Urteile und Entscheidungen im Strafrecht
Auf dieser Seite finden Sie den vollständigen Text der Entscheidungen, die für die Strafrechtskanzlei Dietrich relevant sind.
Über das Auswahlmenü für Kategorien oder die Volltextsuche in der linken Spalte und auf der Suchseite können Sie die für sie interessanten Entscheidungen weiter einschränken.
Anwalt für Strafrecht: Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Wie damit umzugehen ist, wenn der Angeklagte „gezwungen“ wird, bei der Aufzucht von Cannabispflanzen mitzuhelfen, hat der Bundesgerichtshof (3 StR 185/23) in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2023 entschieden. Der Angeklagte arbeitete die Schulden seines Schwagers ab, indem er die Betreiber einer Cannabisplantage bei der Aufzucht der Pflanzen unterstützte. Seinem Schwager werde ansonsten ins Knie geschossen, hatte einer der Betreiber angekündigt. Eine Straffreiheit in diesem Fall aufgrund eines entschuldigenden Notstands lehnte der Bundesgerichtshof ab. Demnach ist eine Gefahr nicht anders abwendbar, wenn bei einer Ex-ante-Betrachtung kein milderes, gleichermaßen zur Gefahrenabwehr geeignetes Mittel vorhanden ist. Im hiesigen Fall wäre jedoch die Inanspruchnahme behördlicher Hilfe ein milderes Mittel gewesen. Es bestand ohne Weiteres die Möglichkeit, die Drohungen abzuwenden, indem diese den zuständigen Behörden angezeigt werden. Ein Ausnahmefall liegt nicht vor.
Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidigung
Ab wann die Beiordnung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers zulässig ist, hat der Bundesgerichtshof (StB 17/24) in seinem Beschluss vom 19. März 2024 ausgeführt. Dem Beschwerdeführer wird zur Last gelegt, dass er als Sympathisant der terroristischen Vereinigung „IS“ Gelder für diese gesammelt habe. Für das Verfahren, das sich über 20 Hauptverhandlungstage erstrecken soll, wurde ihm ein Pflichtverteidiger beigeordnet. Dabei beantragte ein weiterer Rechtsanwalt seine Beiordnung als zusätzlichen zweiten Pflichtverteidiger gemäß § 144 Abs. 1 StPO, da der beigeordnete Pflichtverteidiger ein Kind erwartet und deshalb möglicherweise für längere Zeit nicht zur Verfügung stehe. Außerdem sei ein zweiter Pflichtverteidiger wegen des Umfangs des Verfahrensstoffes notwendig. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Auch der Bundesgerichtshof stimmt dem zu. Demnach ist die Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen. Etwa wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache. Damit sollen die sachgerechte Wahrnehmung der Rechte des Angeklagten gewahrt werden sowie ein dem Beschleunigungsgrundsatz entsprechender Verfahrensablauf gewährleistet werden. Die Voraussetzungen liegen vorliegend jedoch nicht vor.
Anwalt für Strafrecht: Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes
Mit dem Straftatbestand des § 201 StGB, der die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes regelt, hat sich das Oberlandesgericht Celle in dem Beschluss vom 22. November 2023 befasst. Der Angeklagte lief mit aktivierter Videofunktion auf seinem Handy durch die Stadt und traf dabei auf einen Polizeibeamten, der sich im Dienst befand, aber zivil gekleidet war. Das Gespräch mit dem Polizeibeamten nahm der Angeklagte daraufhin auf, ohne dass der Beamte davon wusste. Nach einer polizeilichen Durchsuchung, bei der das Video auf dem Notebook des Angeklagten entdeckt wurde, verurteilte das Landgericht den Angeklagten wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes. Das Oberlandesgericht erklärt, dass es strittig ist, wie sich die Vorschrift bei einem Wortwechsel zwischen Polizeibeamten und Privatpersonen im Zusammenhang mit Demonstrationen bzw. Versammlungen unter freiem Himmel sowie bei Äußerungen in belebter Umgebung verhält. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle sind die Worte im Sinne der Vorschrift öffentlich gesprochen, wenn sich ein Polizeibeamter bei einer Versammlung unter freiem Himmel an eine bestimmte Person oder einen bestimmten Personenkreis wendet, da der Beamte unter diesen Bedingungen nicht sicherstellen kann, dass seine Äußerungen nicht durch umstehende Teilnehmer oder Passanten wahrgenommen werden. Auch im vorliegenden Fall erschien eine Mithörmöglichkeit für andere naheliegend. Für eine Beurteilung dessen bedarf es laut des Gerichts genauerer Feststellungen zu der Gesprächssituation, weshalb eine erneute Verhandlung vonnöten ist.
Anwalt für Strafrecht: Mord
Mit dem Mord aus niedrigen Beweggründen hat sich der Bundesgerichtshof (4 StR 448/23) in seinem Beschluss vom 13. März 2024 auseinandergesetzt. Der jugendliche Angeklagte suchte die Wohnung des 83-jährigen Geschädigten auf, um dessen Auto zu fordern. Mit diesem wollte er ein Mädchen beeindrucken. Nachdem der Geschädigte die Schlüssel nicht hergeben wollte, stach der Angeklagte auf den Geschädigten ein. Als der Angeklagte schließlich zwei Tage später mit dem Auto einen Unfall gebaut hatte, wurde die Leiche des Geschädigten aufgefunden. Das Landgericht Arnsberg verurteilte den Angeklagten für die Tat wegen Mordes in Tateinheit mit Raub in Todesfolge zu einer Jugendstrafe von über neun Jahren. Dabei nahm es die Mordmerkmale der Ermöglichungsabsicht und der niedrigen Beweggründe an. Der Bundesgerichtshof wendete dem jedoch ein, dass niedrige Beweggründe, die zugleich spezielle Mordmerkmale erfüllen und denen darüber hinaus kein weiterer Unrechtsgehalt zukommt, von den speziellen Mordmerkmalen verdrängt werden. Das Landgericht begründete das Vorliegen der beiden Mordmerkmale gleich, sodass das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht vorliegend das der niedrigen Beweggründe verdrängt.
Anwalt für Strafrecht: Bedingter Tötungsvorsatz
Wann kann von einem bedingten Tötungsvorsatz ausgegangen werden? Zu dieser Frage äußerte sich der Bundesgerichtshof (5 StR 510/23) in seinem Beschluss vom 24. April 2024. Der Angeklagte attackierte den Nebenkläger mit zwei weiteren Personen in einem Park. Dabei stachen sie insbesondere auf das Bein des Geschädigten ein, der sich deswegen in akuter Lebensgefahr befand. Die Mittäter stachen während des Angriffes auch in den Brustkorb des Geschädigten. Einen Tötungsvorsatz lehnte das Landgericht Kiel beim Angeklagten ab. Die Prüfung des Tötungsvorsatzes weist aber Rechtsfehler auf, stellt der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss fest. Das Landgericht wertete zuvor als vorsatzkritisch, dass die Messerstiche in die Beinregion gesetzt wurden. Jedoch wurde dabei außer Acht gelassen, dass diese in einer akuten Lebensgefahr für den Geschädigten resultierten. Außerdem könnten auch die Verletzungen im Brustkorb dem Angeklagten zugerechnet werden, welche durch andere Tatbeteiligte ausgelöst wurden. Demnach können Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen den Umständen des Falles nach gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst werden, auch wenn er sich diese nicht eigens vorgestellt hat.
Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht
Was passiert, wenn der Verteidiger eine Frist wegen eines Urlaubs versäumt; mit dieser Thematik beschäftigte sich der Bundesgerichtshof (1 StR 450/23) in seinem Beschluss vom 4. April 2024. Laut des Verteidigers habe er den Beschluss zur verworfenen Revision erst nach Rückkehr von einer Urlaubsreise zur Kenntnis genommen. Daher soll er die anschließende Anhörungsrüge fristgerecht erhoben haben. Der Bundesgerichtshof stellt aber fest, dass er die Anhörungsrüge nicht fristgerecht erhoben hat, da er den Senatsbeschluss bereits 2 Wochen zuvor erhalten habe. Bei längerer urlaubsbedingter Abwesenheit hätte er die Bestellung eines Vertreters veranlassen müssen. Ein etwaiges Verschulden des Verteidigers ist dem Verurteilten zuzurechnen.
Anwalt für Strafrecht: Waffen
Dazu, ob und inwieweit Pfeffersprays Waffen darstellen können, äußerte sich der Bundesgerichtshof (2 StR 351/23) in seinem Beschluss vom 31. Januar 2024. Das Tierabwehrspray (Pfefferspray) wurde zuvor beim Angeklagten, der wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurde, aufgefunden. Der Bundesgerichtshof klärte auf, dass Tierabwehrsprays keine Waffen i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. a WaffG sind und auch nicht als gekorene Waffen i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b WaffG gelten. Das ist darauf zurückzuführen, dass sie nicht vom Hersteller dazu bestimmt sind, gegen Menschen eingesetzt zu werden. Ob sie nach dem § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG eine Bestimmung zur Verletzung von Personen innehaben, muss also im Einzelfall geprüft werden. Indizien dafür können sich aus den äußeren Umständen oder auch aus dem Ort und der Art der Aufbewahrung ergeben.
Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidigung
Wie damit umzugehen ist, wenn dem Angeklagten bei der polizeilichen Vernehmung kein Pflichtverteidiger bestellt wurde, hat der Bundesgerichtshof (2 StR 49/23) in seinem Beschluss vom 7. Dezember 2023 entschieden. Das Landgericht Limburg a. d. Lahn verurteilte den Angeklagten zuvor wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Dem Angeklagten war jedoch bei seiner polizeilichen Vernehmung entgegen §§ 141a S. 1, 141 Abs. 2, 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO kein Pflichtverteidiger bestellt worden. Ein Verwertungsverbot ergibt sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofes jedoch daraus nicht. Demnach sei ein Verwertungsverbot nur bei schwerwiegenden, bewussten oder objektiv willkürlichen Rechtsverstößen anzunehmen. Vorliegend sind die Beamten aber wegen einer Neuregelung noch davon ausgegangen, dass eine Vernehmung auch ohne Verteidiger möglich ist, wenn der Beschuldigte damit einverstanden ist. Außerdem ist zu beachten, dass das staatliche Verfolgungs- und Aufklärungsinteresse bei wie hiesigen schwerwiegenden Delikten hoch ist.
Anwalt für Strafrecht: Sexueller Missbrauch von Kindern
Wie mit einer Aussage gegen Aussage Situation umzugehen ist, musste der Bundesgerichtshof (4 StR 380/23) in seinem Beschluss vom 28. Februar 2024 entscheiden. Der Angeklagte wurde zuvor vom Landgericht wegen des sexuellen Missbrauchs an Kindern in drei Fällen verurteilt, wobei seine vermeintlich missbrauchten Enkel von den Missbräuchen berichteten. Die Sache bedarf laut des Beschlusses vom Bundesgerichtshof jedoch neuer Verhandlung und Entscheidung. Demnach müssen in dem Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung nur davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, alle Umstände und Überlegungen erkennbar sein, welche die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten beeinflussen können. Besonders zu beachten sind dabei Inkonsistenzen in den Aussagen der Belastungszeugen.
Anwalt für Strafrecht: Strafverfahrensrecht
Wie damit umzugehen ist, wenn der Angeklagte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, hat der Bundesgerichtshof (1 StR 366/23) in seinem Beschluss vom 5. März 2024 erklärt. Der Angeklagte wurde zuvor vom Landgericht Karlsruhe wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Ihm ist jedoch keine Übersetzung der Anklageschrift zugekommen, obwohl er die deutsche Sprache nur rudimentär beherrscht. Damit wurde der Angeklagte nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofes in seinem Recht aus Art. 6 Abs. 3 lit. a) EMRK verletzt, nach welchem jede angeklagte Person innerhalb einer möglichst kurzen Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet werden muss. Das ist darauf zurückzuführen, dass ein Angeklagter auf die Entscheidung nur dann hinreichend Einfluss nehmen kann, wenn ihm der Verfahrensgegenstand in vollem Umfang bekannt ist.