Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.

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Anwalt für Strafrecht: Strafverfahrensrecht / Pflichtverteidiger

Wird dem Angeklagten bei kurzfristiger Erkrankung des Pflichtverteidigers für einen Tag der Hauptverhandlung ein anderer Verteidiger bestellt, um einen Zeugen aus dem Ausland vernehmen zu können, ohne dass sich der Ersatzverteidiger in die Sache einarbeiten konnte, so stellt dies eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung dar.

In seinem Urteil vom 20. Juni 2013 - 2 StR 113/13 stellte der BGH fest, dass die Regeln der notwendigen Verteidigung nach §§ 140, 145 Abs. 1 StPO verletzt sein können, wenn bei kurzzeitiger Erkrankung des Pflichtverteidigers ein anderer Verteidiger bestellt wird, obwohl dem Gericht die Aussetzung der Hauptverhandlung möglich gewesen wäre.
Dazu führt der BGH aus, dass die grundsätzliche Entscheidung darüber, ob bei Ausbleiben des Verteidigers ein neuer Verteidiger beizuordnen oder die Hauptverhandlung auszusetzen oder zu unterbrechen ist, im Ermessen des Gerichts steht. Dafür sei entscheidend, ob der Strafverteidiger sich selbst für hinreichend vorbereitet hält, wobei das Gericht grundsätzlich nicht dazu berufen sei dies zu überprüfen. Lediglich in Fällen, bei denen der Verteidiger objektiv nicht genügend Zeit hatte sich vorzubereiten, gebiete die Fürsorgepflicht des Gerichts die Prüfung oder Aussetzung des Verfahrens.
Im zu verhandelnden Fall hatte der neue Verteidiger, trotz erheblichen Aktenumfangs, nur eine Stunde Zeit, um sich in das Verfahren einzuarbeiten. Da er sich aufgrund dieser kurzen Vorbereitungszeit nicht annähernd auf den Stand des Verfahrens bringen konnte, hätte das Gericht davon ausgehen müssen, dass die Verteidigung nicht mit der vom Gesetz verlangten Sicherheit geführt werden kann. Auch die Absicht, einem Zeugen aus dem Ausland die erneute Anreise zu ersparen, könne das rechtstaatlich gebotene Recht auf eine angemessene und effektive Verteidigung nach Art. 6 Abs. 3c EMRK nicht wirksam beschränken.

Anwalt für Strafrecht: räuberische Erpressung

Soll einer Prostituierten der Verzicht auf das vereinbarte Entgelt abgenötigt werden, so stellt dies nur dann eine versuchte schwere räuberische Erpressung dar, wenn die abgesprochene sexuelle Handlung zuvor einvernehmlich erbracht worden ist.

In seinem Beschluss vom 1. August 2013 stellte der Bundesgerichtshof fest, dass keine versuchte schwere räuberische Erpressung nach § 253 Abs. 1, §§ 255, 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB vorliegt, wenn einer Prostituierten der Verzicht auf das vereinbarte Entgelt vor einvernehmlicher Erbringung der abgesprochenen sexuellen Handlung abgenötigt werden soll. Zur Begründung führt der BGH an, dass die Erzwingung des Geschlechtsverkehrs ohne Entgelt keinen für § 253 Abs. 1 StGB erforderlichen Vermögenswert innehat, da jede bindende Verpflichtung zur Vornahme sexueller Handlungen mit dem Schutz der Menschenwürde unvereinbar ist. Daher könne allenfalls bei freiwillig erbrachten sexuellen Handlungen von einer durch die Rechtsordnung nicht missbilligten Dienstleistung und damit von einem Vermögensbestandteil gesprochen werden. Dem stehe auch das 2002 in Kraft getretene Prostitutionsgesetz (ProstG) nicht entgegen, nach dem eine Prostituierte erst dann eine rechtswirksame Forderung erwirbt, wenn die sexuelle Handlung gegen ein zuvor vereinbartes Entgelt vorgenommen wurde. Dem gegen den Willen der Prostituierten erzwungenen Geschlechtsverkehr sei vielmehr mit den Tatbeständen der sexuellen Nötigung (§§ 177, 240 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 Nr. 1) StGB entgegenzutreten.

Anwalt für Strafrecht: Ordnungswidrigkeit

Wird der im Straßenverkehr notwendige Sicherheitsabstand über mindestens 3 Sekunden oder um die Strecke von 140 m vorwerfbar unterschritten, so kann dies mit einem Bußgeld geahndet werden.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat mit seinem Beschluss vom 09.07.2013 - 1 RBs 78/13 die Grenzen für das bußgeldpflichtige Drängeln im Straßenverkehr verschärft.
Dazu führte es aus, dass es für die Ahndung eines Abstandverstoßes entscheidend auf eine nicht nur ganz vorübergehende Abstandsunterschreitung ankommt. Damit sollen Fälle, wie zum Beispiel das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder einen abstandsverkürzenden Spurwechsel eines vorausfahrenden Fahrzeugs, bei denen es zwar zu einem kurzzeitig geringen Abstand kommt, dem Nachfahrenden allerdings trotzdem keine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden soll, ausgeschlossen werden.
Bisher wurde die Frage, wann eine nicht nur ganz vorübergehende Abstandsunterschreitung vorliegt, in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Das OLG Hamm stellt hierzu in seinem Beschluss vor allem auf die zeitliche Komponente ab, nach der nun eine Abstandsunterschreitung für die Dauer von mehr als 3 Sekunden ausreichen soll, wenn vom Betroffenen nicht zu vertretende, zuvor erfolgte abstandsverkürzende Ereignisse, ausgeschlossen werden können. Eine länger andauernde Gefährdung des Straßenverkehrs durch Unterschreitung des gebotenen Sicherheitsabstandes sei nicht hinnehmbar und könne nicht mehr als vorübergehender Pflichtenverstoß bewertet werden.
Um allerdings besonders schnell fahrende Fahrzeugführer nicht zu privilegieren, soll nach Ansicht des OLG auch derjenige eine Ordnungswidrigkeit begehen, der auf einer Strecke von jedenfalls 140 m den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht einhält. Auch hier müsse allerdings der Ausschluss von abstandsverkürzenden Ereignissen, auf die der Betroffene nicht reagieren konnte, gewährleistet werden.

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Akteneinsichtsrecht in die Bedienungsanleitung von Geschwindigkeitsmessgeräten

Die Vorenthaltung der Bedienungsanleitung kann eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung nach § 338 Nr. 8 StPO darstellen.

Dies erfordere jedoch einen Antrag auf Akteneinsicht und Unterbrechung bzw. Aussetzung in der Hauptverhandlung und einen ablehnenden Gerichtsbeschluss.

Mit der Verfahrensrüge sei sodann vorzutragen, welche Tatsachen sich aus welchen genau bezeichneten Stellen der Akten ergeben hätten und welche Konsequenzen für die Verteidigung darauf gefolgt wären.

Sollte dies wegen des vorenthaltenen Aktenmaterials nicht möglich sein, weil dem Verteidiger die Akten nicht zugänglich gemacht worden sind, müsse der Verteidiger dartun, dass und wie er sich bis zum Ablauf der Frist zur Begründung der Verfahrensrüge weiter erfolglos um Einsichtnahme bemüht habe.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 07. Januar 2013 - 3 Ws(B) 596/12

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Anwalt für Strafrecht: Nötigung / Geldstrafe für einen erzwungenen Kuss

Ein Mann erzwang sich einen Kuss, indem er die Geschädigte zu sich zog, so dass sie ihm nicht mehr ausweichen konnte. Ist damit schon eine strafbare Nötigung erfüllt? Ja sagt das Gericht. Es sei ausreichend, wenn der Täter mit geringen körperlichen Kräften auf das Opfer einen unmittelbaren körperlichen Zwang ausübe.

Ein erzwungener Kuss kann eine strafbare Nötigung sein. Das hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden und damit die Revision des Angeklagten gegen ein Urteil des Amtsgerichts Essen als unbegründet verworfen. Das Urteil des Amtsgerichts, das den Angeklagten wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 2.000 ? verurteilt hatte, ist damit rechtskräftig.

Der 49-jährige Angeklagte aus Essen erteilte der Geschädigten Musikunterricht. Seine verbalen Annäherungsversuche wies die Geschädigte zurück und äußerte, dass sie so etwas nicht wolle. In einer Situation, in der sich beide frontal gegenüberstanden, zog der Angeklagte die Geschädigte zu sich hin, so dass sie ihm nicht mehr ausweichen konnte, und küsste sie auf den Mund.

In dem gegen ihn geführten Strafverfahren hat sich der Angeklagte unter anderem damit verteidigt, dass in seinem Verhalten keine strafbare Nötigung gesehen werden könne, weil er keine Gewalt ausgeübt und die Geschädigte während des Küssens nicht festgehalten habe.

Der 5. Strafsenat hat demgegenüber festgestellt, dass das Verhalten des Angeklagten den Tatbestand einer strafbaren Nötigung erfüllt. Der Angeklagte habe Gewalt angewandt, als er die Geschädigte zu seinem Körper herangezogen habe. Gewalt im Sinne des Nötigungstatbestandes liege bereits dann vor, wenn der Täter mit geringen körperlichen Kräften auf das Opfer einen unmittelbaren körperlichen Zwang ausübe. Diese Voraussetzungen seien erfüllt, indem der Angeklagte die Zeugin angefasst und zu sich herangezogen habe.

Mit der eingesetzten Gewalt habe der Angeklagte auch den Kuss erzwungen. Die Geschädigte habe ihren entgegenstehenden Willen zuvor deutlich geäußert, über diesen habe sich der Angeklagte vorsätzlich hinweggesetzt. Da die Nötigung vollendet gewesen sei, als die Geschädigte den Kuss habe erdulden müssen, komme es nicht darauf an, ob der Angeklagte die Geschädigte während des Kusses noch weiter festgehalten habe.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 26.02.2013 - III-5 RVs 6/13 -

www.verteidiger-berlin.info/docs/anwalt-strafrecht.php

Anwalt für Strafrecht: Untersuchungshaft gegen jugendlichen Einbrecher

Der Umstand, dass Vortaten des Beschuldigten bisher nur mit jugendgerichtlichen Zuchtmitteln geahndet worden sind, steht der Annahme einer "die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat", die für den hier nach § 112a StPO ergebenden Haftgrund erforderlich ist, nicht entgegen.

Dem 20-jährigen Beschuldigten wird vorgeworfen gemeinsam mit zwei unbekannt gebliebenen Personen in ein freistehendes Gehöft eingebrochen zu sein. Dazu sollen sie mit einem Vorschlaghammer ein Fenster des Wohnzimmers eingeschlagen haben und durch dieses Fenster in das Wohnzimmer eingestiegen sein. Dort sollen sie dem dort sitzenden 89-jährigen Geschädigten mit dem Vorschlaghammer gegen das rechte Bein geschlagen, ihn zu Boden gebracht und mit Kabelbinder an Händen und Füßen gefesselt haben.

Anschließend sollen sie das Haus durchsucht und u. a. eine Pistole, zwei EC- Karten und Bargeld in Höhe von ca. 8.000,00 ? entwendet haben. Der Geschädigte erlitt durch den Schlag mit dem Vorschlaghammer einen Bruch des Unterschenkels, der im Krankenhaus operativ versorgt werden musste. Der dringende Tatverdacht gegen den Beschuldigten ergab sich daraus, dass an den verwendeten Kabelbindern DNA-Spuren gefunden wurden, die ihm zugeordnet werden konnten.

Bereits im Vorfeld war der Beschuldigte wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in zwei Fällen und anderen Delikten zur Absolvierung eines sechsmonatigen Sozialen Trainingskurses sowie 20 Tagen gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Der Beschuldigte steht zudem in einem weiteren Verfahren in Verdacht, mit Mittätern einen Wohnungseinbruchsdiebstahl begangen zu haben.
Das Amtsgericht Bremen - Jugendgericht - hat gegen den 20-jährigen Beschuldigten mit Haftbefehl vom 10. September 2012 die Untersuchungshaft wegen des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO unter Bezugnahme auf die Verurteilung sowie das weitere Verfahren angeordnet.

Auf Antrag des Beschuldigten setzte das Amtsgericht Bremen mit Beschluss vom 23. Oktober 2012 den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug. Gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts Bremen legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein. Mit Beschluss verwarf das Landgericht die Beschwerde der Staatsanwaltschaft und hob gleichzeitig den Haftbefehl des Amtsgerichts Bremen auf. Zur Begründung führte das Landgericht an, dass der Haftbefehl schon deshalb keinen Bestand haben könne, weil der Beschuldigte in der Vergangenheit bislang nur zu erzieherischen Maßnahmen, nicht aber zu einer Jugendstrafe verurteilt worden sei.

Gegen den Beschluss des Landgerichts legte die Staatsanwaltschaft weitere Beschwerde vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) in Bremen ein.

Das OLG Bremen hat den Haftbefehl durch Beschluss vom 01. März 2013 wieder in Vollzug gesetzt. Zur Begründung hat das OLG ausgeführt, dass - entgegen der Auffassung des Landgerichts - der Umstand, dass Vortaten des Beschuldigten bisher nur mit jugendgerichtlichen Zuchtmitteln geahndet worden sind, der Annahme einer "die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat", die für den hier nach § 112a StPO ergebenden Haftgrund erforderlich ist, nicht entgegensteht.

Auch wenn die Voraussetzungen unter denen eine Jugendstrafe verhängt werden kann, andere sind und dort die Täterpersönlichkeit und der Erziehungsgedanke im Vordergrund stehen, dient die Haftanordnung nach § 112a StPO in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit.

Eine automatische Herausnahme derjenigen Straftaten aus den Haftgründen, die nur zu einer Ahndung mit jugendrichterlichen Zuchtmitteln geführt haben, gibt das Gesetz nicht her. Das würde im Übrigen dazu führen, dass der Schutz der Bevölkerung vor heranwachsenden Serienstraftätern nicht im gleichen Maße möglich wäre wie der Schutz vor erwachsenen Serienstraftätern. Insbesondere ist es für die Außenwirkung einer Tat und die Folgen für das Opfer in der Regel ohne Belang, ob die Tat von einem Heranwachsenden oder Erwachsenen begangen worden ist. Da hier auch die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begeht, war die Vollziehbarkeit des Haftbefehls anzuordnen.

Oberlandesgericht Bremen, Beschluss vom 01. März 2013

www.verteidiger-berlin.info/docs/anwalt-untersuchungshaft.php

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Umfahren einer roten Ampel

Eine Lichtzeichenanlage die für den Betroffenen Rotlicht zeigt, verbietet nicht, vor der Ampelanlage auf einen nicht durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich - im konkreten Fall eine Tankstelle - abzubiegen und nach Durchfahren dieses Geländes hinter der Ampel wieder in den durch sie geschützten Verkehrsraum einzufahren. Das gilt auch dann, wenn dieser Fahrvorgang der Umfahrung der Lichtzeichenanlage dient. Es liegt dann kein Rotlichtverstoß vor.

Der Betroffene war vom Amtsgericht wegen vorsätzlicher Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens eine Geldbuße von 200 Euro verurteilt worden. Zudem wurde gegen ihn wegen des vermeintlichen qualifizierten Rotlichtverstoßes ein einmonatiges Fahrverbot - unter Gewährung der sog. "Viermonatsfrist" - verhängt.

Nach den Feststellungen im amtsrichterlichen Urteil soll der Betroffene vor einer Kreuzung, an welcher die Ampel Rotlicht für ihn zeigte, nach links auf das Gelände einer im Eckbereich der beiden Straßen liegenden Tankstelle abgebogen sein. Er überquerte das Tankstellengelände und verließ dieses an der Ausfahrt, indem er in die anliegende Straße nach links einbog.

Im Grundsatz noch zutreffend ist der Ansatz des Amtsgerichts, dass das Umfahren einer Lichtzeichenanlage einen Rotlichtverstoß darstellen kann. Das Rotlicht der Verkehrssignalanlage ordnet ein "Halt vor der Kreuzung oder Einmündung" an. Es schützt den Querverkehr oder den einmündenden Verkehr, der für seine Fahrtrichtung durch Grünlicht der Signalanlage freie Fahrt hat und sich darauf verlassen darf, dass aus der gesperrten Fahrtrichtung keine Fahrzeuge in den geschützten Kreuzungs- oder Einmündungsbereich hineinfahren. Dadurch sollen solche Gefahrensituationen ausgeschlossen werden, die erfahrungsgemäß zu schweren Verkehrsunfällen führen können.

Zu dem durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich gehört der gesamte Kreuzungs- oder Einmündungsbereich, wobei außer der Fahrbahn auch die parallel verlaufenden Randstreifen, Parkstreifen, Radwege oder Fußwege diesem Bereich zuzuordnen sind. Auch der Bereich in einer Entfernung von 10 -15 m hinter der Lichtzeichenanlage gehört noch zum geschützten Bereich.

Vor diesem Hintergrund ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass derjenige, der die Fahrbahn vor einer für ihn Rotlicht zeigenden Ampelanlage verlässt und diese über den Gehweg, Randstreifen, Parkstreifen, Radweg oder eine Busspur umfährt, um hinter der Ampelanlage in dem durch sie geschützten Bereich wieder auf die Fahrbahn aufzufahren, sich eines Rotlichtverstoßes schuldig macht.

Gleiches gilt, wenn jemand auf einer Fahrbahn mit mehreren durch Leitlinien bzw. Fahrstreifenbegrenzungen und Richtungspfeile markierten Fahrstreifen mit jeweils eigener Lichtzeichenregelung auf der durch Grünlicht freigegebenen Geradeausspur in eine Kreuzung einfährt und nach Überfahren der Haltlinie auf den durch Rotlicht gesperrten Fahrstreifen für Linksabbieger wechselt.

Nicht immer eindeutig zu beurteilen ist hingegen das Überfahren einer roten Ampel bei noch rechtzeitigem Anhalten vor der eigentlichen Kreuzung. Fährt der Fahrzeugführer beispielsweise bei Rot über eine Ampel, hält er aber noch vor der eigentlichen Kreuzung an, so kann ihm nur ein Vorwurf wegen des Nichtbefolgens eines durch ein Vorschriftszeichen angeordnetes Ge- oder Verbot gemacht werden. Ein solcher Verstoß ist aber dann als Rotlichtverstoß schwer zu widerlegen, wenn die eingesetzte Rotlichtüberwachungskamera nur ein Foto von dem Rotlichtverstoß anfertigt, welches nur das Überfahren der Haltelinie im Kreuzungsbereich anzeigt, möglicherweise aber nicht das noch rechtzeitige Halten vor der eigentlichen Kreuzung.

Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 02. Juli 2013 (1 RBs 98/1) verbietet das Rotlicht dagegen nicht, vor der Ampelanlage abzubiegen und einen nicht durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich zu befahren, etwa auf einen Parkplatz oder - wie hier - ein Tankstellengelände einzufahren. Ebenso wenig untersagt es, von einem nicht durch die Signalanlage geschützten Bereich auf den hinter dieser, durch sie also geschützten Verkehrsraum zu fahren; denn das Rotlicht wendet sich selbstverständlich nur an denjenigen Verkehrsteilnehmer, der es - in seiner Fahrtrichtung gesehen - vor sich findet.

Mit einer solchen Vorgehensweise nutzt der Verkehrsteilnehmer lediglich eine Lücke, die es ihm ermöglicht, sich außerhalb der Reichweite des Haltegebots fortzubewegen. Das auch ansonsten zulässige und nicht bußgeldbewehrte Verhalten des Auffahrens und Verlassens eines Privatgrundstücks wird nicht dadurch zur Ordnungswidrigkeit, dass es durch die Vermeidung des Anhaltens vor einer Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage motiviert ist. Die oben geschilderte Gefährdungslage ist bei einer solchen Verhaltensweise nicht gegeben. Vielmehr ist lediglich die Gefährdungslage des - grundsätzlich aber erlaubten - Ein- und Ausfahrens auf ein bzw. von einem Privatgrundstück gegeben, die aber durch die Wechsellichtzeichenanlage nicht vermindert werden soll.

Soweit in der Vergangenheit durch einzelne Gerichte entschieden worden ist, dass aber das gezielte Umfahren einer Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage wegen der Zielgerichtetheit gleichwohl einen Verstoß darstellt, kann dem aus den oben genannten Gründen nicht gefolgt werden.
Auch ein Verstoß gegen das Gebot der Fahrbahnbenutzung kann in der Verhaltensweise des Betroffenen nicht gesehen werden. Ein Kraftfahrer, der vor einer Straßenkreuzung die Fahrbahn verlässt, um über ein neben der Straße gelegenes Tankstellengelände die Querstraße schneller zu erreichen, verstößt nicht deshalb gegen das Gebot der Fahrbahnbenutzung, weil er dazu den Gehweg überqueren muss.

Diese Entscheidung wurde mitgeteilt von Rechtsanwalt Dietrich. Rechtsanwalt Dietrich ist Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin Kreuzberg. Er verteidigt Betroffene gegen strafrechtliche und verkehrsrechtliche Vorwürfe.

Weitere Informationen zum Verkehrsrecht finden Sie unter:

www.verkehrsrechtskanzlei-berlin.info

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Beweisverwertungsverbot einer Blutprobe

Die Unzulässigkeit der Beschlagnahme einer im Zuge einer Behandlung im Krankenhaus entnommenen Blutprobe führe nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.

Die durch die Auswertung der Blutprobe gewonnene Erkenntnis - hier die Blutalkoholkonzentration - gehöre nicht zum Kernbereich privater Lebensgestaltung und entstamme auch nicht dem besonders vertraulichen Arzt-Patienten-Gespräch. Sie sei schließlich auch über eine Anordnung nach § 81a StPO zu erzielen.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 21. September 2011 - 3-91/11

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Recht auf Akteneinsicht und Sachverständigengutachten im OWi-Verfahren

Ein Antrag auf Beiziehung der Bedienungsanleitung für das Geschwindigkeitsmessgerät und Einholung eines Sachverständigengutachtens, in dem konkrete Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen des Messgerätes oder die Nichteinhaltung der für das Gerät geltenden Bedienungsanleitung vorgetragen werden, könne kaum ohne Verletzung der Aufklärungspflicht zurückgewiesen werden.

Jedenfalls muss sich der ablehnende Beschluss oder das Urteil detailliert dazu verhalten, weshalb von der Beweiserhebung keine weitere Aufklärung zu erwarten gewesen wäre.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 10. April 2013 - 3 Ws(B) 158/13

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

Die Urteilsgründe müssen im Falle einer Verurteilung nach § 142 StGB wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort mit der gebotenen Klarheit erkennen lassen, dass der Angeklagte die Erheblichkeit des Schadens erkannt hat oder dies für möglich hielt, nicht aber ob er den Schaden hätte erkennen können.

Entscheidend seien die Vorstellungen vom Umfang des Schadens.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 23. März 2012 / Beschluss vom 21. Dezember 2011 - 3-127/11

Ein völlig belangloser Schaden schließe jedoch bekanntlich den Tatbestand des § 142 StGB aus. Dies gelte auch bei ganz geringfügigen Beeinträchtigungen der körperlichen Integrität. Geringfügige Hautabschürfungen genügen ebenso wenig wie alsbald vergehende Schmerzen.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 03. Dezember 2012 - 3-160/12