Anwalt für Strafrecht: Rechtsfehlerhaftes Urteil bei mehreren Sachverhaltsalternativen

Ein Urteil ist nicht rechtsfehlerhaft, wenn aus den Umständen einer Tat mehrere Schlüsse gezogen werden können und das Tatgericht sich für eine Sachverhaltsinterpretation entscheidet. Die Schlüsse, die das Gericht aus dem Sachverhalt zieht, müssen lediglich möglich und nicht zwingend gewesen sein.

Die Beweiswürdigung obliegt dem Tatrichter. Wenn das Tatgericht somit Zweifel daran hat, ob der subjektive Tatbestand des Beschuldigten vorliegt, so hat das Revisionsgericht diese Zweifel hinzunehmen. Alleine das Tatgericht macht sich unter Eindruck der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von der Schuld des Beschuldigten. Das Revisionsgericht beschränkt sich darauf zu prüfen, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Rechtfehler liegen zum Beispiel vor, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist sowie wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungswerte verstößt. In seinem Urteil vom 16. Juni 2014 – 3 StR 154/14 befasste sich der Bundesgerichtshof damit, ob die Beweiswürdigung eines Tatrichters in der Revision als rechtsfehlerhaft anzusehen ist, wenn aus den Tatumständen auch andere Schlüsse als die des Tatgerichts gezogen werden können. Im vorliegenden Fall nahm das Landgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung an, der Beschuldigte habe die Tat heimtückisch begangen, obwohl es Zweifel hatte, dass sich der Beschuldigte der Betroffenen so näherte, dass er sie mit seinem Angriff überraschen konnte. Hiergegen führte die Revision unter anderem an, dass der Beschuldigte den Tatentschluss spontan fasste, die Tatbegehung nicht geplant hat und insbesondere aufgrund einer Persönlichkeitsstörung nicht das für Heimtücke erforderliche Ausnutzungsbewusstsein hatte. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs wäre es zwar möglich gewesen aus den Tatumständen andere Schlüsse zu ziehen, jedoch reicht es, wenn die vom Tatgericht gezogenen Schlüsse möglich sind, sie müssen nicht zwingend gewesen sein. Somit war die Beweiswürdigung des Tatgerichts nicht rechtsfehlerhaft.

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