Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.

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Anwalt für Strafrecht: Gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr

Bei einem vollendeten gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr muss der Eingriff zu einer kritischen Situation geführt haben, sodass es nur noch vom Zufall abhängt, ob jemand verletzt wird.

In seinem Beschluss vom 3. Dezember 2020 hat sich der Bundesgerichtshof (4 StR 371/20) mit der Frage auseinandergesetzt, wann ein gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr nach § 315 Abs. 1 Nr. 2 StGB vorliegt. Im vorliegenden Sachverhalt setzte sich der Beschuldigte auf eine Bahnsteigkante, wodurch seine Beine in das Gleisbett ragten. Als eine Bahn herannahte, musste der Stadtbahnführer eine Gefahrenbremsung durchführen. Durch eine Warnung seinerseits wurde niemand der Fahrgäste verletzt. Daraufhin ordnete das Landgericht Hannover eine Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Die Revision des Beschuldigten führte zur Aufhebung des Urteils. Die Gefahrenbremsung genügt nicht den Anforderungen zur Darlegung einer konkreten Gefahr für die körperliche Integrität der Insassen im Sinne des § 315 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Es ist somit zu keinem Beinahe-Unfall gekommen.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Für einen hinterlistigen Überfall muss ein Überraschungsangriff beabsichtigt sein, die wahre Absicht verdeckt und der Überfall gezielt in einer für das Opfer überraschenden Weise durchgeführt werden. Hierfür genügen in der Regel das Entgegentreten mit vorgetäuschter Friedfertigkeit oder ein von Heimlichkeit geprägtes Vorgehen.

In seinem Beschluss vom 15. Dezember 2020 hat sich der Bundesgerichtshof (3 StR 386/20) mit den Voraussetzungen einer gefährlichen Körperverletzung mittels eines hinterlistigen Überfalls befasst. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt bewaffnete sich der Angeklagte heimlich mit einem Messer und ließ sich von der Geschädigten unter einem falschen Vorwand an eine einsame Stelle fahren, um sie zu töten. Auf der Fahrt verhielt er sich friedfertig, um die Geschädigte in Sicherheit zu wiegen. Nachdem die ahnungslose Geschädigte das Auto nach Aufforderung des Angeklagten angehalten hatte, zog dieser das Messer. Die Absicht, die Geschädigte zu töten, hatte der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt aufgegeben. Er wollte sie nunmehr mit dem Tod bedrohen und hierdurch erreichen, dass sie die Beziehung mit ihm fortführt. Hierzu stach er in Richtung ihres Bauch- und Brustbereichs, wobei er Verletzungen der Geschädigten billigend in Kauf nahm. Die Geschädigte erlitt unter anderem einen Schnitt an der Handinnenfläche, weil sie in Panik in die Klinge griff und diese von sich wegdrückte. Der Bundesgerichtshof stellte in seiner Entscheidung fest, dass es sich hierbei nicht nur um eine Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs handelt, sondern auch mittels eines hinterlistigen Überfalls i.S. d. § 224 Abs. 1 Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB). Hinterlistig ist ein Überfall, wenn der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung der wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen. Hierfür genügen in der Regel das Entgegentreten mit vorgetäuschter Friedfertigkeit oder ein mit Heimlichkeit beschaffenes Vorgehen. Der Angeklagte täuschte Friedfertigkeit vor und stellte der Geschädigten eine Falle, indem er sie an einen einsamen Ort führte und sie dort unter einem Vorwand anhalten ließ, um sie mit seinem verborgenen Messer zu töten.

Anwalt für Strafrecht: Strafrahmenverschiebung

Das Tatgericht entscheidet über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach
§§ 21, 49 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) nach seinem pflichtgemäßen Ermessen aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände. Insoweit steht dem Tatgericht ein weiter Ermessensspielraum zu. Um dem Prinzip zu genügen, dass die Strafe das Maß der Schuld nicht überschreiten darf, erfordert die Versagung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB schulderhöhende Umstände, die diese Schuldmilderung kompensieren.

In seinem Beschluss vom 10. Juni 2021 musste der Bundesgerichtshof (4 StR 30/21) die Versagung einer Strafrahmenverschiebung beurteilen. In der hiesigen Entscheidung konsumierte der Angeklagte in der Annahme, später von einem Bekannten abgeholt zu werden, erhebliche Mengen Alkohol sowie Amphetamin auf einem Fest. Als der Angeklagte indessen nicht abgeholt wurde, fuhr er selbst mit seinem Fahrzeug. Infolge überhöhter Geschwindigkeit und seiner drogen- und alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit verursachte der Angeklagte einen Unfall, bei dem ein anderer Fahrer tödlich verletzt wurde. Der Angeklagte fuhr weiter, obwohl er davon ausging, dass der Fahrer schwer verletzt war und ohne sofortige Hilfe versterben könnte, was er billigend in Kauf nahm. Das Landgericht hat angenommen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten infolge seines Alkohol- und Drogenkonsums nicht ausschließbar erheblich vermindert war. Eine Verschiebung des Strafrahmens lehnte es jedoch im ersten Fall ab, da bei einer Gesamtwürdigung die Schuldminderung durch schulderhöhende Umstände kompensiert werden würde (u.a. der Gesichtspunkt, dass der Angeklagte mit seiner Trunkenheitsfahrt bis zum Unfall gleich mehrere Delikte verletzt habe und sich seiner Alkoholisierung „bewusst“ gewesen wäre). Die Entscheidung des Landgerichts halte nach Auffassung des Bundesgerichtshofes einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. So wurde zwar zutreffend die selbstverantwortete Trunkenheit als schulderhöhend gewertet. Indes wurde insoweit nicht bedacht, dass der Angeklagte nach den Feststellungen im Zeitpunkt des Sich-Betrinkens nicht in Fahrbereitschaft war, sondern davon ausging, abgeholt zu werden. Diesen Umstand hätte das Landgericht im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung mit Blick auf den dem Angeklagten zur Last gelegten Vorwurf einer Trunkenheitsfahrt und der hierdurch verursachten fahrlässigen Tötung nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Mithin sei nicht auszuschließen, dass das Landgericht von einem zu hohen Schuldgehalt ausgegangen ist.

Anwalt für Strafrecht: Brandstiftung

Ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, kann durch eine Brandlegung auch dann teilweise zerstört werden, wenn die betroffene Wohnung bereits wegen einer vorangegangenen Brandstiftung nicht nutzbar war.

In seinem Beschluss vom 24. August 2021 hat sich der Bundesgerichtshof (3 StR 247/21) mit der Frage des tauglichen Tatobjekts i.S.d. schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) befasst. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt verbrannte der Angeklagte Fotos in einem Plastikeimer. Als das Feuer auf den Eimer übergriff und Löschbemühungen des Angeklagten erfolglos blieben, verließ er die Wohnung. Aufgrund der dadurch entstandenen Brandschäden wurde die Wohnung unbewohnbar. Der Angeklagte kehrte einige Tage später wieder in die Wohnung zurück und entzündete in Suizidabsicht einen Brand im Badezimmer. Die Wohnung war durch die Brandschäden erneut nicht nur vorübergehend unbewohnbar, sondern es waren umfassende Sanierungsarbeiten erforderlich. Der Angeklagte wurde wegen fahrlässiger Brandstiftung verurteilt. Der zweite Brand führte zur Unbrauchbarkeit verschiedener zuvor noch nicht betroffener Wohnungsbestandteile und schränkte die Nutzbarkeit weitergehend ein. Eine weitere Beeinträchtigung der Sachsubstanz kommt je nach dem Umfang der Vorschädigung noch in Betracht. Indes erfasst der Tatbestand des § 306a Abs. 1 StGB gerade abstrakte Gefahren für Leib und Leben von Menschen. Diese Gefahren gehen regelmäßig auch mit einer wiederholten Brandlegung in Bezug auf dasselbe Objekt einher. Mithin drohen ganz unabhängig davon, ob eine Wohnung bereits zuvor unbrauchbar gewesen war, allgemein Gefahren für sonstige Hausbewohner oder Rettungskräfte.

Anwalt für Strafrecht: Bestechung

Die Strafbestimmung der Bestechung gem. § 334 Strafgesetzbuch (StGB) verlangt nicht, dass der Versprechende zugleich Begünstigter der pflichtwidrig vorgenommenen Diensthandlung ist. Tatbestandsmäßig handelt auch derjenige, der einen Amtsträger einen Vorteil dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass dieser zukünftig zugunsten eines anderen eine pflichtwidrige Diensthandlung vornehme. Für bereits vollzogene Diensthandlungen kann nichts Anderes gelten.

In seinem Beschluss vom 21. Oktober 2020 hat sich der Bundesgerichtshof (2 StR 72/20) mit der Frage befasst, wie die Vorteilsgabe bei der Bestechung zu beurteilen ist. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt hatte ein Gefangener in der JVA einem Vollzugsbeamten 500 EUR dafür versprochen, dass er sein Mobiltelefon an sich nehme und es vor den Durchsuchungskräften verstecke. Der Angeklagte übergab dem Vollzugsbeamten vor diesem Hintergrund als Gegenleistung für sein Verhalten 500 EUR. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechung verurteilt. Der Angeklagte hat alle Tatbestandsmerkmale des § 334 StGB in eigener Person erfüllt, indem er dem gesondert Verfolgten, wie mit dem Gefangenen vereinbart, 500 EUR als Entgelt dafür zahlte, dass dieser es unterließ, das Mobiltelefon des Gefangenen sicherzustellen, und es stattdessen an sich nahm und beseitigte. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 25 Abs. 1 StGB ist derjenige, der einen Tatbestand eigenhändig verwirklicht, stets Täter und nicht Gehilfe. Im vorliegenden Fall hingen die Durchführung und der Ausgang der Tat allein vom Willen des Angeklagten ab, der sich die Sache zu Eigen gemacht hatte.

Anwalt für Strafrecht: Rücktritt

Es ist beim Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 StGB nicht notwendig, dass der Täter die schnellste Art der Erfolgsverhinderung wählt.

In seinem Beschluss vom 7. Oktober 2021 hat sich der Bundesgerichtshof (1 StR 315/21) genauer mit dem Rücktritt beschäftigt. Im vorliegenden Sachverhalt kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Vater seiner Lebensgefährtin, woraufhin sie die Polizei rief. Als der Nebenkläger sich umdrehen wollte, um in die Wohnung zu gehen, stach der Angeklagte mehrmals auf den Nebenkläger ein und verletzte ihn lebensbedrohlich. Daraufhin entfernte sich der Angeklagte vom Unfallort und seine Lebensgefährtin rief erneut die Polizei an. Als sich der Angeklagte im Auto befand, rief auch er die Polizei und verriet nach rund anderthalb Minuten, dass der Nebenkläger verletzt sei. Vom Landgericht Mannheim wurde er anschließend unter anderem wegen versuchten Mordes verurteilt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes ist in diesem Fall der Rücktritt genauer zu klären, weshalb dieser das Urteil aufhob und an ein anderes Gericht zurückverwies. Es sei nicht erforderlich unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung die sicherste und schnellste zu wählen. Ausreichend ist es stattdessen, eine neue, erfolgsabwendende Kausalkette in Gang zu setzen. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass die Polizei erst aufgrund des Anrufs des Angeklagten kam.

Anwalt für Strafrecht: Fahrlässige Tötung

Der Tod von Berufsrettern, wie Feuerwehrmännern, kann dem Täter eines fahrlässig herbeigeführten Brandes zugerechnet werden. Die Zurechnung ist dabei nicht auf Grund einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung abzulehnen.

In seinem Beschluss vom 5. Mai 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 19/20) mit der objektiven Zurechnung bei der fahrlässigen Tötung gemäß § 222 StGB beschäftigen. Im hiesigen Fall verursachte der Mitarbeiter eines Subunternehmens auf einem Werkgelände einen Brand und zwei Explosionen, indem er eine falsche Rohrleitung mit einem Trennschleifer anschnitt. Mehrere Personen wurden dabei verletzt und vier Feuerwehrmänner kamen bei dem Versuch den Brand zu löschen ums Leben, sowie eine andere Person in unmittelbarer Nähe. Vom Landgericht Frankenthal wurde der Angeklagte dafür neben fahrlässiger Körperverletzung auch wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Die Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg. Die Zurechnung des Taterfolges scheidet nicht wegen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung, da sich die Feuerwehrmänner selbst in die Nähe des Brandes bewegt haben, um diesen zu löschen aus. Die Berufsretter konnten sich hier wegen der geschaffenen Gefahrenlage des Angeklagten veranlasst gesehen haben, sich einer Gefahr auszusetzen, bzw. gehört das zu ihren Berufspflichten.

Anwalt für Strafrecht: Mittäterschaftliche Tatbeteiligung

Wenn sich mehrere Täter zu einer Bande zusammenschließen, ist für jeden dieser Täter die jeweilige Tatbeteiligung festzustellen. Nicht jeder Beteiligte einer Bandentat ist gleichzeitig auch ein Mittäter.

Im Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 29. Juli 2021 (1 StR 83/21) musste sich dieser mit der mittäterschaftlichen Tatbeteiligung auseinandersetzen. Der Angeklagte beteiligte sich am Betrug von meist älteren Menschen. Dabei gab sich die Bande als Polizei aus, um an das Vermögen der Menschen zu kommen. Da sie aus der Türkei arbeiteten, brauchten sie Leute, die vor Ort das Geld abholten, was der Angeklagte für 1.000-5.000 € tat. Dafür wurde er vom Landgericht Augsburg wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs verurteilt. Vor dem Bundesgerichtshof hielt diese Entscheidung jedoch nicht stand. Das Zusammenschließen zu einer Bande bedeutet nicht zwingend, dass jeder auch Mittäter ist. Nach ihrer Auffassung muss bei jedem Täter für jede einzelne Tat festgestellt werden, ob es sich um einen Mittäter, Anstifter oder Gehilfen handelt.

Anwalt für Strafrecht: Schwere Vergewaltigung

In Rahmen einer schweren Vergewaltigung müssen das Führen und die Gefährlichkeit eines Werkzeugs in subjektiver Hinsicht vom zumindest bedingten Vorsatz umfasst sein.

In seinem Beschluss vom 03. Februar 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 263/21) mit dem subjektiven Tatbestand im Rahmen einer schweren Vergewaltigung auseinandersetzen. Im hiesigen Fall vergewaltigte der alkoholisierte Angeklagte die Geschädigte, wobei sich die ganze Zeit über ein aufklappbares Einhandmesser in seiner Hosentasche befand. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten u.a. wegen schwerer Vergewaltigung. Die schwere Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 7 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) setzt voraus, dass der Täter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt. Hierbei sind solche Gegenstände gefährlich, die im Fall ihrer Verwendung geeignet sind, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Der Täter führt das Werkzeug bei sich, wenn er es zu irgendeinem Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung einsatzbereit am Körper oder in seiner Nähe hat. In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, dass das Führen und die Gefährlichkeit vom zumindest bedingten Vorsatz umfasst sind. Gleichwohl sind bei der Anforderung eines aktuellen Bewusstseins insofern Abstriche vorzunehmen, als sich der Täter im Zeitpunkt der Tat nicht aller Tatumstände im Sinne eines „Daran-Denkens“ bewusst sein muss. Der Bundesgerichtshof führte an, dass im vorliegenden Fall weder festgestellt noch belegt ist, dass der Angeklagte in diesem Sinne verinnerlicht hatte, dass er das Messer in der Hosentasche bei sich führte. Insbesondere angesichts seiner erheblichen Alkoholisierung könne nicht von selbst auf diesen Umstand geschlossen werden und er bedurfte daher der Erörterung.

Anwalt für Strafrecht: Vorsatz

Voraussetzung für eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat ist gem. § 16 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB), dass der Täter die Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, bei ihrer Begehung kennt.

In seinem Beschluss vom 29. Juli 2021 musste der Bundesgerichtshof (4 StR 156/21) das Vorliegen eines Vorsatzes beurteilen. Im hiesigen Fall fuhr der Angeklagte, nachdem er sich einem Festnahmeversuch entzogen hatte, auf dem Standstreifen der Autobahn mit starker Beschleunigung auf vier ihm zu Fuß entgegenlaufende Polizeibeamte zu, die sich nur durch reaktionsschnelles Ausweichen in Sicherheit bringen konnten. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten u.a. wegen tateinheitlich begangenen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 114 Abs. 1 und § 113 Abs. 1 StGB. Gleichwohl führte der Bundesgerichtshof an, dass es im vorliegenden Fall an einem vorsätzlichen Handeln des Angeklagten fehlt. Die Verwirklichung des Tatbestands muss stets in subjektiver Hinsicht von einem die Tatumstände umfassenden Vorsatz des Täters getragen werden. Dies ist anzunehmen, wenn der Vorsatz zu einem Zeitpunkt vorliegt, in welchem der Täter noch einen für die Tatbestandsverwirklichung kausalen Tatbeitrag leistet. Es fehlt dagegen an einer vorsätzlichen Begehung der Tat, wenn der Vorsatz erst gefasst wird, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung nicht mehr vermeiden kann. Da der Angeklagte die vier Polizeibeamten im hiesigen Fall nicht ausschließbar erst zu einem Zeitpunkt wahrnahm, als er auf sie nicht mehr reagieren konnte, handelte er beim Zufahren auf die Beamten nicht vorsätzlich. Insofern scheidet eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen tateinheitlich begangenen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 114 Abs. 1 und § 113 Abs. 1 StGB aus.