Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Vorsatz

Voraussetzung für eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat ist gem. § 16 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB), dass der Täter die Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, bei ihrer Begehung kennt.

In seinem Beschluss vom 29. Juli 2021 musste der Bundesgerichtshof (4 StR 156/21) das Vorliegen eines Vorsatzes beurteilen. Im hiesigen Fall fuhr der Angeklagte, nachdem er sich einem Festnahmeversuch entzogen hatte, auf dem Standstreifen der Autobahn mit starker Beschleunigung auf vier ihm zu Fuß entgegenlaufende Polizeibeamte zu, die sich nur durch reaktionsschnelles Ausweichen in Sicherheit bringen konnten. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten u.a. wegen tateinheitlich begangenen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 114 Abs. 1 und § 113 Abs. 1 StGB. Gleichwohl führte der Bundesgerichtshof an, dass es im vorliegenden Fall an einem vorsätzlichen Handeln des Angeklagten fehlt. Die Verwirklichung des Tatbestands muss stets in subjektiver Hinsicht von einem die Tatumstände umfassenden Vorsatz des Täters getragen werden. Dies ist anzunehmen, wenn der Vorsatz zu einem Zeitpunkt vorliegt, in welchem der Täter noch einen für die Tatbestandsverwirklichung kausalen Tatbeitrag leistet. Es fehlt dagegen an einer vorsätzlichen Begehung der Tat, wenn der Vorsatz erst gefasst wird, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung nicht mehr vermeiden kann. Da der Angeklagte die vier Polizeibeamten im hiesigen Fall nicht ausschließbar erst zu einem Zeitpunkt wahrnahm, als er auf sie nicht mehr reagieren konnte, handelte er beim Zufahren auf die Beamten nicht vorsätzlich. Insofern scheidet eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen tateinheitlich begangenen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 114 Abs. 1 und § 113 Abs. 1 StGB aus.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung, Eventualvorsatz

Alkoholisierung kann auch bei gefährlichen Taten wie der Körperverletzung dem Eventualvorsatz entgegenstehen, wenn das Risiko der Erfolgsherbeiführung nicht erkannt wird.

In dem Beschluss vom 11. August 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 222/21) mit der Frage beschäftigen, wann von einem bedingten Vorsatz auszugehen ist. Im vorliegenden Sachverhalt hat der stark alkoholisierte Angeklagte einen Glassplitter von einer von ihm zuvor zerschlagenen Glasflasche in der Hand. Während einer Auseinandersetzung packte er, mit der Hand in der er das Glas hält, den Geschädigten an den Kragen ohne eine Stichbewegung auszuführen und verursachte bei diesem Schnitte am Hals und Unterarm. Dafür wurde er vom Landgericht Landshut wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Nach einer Revision des Angeklagten wird der Schuldspruch vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Dazu führt er an, dass die Folgen der Alkoholisierung zu wenig erörtert wurden und sich damit beschäftigt werden muss, ob dem Angeklagten in Folge der Alkoholisierung überhaupt klar war, dass seine Handlung zu Verletzungen beim Geschädigten führt. Die ausgeführte Bewegung wird normalerweise ohne eine Messer oder ein ähnliches Werkzeug durchgeführt, sodass nicht klar festzustellen ist, ob der Angeklagte wusste, dass er die Glasscherbe in der Hand hält.

Anwalt für Strafrecht: Eventualvorsatz

Entspricht ein Tötungserfolg nicht dem Handlungsmotiv des Beschuldigten, so kann dies gegen einen Eventualvorsatz bezüglich der Tötung sprechen.

In seinem Urteil vom 28. Juni 2018 setzte sich der Bundesgerichtshof (3 StR 23/18) mit der Frage auseinander, ob es gegen eine Tötung mit Eventualvorsatz spricht, wenn die Tötung nicht dem Motiv des Beschuldigten entspricht. Mit Eventualvorsatz handelt ein Beschuldigter der bedingt vorsätzlich handelt. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Beschuldigte den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Ziels willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Zur Feststellung dessen bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstandes des Einzelfalles. Der Beschuldigte drang mit Dritten in das Haus des Betroffenen ein. Geplant war es Wertgegenstände und Geld aus dem Haus zu entwenden. Der Beschuldigte wurde mittels Gewaltanwendung überwältigt. Bei der Durchsuchung des Hauses fanden die Beteiligten einen Waffenschrank, welchen sie nicht öffnen konnten. Um in Erfahrung zu bringen, wie der Waffenschrank zu öffnen ist, wurde der Betroffene weiter von den Beteiligten misshandelt. Hierbei zog der Beschuldigte den Kopf des Betroffenen nach hinten, wobei er dessen Halswirbel durchbrach, was zu dessen Tod führte. Allen Beteiligten war bewusst, dass der Betroffene durch die Gewaltanwendung sterben könnte. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs spricht bereits das Motiv für die Gewaltanwendung gegen eine billigende Inkaufnahme des Todes des Betroffenen. Die Gewaltanwendung wurde nur deswegen gesteigert, weil der Beschuldigte alleine hierin eine Möglichkeit gesehen hat, mit Hilfe des Betroffenen den Waffenschrank zu öffnen.