Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.

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Anwalt für Strafrecht: Sexueller Missbrauch eines Kindes

An einem Kind mit Körperkontakt vorgenommene Handlungen sind sexuelle Handlungen, wenn diese bereits objektiv die Sexualbezogenheit erkennen lassen. Hierbei ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt, auch die Zielrichtung des Täters.

Für eine Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, bedarf es einer sexuellen Handlung. In seinem Urteil vom 29. August 2018 (5 StR 147/18) beschäftigte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine an einem Kind vorgenommene Handlung, eine sexuelle Handlung darstellt.

Der Beschuldigte säuberte den Intimbereich der Betroffenen, obwohl diese zum damaligen Zeitpunkt schon in der Lage war, sich selbst zu säubern. Währenddessen fertigte er Fotoaufnahmen vom entblößten Intimbereich der Betroffenen an.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes ist eine sexuelle Handlung an einem Kind zum einen daran zu messen, ob  das äußere Erscheinungsbild der Tat, die Sexualbezogenheit erkennen lässt. Zum anderen können aber auch ambivalente Tätigkeiten, welche an sich keinen Sexualbezug erkennen lassen, tatbestandsmäßig sein. Dafür ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, welcher alle Umstände des Einzelfalles kennt, wozu auch die Zielrichtung des Täters zählt.

Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexuelle Nötigung

Ein Zungenkuss kann eine sexuelle Handlung im Sinne der sexuellen Nötigung gem. § 177 StGB darstellen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Betroffene in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Beschuldigten steht und in keiner sexuellen Beziehung zu diesem stand.

Bei der sexuellen Nötigung gem. § 177 StGB muss der Beschuldigte eine sexuelle Handlung vornehmen. Eine sexuelle Handlung ist eine Handlung, welche in Bezug auf das geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit ist. In seinem Beschluss vom 4. April 2017 (3 StR 524/16) stellte sich dem Bundesgerichtshof die Frage, ob ein Zungenkuss eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit darstellen kann. Der Beschuldigte versuchte die Betroffene zu küssen und ihr dabei die Zunge in den Mund zu stecken. Dies wurde durch die Betroffene durch zusammenpressen ihrer Lippen verhindert. Die Betroffene war Angestellte der Frau des Beschuldigten und befand sich in keiner sexuellen Beziehung zu diesem. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs stellte der versuchte Zungenkuss, mit Blick auf die Umstände des Einzelfalls, eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit dar. Hierfür spricht, dass die Betroffene in keiner sexuellen Beziehung zum Beschuldigten stand, von diesem wirtschaftlich abhängig war und dass der Beschuldigte versuchte mit seiner Zunge in den Mund der Betroffenen einzudringen. 

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Ein Feuerzeug, welches in der Hand gehalten wird, ist kein gefährliches Werkzeug im Rahmen einer gefährlichen Körperverletzung, wenn es den Körper des Betroffenen nicht berührt. Selbst dann nicht, wenn es zur Verstärkung des Schlages eingesetzt wird.

Mittels eines gefährlichen Werkzeugs begeht der Beschuldigte eine gefährliche Körperverletzung, wenn das Werkzeug unmittelbar auf den Körper des Betroffenen einwirkt. Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Beschluss vom 22. März 2017 (3 StR 475/16) damit zu befassen, inwiefern ein Gegenstand, welcher zur Verstärkung von Schlägen in die Hand genommen wird, ein Gefährliches Werkzeug darstellt. Der Beschuldigte schlug wiederholt auf den Betroffenen ein. Hierbei nahm er ein Feuerzeug in die Hand, um seine Schläge zu verstärken. Das Landgericht verurteilte den Beschuldigten wegen gefährlicher Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs erfolgte die Körperverletzung nicht mittels eines gefährlichen Werkzeugs. Es wurde nicht festgestellt, dass der Beschuldigte den Körper des Betroffenen mit dem Feuerzeug berührt hat. Deshalb war die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung rechtsfehlerhaft.

Fachanwalt für Strafrecht: Ablehnung eines Schöffen wegen Befangenheit

Die Ablehnung eines Schöffen, der in der Hauptverhandlung bei der Verlesung einer schriftlichen Einlassung des Angeklagten äußert, ob er den „Quatsch“ glaube, den er „hier“ erzähle, ist gerechtfertigt.

Richter und Schöffen können wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters bzw. Schöffen zu rechtfertigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH liegt ein solcher Grund vor, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann. Maßstab für die Beurteilung ist dabei ein vernünftiger bzw. ein verständiger Angeklagter.

In seinem Beschluss vom 6. März 2018 – 3 StR 559/17 hat der Bundesgerichtshof bestätigt, dass das Misstrauen ein Schöffe begründet ist, wenn der Schöffe in einer Hauptverhandlung bei der Verlesung einer schriftlichen Einlassung des Angeklagten äußert, ob er den „Quatsch“ glaube, den er „hier“ erzähle. Es handele sich nicht um eine hinnehmbare bloße Unmutsäußerung des Richters, da die Form der Äußerung grob unsachlich gewesen sei und der Schöffe mit seiner Bemerkung deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass er der Einlassung des Angeklagten nicht nur nicht folgen werde, sondern sie für vollkommen unsinnig halte.

Das Landgericht Potsdam hatte das Ablehnungsgesuch des Angeklagten zuvor als unbegründet abgelehnt. Das Urteil des Landgerichts, in dem der Angeklagte unter anderem wegen Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt wurde, hob der Bundesgerichtshof auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Potsdam.

Fachanwalt für Strafrecht: Notwendige Verteidigung

Die Bestellung eines Verteidigers kann wegen Schwierigkeiten der Sachlage geboten sein, wenn sämtliche Zeugen und Geschädigte Polizeibeamte sind und es weitere Beweismittel nicht gibt.

Im Strafrecht gibt es keine Prozesskostenhilfe, sondern nur das Institut der notwendigen Verteidigung. Die notwendige Verteidigung greift jedoch nur in den von § 140 StPO genannten Fällen, insbesondere bei einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von einem Jahr, dem Vollzug der Untersuchungshaft sowie Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage.

Das Landgericht Karlsruhe hat in einem aktuellen Beschluss vom 12. März 2018 – 3 Qs 16/18 entschieden, dass eine schwierige Sachlage auch bestehen kann, wenn der Angeklagte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, sämtliche in dem Verfahren zu erwartenden Zeugen und Geschädigte Polizeibeamte sind und weitere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen. Bei dieser Beweislage könne eine sachgerechte Verteidigung nur durch Kenntnis des gesamten Akteninhaltes gewährleistet werden, insbesondere um eventuelle Widersprüche in den Angaben der Belastungszeugen aufzuzeigen. Da eine umfassende Akteneinsicht aber nur dem Verteidiger gewährt wird, der dann den Akteninhalt mit seinem Mandanten bespricht, ging das Landgericht Karlsruhe hier von einem Fall der notwendigen Verteidigung aus und erklärte die Beschwerde des Angeklagten gegen die Ablehnung der Bestellung eines Pflichtverteidigers für begründet.

Fachanwalt für Strafrecht: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

Der selbständig befahrbare Bereich innerhalb einer Waschstraße gehört zum öffentlichen Straßenverkehr, sodass eine Unfallflucht auch begehen kann, wer beim Herausfahren aus der Waschstraße einen Unfall verursacht.

Eine Unfallflucht begeht, wer sich nach der Beteiligung an einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, ohne seiner Vorstellungs- oder Wartepflicht nachzukommen. Zum öffentlichen Straßenverkehr im Sinne des § 142 StGB gehören alle öffentlichen Straßen und alle sonstigen Verkehrsflächen, die der Benutzung durch jedermann oder einen bestimmten Personenkreis offen stehen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat mit seinem Urteil vom 4. Juni 2018 – 1 Ss 83/18 entschieden, dass auch der befahrene Bereich innerhalb einer Waschstraße zum öffentlichen Straßenverkehr gehört. Zur Begründung führte das OLG aus, dass grundsätzlich auch private Zufahrtswege, wie etwa Zu- und Ausfahrten eines Tankstellengeländes, zu dem öffentlichen Straßenverkehr gehören. Das Merkmal der Öffentlichkeit entfalle nur dann, wenn entweder durch die eindeutige Gestaltung der Anlage oder durch eine Einzelkontrolle der Zugang von vorneherein beschränkt sei. Die Benutzung einer Waschanlage stehe aber jedermann frei, sofern er nur das Entgelt hierfür entrichtet habe.

Der Angeklagten dürfte die Auslegung des Merkmals durch das OLG nicht gefallen. Sie war auf der falschen Seite im Bereich der Ausfahrt in die Waschanlage eingefahren und hatte dabei einen Schaden von 1.600,00 € versucht. Obwohl sie wusste, mit der Waschanlage kollidiert und möglicherweise einen erheblichen Schaden verursacht zu haben, fuhr die Angeklagte davon, ohne Angaben zu ihrer Person zu machen.

Anwalt für Sexualstrafrecht: Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen

Grundsätzlich stellt das Herunterreißen von Kleidung noch keine sexuelle Handlung im Sinne des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen dar.

Für eine Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs muss der Beschuldigte sexuelle Handlungen am Betroffenen vornehmen. Eine sexuelle Handlung ist eine Handlung, die im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit ist. Der Bundesgerichtshof setzte sich in seinem Beschluss vom 8. November 2016 (5 StR 431/16) damit auseinander, ob das Herunterreißen der Kleidung der Betroffenen eine sexuelle Handlung darstellt. Der Beschuldigte zog der minderjährigen Betroffenen, in der Absicht mit ihr Geschlechtsverkehr durchzuführen, das T-Shirt aus. Die Betroffene wehrte sich hiergegen, weshalb der Beschuldigte schließlich von seiner Absicht Abstand nahm. Das Landgericht verurteilte den Beschuldigten im Anschluss wegen sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs stellt alleine das Herunterreißen der Kleidung noch keine sexuelle Handlung dar. Etwas anderes gilt, wenn das gewaltsame Entblößen seinerseits mit einer vom Betroffenen zu duldenden sexuellen Handlung verbunden ist oder wenn sich der Täter nach vorausgegangener Gewaltanwendung durch ein mit körperlichen Berührungen verbundenes geduldetes Herunterreißen der Kleidung geschlechtliche Erregung verschaffen will. Dies war nicht ersichtlich. Folglich machte sich der Beschuldigte mangels sexueller Handlung nicht des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen strafbar.

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl, Besonders schwerer Fall des Diebstahls

Damit eine Sicherungsspinne als Schutzvorrichtung im Sinne des § 243 Abs. 1 StGB gewertet werden kann, muss ein Alarmsignal bei Durchtrennen des Drahtes der Sicherungsspinne abgegeben worden sein, um den Täter von der weiteren Tatbegehung abzuhalten.

Um eine Sicherungsspinne als Schutzvorrichtung zu qualifizieren und einen Fall des besonders schweren Diebstahls anzunehmen hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 26. Juni 2018 (1 StR 79/18) entschieden, dass es darauf ankommt, dass der Draht der Sicherungsspinne beim Durchschneiden ein Alarmsignal abgibt.

Ein besonders schwerer Fall des Diebstahls liegt vor, wenn der Angeschuldigte, neben der Verwirklichung des einfachen Diebstahls aus § 242 StGB, eins der in § 243 Abs. 1 StGB genannten Regelbeispiele verwirklicht. Ein besonders schwerer Fall des Diebstahls wird dann beispielsweise dadurch begangen werden, dass jemand eine Sache stielt, die durch eine Schutzvorrichtung besonders gesichert ist (Nr. 2). Schutzvorrichtungen im Sinne der Nr. 2 sind solche Vorrichtungen, die nach ihrer Beschaffenheit dazu geeignet und bestimmt sind, die Wegnahme einer Sache erheblich zu erschweren.

Vorliegend stand der Bundesgerichtshof vor der Frage, ob eine Sicherungsspinne als Schutzvorrichtung gewertet werden kann. Der Angeschuldigte hatte in einem Kaufhaus ein Tablet entwendet. Dazu schnitt er den Draht der Sicherungsspinne mit einem Messer durch, entfernte die Verpackung und steckte das Tablet ein. In einer solchen Konstellation hätte differenziert werden müssen, ob beim Durchschneiden des Drahtes ein Alarm ausgelöst worden wäre oder erst beim Verlassen des Kaufhauses. Wenn es beim Durchschneiden ein Alarmsignal gegeben hätte, könnte die Sicherungsspinne als Schutzvorrichtung gewertet werden. Das Landgericht hatte nicht festgestellt, ob ein Alarmsignal gegeben war. Dadurch war eine Überprüfung des Urteils durch den Bundesgerichtshof nicht möglich und führte zur Aufhebung.

Anwalt für Strafrecht: CS-Reizgasspray als gefährliches Werkzeug

CS-Reizgasspray ist ein gefährliches Werkzeug im Sinne eines besonders schweren Raubes.

Ein gefährliches Werkzeug, im Sinne eines besonders schweren Raubes ist ein Gegenstand, welcher nach der Art seiner Verwendung dazu geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen. Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Beschluss vom 27. Januar 2017 (1 StR 664/16) mit der Frage zu befassen, ob CS-Reizgasspray ein gefährliches Werkzeug darstellt. Der Beschuldigte schlug der Betroffenen die Brille runter, um ihr anschließend aus kurzer Entfernung CS-Reizgas direkt in die Augen zu sprühen. Anschließend nahm er die Handtasche und das Handy der Betroffenen an sich. Die Augen der Betroffenen waren stark gerötet, sie hatte Schmerzen und litt unter starkem Brechreiz. Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung CS-Reizgasspray stellt ein gefährliches Werkzeug dar. Dieses war nach der Art seiner Verwendung durch den Beschuldigten geeignet erhebliche Verletzungen zu verursachen. Der Beschuldigte machte sich deshalb des besonders schweren Raubes strafbar.

Anwalt für Strafrecht: Verhandlungsunfähigkeit

Ein Beschuldigter ist im strafprozessualen Sinne verhandlungsunfähig, wenn er bei Inanspruchnahme verfahrensrechtlicher Hilfen keine selbstverantwortliche Entscheidung über grundlegende Fragen seiner Verteidigung ausüben kann.

Der BGH befasste sich in seinem Urteil vom 04.07.2018 (5 StR 46/18) mit der Frage, ob ein Beschuldigter verhandlungsunfähig ist, wenn er aufgrund von Vorerkrankungen sprachliche Defizite aufweist und sein Lang- und Kurzzeitgedächtnis zeitlich eingeschränkt sind. Der Beschuldigte hat einen Schlaganfall erlitten und ist im Sprachverständnis sowie in der verbalen Ausdrucksmöglichkeit gestört. Trotz allem ist eine substantielle Kommunikation mit dem Beschuldigten möglich. Des Weiteren konnte er sich im Rahmen der Exploration mit dem Tatvorwurf inhaltlich auseinandersetzen. Nach der Auffassung des BGHs reicht es, dass der Beschuldigte seine Interessen zumindest zeitweilig mit Hilfe seines Verteidigers wahrnehmen kann. Eine Verhandlungsunfähigkeit liegt bei Einschränkungen der geistigen, psychischen oder körperlichen Fähigkeiten nicht vor, wenn die Auswirkungen der Einschränkungen auf die Wahrnehmung der Verfahrensrechte durch Hilfen ausreichend ausgeglichen werden können.