Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Mord

Das Tatopfer ist arglos, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten Angriff rechnet.

Mit dem Mordmerkmal der Heimtücke musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 81/22) in seinem Beschluss vom 5. April 2022 beschäftigen. Im vorliegenden Sachverhalt fand der Angeklagte Chat-Nachrichten mit sexuellem Inhalt, die seine Ehefrau mit einem anderen Mann austauschte. Daraufhin stellte er sie zur Rede und gab dann seinen über Jahre angestauten Aggressionen nach und erstach seine Ehefrau mit einem Küchenmesser. Anschließend würgte er sie, um den Eintritt des Todes zu beschleunigen. Das Landgericht München I verurteilte den Angeklagten wegen Mordes unter Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke. Die getroffenen Feststellungen tragen  nach Auffassung des Bundesgerichtshofes jedoch nicht das Mordmerkmal der Heimtücke. Bereits die Annahme einer Arglosigkeit in objektiver Hinsicht begegnet Bedenken, da im Gespräch zwischen den beiden klar wurde, dass sie von einer drohenden schweren tätlichen Auseinandersetzung ausging. Zudem lässt sich die Heimtücke nicht allein darauf stützen, dass der Angeklagte durch einen schnellen Messerstich seine Ehefrau überraschen wollte. Auch lässt sich die Heimtücke nicht dadurch begründen, dass der Angeklagte seine Ehefrau in den Hinterhalt locken wollte, da weder festgestellt ist, dass der Angeklagte das Messer vor Beginn des Gesprächs bereitlegte, um es dann einzusetzen, noch, dass er seine Ehefrau zum Sofa lockte, um sie dort zu erstechen.

Anwalt für Strafrecht: Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

Besitzen nach dem BtMG (Betäubungsmittelgesetz) setzt ein bewusstes tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis sowie Besitzwillen und Besitzbewusstsein voraus.

In seinem Beschluss vom 3. Mai 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 75/22) mit dem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auseinandersetzen. Die Angeklagte im hiesigen Fall wusste, dass ihr Freund größere Mengen Marihuana und Kokain in ihrer Wohnung zum gewinnbringenden Weiterverkauf vorrätig hielt und duldete es. Das Landgericht Stuttgart verurteilte die Angeklagte daraufhin wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch fest, dass die Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes an den Betäubungsmitteln sachrechtlicher Nachprüfung nicht standhält. Dazu erläutert er, dass Besitzen im Sinne des BtMG ein bewusstes tatsächliches innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis sowie Besitzwillen und Besitzbewusstsein voraussetzt, die darauf gerichtet sind, die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf das Betäubungsmittel zu erhalten. Die Angeklagte duldete die Betäubungsmittel in ihrer Wohnung aber lediglich und war insbesondere nicht befugt, über die Betäubungsmittel zu verfügen und hat dies auch nicht getan.

Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidigung

Um den Pflichtverteidiger aufgrund einer endgültigen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu wechseln, reicht es nicht aus, den bisherigen Verteidiger lediglich anzuzeigen.

In seinem Beschluss vom 5. Dezember 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 429/22) mit dem Verteidigerwechsel gem. § 143a StPO auseinandersetzen. Im vorliegenden Fall trug der Angeklagte vor, dass ein Verteidigerwechsel entscheidende Bedeutung für seine Ehre und Familie hätte und gegen seinen bisherigen Pflichtverteidiger bereits Strafanzeige gestellt habe. Der Bundesgerichtshof stellt jedoch fest, dass der Antrag unbegründet ist, da die Voraussetzungen für einen Pflichtverteidigerwechsel gem. § 143a Abs. 2 und 3 nicht vorliegen. Eine Störung des Vertrauensverhältnisses ist demnach aus Sicht eines verständigen Angeklagten zu beurteilen und von diesem oder seinem Verteidiger substantiiert darzulegen. Die Erstattung einer Strafanzeige ohne anschließende Begründung reicht nicht aus.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Bei der Bemessung der Jugendstrafe muss nach § 18 Abs. 2 JGG berücksichtigt werden, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.

In seinem Beschluss vom 21. Juli 2022 hat der Bundesgerichtshof (4 StR 177/22) erörtert, ob die Jugendstrafe im vorliegenden Fall richtig bemessen wurde. Der 19-jährige Angeklagte stach im hiesigen Fall einem anderen mit einem Messer in die Schulter und in den Rücken, der sich dabei lebensbedrohliche Rückenverletzungen zuzog. Das Landgericht Hagen verurteilte den Angeklagten dafür wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren. Der Bundesgerichtshof bestätigt, dass die Bemessung der Jugendstrafe den Erfordernissen von § 18 Abs. 2 in Verbindung mit § 105 Abs. 1 JGG genügt. Als Begründung führt er auf, dass die Bemessung der Jugendstrafe erfordert, das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abzuwägen, und dies vorliegend geschehen ist. Das Landgericht hat mehrfach auf die erforderliche erzieherische Wirkung abgestellt und die Umstände, die den Erziehungsbedarf des Angeklagten bestimmen, mit den Umständen abgewogen, die das Tatunrecht kennzeichnen.

Anwalt für Strafrecht: Auswechslung des Pflichtverteidigers

Eine Auswechslung des beigeordneten Pflichtverteidigers kommt nach § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Alt. 2 StPO in Betracht, wenn dieser auf Grund äußerlich veranlasster, von seinem Willen unabhängigen Umständen außerstande ist, eine angemessene Verteidigung des Angeklagten zu gewährleisten.

In seinem Beschluss vom 25. August 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (StB 35/22) mit der Frage auseinandergesetzt, wann eine Auswechslung des beigeordneten Pflichtverteidigers in Betracht kommt.  Im hiesigen Fall konnte der Beigeordnete nur an 7 der 15 Hauptverhandlungstermine, sodass der Vorsitzende des mit der Sache befassten Strafsenats ihn entpflichtete und einen anderen Pflichtverteidiger bestellte. Die daraufhin erhobene Beschwerde des Angeklagten ist unbegründet. Nach § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Alt. 2 StPO ist die Bestellung des Pflichtverteidigers unter anderem dann aufzuheben, wenn aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung gewährleistet ist. Auf den Willen des Angeklagten kommt es dabei nicht an.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung mit Todesfolge

Für die Annahme eines minder schweren Falls einer Körperverletzung mit Todesfolge reicht es aus, wenn der Täter durch die körperliche Misshandlung zu der eigenen Handlung hingerissen wurde.

In seinem Beschluss vom 9. März 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 21/22) mit dem minder schweren Fall einer Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 Abs. 2 StGB beschäftigen. Im hiesigen Fall wurde der Angeklagte vom Landgericht Traunstein wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. Ein minder schwerer Fall nach § 227 Abs. 2 StGB wurde verneint. Der Bundesgerichtshof stellt fest, dass zwar zu Recht die Ausführungen des § 213 StGB herangezogen wurden, der den minder schweren Fall des Totschlags regelt, jedoch sind diese nicht frei von Rechtsfehlern. Vorliegend packte der Geschädigte den Angeklagten am Kragen und schlug ihm mit der Faust auf die Brust, bevor der Angeklagte ihm mit einer Bratpfanne schlug. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes muss der Täter durch die körperliche Misshandlung nicht in einen Affekt im Sinne der §§ 20, 21 StGB versetzt worden sein, es reicht stattdessen aus, wenn er dadurch zu der eigenen Körperverletzungshandlung hingerissen wurde.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Ob ein heranwachsender Täter nach Erwachsenenstrafrecht oder nach Jugendstrafrecht verurteilt wird, hängt davon ab, ob er nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichsteht.

Im vorliegenden Beschluss vom 15. Mai 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (2 StR 433/20) mit der Frage beschäftigen, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewandt wird. Im hiesigen Fall wurde der 19-jährige Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung vom Landgericht Gera nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung jedoch nicht stand. Demnach wurden bei der Prüfung und Bewertung der Reife des Angeklagten wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen. Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass es für die Frage, ob der Angeklagte nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichsteht, darauf ankommt, ob er sich noch in einer für Jugendliche typischen Entwicklungsphase befindet. Dafür ist eine Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit notwendig.

Anwalt für Strafrecht: Geheimdienstliche Agententätigkeit

Um sich einer geheimdienstlichen Agententätigkeit nach § 99 StGB strafbar zu machen, ist eine Eingliederung in den organisatorischen Apparat des Geheimdienstes nicht zwingend notwendig.

In seinem Beschluss vom 31. März 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (AK 9/22) mit der geheimdienstlichen Agententätigkeit auseinandersetzen. Der Angeschuldigte im hiesigen Fall hat sich mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht, indem er in Deutschland für den türkischen Nachrichtendienst MIT verdeckt Informationen über Mitglieder und Unterstützer der Bewegung des islamischen Predigers Fethulla Gülen sammelte, um diese an den Geheimdienst weiterzuleiten. Das OLG Düsseldorf erachtete daher die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Angeklagten hat keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass eine geheimdienstliche Agententätigkeit ausübt, wer eine aktive Mitarbeit für einen fremden Nachrichtendienst entfaltet und dadurch seine Bereitschaft verwirklicht, sich funktionell in dessen Ausforschungsbestrebungen einzugliedern, ohne dass damit notwendigerweise eine Eingliederung in den organisatorischen Apparat des Geheimdienstes verbunden sein muss. Die Tätigkeit des Angeschuldigten war auch gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet, da für dieses Tatbestandsmerkmal eine Tätigkeit gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland ausreicht.

Anwalt für Strafrecht: Versuchter Totschlag

Eine Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB durch einen Eifersuchtswahn erfordert eine umfassende Würdigung der Befundtatsachen.

Mit der Frage, wann ein Eifersuchtswahn zur Schuldunfähigkeit führt, hat sich der Bundesgerichtshof (6 StR 470/21) in seinem Beschluss vom 18. Mai 2022 beschäftigt. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt entwickelte der Angeklagte die wahnhafte Idee, seine Ehefrau habe ein Verhältnis mit dem Nebenkläger. In Folge dieser Idee suchte der Angeklagte den Nebenkläger auf und stach ihm mit einem Messer in den Bauch. Dieser wurde durch den Angriff lebensgefährlich verletzt, konnte aber überleben. Nach dem Landgericht Saarbrücken lag darin ein versuchter Totschlag; es sprach den Angeklagten jedoch frei, da seine Steuerungsfähigkeit bei der Tat womöglich vollständig aufgehoben gewesen sei. Demnach könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte bei der Tat unter dem Bann seines „Eifersuchtswahns“ gestanden habe. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes hält die Schuldfähigkeitsprüfung rechtlicher Überprüfung in mehrfacher Hinsicht jedoch nicht stand. Zum einen sei es zu keiner umfassenden Erörterung und Würdigung der Befundtatsachen gekommen. Zum anderen ergibt sich aus dem Urteil nicht, ob der angenommene Eifersuchtswahn einer „wahnhaften psychotischen Störung“ der krankhaften seelischen Störung oder der schweren anderen seelischen Störung angehört, was jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht offenbleiben darf.

Anwalt für Strafrecht: Mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland

Für die Zulässigkeit einer Durchsuchung bedarf es keines hinreichenden Tatverdachts.

In seinem Beschluss vom 5. Oktober 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (StB 40/22) mit den Voraussetzungen für den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses beschäftigt. Gegen den Beschuldigten im hiesigen Fall wird ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland geführt und daher eine Durchsuchung der Person, der Wohnung und des Kraftfahrzeugs durchgeführt. Das eingelegte Rechtsmittel des Beschuldigten blieb erfolglos. Der Bundesgerichtshof erklärt in seinem Beschluss, dass für die Zulässigkeit einer Durchsuchung der auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist, genügt und kein hinreichender Tatverdacht nötig ist. Ein Behördenzeugnis, wie es im vorliegenden Fall vorliegt, kann diesen konkreten Verdacht begründen.