Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.

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Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht

Das Leugnen der Tat stellt auch dann ein zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten dar, wenn dadurch der Tatverdacht gegen einen Mittäter wesentlich verstärkt wird.

Das Leugnen der Tat darf nicht zu Lasten des Angeklagten bewertet werden. Diesen Grundsatz hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Beschluss vom 22.07.2015 - 1 StR 323/15 noch einmal bestärkt, indem er ein Urteil des Landgerichts Ulm im Strafausspruch aufgehoben hat.
Das Landgericht hatte das Leugnen der Tat als rechtsfeindlich bewertet und das Leugnen des Angeklagten ausdrücklich zu seinen Lasten berücksichtigt. Nach ständiger Rechtsprechung darf ein solches Prozessverhalten aber nur dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn es nicht allein auf der Furcht vor Bestrafung beruht. Dies muss allerdings hinreichend festgestellt werden. Leugnet der Angeklagte die Tat, so stellt dies ein zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten dar, auch wenn durch sein Leugnen der Tatverdacht gegen einen anderen wesentlich verstärkt wird. Demzufolge kann das Leugnen für sich genommen nicht als Begründung einer entsprechenden rechtsfeindlichen Gesinnung herangezogen werden.

Anwalt für Strafrecht: Hausfriedensbruch

Im Falle eines Hausfriedensbruchs gem. § 123 StGB ist der Inhaber des Hausrechts der beeinträchtigten Räumlichkeiten strafantragsberechtigt, bei vermieteten Räumen also grundsätzlich der Mieter.

Der Angeklagte hatte sich aus Verärgerung über einen unpünktlich abgefahrenen Zug der Berliner S-Bahn Zutritt zu dem Bahnwärterhäuschen auf dem S-Bahnsteig verschafft und dort die Mitarbeiter bedrängt. Das Häuschen war zur Tatzeit an die S-Bahn Berlin GmbH vermietet. Vermieterin ist die DB Station und Service AG. Zur Einleitung des Strafverfahrens wegen Hausfriedensbruchs gem. § 123 StGB hat der zuständige Vertreter der DB Station und Service AG den erforderlichen Strafantrag gestellt. Das Amtsgericht Tiergarten und das Landgericht Berlin verurteilten den Angeklagten wegen Hausfriedensbruchs.
Mit Beschluss vom 03.08.2015 - (2) 161 Ss 160/15 (44/15) hat das Kammergericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt. In seiner Begründung führt das Kammergericht aus, dass der gestellte Strafantrag unwirksam ist und somit ein echtes Verfahrenshindernis besteht. Strafantragsberechtigt sei allein die Mieterin der beeinträchtigten Räumlichkeiten, hier also die S-Bahn Berlin GmbH. Denn grundsätzlich stehe allein dem Mieter das Hausrecht an den gemieteten Räumen zu, auch gegenüber dem Vermieter. Dementsprechend sei im Falle des Hausfriedensbruchs auch allein der Mieter strafantragsberechtigt.

Anwalt für Strafrecht: Urkundenfälschung

Für die Annahme des besonders schweren Falles der "gewerbsmäßigen" Urkundenfälschung ist es nicht erforderlich, dass die angestrebten Einnahmen unmittelbar aus der Urkundenfälschung resultieren. Vielmehr genügt für die Annahme der Gewerbsmäßigkeit bereits, dass die Urkundenfälschung eine notwendige Zwischenstufe für weitere gewinnbringende Handlungen ist.

Mit Beschluss vom 30.06.2015 - 4 StR 190/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine Rechtsprechung zur gewerbsmäßigen Urkundenfälschung bestätigt. Demnach kann eine Gewerbsmäßigkeit als besonders schwerer Fall der Urkundenfälschung im Sinne des § 267 Abs. 3 Nr. 1 StGB bereits dann angenommen werden, wenn sich aus der Urkundenfälschung selbst zwar keine unmittelbaren, aber zumindest mittelbare finanzielle Vorteile ergeben. Voraussetzung dafür ist, dass die Urkundenfälschung dazu dienen soll, durch andere Straftaten Gewinn erzielen zu können, also eine "notwendige Zwischenstufe" zu den gewinnbringenden Taten darstellt.

Anwalt für Strafrecht: Geldwäsche

Als "Gegenstand" der Geldwäsche ist auch ursprünglich legal erworbenes Geld anzusehen, wenn dieses mit einem nicht unerheblichen Teil solcher Gelder vermischt wurde, welche aus rechtswidrigen Taten im Sinne des § 261 Abs. 1 S. 2 StGB stammen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 20.05.2015 - 1 StR 33/15 klargestellt, dass durch Vermischung von "legal" und "illegal" erworbenem Geld auch das ursprünglich legal erworbene Geld zum "Gegenstand" der Geldwäsche im Sinne des § 261 StGB werden kann. Der Angeklagte hatte aus Betrugs- und Untreuetaten Geld erlangt. Um die Herkunft des Geldes zu verschleiern, überwies er dieses mit Hilfe der Mitangeklagten auf das gemeinsame Konto, auf das auch übrige Gelder der beiden Angeklagten eingezahlt wurden. Folglich vermischt sich auf diesem Konto das durch Straftaten erlangte Geld mit dem legal erworbenen Geld. Der Anteil des illegalen Geldes auf dem Konto betrug schließlich über 30 %. Der Angeklagte konnte über das gesamte Giroguthaben verfügen.

Der BGH hat in seinem Beschluss das gesamte Giroguthaben als "Gegenstand" der Geldwäsche, der aus Vortaten "herrührt", angesehen. Zur Begründung verweist er einerseits auf die Gesetzesmaterialien, aus denen sich eindeutig ablesen lasse, dass Vermögensgegenstände, die sowohl aus legalen als auch illegalen Quellen stammen, insgesamt als Gegenstände der Geldwäsche anzusehen seien. Auch sei es gerade Sinn und Zweck des Geldwäschetatbestandes (§ 261 StGB), den Zufluss illegaler Vermögensmassen in den legalen Finanzkreislauf zu verhindern, was ebenfalls für die Auffassung des BGH spricht. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Anteil illegaler Gelder an der gesamten Vermögensmasse nicht völlig unerheblich ist.

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl

Allein die vorherige Kenntnis von Diebstählen einer anderen Person und der Wille, diese als gemeinsame Taten anzusehen, begründen keine Mittäterschaft.

In seinem Beschluss vom 29.09.2015 - 3 StR 336/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Entscheidung des Landgerichts Mainz aufgehoben, durch die der Angeklagte wegen gemeinschaftlich begangenen besonders schweren Diebstahls verurteilt wurde. Der Angeklagte lagerte Beute, die der Mitangeklagte jeweils allein in einem Baumarkt entwendet hatte, bei sich zuhause und versuchte diese über Ebay zu verkaufen.
Der BGH beanstandete die Entscheidung mit der Begründung, dass allein die vorherige Kenntnis des Angeklagten von den Taten des Mitangeklagten und sein Wille, diese Taten als gemeinsame anzusehen, eine Mittäterschaft nicht begründen können. Zwar erfordert Mittäterschaft nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst. Auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt, kann ausreichend sein. Die Lagerung und Verwertung der Beute stellen jedoch nach Ansicht des BGH allenfalls Beteiligungshandlungen an den Diebstahlstaten des Mitangeklagten dar. Auf eine Tatherrschaft oder den Willen der Täterschaft könne dabei nicht geschlossen werden, da der Mitangeklagte die Taten allein und ohne Einfluss des Angeklagten begangen hatte.

Anwalt für Strafrecht: Erteilung eines Fahrverbots

Wer innerhalb eines Zeitraums von unter drei Jahren mehrere einfache Verkehrsverstöße begeht, kann mit einem einmonatigen Fahrverbot belegt werden.

Nach einem aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 17.09.2015 - 1 RBs 138/15 kann nicht nur bei Verkehrsstraftaten, sondern auch bei einfachen Ordnungswidrigkeiten ein Fahrverbot erteilt werden. Dies gilt allerdings nur, wenn mehrere einfache Ordnungswidrigkeiten innerhalb eines kürzeren Zeitraums begangen werden und sich dadurch die mangelnde rechtstreue Gesinnung des Betroffenen zeigt. Wann dies der Fall ist, soll von den Gerichten anhand der Anzahl der Vorverstöße, ihrem zeitlichen Abstand und ihrem Schweregrad beurteilt werden.
Das OLG Hamm hat damit die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen zurückgewiesen, dem ein einmonatiges Fahrverbot erteilt wurde. Er hatte drei Handyverstöße begangen und zweimal die zulässige Höchstgeschwindigkeit mit jeweils 22 km/h überschritten. Das Fahrverbot führt dazu, dass für die angeordnete Zeit ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr nicht geführt werden darf. Im Gegensatz zur Entziehung der Fahrerlaubnis bleibt bei einem Fahrverbot die Fahrerlaubnis selbst aber bestehen. Der Führerschein muss in dieser Zeit jedoch abgegeben werden.

Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht : Unwirksamkeit eines Eröffnungsbeschlusses

Will das Landgericht (große Strafkammer) das Hauptverfahren hinsichtlich einer weiteren Anklage eröffnen und diese mit dem laufenden Verfahren verbinden, so müssen an dem Eröffnungsbeschluss drei Berufsrichter mitwirken. Andernfalls ist der Eröffnungsbeschluss unwirksam.

Gegen den Angeklagten wurde ein Verfahren unter anderem wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vor dem Landgericht Frankfurt geführt. Nach Beginn der Hauptverhandlung teilte der Vorsitzende mit, dass das Verfahren mit einer weiteren gegen den Angeklagten anhängigen Sache verbunden werden soll. Zu diesem Zeitpunkt war die zuständige große Strafkammer mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt.
Diese Besetzung beanstandete der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil vom 20.05.2015 - 2 StR 45/14 und erklärte den Eröffnungsbeschluss des Landgerichts für unwirksam. Grund dafür ist, dass für die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens die Strafkammer zuständig ist, die auch außerhalb der Hauptverhandlung zu entscheiden hat. Dies ist gemäß § 76 Abs. 1 GVG die Kammer mit drei Berufsrichtern. Da Schöffen mangels Aktenkenntnis nicht das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts beurteilen können, dürfen sie am Eröffnungsbeschluss nicht mitwirken. Trifft die Strafkammer in einer Besetzung von zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens, so liegt nach dem Urteil des BGH ein schwerer Verfahrensfehler vor, der zur Unwirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses führt. Außerdem kann in diesem Fall in der Regel die nicht vorschriftsgemäße Besetzung des Gerichts gerügt werden, die als absoluter Revisionsgrund zur Aufhebung des Urteils führt.

Anwalt für Strafrecht: Misshandlung von Schutzbefohlenen

Ein Quälen im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB setzt neben dem Vorsatz nicht zusätzlich auch eine besonders böswillige Gesinnung oder Gefühllosigkeit voraus.

Mit Urteil vom 04.08.2015 - 1 StR 624/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt, dass ein "Quälen" im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB keine besonders verwerfliche Gesinnung oder eine besondere Gefühllosigkeit des Täters erfordert. Für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals ist es ausreichend, dass durch ein bestimmtes Verhalten länger andauernde oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder (auch seelische) Leiden verursacht werden.
Der Entscheidung lag die bewusst unterlassene medizinische Behandlung eines schwer kranken Jungen zugrunde. Dessen Eltern waren der Auffassung, die bei ihrem Sohn vorliegende Krankheit Mukoviszidose, welche eine umfangreiche und aufwendige medizinische Behandlung erforderte, würde sich auch durch regelmäßiges Meditieren und gesunde Ernährung heilen lassen. Der Abbruch der medizinischen Behandlung führte jedoch zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei dem Jungen, infolge dessen er auch starke Schmerzen sowie Atemnot erlitt. Obwohl die Eltern erkennbar nicht in gezielt böswilliger Absicht handelten, sah der BGH eine Quälerei im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB gegeben und verurteilte die Eltern zu mehrjährigen Haftstrafen.

Anwalt für Strafrecht: Falsche Verdächtigung

Wer dem Täter einer Ordnungswidrigkeit dabei hilft, die Tat zu verdecken, indem er sich selbst bei der Behörde als Täter bezichtigt, der macht sich wegen Beihilfe zu einer in mittelbarer Täterschaft begangenen falschen Verdächtigung strafbar.

In seinem Urteil vom 23.07.2015 - 2 Ss 94/15 hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart über das kollusive Zusammenwirken von zwei Personen gegenüber der Ordnungsbehörde bei zu schnellem Fahren entschieden. Die beiden Angeklagten hatten die Ordnungsbehörde bewusst in die Irre geführt, nachdem einer von ihnen beim zu schnellen Fahren geblitzt wurde. Der andere Angeklagte gab sich daraufhin gegenüber der Ordnungsbehörde als vermeintlicher Fahrer des Autos aus und sorgte so dafür, dass die Ordnungswidrigkeit für den tatsächlichen Fahrer verjährte. Das OLG Stuttgart bestätigte nun, dass sich derjenige, der sich in einem solchen Fall bei der Behörde wider besseren Wissens selbst bezichtigt, wegen Beihilfe zur falschen Verdächtigung gemäß §§ 164 Abs. 2, 27 Abs. 1 StGB strafbar macht. Die Selbstbezichtigung erfüllt zwar nicht den Tatbestand der falschen Verdächtigung, weil grundsätzlich eine andere Person verdächtigt werden muss. Indem man sich jedoch in Absprache mit der tatsächlich geblitzten Person als vermeintlicher Fahrer ausgibt, leistet man nach der Entscheidung des OLG Stuttgart aber einen Beitrag zur Beeinträchtigung der Rechtspflege. Man macht sich demnach wegen Beihilfe zu der vom Haupttäter in mittelbarer Täterschaft begangenen falschen Verdächtigung strafbar.

Anwalt für Strafrecht: Erteilung des letzten Wortes

Der Angeklagte verwirkt auch dann nicht sein Recht zur Ausübung des letzten Wortes, wenn er der Verhandlung zuvor eigenmächtig ferngeblieben ist.

In einem Strafprozess hat der Angeklagte das Recht des letzten Wortes. Bevor das Gericht die Beweisaufnahme schließt und sich zur Urteilsverkündung zurückzieht, muss dem Angeklagten die Gelegenheit zur Ausübung dieses Rechtes gegeben werden.
Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart vom 02.02.2015 - 1 Ss 6/15 gilt dies auch in den Fällen, in denen die Beweisaufnahme ohne den Angeklagten stattfinden musste, weil dieser sich zuvor eigenmächtig entfernt hatte. Ist der Angeklagte zur Urteilsverkündung wieder anwesend, so muss das Gericht ihm die Möglichkeit der Stellungnahme auch dann geben, wenn das Urteil schon besprochen und das Gericht zur Verkündung bereit ist. Dies gebietet die Stellung des Rechtes zur Ausübung des letzten Wortes im Strafprozess, das nicht durch das eigenmächtige Fernbleiben von der Hauptverhandlung verwirkt werden kann.