Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.

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Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung

Das Veranlassen zum Konsum einer Kokain Line ist nicht zwingend eine Körperverletzung.

Mit dem Beschluss vom 8. September 2021 hat der Bundesgerichtshof (1 StR 286/21) sich damit auseinandergesetzt, ob es sich um eine Körperverletzung handelt, wenn der Angeklagte den Geschädigten dazu veranlasst, Kokain zu konsumieren. Der Angeklagte wurde vom Landgericht Kempten unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung durch Beibringung eines gesundheitlichen Stoffes gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB verurteilt, nachdem er eine andere Person dazu gebracht hat, eine Line Kokain zu ziehen. Der Bundesgerichtshof änderte den Schuldspruch und begründete seine Entscheidung damit, dass keine Gesundheitsschädigung beim Geschädigten festgestellt wurde und Kokain zwar keine weiche Droge ist, gelegentlicher Konsum das körperliche Wohlbefinden  jedoch nicht unbedingt beeinträchtigt. Eine Körperverletzung liegt in diesem Fall somit nicht vor.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung

Auch schon ruckartige Bewegungen können bei Säuglingen als Körperverletzung angesehen werden. Zudem ist bei Schäden die bei einem Säugling durch das Schütteln des Babys entstehen, der Vorsatz nicht generell abzulehnen, weil das Elternteil nicht ausreichend Kenntnis über die Folgen des Schüttelns hatte.

In seinem Beschluss vom 16. Dezember 2020 musste sich der Bundesgerichtshof (2 StR 209/20) damit auseinandersetzen, wann der Vorsatz zur Körperverletzung vorliegt, wenn ein Elternteil sein Baby geschüttelt und diese Handlung zu einem Schütteltrauma geführt hat. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundliegenden Sachverhalt packte der Vater seinem schreienden Säugling an sein Becken und riss ihn nach oben, um ihn an seine Schulter zu legen. In Folge dieser Bewegung fiel der Kopf des Babys nach hinten und knallte dann auf die Schulter des Angeklagten. Das Landgericht Mühlhausen hat ihn dann von dem Vorwurf der Körperverletzung durch fehlenden Vorsatz freigesprochen. In der Revision sah der Bundesgerichtshof diesen als vorliegend an. Zum einen stellt bereits das Hochreißen des Säuglings eine Körperverletzung dar. Außerdem wurde der Vater darüber unterrichtet, den Säugling am Kopf zu stützen. Es ist allgemein bekannt, dass ruckartige Bewegungen von Babys ohne den Kopf zu stützen, schwere Beeinträchtigungen zur Folge haben können, sodass lediglich die Abgrenzung von bedingtem zu direktem Vorsatz relevant ist, nicht jedoch die zu Fahrlässigkeit.

Anwalt für Strafrecht: Schuldfähigkeit

Die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit ist regelmäßig neben anderen ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine mögliche erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Eine Blutalkoholkonzentration von mehr als 3 ‰ legt die Annahme einer erheblichen Herabsetzung des Hemmungsvermögens zur Tatzeit nahe.

In seinem Beschluss vom 10. Juni 2021 musste der Bundesgerichtshof (2 StR 104/21) die Schuldfähigkeit bei einer Alkoholtat beurteilen. Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht den Angeklagten, der bei Tatbegehung alkoholisiert gewesen war, wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Nebstdem hat es ihn in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten hat das Landgericht verneint. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Angeklagte trotz hoher Blutalkoholkonzentration (maximal ca. 2,8 ‰) ausreichend entscheidungs- und steuerungsfähig gewesen sei. Gleichwohl tragen diese Erwägungen nach Auffassung des Bundesgerichtshofes den Ausschluss einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht. Zum einen führte der Bundesgerichtshof aus, dass die rückgerechnete Blutalkoholkonzentration tatsächlich bei 3,12 ‰ läge. Zudem belegen die vom Landgericht angeführten Umstände nur, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht vollständig aufgehoben war. Indessen ist aus ihnen nicht mit genügender Sicherheit abzuleiten, dass eine Steuerungsfähigkeit nicht erheblich vermindert gewesen ist. Schließlich habe das Landgericht verkannt, dass bei hoher Alkoholgewöhnung das äußere Leistungsverhalten und die innere Steuerungsfähigkeit weit auseinanderfallen können. So können selbst bei hochgradiger Alkoholisierung grobmotorische Fähigkeiten erhalten geblieben sein. Eine alkoholische Beeinflussung mit der Folge erheblich verminderter Schuldfähigkeit ist weder zwingend noch regelmäßig von schweren, ins Auge fallenden Ausfallerscheinungen begleitet. Mithin wurde die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung mittels ausgebauter Einwegrasierklinge

Die Verletzung einer Person mit einer Rasierklinge führt nicht zwingend zu einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung.

In seinem Beschluss vom 10. Februar 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 478/20) damit auseinandersetzen, ob Verletzungshandlungen mit einer Rasierklinge als eine das Leben gefährdende Behandlung gemäß § 224 Nr. 5 StGB gesehen werden können. Im Sachverhalt der Entscheidung des Bundesgerichtshofes hat der Angeklagte im Verlaufe eines Streits einer anderen Person mit einer Einwegrasierklinge in den Gesichts– und Halsbereich geschnitten, wodurch eine oberflächliche Verletzung entstand. Das Landgericht verurteilte ihn dann anschließend wegen gefährlicher Körperverletzung, wogegen er in Revision ging und das Urteil aufgehoben wurde. Das begründete der Bundesgerichtshof damit, dass nicht nur auf die abstrakte Gefährlichkeit, sondern auch auf die konkrete Gefährlichkeit im Einzelfall eingegangen werden muss. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass die Klinge eines Einwegrasierers nur wenige Millimeter breit ist und es schwer ist, mit dieser in den Fingern haltend, ein Leben zu gefährden. Es kann somit nicht von einer gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gesprochen werden.

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl

Voraussetzung für einen Diebstahl ist der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams. Gewahrsam bleibt bestehen, bis die Einwirkungsmöglichkeit verloren geht. Ein Diebstahl liegt nicht vor, wenn der ursprüngliche Besitzer der Sachen verloren und somit kein Gewahrsam an diesen hat.

In einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28. Juli 2020 (2 StR 229/20) hat dieser darüber entschieden, wie die Gewahrsamslage beim Diebstahl aussieht, wenn man die Sachen vorher verloren hat. In diesem Fall hat der Angeklagte eine andere Person mehrmals geschlagen. Diese verlor bei den Schlägen Wertgegenstände und lag verletzt am Boden. Der Angeklagte nahm diese Gegenstände mit, nachdem der Geschädigte den Tatort verlassen hatte. Der Angeklagte wurde dann wegen Diebstahls verurteilt. Dagegen ging er mit Erfolg in Revision. Der Bundesgerichtshof begründete seine Entscheidung damit, dass der Geschädigte die Sachen verloren hat und somit nicht ausreichend Gewahrsam an diesen begründete. Zwar bleibt Gewahrsam bestehen, wenn man verletzt ist und diesen gerade nicht verteidigen kann, nicht jedoch, wenn man diesen gänzlich verloren hat. Somit wurde das Urteil wegen Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB vom Bundesgerichtshof aufgehoben.

Anwalt für Strafrecht: Tankbetrug

Ein Tankbetrug ist nur anzunehmen, wenn das Personal diesen auch bemerkt hat, andernfalls ist von einem versuchten Tankbetrug auszugehen.

In seinem Beschluss vom 09. März 2021 beschäftigte sich der Bundesgerichtshof (6 StR 74/21) mit der Frage, wann von einem Tankbetrug und wann von einem versuchten Tankbetrug gesprochen wird. Im vorliegenden Sachverhalt hat der Angeklagte ein Auto betankt und ist anschließend weggefahren, ohne den Preis für die Tankung  zu bezahlen. Dieses Geschehen wurde von keinem der Mitarbeiter bemerkt. Das Landgericht verurteilte ihn anschließend wegen Betrugs, wogegen dieser sich vor dem Bundesgerichtshof wehrte und Erfolg hatte. Der Bundesgerichtshof führte in seiner Entscheidung an, dass der Täter durch Vortäuschen einen Irrtum beim Mitarbeiter der Tankstelle hervorrufen muss, welcher dann zu der schädigenden Vermögenverfügung führt. Die Täuschung des Täters muss folglich zu einem Einverständnis des Beschäftigten führen, den Tankvorgang durchzuführen. Im vorliegenden Fall konnte es jedoch zu keinem Irrtum kommen, da kein Mitarbeiter auf den Tankvorgang aufmerksam wurde. Somit wurde das Urteil vom Bundesgerichtshof zu versuchtem Betrug abgeändert.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Eine hohe und zudem anschauliche konkrete Lebensgefährlichkeit der Tatausführung stellt auf beiden Vorsatzebenen das wesentliche auf bedingten Tötungsvorsatz hinweisende Beweisanzeichen dar.

In seinem Urteil vom 24. Juni 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 477/20) mit dem bedingten Vorsatz befassen. Im vorliegenden Fall kam es in einem Club zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten. Diese gipfelte darin, dass der Angeklagte den Geschädigten mit einem Klappmesser angriff. Der Angeklagte stach dem Geschädigten in die linke Brusthälfte, wobei er dessen Tod billigend in Kauf nahm, und verletzte ihn dabei lebensgefährlich. Im Anschluss schlug der Angeklagte weiterhin mit seinen Fäusten nach dem Geschädigten, wobei er ihn jedoch nicht traf. Dem Türsteher des Clubs war es möglich, die Auseinandersetzung zu beenden. Als der Angeklagte sah, dass er dem Geschädigten eine blutende Stichverletzung zugefügt hatte, zog er sich zurück. Der Geschädigte überlebte den Angriff. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Der Bundesgerichtshof führte aus, dass vorliegend richtigerweise bedingter Vorsatz vom Landgericht angenommen wurde. Ein bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und ihn zudem billigt oder sich des erstrebten Zieles willen zumindest mit ihm abfindet. Es liegt bei besonders gefährlichen (Gewalt-)Handlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen, und – weil er mit seinem Handeln dennoch fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Eine hohe und überdies anschauliche konkrete Lebensgefährlichkeit der Tatausführung stellt somit auf beiden Vorsatzebenen das wesentliche auf bedingten Tötungsvorsatz hinweisende Beweisanzeichen dar. Die Annahme, dass der mit einem Messer in den besonders gefährdeten linken Brust-/Herzbereich des Geschädigten zustechende Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt habe, sei daher nicht zu beanstanden.

Anwalt für Strafrecht: Brandstiftung

In Fällen der Brandstiftung an Jagdhochsitzen kann zugunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, dass wegen der Größe und der damit einhergehenden Überschaubarkeit der Jagdhochsitze der Angeklagte zum Zeitpunkt der Inbrandsetzung eine Gefährdung von Menschen (nahezu) ausschließen konnte.

In seinem Urteil vom 08. September 2021 musste der Bundesgerichtshof (6 StR 174/21) beurteilen, ob Jagdhochsitze vom Begriff der Hütte im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) umfasst sind. Es handelt sich bei Hütten im Sinne der Norm um Bauwerke, bei denen an die Größe, Festigkeit und Dauerhaftigkeit geringere Anforderungen gestellt werden als bei Gebäuden, die aber dennoch ein selbstständiges, unbewegliches Ganzes bilden, das eine nicht völlig geringfügige Bodenfläche bedeckt und ausreichend abgeschlossen ist. Hierbei ist eine hinreichende Erdverbundenheit und damit praktizierte Immobilität erforderlich. Die Abgeschlossenheit als Voraussetzung bedarf dabei keine Verschlossenheit oder sonstige den Zutritt beschränkenden Vorrichtungen, sondern eine gegen äußere Einwirkungen genügend schützende dauerhafte und feste Begrenzung. Dabei kann diese abhängig vom Einzelfall auch bei nur zum Teil umschlossenen Räumen gegeben sein. Im vorliegenden Sachverhalt hat sich der Angeklagte aus Wut und Trauer über seine Abweisung aus der Jägerschaft in seinem Wohnort an dieser rächen wollen, indem er u. a. in sechs Fällen überdachte Jagdhochsitze anzündete, die völlig oder teilweise ausbrannten. Bei den hiesigen Jagdhochsitzen handelt es sich um unbewegliche Gebäude mit kleineren Abmessungen und damit um Hütten im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Sie verfügen über eine nicht unbeachtliche Bodenfläche und sind ferner nach oben durch ein Dach sowie nach allen Seiten durch Wände und Türen begrenzt. So können sie jeweils von zumindest zwei Personen betreten werden und zum Aufenthalt genutzt werden. Nebstdem besteht eine hinreichende Erdverbundenheit der Jagdhochsitze, weil sie entweder mittels einer Verankerung oder aufgrund ihres erheblichen Eigengewichts fest mit dem Erdboden verbunden sind. In Fällen der Brandstiftung an Jagdhochsitzen kann zugunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, dass wegen der Größe und der damit einhergehenden Überschaubarkeit der Jagdhochsitze der Angeklagte zum Zeitpunkt der Inbrandsetzung eine Gefährdung von Menschen (nahezu) ausschließen konnte. Mithin kann ein minder schwerer Fall der Brandstiftung gem. § 306 Abs. 2 StGB angenommen werden.

Anwalt für Strafrecht: Mord aus Heimtücke

Fährt jemand absichtlich auf eine stehende Fahrzeugkolonne auf, kann das Gericht nicht ohne Weiteres seinen Heimtücke-Vorsatz annehmen, wenn er spontan handelte und dabei unter Drogeneinfluss stand. Aufgrund des äußeren Tatgeschehens ließe sich zwar auf den Heimtücke-Vorsatz schließen, liegen jedoch Anhaltspunkte vor, die diesem Eindruck widersprechen, so muss dies in der Entscheidung gewürdigt werden.

In seinem Beschluss vom 21. Juli 2021 musste der Bundesgerichtshof (4 StR 53/21) bewerten, ob das Mordmerkmal der Heimtücke ausschließlich aufgrund des äußeren Tatgeschehens erfüllt sein kann. Im hiesigen Fall fuhr ein unter dem Einfluss von Cannabis stehender Mann spontan mit seinem Lkw in ein Stauende, um so einen aufsehenerregenden Unfall herbeizuführen. Ein Zeuge berichtete, dass der Angeklagte einen „sehr auffälligen“ Blick hatte und auf verbale Ansprache nicht reagierte. Das Landgericht verurteilte den Lkw-Fahrer unter anderem wegen versuchten Mordes aufgrund der Verwirklichung der Mordmerkmale „mit gemeingefährlichen Mitteln“ und „mit Heimtücke“. Gleichwohl soll dies nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht tragfähig belegt worden sein. Das Mordmerkmal der Heimtücke gem. § 211 Abs. 2 StGB setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen. Das Ausnutzungsbewusstsein kann im Einzelfall aus dem objektiven Bild des Tatgeschehens abgeleitet werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter „auf der Hand liegt“. Der Bundesgerichtshof wies darauf hin, dass aus dem Verhalten des Lkw-Fahrers nicht automatisch auf das Vorliegen eines Ausnutzens der Arg- und Wehrlosigkeit der Insassen in der Fahrzeugkolonne geschlossen werden kann. Aufgrund des Zustands des Lkw-Fahrers könne nicht ohne Weiteres davon auszugehen sein, dass er die Situation der Opfer „mit einem Blick“ erfasst hatte. Aus diesen Gründen hob der Bundesgerichtshof die verhängte Strafe auf und gab der Revision des Angeklagten in Teilen statt.

Anwalt für Strafrecht: Mord aus niedrigen Beweggründen

Eine Beschränkung des Rechtsmittels ist insoweit nur zulässig, wenn die Beschwerdepunkte nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbstständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen.

In seinem Urteil vom 30. September 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 170/21) damit auseinandersetzen, ob die Mordmerkmale der niedrigen Beweggründe und der Verdeckungsabsicht im konkreten Fall gleichzeitig angenommen werden können. In dem, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt handelte der Angeklagte mit Marihuana und lagerte 1.406 Gramm dessen zusammen mit einer halbautomatischen Selbstladepistole in seiner Wohnung. Als er bemerkte, dass Polizeibeamte seine Wohnung durchsuchen wollten, bewaffnete er sich mit seiner Pistole und gab auf den ersten in seine Wohnung vorrückenden SEK-Beamten zwei Nahschüsse ab, wovon eine den Beamten tödlich traf. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen, weil die Tat durch einen vom Angeklagten vor der Tat entwickelten Hass auf Polizeibeamte motiviert war. Eine Beschränkung der Revision der Staatsanwaltschaft auf die Frage der besonderen Schwere der Schuld gem. § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB kommt nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht in Betracht, weil sich im vorliegenden Fall die Prüfung des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht nicht von der Prüfung der niedrigen Beweggründe trennen lässt, da diese in Wechselwirkung stehen. Das Tötungsmotiv des Angeklagten sei allein die Zugehörigkeit des Polizeibeamten zu seiner Berufsgruppe, wobei die Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten als bloßer Anlass für die Umsetzung des bereits gefassten Tatentschlusses fungierte und dies insoweit gegen eine Verdeckungsabsicht spreche. Bei einer etwaigen Bejahung der Verdeckungsabsicht würde diese womöglich in Widerspruch mit den der niedrigen Beweggründe zugrundeliegenden Umstände geraten. Nebstdem führte der Bundesgerichtshof aus, dass die Verdeckungsabsicht ohnehin tragfähig vom Landgericht abgelehnt wurde, da der Angeklagte seinen Betäubungsmittelhandel bereits für aufgedeckt hielt. Aufgrund der unmittelbar bevorstehenden Durchsuchung war dem Angeklagten klar, dass seine illegale Tätigkeit, seine Identität und seine Wohnung als Fundort von Beweismitteln den Ermittlungsbehörden bekannt war; zumal er bereits zuvor mit der Möglichkeit gerechnet hatte, dass die Polizei auf ihn aufmerksam werden und versuchen könnte, seine Wohnung zu durchsuchen. Eine weitergehende verwerfliche Tatmotivation des Angeklagten, etwa aufgrund seines Sympathisierens mit der Reichsbürgerszene und der Leugnung des nationalsozialistischen Holocausts, hat das Schwurgericht nicht festgestellt. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten.