Urteile und Entscheidungen im Strafrecht
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Anwalt für Strafrecht: Heimtückische Tötung
In seinem Beschluss vom 06. Januar 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 288/20) mit der Frage befassen, ob eine heimtückische Tötung auch dann vorliegt, wenn eine gewisse Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff liegt. Im vorliegenden, dem Beschluss des Bundesgerichtshofes zugrunde liegenden Sachverhalt kam es zu einem zufälligen Treffen zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten, bei dem der Angeklagte aus nicht feststellbaren Gründen in erhebliche Wut auf den Geschädigten geriet und auf ihn zu rannte, um ihn anzugreifen. Der Geschädigte erkannte dies und floh. Allerdings holte der Angeklagte den Geschädigten ein und schlug ihn zu Boden. Im Anschluss stach der Angeklagte mindestens viermal auf den Oberkörper des Geschädigten mit einem Messer ein, um ihn zu töten. Der Geschädigte starb später an den ihm zugefügten Verletzungen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes liegt das Merkmal einer Heimtücke hier nicht vor, da eine Arglosigkeit als Voraussetzung nicht erfüllt ist. Das Opfer kann zwar auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen. Gleichwohl geschah der erste mit Tötungsvorsatz geführte Angriff im hiesigen Fall erst, als der Angeklagte den Geschädigten zu Boden gebracht hatte. Zu diesem Zeitpunkt war der Geschädigte nicht mehr arglos, da die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem mit Tötungsvorsatz geführten Angriff nicht so kurz war, dass dem Opfer angesichts der Fluchtmöglichkeit und anwesender Zeugen keine Möglichkeit blieb, dem Angriff zu begegnen.
Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung durch Verabreichung von Alkohol
In seinem Beschluss vom 18. Februar 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 437/20) mit der Frage befassen, ob die Verabreichung von Alkohol durch einen Dritten eine Körperverletzung darstellt. Im hiesigen, dem Beschluss des Bundesgerichtshofes zugrunde liegenden Sachverhalt schenkte der Angeklagte einer Fünfzehnjährigen immer wieder Wein nach, was sie auch mitbekam. Im Anschluss schenkte er ihr heimlich – mindestens einmal – Wodka in ihr nichtalkoholisches Getränk. Die Zeugin war am Ende des Abends erheblich betrunken, hatte Schwierigkeiten beim Gehen und bei der Artikulation, und musste sich zuhause übergeben. Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass eine Gesundheitsschädigung i. S. d. § 223 StGB auch in der Herbeiführung eines Rauschzustandes liegen kann, wenn der Rausch etwa zur Bewusstlosigkeit führt oder der Betroffene sich übergeben muss. Allerdings erfüllt das Nachschenken von Wein in das Weinglas der Zeugin den Tatbestand einer Körperverletzung nicht, da der Zeugin insoweit bewusst war, dass sie Alkohol zu sich nahm, weshalb lediglich eine Förderung der eigenverantwortlichen Selbstschädigung durch einen Dritten vorliegt. Diese wird erst dann strafbar, wenn der Dritte aufgrund überlegenen Sachwissens das Risiko besser erfasst als der sich selbst Gefährdende. Zudem sei fraglich, ob das heimliche Zuführen des Wodkas tatsächlich den bereits zuvor eingetretenen, eigenverantwortlich herbeigeführten Rauschzustand der Zeugin maßgebend verstärkte und daher mitursächlich für ihre späteren rauschbedingten Beeinträchtigungen war.
Anwalt für Strafrecht: Tätige Reue bei besonders schwerer Brandstiftung
In seinem Beschluss vom 27. Mai 2020 musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 118/20) mit der Frage befassen, ob die tätige Reue gem. § 306 e Abs. 1 StGB auf die Qualifikation des § 306 b Abs. 2 Nr. 1 StGB analog angewendet werden kann. Im vorliegenden, dem Beschluss des Bundesgerichtshofes zugrunde liegenden Sachverhalt verabredeten sich der Angeklagte und die Geschädigte, sich gemeinsam das Leben zu nehmen. Hierfür setzte der Angeklagte den Innenraum seines Wohnwagens, in dem sich die beiden aufhielten, in Brand. Die Flammen breiteten sich binnen kürzester Zeit aus und versperrten den Fluchtweg. In dieser Situation beschloss der Angeklagte, die Geschädigte und sich zu reden. Da das Feuer im hiesigen Fall bereits weit fortgeschritten war und der Angeklagte die Geschädigte nur noch durch das Verbringen aus dem Wohnwagen aus der bestehenden Todesgefahr bringen konnte, mithin die effektivste Möglichkeit zur Gefahrbeseitigung gewählt hatte, sei es nach Auffassung des Bundesgerichtshofes sachgerecht, den § 306 e StGB analog anzuwenden.
Anwalt für Strafrecht: Verwenden eines gefährlichen Tatmittels beim schweren Raub
Mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer bei einem Raub eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet. In seinem Beschluss vom 08. April 2020 stellte der Bundesgerichtshof (3 StR 5/20) fest, dass das Tatbestandsmerkmal des Verwendens einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne eines schweren Raubs auch dann erfüllt ist, wenn die opferseitige Wahrnehmung des Tatmittels akustisch oder taktil erfolgt, und nicht visuell. Das optische Vorzeigen ist nur eine von mehreren Möglichkeiten des Täters, das Opfer auf sein gefährliches Werkzeug aufmerksam zu machen und es damit zu bedrohen, so dass das Opfer von einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben ausgeht. Auf welche Weise oder durch welchen Körpersinn er seinem Gegenüber die Bewaffnung vermittelt, ist für die Herbeiführung der qualifizierten Zwangslage im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht entscheidend. Der Wortlaut der Vorschrift enthält keine Einschränkung auf Fälle, in denen das Opfer das Tatwerkzeug visuell wahrnimmt. „Verwenden“ bedeutet „sich bedienen/sich zu Nutze machen“ und bezeichnet eine Mittel-Zweck-Relation, aber keine konkrete Art und Weise der Benutzung.
Anwalt für Strafrecht: Diebstahl
Wegen einem versuchten Diebstahl macht sich strafbar, wer unmittelbar zur Tat ansetzt. In seinem Beschluss vom 18. Mai 2020 (2 WS 161/20) musste sich das Oberlandesgericht Köln damit auseinandersetzen, wann bei dem sog. „Cash Trapping“ unmittelbar zum Versuch angesetzt wird. Beim „Cash Trapping“ bringt der Täter an dem Geldausgabeschacht eines Geldautomaten ein mit Klebestreifen versehenes Metallprofil an. Wenn der Kunde den Geldautomaten dann nutzt, wird das Geld nicht ausgegeben, sondern bleibt an den Klebestreifen haften. Entfernt sich der Kunde sodann von dem Geldautomaten, kann der Täter, der in der Nähe gewartet hat, wieder zu dem Geldautomaten gehen und das Geld an sich nehmen. In dem vorliegenden Fall hatten die Kunden in drei Fällen den jeweiligen Geldautomaten genutzt, jedoch sind sie vor Ort geblieben und haben die Polizei verständigt. In dem vierten Fall ist es schon nicht zur Nutzung des Geldautomaten gekommen, weil dieser sich nach der Manipulation durch den Beschuldigten selbsttätig außer Betrieb gesetzt hatte. Dem OLG Köln zufolge hat der Angeklagte sich vorliegend nicht wegen versuchten Diebstahls strafbar gemacht. Das Anbringen des mit Klebestreifen versehenen Metallprofils sei vorliegend lediglich als eine straflose Vorbereitungshandlung zu qualifizieren, da es zur Entnahme des Geldes noch eines weiteren Willensimpulses bedurfte. Der Täter müsse noch abwägen, ob er in der konkreten Situation bereit ist, seine Deckung aufzugeben und das hiermit verbundene Risiko einer Entdeckung in Kauf zu nehmen.
Anwalt für Strafrecht: Provozierter Totschlag
In dem Beschluss vom 19. November 2019 hat der Bundesgerichtshof (2 StR 378/19) sich mit den Voraussetzungen des minder schweren Falls eines Totschlags gem. § 213 Alt. 1 StGB befasst. Im hiesigen Fall kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen Angeklagtem und Geschädigtem. Im Verlauf dieser Auseinandersetzung erteilte der später Geschädigte dem Angeklagten einen Faustschlag, der zum Aufplatzen seiner Oberlippe führte. Daraufhin bewaffnete sich der Angeklagte mit einer Glasflasche, die er so abschlug, dass eine scharfe Schnittkante entstand. Mehrere Minuten nach der Auseinandersetzung folgte der Angeklagte dem Geschädigten in der Absicht, diesen zu töten. Zwar sind einige Minuten zwischen der den Zorn des Angeklagten auslösenden Auseinandersetzung und dem eigentlichen Tatgeschehen vergangen, gleichwohl unterbricht dies nicht den erforderlichen Zusammenhang, der insoweit bestehen muss, als der durch die Provokation und die Misshandlung hervorgerufene Zorn im Zeitpunkt der Tatbegehung noch angehalten und als nicht durch rationale Abwägung unterbrochene Gefühlsaufwallung fortgewirkt hat. Schließlich ist es nach den getroffenen Feststellungen zu den Provokationen und der Misshandlung des Angeklagten auch ohne dessen eigene Schuld gekommen. Der Angeklagte hat dem Geschädigten keine genügende Veranlassung für seinen Faustschlag gegeben. Vielmehr hat der Geschädigte die Auseinandersetzung begonnen und den Angeklagten verbal und körperlich angegriffen. In Anbetracht dessen kann der Faustschlag gegen den Angeklagten nicht als angemessene Reaktion auf das Verhalten des Angeklagten angesehen werden. Mithin liegen die Voraussetzungen eines minder schweren Falls des Totschlags gem. § 213 1. Alt. StGB vor.
Anwalt für Strafrecht: Schuldfähigkeit – Schizophrenie
Der § 63 StGB regelt die Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und stellt eine außerordentlich belastende Maßnahme dar und darf daher nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldunfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. In seinem Beschluss vom 25. August 2020 (2 StR 263/20) musste sich der Bundesgerichtshof mit dem Zusammenhang zwischen einer die Schuldunfähigkeit begründeten Erkrankung und der festgestellten Tat äußern. Vorliegend hatte der Angeklagte seiner Mutter mit einer Gartenhake oder einem Beil einen Schlag gegen den Kopf versetzt und als Tatmotiv angegeben, dass seine Mutter ihm „seit 15 Jahren jeden Tag auf den Sack“ gegangen war. Da bei dem Angeklagten in der Vergangenheit eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden war, war das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte auch zur Tatzeit unter paranoider Schizophrenie gelitten habe und er deshalb schuldunfähig war. Es hatte daher die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Bundesgerichtshof führte in seiner Entscheidung jedoch aus, dass nicht hinreichend dargelegt worden war, dass der Angeklagte bei der Begehung der Tat sicher schuldunfähig war. Allein die Diagnose einer schizophrenen Psychose führe für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten Beeinträchtigung bzw. Aufhebung der Schuldfähigkeit. Erforderlich sei vielmehr stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat.
Anwalt für Strafrecht: Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Gemäß § 29a BtMG (Betäubungsmittelgesetz) wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wer mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt. Handeltreiben ist dabei jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit. Der Bundesgerichtshof musste sich in seinem Beschluss vom 9. Juni 2020 (3 StR 417/19) mit der Frage beschäftigen, ob es der Annahme eines verdeckten Handeltreibens entgegensteht, dass als vermeintlicher Kaufinteressent ein verdeckter Ermittler der Polizei auftrat. In dem Fall boten die bandenmäßig handelnden Angeklagten einem vermeintlichen Kaufinteressenten, bei dem es sich in Wahrheit um einen verdeckten Ermittler der Polizei handelte, mehrfach jeweils ernsthaft und verbindlich an, zehn Kilogramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80% aus den Niederlanden zum Preis von 33.000 € pro Kilogramm zu liefern. Der Bundesgerichtshof führte in seiner Entscheidung aus, dass es der Annahme eines Handeltreibens nicht entgegensteht, dass es sich bei dem vermeintlichen Kaufinteressenten um einen verdeckten Ermittler der Polizei handelte, der sich nur zum Schein an den Kaufverhandlungen beteiligte.
Anwalt für Strafrecht: Versuchsbeginn beim Diebstahl
Mit Beschluss vom 10. Juni 2020 hat der Bundesgerichtshof (5 StR 635/19) festgestellt, dass ein Versuchsbeginn regelmäßig bereits vorliegt, wenn das Bedienteil eines Geldautomaten aufgehebelt wird, um den Geldautomaten anschließend unter Einleitung eines Gasgemisches durch eine Explosion zu zerstören und das Geld zu entnehmen. Der Annahme des unmittelbaren Ansetzens zur Verwirklichung des Diebstahlstatbestandes steht der Umstand, dass es für einen Gewahrsamsbruch noch der Einleitung des Gasgemisches und dessen Zündung als weiterer essentieller Zwischenschritte bedurft hätte, nicht entgegen. Denn diese dem Gewahrsamsbruch vorgelagerten und seine Verwirklichung erst ermöglichenden Teilakte des Gesamtgeschehens erscheinen nach dem Tatplan wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit und wegen des engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs mit der eigentlichen Tathandlung als deren Bestandteil und bilden mit ihr eine natürliche Einheit. Nebstdem bestimmt sich der Versuchsbeginn stets tatbestandsbezogen. Inwiefern der Täter schon zu der Rechtsverletzung angesetzt hat, die für den in Betracht kommenden Straftatbestand maßgeblich ist, hängt dabei von seiner Vorstellung über das unmittelbare Einmünden seiner Handlungen in die Erfolgsverwirklichung ab. Mithin können bei tateinheitlich begangenen Delikten (im vorliegenden Fall: Vorbereitung eines Explosionsverbrechens (§ 310 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und Diebstahl mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB)) die Zeitpunkte eines Versuchsbeginns auseinanderfallen.
Anwalt für Strafrecht: Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels
Glücksspiel im Sinne des unerlaubten Veranstaltens eines Glücksspiels setzt einen nicht unerheblichen Einsatz eines Vermögenswertes voraus. Einsatz ist jede Vermögensleistung, die in der Hoffnung auf Gewinn und mit dem Risiko des Verlustes an den Gegenspieler oder Veranstalter erbracht wird, wobei es sich um einen Einsatz handeln muss, der nicht ganz unbeträchtlich ist. Ob ein Einsatz als nicht ganz unbeträchtlich einzuordnen ist, bestimmt sich jedenfalls bei jedermann offenstehenden Glücksspielen nach den gesellschaftlichen Anschauungen. Im Zuge dessen stellte sich dem Bundesgerichthof in seinem Urteil vom 8. August 2017 (1 StR 519/16) die Frage, wann ein Einsatz üblicherweise als beträchtlich anzusehen ist. Der Beschuldigte betrieb in Spielotheken 73 nicht mehr genehmigungsfähige Unterhaltungsspielgeräte. Diese sahen Gewinnmöglichkeiten vor und konnten mit einer Art Spielmünze bedient werden. Die Gewinne wurden entweder bis zur Barauszahlung als aufaddierte Punkte auf internen Konten gespeichert „und/oder“ durch Auszahlung von Token oder von 5-DM-Münzen realisiert. Das Landgericht verurteilte den Beschuldigten deshalb wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glückspiels in 73 Fällen. Dem schloss sich der BGH nicht an. Das Erfordernis eines nicht unerheblichen Einsatzes eines Vermögenswertes wurde durch das Landgericht nicht belegt. Im Zuge dessen führte der BGH aus, dass zur Bestimmung der Erheblichkeit des Einsatzes das Kriterium des erforderlichen Aufwands für eine anderweitige unterhaltende Veranstaltung zur Orientierung herangezogen werden kann. Danach dürfte ein möglicher Verlust von mehr als 10 € in der Stunde auf ein Glücksspiel hindeuten.