Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.

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Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Ein bedingter Tötungsvorsatz liegt zwar bei gefährlichen Gewalthandlungen nahe, trotzdem muss eine umfassende Prüfung durchgeführt werden.

In seinem Beschluss vom 13. Oktober 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (2 StR 327/22) mit dem bedingten Tötungsvorsatz auseinandergesetzt. Der Angeklagte im vorliegenden Fall, der unter einer paranoiden Persönlichkeitsstörung und einer psychischen und Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch leidet, tötete unter Alkoholeinfluss den Geschädigten nach einer Auseinandersetzung. Im Verlaufe dieser stach der Angeklagte dem Geschädigten mit einem Küchenmesser in den Hals und nahm seinen Tod  nach Auffassung des Landgerichts Frankfurt am Main billigend in Kauf. Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Beschluss daraufhin jedoch klar, dass es bei gefährlichen Gewalthandlungen zwar nahe liegt, dass der Täter mit der Möglichkeit, das Opfer könne dabei zu Tode kommen, rechnet und das in Kauf nimmt, jedoch ist auch in so einem Fall eine umfassende Prüfung beider Elemente des bedingten Tötungsvorsatzes erforderlich.

Anwalt für Strafrecht: versuchter Totschlag

Für die Freiwilligkeit beim Rücktritt ist das Vorstellungsbild des Täters, noch weitere Ausführungshandlungen ausführen zu können, entscheidend.

Wann ein strafbefreiender Rücktritt noch möglich ist, musste der Bundesgerichtshof (1 StR 330/22) in seinem Beschluss vom 16. November 2022 entscheiden. Im hiesigen Fall hat der obdachlose Angeklagte ein hochwertiges Fahrrad gestohlen. Als er danach vom Eigentümer gestellt worden war, holte er ein Messer aus seiner Bauchtasche und stach damit einen hinzukommenden Passanten 2 Mal in Richtung des Bauches. Der Angeklagte folgte dem wegrennenden Geschädigten mit dem Messer, kehrte dann aber um, um seine zurückgebliebenen Sachen zu sichern. Das Landgericht Ulm ist von einem fehlgeschlagenen Tötungsversuch ausgegangen und lehnte einen Rücktritt hab. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch in seinem Beschluss fest, dass sich die Verneinung eines strafbefreiendes Rücktritts als rechtsfehlerhaft erweist, da keine hinreichenden Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung getroffen wurden. Es erscheint demnach nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte nach seinem Vorstellungsbild den weglaufenden Zeugen noch hätte einholen können, was für die Freiwilligkeit des Rücktritts entscheidend ist. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils.

Anwalt für Strafrecht: Sexueller Übergriff nach § 177 Abs. 1 StGB

Geschlechtsverkehr, der heimlich ohne Kondom durchgeführt wurde, stellt einen sexuellen Übergriff dar.

Mit dem sogenannten „Stealthing“ musste sich der Bundesgerichtshof (3 StR 372/22) in seinem Beschluss vom 13. Dezember 2022 beschäftigen. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt wollten der Angeklagte und die Geschädigte einvernehmlichen Oralverkehr haben. Das Kondom, das der Angeklagte aus der Kommode holte, zog dieser jedoch heimlich nicht auf, sondern tat lediglich so. Das Landgericht Düsseldorf verurteilte den Angeklagten dafür wegen sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB. Auch der Bundesgerichtshof bestätigt, dass das Stealthing einen sexuellen Übergriff darstellt. In der Begründung heißt es, dass Geschlechtsverkehr unter Nutzung eines Kondoms und der ohne ein solches unterschiedliche sexuelle Handlungen darstellen und die Geschädigte in der konkreten Situation ungeschützten Geschlechtsverkehr ablehnte. Das war für den Angeklagten nach den näher dargelegten Umständen auch erkennbar.

Anwalt für Strafrecht: Sexueller Missbrauch von Kindern

Sexuelle Handlungen an einem Kind im Sinne des § 184 h Nr. 1 StGB liegen vor, wenn diese bereits objektiv eine Sexualbezogenheit erkennen lassen.

Mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 218/22) in seinem Beschluss vom 18. Januar 2023 beschäftigen. Der Angeklagte im hiesigen Fall küsste den geschädigten Jungen für wenige Sekunden auf den Mund und schlug ihm daraufhin mit der flachen Hand auf das Gesäß. Das Landgericht Hamburg nahm einen sexuellen Missbrauch an Kindern gem. § 176 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB an und auch der Bundesgerichtshof bestätigte dies in seinem Beschluss. Demnach mache sich nach § 176 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB strafbar, wer sexuelle Handlungen an einer Person unter 14 Jahren vornimmt. Sexuelle Handlungen nach § 184 h Nr. 1 StGB sind solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind. Der Zusammenhang von dem Kuss und dem Schlag auf den Po lässt vorliegend nach Auffassung des Bundesgerichtshofes die erforderliche Sexualbezogenheit erkennen. Auch die pädophilen Interessen und der Konsum von kinderpornographischen Bild- und Filmmateriellen belegten demnach die sexuelle Motivation der Handlungen des Angeklagten. Außerdem besteht zwischen dem Geschädigten und dem Angeklagten kein Vertrauensverhältnis, das die Handlungen als Ausdruck familiärer oder freundschaftlicher Zuneigung rechtfertigen könnte. Abschließend stellt der Bundesgerichtshof fest, dass die vorgenommenen Handlungen von einiger Erheblichkeit sind, da bei Kindern geringere Anforderungen zu stellen sind und es sich hierbei um keine unbedeutsame Berührung handelte.

Anwalt für Strafrecht: Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern

Die Strafbarkeit von sexuellen Handlungen vor einem Kind gem. § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB ist nach § 184 h Nr. 2 StGB auf solche Handlungen beschränkt, die vom Kind wahrgenommen werden.

Die Strafbarkeit von sexuellen Handlungen vor einem Kind gem. § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB ist nach § 184 h Nr. 2 StGB auf In seinem Beschluss vom 17. Januar 2023 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 216/22) mit dem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in kinderpornographischer Absicht beschäftigen. Die Angeklagte soll sich auf Anweisung ihres Liebhabers unter anderem vor ihren Kindern einen Massagestab in die Vagina eingeführt und dies gefilmt haben. Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Beschluss fest, dass die Strafbarkeit von sexuellen Handlungen vor einem Kind gem. § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB nach § 184 h Nr. 2 StGB auf solche Handlungen beschränkt ist, die vom Kind wahrgenommen werden. Zudem muss das Kind auch vom Täter in das sexuelle Geschehen mit einbezogen werden. In einigen Fällen liegen demnach dafür keine Anhaltspunkte vor, da die Kinder in den Videos nicht den Anschein machen, als würden sie das Geschehen wahrnehmen. Aus den Videos soll sich weder eine Wahrnehmung der sexuellen Handlungen durch die Kinder noch die handlungsleitende Bedeutung einer solchen Wahrnehmung für die Angeklagte ergeben, sodass der Schuldspruch für die hiesigen Fälle rechtsfehlerhaft ist.

 

Anwalt für Strafrecht: Raub

Die Wegnahme beim Raub ist vollzogen, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist.

In seinem Beschluss vom 4. Mai 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (6 StR 628/21) mit der Vollendung der Wegnahme beim Raub beschäftigen. Im hiesigen Fall brachen die Angeklagten in eine Wohnung ein, um Geld und Drogen zu stehlen. Beim Eintreten der Wohnung schlugen sie dem Geschädigten ins Gesicht und suchten die Beute. Einer der Angeklagten konnte jedoch in der Wohnung von Freunden und Familie des Angeklagten gestellt werden und der andere unten im Treppenhaus. Das Landgericht Magdeburg verurteilte die Angeklagten jeweils unter anderem wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. In der Revision führte die Staatsanwaltschaft aus, dass es sich dabei um einen vollendeten Raub und nicht um einen Versuch handelte. Auch der Bundesgerichtshof ist dieser Auffassung. Demnach hatten die als Mittäter handelnden Angeklagten das Gewahrsam an den Sachen des Geschädigten spätestens dann gebrochen und neu begründet, als einer der Angeklagten die Wohnung verlassen hatte und das Treppenhaus hinuntergelaufen war. Dass er das Haus nicht verlassen konnte, hinderte nicht die Vollendung der Tat, sondern nur die Beendigung dieser durch die Sicherung der Beute.

Anwalt für Strafrecht: Raub

Raub und räuberische Erpressung wird nach dem äußeren Erscheinungsbild des vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten abgegrenzt.

Mit der Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung musste sich der Bundesgerichtshof (6 StR 44/23) in seinem Beschluss vom 22. Februar 2023 auseinandersetzen. Die Angeklagten führten mehrere Überfälle durch. In einem Fall entnahm einer der Angeklagten Bargeld aus der Kasse einer Spielothek, die von einem Mitarbeiter entriegelt wurde, nachdem er vom anderen Angeklagten mit einer Waffe bedroht wurde. Bei einem weiteren Überfall an einer Tankstelle forderte einer der Angeklagten unter Vorhalt einer Schusswaffe die Herausgabe des Geldes. Die Mitarbeiterin der Tankstelle stellte daraufhin die Schublade mit Bargeld auf den Tresen. Das Landgericht Braunschweig wertete diese Fälle als besonders schwere räuberische Erpressung. Der Bundesgerichtshof sieht darin jedoch einen Raub. Demzufolge liegt ein Raub vor, wenn der Geschädigte gezwungen wird, die Wegnahme durch den Täter zu dulden. Wird er jedoch zur Vornahme einer vermögensschädigenden Handlung genötigt, ist eine räuberische Erpressung anzunehmen. Im vorliegenden Fall hat das mit den Waffen erzwungene Verhalten der Mitarbeiter nur eine Gewahrsamslockerung und keine Gewahrsamsübertragung zur Folge. Lediglich die Möglichkeit zur anschließenden Wegnahme wurde durch das Verhalten ermöglicht, sodass von einem Raub in beiden Fällen auszugehen ist.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Es ist nicht geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für die keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen.

In seinem Beschluss vom 25. Januar 2023 beschäftigte sich der Bundesgerichtshof (6 StR 163/22) mit dem möglichen Vorliegen von Mordmerkmalen. Im hiesigen Fall trennte sich die Nebenklägerin vom Angeklagten und zog mit der gemeinsamen Tochter aus dem Haus aus. Jedes zweite Wochenende wohnte die Tochter nach der Trennung beim Angeklagten. An einem dieser Wochenenden drückte der Angeklagte die gemeinsame Tochter mit Tötungsabsicht in die gefüllte Badewanne, sodass sie das Bewusstsein verlor. Daraufhin würgte er sie, bis der Tod des Kindes eintrat und unternahm anschließend einen Suizidversuch. Der Angeklagte wurde vom Landgericht Cottbus für diese Tat wegen Totschlags verurteilt. Die Ablehnung der Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe begegnen jedoch nach Auffassung des Bundesgerichtshofes durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Demnach sei die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte dem Tatopfer möglicherweise offen feindselig gegenübergetreten sei, ausschließlich spekulativ. Wenn sich eine Annahme jedoch nur als spekulativ erweist, kann sie auch nicht als Folge des Zweifelssatzes zu Gunsten des Angeklagten den Urteilsfeststellungen zu Grunde gelegt werden. Folglich halten die Erwägungen, mit denen die Voraussetzungen der Heimtücke verneint wurden, rechtlicher Prüfung nicht stand. Bezüglich der Ablehnung der niedrigen Beweggründe führt der Bundesgerichtshof aus, dass ein im vorliegenden Fall naheliegendes Motiv sei, dass der Angeklagte seine Ex-Frau durch die Tötung des Kindes bestrafen wollte. Dieses Motiv würde zum Vorliegen von niedrigen Beweggründen führen, womit sich das Landgericht jedoch nicht ausreichend beschäftigt hat.

Anwalt für Strafrecht: Bewaffnetes Handeltreibende mit Betäubungsmitteln

Einziehung von Tatmitteln

In seinem Beschluss vom 4. Januar 2023 musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 393/22) mit der Einziehung von Tatmitteln auseinandersetzen. Der Angeklagte im hiesigen Fall wurde wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Zudem traf das Landgericht Berlin eine Einziehungsentscheidung, die sich jedoch als rechtsfehlerhaft erweist. Neben den Betäubungsmitteln und Tatmitteln, wie einer Feinwaage und einem Baseballschläger, wurden auch verpackte Macheten und Messer eingezogen. In seinem Beschluss stellt der Bundesgerichtshof fest, dass es sich dabei nicht um Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 Hs. 2 StGB handelt, da sie nicht zur Vorbereitung oder Begehung der abgeurteilten Tat gebraucht wurden. Auch waren sie dafür nicht bestimmt. Aufgrund der Verpackung waren sie beim Handeltreiben mit den Betäubungsmitteln nicht griffbereit, sodass die Einziehung der noch verpackten Messer und Macheten keinen Bestand hat.

Anwalt für Strafrecht: Gefährdung des Straßenverkehrs

Eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben nach § 315c Abs. 1 StGB liegt vor, wenn die Tathandlung über die ihr innewohnenden latenten Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat.

Mit der Frage, wann von einer vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs auszugehen ist, musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 377/22) in seinem Beschluss vom 20. Dezember 2022 beschäftigen. Im hiesigen Fall führte der Angeklagte Kokain über die niederländisch-deutsche Grenze. An einer Ampel dachte er irrig, dass die Polizisten ihn kontrollieren wollen, beschleunigte daraufhin sein Fahrzeug und überfuhr die noch „rot“ zeigende Ampel über die Linksabbiegerspur. Dabei musste ein anderer Verkehrsteilnehmer eine Notbremsung vornehmen, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Dafür wurde er vom Landgericht Aachen unter anderem wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt. In seinem Beschluss führt der Bundesgerichtshof aus, dass es für die Verurteilung wegen Gefährdung des Straßenverkehrs zu einem sogenannten „Beinahe-Unfall“ kommen muss. Vorliegend wurden jedoch keine Feststellungen getroffen, die einen solchen belegen. So fehlt es an Darlegungen zu den gefahrenen Geschwindigkeiten, den Abständen zwischen den Fahrzeugen und der Intensität der Bremsung. Aufgrund dessen hält die Verurteilung revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.