Anwalt für Strafrecht: Freiheitsberaubung durch Unterlassen

Ein verantwortlicher Polizeibeamter, welcher einen in Gewahrsam befindlichen Betroffenen trotz möglicher Vorführung, nicht dem gesetzliche Richter vorführt, macht sich nicht wegen Freiheitsberaubung durch Unterlassen strafbar, wenn der Richter den Gewahrsam jedenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angeordnet hätte

Der Bundesgerichtshof hatte sich in seinem Urteil vom 4. September 2014 (4 StR 473/13) mit der Frage zu befassen, inwiefern sich ein Polizeibeamter, welcher einen in Gewahrsam befindlichen Betroffenen nicht dem gesetzlichen Richter vorführt, wegen Freiheitsberaubung durch Unterlassen strafbar macht. Als sog. „Beschützergaranten“ obliegt dem verantwortlichen Polizeibeamten eine Erfolgsabwendungspflicht, bezüglich dem Betroffenen in Gewahrsam unverzügliche Vorführung beim zuständigen Richter zu veranlassen bzw. unverzüglich dessen Entscheidung über die Fortdauer des Gewahrsams herbeizuführen. Für eine Strafbarkeit wegen Unterlassen, muss das Unterlassen der tatbestandlichen Handlung jedoch „quasikausal“ für den Eintritt der Freiheitsentziehung gewesen sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Freiheitsentziehung beim Hinzudenken der gebotenen Handlung entfiele, ob also die gebotene Handlung die Freiheitsentziehung verhindert hätte. Der Beschuldigte in dem, dem Urteil des BGHs zugrunde liegenden Sachverhalt, war zum Zeitpunkt der Ingewahrsamnahme des Betroffenen Dienstgruppenleiter und hatte die Verantwortung dafür, dass die zulässige Dauer der Freiheitsentziehung nicht überschritten wird. Der Betroffene wurde nach Ingewahrsamnahme, trotz möglicher Vorführung bei einem Richter, nicht vorgeführt. Nach Auffassung des Bundesgerichthofs machte sich der Beschuldigte jedoch nicht wegen Freiheitsberaubung durch Unterlassen strafbar. Da die gebotene Handlung des Beschuldigten bei Fortführung des Gewahrsams das Veranlassen der unverzüglichen Vorführung des Betroffenen beim zuständigen Richter bzw. das unverzügliche Herbeiführen von dessen Entscheidung war, entfällt die Kausalität, wenn diese Handlung vorgenommen worden wäre und der Richter den Gewahrsam jedenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angeordnet hätte.

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