald vergehende Schmerzen.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 03. Dezember 2012 - 3-160/12

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Sicherheitsabstand

Kein Beweis mit unscharfem Frontfoto

Ein Foto nach einem Verkehrsverstoß muss deutlich sein, um den Betroffenen zu überführen. Ist das nicht der Fall, muss der Richter detailliert darlegen, warum er den Fahrer dennoch identifizieren konnte. Ein pauschaler Hinweis auf das Bild reicht nicht aus, entschied das Oberlandesgericht Bamberg am 22. Februar 2012 (AZ: 2 Ss OWi 143/12). Damit hob das Gericht eine Entscheidung des Amtsgerichts auf, wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Eine Autofahrerin wurde wegen ungenügenden Sicherheitsabstandes zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt. Der Richter des Amtsgerichts identifizierte die Frau pauschal anhand eines Frontfotos der Videoüberwachungsanlage. Tatsächlich war die Frau aber nur schwer auf dem Bild zu erkennen: Die Kinnpartie wurde durch Armaturenbrett und Lenkrad verdeckt, die Augenpartie samt der Augenbrauen durch eine große Sonnenbrille. Daher hob das Oberlandesgericht das Urteil wieder auf. Der Richter des Amtsgerichts hätte die auf dem Foto erkennbaren charakteristischen Merkmale benennen und beschreiben müssen, die ihm die Identifizierung ermöglicht hätten. Das Urteil wurde dem Amtsgericht zur erneuten Entscheidung vorgelegt.

OLG Bamberg, 22.02.2012 - Az.: 2 Ss OWi 401/12 -

Anwalt für Strafrecht: Straßenverkehrsrecht / Bußgeld / Geschwindigkeitsverstoß

Die Geschwindigkeitsmessung mittels des Messgerätes "PoliScan speed" stellt nach Auffassung des Amtsgerichts Aachen kein "standardisiertes Messverfahren" dar. Die Messung war vorliegend nicht gerichtsverwertbar. Die betroffene Fahrzeugführerin war daher freizusprechen.

In der Sache wurde einer Autofahrerin eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften von 48 km/h vorgeworfen. Es erging ein Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße von 170,00 ?, drei Punkten im Verkehrszentralregister und einem Fahrverbot von einem Monat.

Grundlage für den Bußgeldbescheid war eine Messung mit dem Gerät Vitronic PoliScan speed, Softwareversion 1.5.5, verwendete Objektive 50mm und 75 mm, Betriebszustand automatisch, Seitenabstand zum Fahrstreifen 208 cm, Aufstellungshöhe 102 cm.

Das Gericht konnte jedoch keine sicheren Feststellungen dahin treffen, dass dieses Gerät die von der Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit tatsächlich zutreffend gemessen hat.

Der Fahrzeugführerin konnte somit die Begehung des ihr vorgeworfenen Geschwindigkeitsverstoßes nicht mit einer für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden. Beim Gericht seien nicht zu überwindende Zweifel an der Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät PoliScan speed entstanden.

Das Amtsgericht Aachen stützte sich hierzu auf das schlüssige und widerspruchsfreie Gutachten eines Sachverständigen. Dieser hatte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass eine Überprüfung von konkreten Messwerten im Rahmen einer nachträglichen Richtigkeitskontrolle beim Gerät PoliScan speed nicht möglich sei. Dies liege daran, dass die Messwerte zwar grundsätzlich vorhanden seien, aber seitens der Herstellerfirma Vitronic aus patentrechtlichen Gründen nicht zur Verfügung gestellt würden. Es gebe ein erhebliches Informationsdefizit zulasten der Sachverständigen, weshalb das Gerät als eine "Black Box" beschrieben werden müsse. Aus diesem Grund sei lediglich eine näherungsweise Feststellung der Geschwindigkeit unter Analyse des Messfotos mit Hilfe des sogenannten "Smear-Effekts" möglich. Hierbei handele es sich nur um eine Pseudoauswertung, die mit einer Analyse der Messdaten nichts zu tun habe. Es komme dabei zu Abweichungen von bis zu 15% zu dem auf dem Messfoto angezeigten Wert.

Das Gericht war auch nicht in der Lage, die Richtigkeit der Messung unter Berücksichtigung von PoliScan speed als standardisiertes Messverfahren zugrundezulegen. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei PoliScan speed nicht um ein standardisiertes Messverfahren.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unter einem standardisierten Messverfahren ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Der BGH hat in einer früheren Entscheidung ebenfalls zu Geschwindigkeitsmessungen ausgeführt, dass die amtliche Zulassung von Geräten und Methoden ebenso wie die Reduzierung des gemessenen Wertes um einen - die systemimmanenten Messfehler erfassenden - Toleranzwert gerade den Zweck verfolgen soll, Ermittlungsbehörden und Gerichte von der Sachverständigenbegutachtung und Erörterung des Regelfalles freizustellen. Es entspreche allgemein anerkannter Praxis, dass auch im Bereich technischer Messungen Fehlerquellen nur zu erörtern seien, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung. Technische Messsysteme, deren Bauart von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zur innerstaatlichen Eichung zugelassen sei, würden in diesem Zusammenhang grundsätzlich als standardisierte Messverfahren anerkannt. Zu diesem Themenkomplex muss allerdings angemerkt werden, dass es keine Dogmatik des BGH zum Begriff des standardisierten Messverfahrens gibt. Der Begriff standardisiertes Verfahren ist überhaupt zum ersten Mal im Urteil des BGH vom 29.09.1992, Az.: 1 StR 494/92, aufgetaucht, in dem es um ein daktyloskopisches Gutachten ging. Dort ließ der BGH die Mitteilung des Ergebnisses ausreichen, wenn von keiner Seite Einwände gegen die Tauglichkeit der gesicherten Spur und die Zuverlässigkeit der Begutachtung erhoben würden.

Die Obergerichte, denen als Rechtsbeschwerdegerichte in OWi-Sachen regelmäßig Sachverhalte mit dem Geschwindigkeitsmessgerät PoliScan speed zur Entscheidung vorliegen, beschränken sich nunmehr auf die Feststellung, dass dieses von der PTB zugelassene Messsystem ein standardisiertes sei. Das OLG Düsseldorf hat das in einer Entscheidung dahingehend zusammengefasst, dass die Zulassung durch die PTB stets dazu führe, dass ein Messsystem zu einem standardisierten werde. Dieser durch das OLG Düsseldorf gezogene Schluss ist im Hinblick auf die BGH-Rechtsprechung folgerichtig.

Aus Sicht des rechtssuchenden Bürgers wäre diese Konstruktion hinnehmbar, wenn zumindest die Möglichkeit für gerichtlich bestellte Sachverständige bestünde, die Grundlagen für die Zulassung, insbesondere die exakte Funktionsweise des Messsystems, bei der PTB zu überprüfen, oder aber die Prüfung durch die PTB über jeden Zweifel erhaben wäre.

Ebenso wie die Herstellerfirma des Geräts PoliScan speed gewährt jedoch nach den glaubhaften Angaben des im vorliegenden Prozess bestellten gerichtlichen Sachverständigen auch die PTB keinen Zugang zu den relevanten Daten, ebenfalls mit Verweis auf patentrechtliche Bestimmungen zugunsten der Herstellerfirma. Im Rahmen einer Güterabwägung ist jedoch der Wahrheitsfindung im Bußgeldprozess der Vorrang gegenüber dem Interesse der Herstellerfirma an der Geheimhaltung der technischen Bauweise des Messgeräts einzuräumen. Es ist zwar leicht einsehbar, dass es für die Herstellerfirmen bequemer ist, den unbefugten Nachbau ihrer Geräte durch Geheimhaltung der technischen Spezifikationen als durch die Führung von Patentprozessen zu verhindern. Andererseits werden aufgrund von Messungen mit PoliScan speed bundesweit jährlich tausende Fahrverbote verhängt, die gravierende berufliche Folgen für die Betroffenen haben. Aufgrund der heute von den Arbeitnehmern verlangten Mobilität und der Lage auf dem Arbeitsmarkt ist es der Regelfall, dass bereits ein einmonatiges Fahrverbot zum Verlust des Arbeitsplatzes führt. Dieser Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG lässt sich durch Geheimhaltungsinteressen der Herstellerfirmen nicht rechtfertigen, zumal diese tatsächlich die Möglichkeit haben, gegebenenfalls eintretende Patentrechtsverletzungen gerichtlich geltend zu machen. Eine Firma, die sich darauf spezialisiert, Messgeräte herzustellen, mit denen regelmäßig in die Berufsfreiheit Dritter eingegriffen wird, hat diese Kontrolle durch Gerichte und Sachverständige hinzunehmen. Darüber hinaus erscheint es auch nicht nachvollziehbar, dass gerade die Untersuchung von Geräten und Messdaten durch gerichtlich bestellte und damit zur Verschwiegenheit verpflichtete Sachverständige dazu führen soll, dass Patentverletzungen Vorschub geleistet wird. Sollte tatsächlich jemand ein Interesse am unbefugten Nachbau von PoliScan speed haben, wäre es, anstatt an gerichtliche Sachverständige heranzutreten, analog zum Nachbau von deutschen Kraftfahrzeugen im Ausland für ihn naheliegender, schlicht und einfach einen Satz PoliScan speed zu kaufen und im Ausland nach allen Regeln der Kunst auseinanderzubauen.

All dies könnte natürlich vernachlässigt werden, wenn die Prüfung durch die PTB keine Angriffspunkte böte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Eine nähere Untersuchung der Prüfungsweise der PTB anhand der Prüfung des vorliegenden Geräts PoliScan speed zeigt, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Prüfungen der PTB automatisch zu einer Anerkennung als standardisiertes Messverfahren führen.

So werden in der Literatur zum Beispiel Zweifel angemeldet, ob bei der PTB die Messwerterhebung durch PoliScan speed messtechnisch nachvollzogen werden kann. Die Vorgabe bei der PTB ist, dass jedem gültigen Geschwindigkeitsmesswert des neu zuzulassenden Geräts ein gültiger Wert einer Referenzmessung mit einem anderen Gerät gegenüberzustellen ist. Da jedoch die Referenzanlagen im Gegensatz zu PoliScan speed keine ausgedehnte Messzone, sondern nur kurze Messstrecken sowie Messzeiten überwachen, ist mithilfe der PTB-Referenzquellen eine Überprüfung eventueller Geschwindigkeitsschwankungen im Rahmen einer 25-30m langen Auswertestrecke beim PoliScan speed-Verfahren nicht möglich. Darüber hinaus wird in der Literatur vertreten, dass der auf PoliScan-Fotos eingeblendete Auswerterahmen nicht den Vorgaben der PTB (Ablichtung des Bereichs der Messwertbildung) entspricht, da der Bereich der Messwertbildung bei PoliScan speed deutlich früher stattfindet als der Moment der Auslösung des Fotos. Desweiteren ist nachgewiesen worden, dass der Auswerterahmen in bestimmten Konstellationen, insbesondere im unteren Geschwindigkeitsbereich, sogar auf stehenden Fahrzeugen zu sehen sein kann, wenn das gemessene Fahrzeug plötzlich nach rechts lenkt. Für solche Fälle hätte die PTB einen aufmerksamen Messbetrieb oder eine besondere Beschaffenheit der Messstelle vorschreiben müssen, was nicht geschehen sei. Die Zuordnung des Auswerterahmens ist auch bei mehreren durchs Bild fahrenden Fahrzeugen ein Problem. Dies führte dazu, dass sich das OLG Karlsruhe mit der Krücke behalf, jedenfalls bei Erfassung lediglich eines Fahrzeuges funktioniere das Gerät einwandfrei. Wie prüft aber das OLG Karlsruhe, ob nicht ein Fahrzeug die Messung verursacht hat, welches im Bild nicht mehr zu sehen ist?

Auch im Hinblick auf die im vorliegenden Fall verwendete Softwareversion 1.5.5. erscheinen Bedenken angebracht. Diese Version wurde vom Hersteller von PoliScan speed als Nachfolgerin der Versionen 1.5.3 und 1.5.4 in Umlauf gebracht, nachdem dort Probleme mit einer verzögerten Kameraauslösung aufgetreten waren. Diese führten dazu, dass es in 1-2% der Fälle zu Bildauslösungen mit Verzögerungen von 0,1 bis 0,15 Sekunden kam. Die Einführung der neuen Version geschah, obwohl der Hersteller nicht feststellen konnte, unter welchen Bedingungen der genannte Fehler auftrat. Es ist anzumerken, dass vor Einführung der neuen Version nahezu bei allen Geräten die beschriebenen Kamerafehlfunktionen aufgetreten sind. Diese Probleme wurden von der Herstellerfirma Vitronic erkannt und führten zur Entwicklung der neuen Version 1.5.5, allerdings ohne alle Betreiber der Anlagen über die Fehlfunktionen zu informieren, sodass es weiter zu Messungen mit den fehlerhaften Versionen kam. In diesem Zusammenhang muss hinterfragt werden, ob die PTB ihrer Aufgabe bei der Überwachung der Zulassung der Geräte tatsächlich nachgekommen ist. Auch für die im vorliegenden Fall verwendete Version 1.5.5 sind Hinweise vorhanden, dass es zu verzögerten Fotoauslösungen kommen kann. Der Fehler konnte daher nicht behoben, sondern lediglich die Auswirkungen durch eine Überwachung des Zeitpunkts des Belichtungssignals der Kameraeinheit eingegrenzt werden. Da diese Überwachung jedoch nicht funktionierte, hat auch die neue Softwareversion keine wesentlichen Verbesserungen mit sich gebracht. Darüber hinaus erstaunt, wenn bei Bekanntwerden von Fehlern einer alten Software zwar die neue Software durch die PTB zugelassen, die alte aber bis zur nächsten Eichung (die über ein Jahr später liegen kann) weiter benutzt werden darf.

Es ist derzeit so, dass ein Gerät zur PTB geschickt wird, mit einem Stempel der PTB aufgrund eines wie auch immer gearteten Prüfungsverfahrens zurückkommt und sodann aufgrund des PTB-Gütesiegels für den Einsatz als standardisiertes Messsystem zur Verfügung steht. In diesem Stadium eröffnen sich keinerlei Rechtsschutzmöglichkeiten für den Bürger, da er durch die die Herstellerfirma begünstigende Zulassung nicht unmittelbar drittbetroffen ist. Bei einer Messung durch das Messgerät wird ihm dann durch die Obergerichte entgegnet, dass das Gerät zugelassen sei und deshalb keine Überprüfungsmöglichkeiten bestünden. Diese Argumentation ist jedoch nicht schlüssig, da es aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, insbesondere unter dem Blickwinkel des Gewaltenteilungsprinzips, nicht hinnehmbar ist, dass Gerichte ohne die Möglichkeit eigener Überprüfung Bescheide und Genehmigungen von Behörden als unumstößlich hinnehmen. In diesem Zusammenhang mutet es skurril an, dass mit der Begründung, eine Behörde habe die Unfehlbarkeit des Messgerätes festgestellt, die Bußgeldbescheide von anderen Behörden, die mit diesem Messgerät arbeiten, ebenfalls faktisch unangreifbar werden.

Aus praktischer Sicht sei angemerkt, dass durch die Offenlegung der Messdaten durch die Herstellerfirma oder die PTB sicherlich keine Gutachtenflut und Kostenexplosion auftreten würde. Funktioniert das Gerät einwandfrei und lässt sich dies durch die Messdaten nachweisen, wird dies durch Gutachten bestätigt werden. Die Zuverlässigkeit des Gerätes wäre dann früher oder später aufgrund dieser konkreten Gutachten allgemein bekannt, sodass dann tatsächlich auf das Gerät als standardisiertes Messverfahren verwiesen werden kann und keine weiteren Gutachten mehr erforderlich sind. Darüber hinaus würde der PTB, die in ihrem Bereich über ein deutschlandweites Monopol verfügt, sicherlich ein gewisses Maß an gerichtlicher Kontrolle nicht schaden, allein schon um die Transparenz ihrer Prüfungen zu gewährleisten.

Amtsgericht Aachen, Urteil vom 10.12.2012 - Az.: 444 OWi-606 Js 31/12-93/12

Anwalt für Strafrecht: Drogen / Verkehrsrecht

Wird der Täter in einem gesonderten Verfahren rechtskräftig wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt, das im Zusammenhang mit dem Treiben von Handel mit Betäubungsmitteln begangen wurde, ist keine parallele Verurteilung wegen des Betäubungsmitteldeliktes mehr möglich.

Ist ein Urteil erst einmal rechtskräftig, so entfaltet es eine Sperrwirkung, den Strafklageverbrauch. Das bedeutet, dass der Verurteilte nicht noch einmal wegen derselben Tat verfolgt werden darf. Dass dieser fundamentale Grundsatz unserer Verfassung nicht immer konsequent ernst genommen wird, musste der Bundesgerichtshof (BGH) in dem Verfahren 3 StR 109/12 feststellen.

Der Angeklagte hatte ca. 317g ''Marihuana'' erworben, die er hälftig zum Weiterverkauf bestimmt und in einem Wald versteckt gehalten hatte. In der Tatnacht holte er die ''Drogen'' ab und geriet kurz darauf in eine Polizeikontrolle, bei der er festgenommen wurde. In der Fahrertür seines Autos wurde ein Messer mit einer Klingenlänge von 12 cm gefunden, das er während der Autofahrt griffbereit mit sich geführt hatte. Außerdem wies das Ergebnis der dem Angeklagten entnommenen Blutprobe eine ''Blutalkoholkonzentration'' von 1,43 ? und Hinweise auf ''Cannabiskonsum'' auf.
Aufgrund dieses Vorfalls erließ das Amtsgericht Neuss ''Strafbefehl'' gegen den Angeklagten und verurteilte ihn wegen ''Trunkenheit am Steuer'' gemäß § 316 StGB zu einer Geldstrafe. Zusätzlich eröffnete das Landgericht Düsseldorf ein Verfahren wegen ''bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln'' in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG und verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und 10 Monaten.
In der gegen das Urteil des Landgerichts gerichteten Revision des Angeklagten stellte der BGH das Verfahren ein, da zwischenzeitlich das endgültige Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs eingetreten ist.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Autofahrt des Angeklagten gerade dem Transport der ''Betäubungsmittel'' gedient hat und das Mitführen der Betäubungsmittel deshalb in einem inneren Beziehungszusammenhang zum Fahrvorgang gesehen werden muss. Damit handele es sich bei dem Besitz und dem beabsichtigten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nicht um einen selbstständigen Teilakt, sondern um eine einheitlichen Tatvorgang, der nicht hätte gesondert betrachtet werden dürfen.

Anwalt für Strafrecht: gefährlicher Eingriff Straßenverkehr

Die Beschädigung einer Bremsanlage eines Fahrzeuges stellt erst dann einen vollendeten Eingriff in den Straßenverkehr dar, wenn dadurch eine abstrakte Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines Menschen verdichtet hat.

In seinem Beschluss vom 26.7.2011 - 4 StR 340/11 betonte der BGH erneut, dass es für die Erfüllung eines ''gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr'' gemäß § 315b StGB sowohl einer abstrakte Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs als auch einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen bedarf.

Das Landgericht Essen hat die Angeklagte wegen ''Anstiftung'' zu einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß §§ 315b Abs. 1 Nr.1, Abs. 3, § 26 StGB verurteilt, da sie einen Bekannten dazu veranlasst hat, an dem Pkw ihres Vaters einen Bremsschlauch anzuschneiden. Die Wirkung des Bremssystems wurde dadurch bei scharfen Bremsungen um bis zu 50% vermindert. Die Angeklagte wollte, dass ihr Vater bei seiner nächsten Autofahrt einen Verkehrsunfall erleidet und sich dabei Verletzungen zuzieht. Dieser bemerkte die fehlende Bremswirkung jedoch, als er (auf einer Straße mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h) hinter einem parkenden Fahrzeug anhalten wollte. Daraufhin bremste er stärker und zog die Handbremse an, sodass er rechtzeitig zum Stillstand kam.

Der BGH führte zum konkreten Gefährdungserfolg des § 315b StGB aus: "Die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache ist erst dann konkret gefährdet, wenn durch die Tathandlung ein so hohes Verletzungs- oder Schädigungsrisiko begründet worden ist, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob es zu einer Rechtsgutsverletzung kommt." Kritische Verkehrssituationen würden diesen Voraussetzungen nur genügen, wenn sie sich aus der Perspektive eines objektiven Beobachters als ein "Beinahe-Unfall" darstellen. Dieser liege erst bei einer hochriskanten, praktisch nicht mehr beherrschbaren Verkehrssituation vor. Dass ein solcher "Beinahe-Unfall" in diesem Fall bestand, konnte das Landgericht jedoch nicht hinreichend belegen. Demzufolge änderte der BGH den Schuldspruch aufgrund der fehlenden konkreten Gefährdung dahingehend ab, dass sich die Angeklagte lediglich wegen Anstiftung zum versuchten ''gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr'' schuldig gemacht hat.

Anwalt für Strafrecht: Fahrerflucht / Entzug Führerschein

Entfernt sich ein Unfallbeteiligter nach einem Unfall unerlaubt vom Unfallort und meldet diesen erst mit 40-minütiger Verspätung bei der Polizei, ist der Straftatbestand der Fahrerflucht gem. § 142 StGB zwar erfüllt, rechtfertigt aber nicht zwingend die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis

Gemäß § 142 Abs. 1 StGB wird ein Unfallbeteiligter, der sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten des Geschädigten Angaben zu seiner Person ermöglicht oder eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, um Feststellungen zu seiner Person vornehmen zu lassen (''Unfallflucht''), mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Darüber hinaus droht der ''Verlust des Führerschein''. Der Führerschein kann gegebenenfalls bereits im Ermittlungsverfahren vorläufig entzogen werden kann.

Mit Beschluss vom 6.7.2012 - 12 Qs 81/12 stellte das Landgericht Aurich fest, dass der Tatbestand der Unfallflucht auch dann erfüllt ist, wenn der Unfallbeteiligte den Unfall zwar bei der örtlichen Polizeidienststelle meldet, dies aber erst mit 40-minütiger Verzögerung geschieht. Der Beschuldigte hatte, nachdem er an einem Bahnübergang gegen den dortigen Schrankenantrieb gefahren war, sein Auto mit einem Freund zur Werkstatt gebracht und sich erst danach bei der Polizei gemeldet. Damit genügte er seiner Wartepflicht nicht.

Grundsätzlich ist zwar auch eine aktive Tätigkeit geeignet, den Unfallverursacher von dieser zu entbinden (was insbesondere der Fall ist, wenn die Polizei verständigt und damit dem Feststellungsinteresse des Geschädigten Rechnung getragen wird). Hierbei ist ihm allerdings nur gestattet, sich zum Zwecke der Benachrichtigung der Polizei vorübergehend vom Unfallort zu entfernen. Der Beschuldigte hatte die Fahrt zur Werkstatt zunächst vorgezogen, womit er den Tatbestand der Fahrerflucht erfüllt hat.

Dennoch verneinte das Landgericht eine vorläufige Entziehung der ''Fahrerlaubnis''. Dies begründete es damit, dass der Beschuldigte nur "gerade noch" den Tatbestand erfüllt hat und sich sein Verhalten damit am untersten Rand der Strafwürdigkeit befindet. Auch wurde dem Feststellungsinteresse der geschädigten Deutschen Bahn AG durch die nachträgliche Aufklärung der Tat Rechnung getragen, sodass der Schutzzweck der ''Fahrerflucht'' gem. § 142 StGB nicht gefährdet wurde. Überdies hinaus wies der ''Verkehrszentralregisterauszug'' des Beschuldigten keine Eintragungen auf. All diese Umstände ließen das Landgericht zu dem Schluss kommen, dass die Indizwirkungen des § 69 Abs. 1 Abs. 2 Nr.3 StGB widerlegt und dem Beschuldigten der ''beschlagnahmte Führerschein'' wieder herauszugeben ist.

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsstrafrecht

Raubt der Täter sein Opfer beim Halt des Kraftfahrzeuges in einem Wohngebiet aus, so handelt es sich nicht um eine Ausnutzung von spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs, die zu einer Strafbarkeit wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer nach § 316 a StGB führt

§ 316 a StGB (''räuberischer Angriff auf Kraftfahrer'') lautet: Wer zur Begehung eines Raubes (?) einen Angriff auf Leib oder Leben oder die Entschlussfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

In dem Beschluss vom 22. August 2012 - 4 StR 244/12 entschied der BGH, dass ein ''räuberischer Angriff auf Kraftfahrer'' nicht vorliegt, wenn der Täter das Kraftfahrzeug in ein Wohngebiet fährt und sein mitfahrendes Oper dort bei einem Halt des Kraftfahrzeuges ausraubt.

Die beiden Angeklagten hatten den Geschädigten schon im Pkw durch Faustschläge misshandelt und ihm, bevor sie ihn endgültig auf einem Parkplatz hatten liegen lassen, beim Halt in einem Wohngebiet seine Wertgegenstände abgenommen. Aufgrund dieser Feststellungen wurden sie vom Landgericht Leipzig wegen ''räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer'' in Tateinheit mit Raub, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung verurteilt.

Dieses Urteil hielt der rechtlichen Überprüfung des BGH nicht stand.

Neben dem Führer eines Kraftfahrzeugs kann zwar grundsätzlich auch der Mitfahrer ein taugliches Opfer im Sinne des § 316 a StGB sein. Allerdings kann aufgrund der Feststellungen des Landgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass die Angeklagten bei Begehung der Tat die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt haben, da das Fahrzeug sich zum Zeitpunkt des Raubes nicht im fließenden Verkehr befunden hat. Auch ein verkehrsbedingter Halt mit laufendem Motor, bei der das Opfer regelmäßig keine Möglichkeit hat, sich dem Angriff ohne Eigen- oder Fremdgefährdung (beispielsweise durch Ziehen der Handbremse oder Öffnen der Tür) zu entziehen, liegt nicht vor. Für die Fälle des nicht verkehrsbedingten Halts bedarf es nach Ansicht des BGH zusätzliche, im Urteil darzulegende Umstände, die die Annahme einer Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs rechtfertigen.

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsstrafrecht / Drogen

Keine Grenzwerte bei Kokainkonsum, bei deren Überschreitung die absolute Fahruntüchtigkeit begründet werden kann

Strafbar nach § 316 StGB macht sich, wer im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses von alkoholischer Getränke oder anderen berauschenden Mitteln nicht in der Lage dazu ist (Trunkenheitsfahrt).

In seiner Entscheidung im Verfahren (524) 11 Ju Js 1853/10 (36/11), 524 - 36/11 stellte das Landgericht ''Berlin'' fest, dass die Überschreitung der festgelegten Grenzwerte von 10 ng/ml ''Kokain'', im Gegensatz zu dem bei ''Alkoholkonsum'' festgelegten Grenzwert von 1,1 ?, nicht zur Annahme einer absoluten ''Fahruntüchtigkeit'' gem. § 316 StGB führt. Die beschriebene Mindestmenge stellt lediglich ein sicheres Indiz für Kokainkonsum dar.

Zwar erkennt das Landgericht Berlin einen Widerspruch darin, dass der Erwerb von ''Drogen'' strafrechtlich sanktioniert wird, während es ungestraft bleibt sich unter Drogeneinfluss ans Steuer zu setzen. Es führt jedoch aus, dass dieser Widerspruch nicht durch die Aufstellung irgendwelcher Grenzwerte von Gerichten selbst, sondern nur vom Gesetzgeber gelöst werden kann.

So konnte die Angeklagte, bei der trotz 14 ng/ml ''Kokain'' keinerlei Auffälligkeiten in ihrem Fahrverhalten festgestellt werden konnten, lediglich zu einer Geldstrafe von 500,-? wegen einer fahrlässigen ''Verkehrsordnungswidrigkeit'' verurteilt werden.

Anwalt für Strafrecht: Ordnungswidrigkeit / "Vier-Augen-Prinzip" bei Geschwindigkeitsmessung mit einem Lasermessgerät

Ein "Vier-Augen-Prinzip", nach dem eine Geschwindigkeitsmessung mit einem Lasermessgerät nur dann zur Grundlage einer Verurteilung in einer Bußgeldsache gemacht werden kann, wenn der vom Gerät angezeigte Messwert und seine Übertragung in das Messprotokoll von einem zweiten Polizeibeamten kontrolliert worden ist, gibt es nicht.

Nach einem Beschluss des 3. Senats für ''Bußgeldsachen'' des Oberlandesgerichts Hamm vom 21.06.2012
- III-3 RBs 35/12 - kann ein vom Lasergerät angezeigter Messwert im Einzelfall nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung verwendet werden.

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen ''fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung'' verurteilt. Den Verstoß hatte das Amtsgericht auf der Grundlage der Zeugenaussage eines Polizeibeamten festgestellt, der das Ergebnis der mit einem ''Lasermessgerät'' durchgeführten Geschwindigkeitsmessung allein vom Anzeigefeld des Messgerätes abgelesen und in das schriftliche Messprotokoll eingetragen hatte. Eine Kontrolle der Richtigkeit des abgelesenen und eingetragenen Wertes durch einen anderen Polizeibeamten erfolgte nicht. Hiergegen wandte sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er rügte, dass das ihm vorgehaltene Messergebnis wegen der Verletzung eines "Vier-Augen-Prinzips" nicht gegen ihn verwertbar sei.

Der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm hat die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt. Das vom Betroffenen angeführte "Vier-Augen-Prinzip" gebe es nicht. Auch bei Lasermessgeräten, die ein Messergebnis nicht fotografisch-schriftlich dokumentierten, sei der vom Gerät angezeigte Messwert und dessen Zuordnung zu einem bestimmten Fahrzeug im Einzelfall nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen und könne z. B. durch Zeugenaussage eines beteiligten Polizeibeamten geklärt werden. Es existiere kein Beweisverbot, das die Verwertung eines allein von einem - und ohne Kontrolle durch einen weiteren - Polizeibeamten festgestellten Messwertes untersage. Wegen des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung gebe es auch es keine Beweisregel, die ein derartiges "Vier-Augen-Prinzip" als Voraussetzung für gerichtliche Feststellungen vorschreibe.

Anwalt für Strafrecht: Straßenverkehrsrecht / altersbedingter Entzug der Fahrerlaubnis

Das hohe Alter eines Kraftfahrers rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen.

Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 02.05.2012 - OVG 1 S 25.12 - bietet nicht jeder Abbau der geistigen und körperlichen Kräfte Anlass für eine Entziehung oder Beschränkung der Fahrerlaubnis. Hinzutreten muss vielmehr, dass es im Einzelfall zu nicht mehr ausreichend kompensierbaren, für die Kraftfahreignung relevanten Ausfallerscheinungen oder Leistungsdefiziten gekommen ist.

Allerdings kann der im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigende Gesichtspunkt einer jahrzehntelangen unfallfreien Teilnahme am Straßenverkehr den Befund, dass der Inhaber der Fahrerlaubnis aktuell nicht mehr befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, nicht ohne Weiteres entkräften. Auch wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis für einen älteren und kranken Menschen als gravierende Verschlechterung seiner Lebensqualität empfunden wird, so muss dies im Hinblick auf seine eigene Sicherheit und die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer dann zurückstehen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber den komplexen Anforderungen des heutigen öffentlichen Straßenverkehrs nicht mehr gerecht wird.

Zu prüfen ist daher immer, ob im konkreten Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliegen.