Anwalt für Strafrecht: Mord aus Heimtücke

Fährt jemand absichtlich auf eine stehende Fahrzeugkolonne auf, kann das Gericht nicht ohne Weiteres seinen Heimtücke-Vorsatz annehmen, wenn er spontan handelte und dabei unter Drogeneinfluss stand. Aufgrund des äußeren Tatgeschehens ließe sich zwar auf den Heimtücke-Vorsatz schließen, liegen jedoch Anhaltspunkte vor, die diesem Eindruck widersprechen, so muss dies in der Entscheidung gewürdigt werden.

In seinem Beschluss vom 21. Juli 2021 musste der Bundesgerichtshof (4 StR 53/21) bewerten, ob das Mordmerkmal der Heimtücke ausschließlich aufgrund des äußeren Tatgeschehens erfüllt sein kann. Im hiesigen Fall fuhr ein unter dem Einfluss von Cannabis stehender Mann spontan mit seinem Lkw in ein Stauende, um so einen aufsehenerregenden Unfall herbeizuführen. Ein Zeuge berichtete, dass der Angeklagte einen „sehr auffälligen“ Blick hatte und auf verbale Ansprache nicht reagierte. Das Landgericht verurteilte den Lkw-Fahrer unter anderem wegen versuchten Mordes aufgrund der Verwirklichung der Mordmerkmale „mit gemeingefährlichen Mitteln“ und „mit Heimtücke“. Gleichwohl soll dies nach Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht tragfähig belegt worden sein. Das Mordmerkmal der Heimtücke gem. § 211 Abs. 2 StGB setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen. Das Ausnutzungsbewusstsein kann im Einzelfall aus dem objektiven Bild des Tatgeschehens abgeleitet werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter „auf der Hand liegt“. Der Bundesgerichtshof wies darauf hin, dass aus dem Verhalten des Lkw-Fahrers nicht automatisch auf das Vorliegen eines Ausnutzens der Arg- und Wehrlosigkeit der Insassen in der Fahrzeugkolonne geschlossen werden kann. Aufgrund des Zustands des Lkw-Fahrers könne nicht ohne Weiteres davon auszugehen sein, dass er die Situation der Opfer „mit einem Blick“ erfasst hatte. Aus diesen Gründen hob der Bundesgerichtshof die verhängte Strafe auf und gab der Revision des Angeklagten in Teilen statt.

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