Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Wucher

Ausgesperrtsein stellt beim Rufen eines Schlüsseldienstes eine Zwangslage im Sinne eines Wuchers dar.

In seinem Urteil vom 16. Januar 2020 (1 StR 113/19) befasste sich der Bundesgerichtshof damit, ob das Ausgesperrtsein beim Rufen eines Schlüsseldienstes eine Zwangslage im Sinne eines Wuchers darstellt. Eine Strafbarkeit des Beschuldigten wegen Wucher kann unter anderem dann vorliegen, wenn er die Zwangslage eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu seiner Leistung stehen. Der Begriff der Zwangslage erfasst auch Konstellationen, in denen nicht eine wirtschaftliche Bedrängnis, sondern Umstände anderer Art ein zwingendes Sach- oder Geldbedürfnis entstehen lassen, und damit strafwürdig erscheinende Verhaltensweisen, die darauf gerichtet sind, die Schwächen anderer Personen wirtschaftlich auszubeuten, genügend wirksam bekämpfen. Die Beschuldigten waren Monteure von Schlüsseldiensten und stellten Kunden, welche sich irrtümlich ausgesperrt hatten, Pauschalen für ihre Dienste in Rechnung, welche die nach Wochentag und Uhrzeit gestaffelten Preisempfehlungen des Bundesverbandes Metall erheblich überstiegen. Das eingesetzte Material stellten die Monteure mit einem Aufschlag von bis zu über 100 % in Rechnung. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs begründet das Ausgesperrtsein eine Zwangslage im Sinne eines Wuchers. Der ausgesperrte Wohnungsnutzer befindet sich nahezu stets in einer misslichen Ausnahmesituation, die ihn wegen der Eilbedürftigkeit, an der ihm sonst möglichen Auswahl eines Handwerkers hindert und zumeist den Nächstbesten beauftragen lässt. Mit diesem wird er regelmäßig den Werklohn nicht aushandeln können; vielmehr ist er dessen Preisbestimmung ausgesetzt. Bereits das Ausgesperrtsein bringt den Wohnungsnutzer in eine Schwächesituation, die der Handwerker ausbeuten kann.

Anwalt für Strafrecht: Vorteilsannahme

Die Verauslagung von Reisekosten kann einen Vorteil im Sinne einer Vorteilsannahme begründen. Dies liegt insbesondere dann nahe, wenn der Beschuldigte die verauslagten Kosten nicht gleich nach den Buchungen zurückerstatten kann.

Wegen Vorteilsannahme macht sich ein Beschuldigter Amtsträger oder dem öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter strafbar, wenn er für sich oder einen Dritten für die Dienstausübung einen Vorteil fordert. Unter Vorteil ist jede Leistung zu verstehen, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche Lage objektiv verbessert. In seinem Urteil vom 2. Februar 2005 (5 StR 168/04) hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage zu befassen, wann die Verauslagung von Reisekosten einen Vorteil im Sinne einer Vorteilsannahme darstellen kann. Der beschuldigte Amtsträger in ließ sich von einem Dritten die Kosten für Reisen auslegen. Nach Auffassung des Bundesgerichthofs kann auch die Verauslagung von Reisekosten einen Vorteil im Sinne einer Vorteilsannahme begründen. Unter den Begriff des Vorteils fallen auch vorfinanzierte geldwerte Leistungen oder auch zinslose Darlehen. Dies gilt jedenfalls hier umso mehr, als die Beschuldigten auf Grund ihrer im Einzelnen festgestellten eher beengten finanziellen Verhältnissen nicht ohne weiteres in der Lage waren, die verauslagten Kosten gleich nach den Buchungen zurückzuerstatten.

Anwalt für Strafrecht: Ablösung des Pflichtverteidigers

Das Vertrauensverhältnis zwischen einem Beschuldigten und seinem Pflichtverteidiger wird nicht allein dadurch nachhaltig und endgültig erschüttert, dass sich der Beschuldigte in Abkehr von der bisherigen Verteidigungsstrategie dazu entschließt, ein Geständnis abzulegen.

Wann ein Pflichtverteidiger seine Bestellung als Pflichtverteidiger zurücknehmen kann, ist in § 143a StPO geregelt. Nach § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO ist die Bestellung des Pflichtverteidigers dann aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem endgültig zerstört oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist. In seiner Entscheidung vom 5. März 2020 (StB 6/20) musste sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinandersetzen, wann ein solches Vertrauensverhältnis endgültig zerstört ist. In dem Fall führt das Oberlandesgericht Celle gegen den Angeklagten eine Hauptverhandlung wegen des Vorwurfs der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Die Pflichtverteidiger des Angeklagten haben beantragt, ihre Bestellung als Pflichtverteidiger zurückzunehmen, da der Angeklagte ohne Absprache mit ihnen entschieden habe, ein Geständnis abzulegen, wodurch das Vertrauensverhältnis zu dem Angeklagten vollständig zerrüttet sei. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs rechtfertigen Differenzen zwischen dem Pflichtverteidiger und dem Angeklagten über die Verteidigungsstrategie für sich genommen die Entpflichtung jedoch nicht. Etwas andere könne allenfalls gelten, wenn solche Meinungsverschiedenheiten über das grundlegende Verteidigungskonzept nicht behoben werden können und der Verteidiger sich etwa wegen der Ablehnung seines Rats außerstande erklärt, die Verteidigung des Angeklagten sachgemäß zu führen. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall, weshalb der Antrag der Pflichtverteidiger abzulehnen sei.

Wenn ein Strafrichter einen Beschuldigten „probeweise“ in einem Haftraum einsperrt, kann er sich wegen Rechtsbeugung nach § 339 StGB und Aussageerpressung nach § 343 StGB strafbar machen. Eine Strafbarkeit scheidet jedoch aus, wenn der Beschuldigte auf Wu

Wenn ein Strafrichter einen Beschuldigten „probeweise“ in einem Haftraum einsperrt, kann er sich wegen Rechtsbeugung nach § 339 StGB und Aussageerpressung nach § 343 StGB strafbar machen. Eine Strafbarkeit scheidet jedoch aus, wenn der Beschuldigte auf Wunsch jederzeit den Haftraum verlassen darf und die Maßnahme nur eine sehr kurze Zeit andauerte.

In dem zugrunde liegenden Fall hat sich ein Strafrichter am Amtsgericht in einer Hauptverhandlung dazu entschlossen, dem Beschuldigten „probeweise“ einen Haftraum zu zeigen, um ihn zu einem Geständnis zu bewegen. Mit den Worten „Sie kommen jetzt mal mit, ich zeige Ihnen mal, wie ihre Zukunft aussehen kann“ brachte er den Beschuldigten in eine Gewahrsamszelle des Gerichts und schloss die Zellentür. Der Beschuldigte konnte auf Wunsch jederzeit aus der Zelle gelassen werden. Nach höchstens einer Minute wurde der Beschuldigte – wie zuvor zugesagt – wieder aus der Zelle entlassen und zurück in den Gerichtssaal gebracht. Der Beschuldigte weigerte sich zwar zunächst weiterhin ein Geständnis abzulegen, tat dies dann aber doch. Der Bundesgerichtshof lehnte eine Strafbarkeit des Strafrichters wegen Aussageerpressung ab. In dem Verschließen der Zellentür sei keine Gewaltanwendung zu sehen, da darin weder ein Einsperren noch eine Freiheitsberaubung liege. Auch sei eine Fortbewegung nicht unmöglich gemacht worden, da es dem Beschuldigten jederzeit möglich gewesen wäre, aus der Zelle entlassen zu werden. Zudem sei der Beschuldigte durch die Maßnahme nicht seelisch gequält worden. Auch eine Strafbarkeit wegen Rechtsbeugung aufgrund der Anwendung einer verbotenen Vernehmungsmethode (§ 136a StPO) konnte der Bundesgerichtshof nicht erkennen. Es komme aber in Betracht, dass der Beschuldigte durch eine unerlaubte, erhebliche manipulative Einflussnahme und einen dadurch erzeugten schwerwiegenden seelischen Druck in seiner Entscheidung über das Ob und Wie seiner Aussage maßgeblich beeinträchtigt war und deshalb eine Beugung des Rechts im Sinne von § 339 gegeben ist. Der Bundesgerichthof verwies den Fall daher zur erneuten Prüfung an das Landgericht Kassel zurück.

Anwalt für Strafrecht: Inbrandsetzen eines geräumten Wohngebäudes

Wenn die Zweckbestimmung des allein vom Täter bewohnten Gebäudes zu Wohnzwecken vor der Brandlegung von diesem aufgegeben wird, so scheidet eine Strafbarkeit wegen schwerer Brandstiftung aus.

Wegen schwerer Brandstiftung macht sich gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar, wer ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört. In seiner Entscheidung vom 29. August 2019 (2 StR 295/19) musste sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinandersetzen, ob eine schwere Brandstiftung auch dann in Betracht kommt, wenn die Zweckbestimmung des allein von dem Angeklagten bewohnten Gebäudes zu Wohnzwecken vor der Brandlegung von diesem aufgegeben wird. Vorliegend bewohnte der Angeklagte als einziger Mieter einen freistehenden Bungalow. Um zu einem späteren Zeitpunkt einen Versicherungsbetrug zu begehen, fasste er den Entschluss, diesen niederzubrennen. Hierfür schloss er zunächst eine Hausratversicherung über 50.000 Euro ab und brannte ein paar Wochen später unter der Verwendung von Brandbeschleuniger den Bungalow nieder. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs stellt der Bungalow zwar eine Räumlichkeit dar, die der Wohnung von Menschen dient, jedoch sei die Zweckbestimmung des Gebäudes zu Wohnzwecken vor der Brandlegung von dem Angeklagten aufgegeben worden. Eine solche Aufgabe des Willens, das Gebäude weiter zu bewohnen, nehme dem Tatobjekt auch dann die vorausgesetzte Zweckbestimmung, wenn der Bewohner wie hier nur ein Mieter ist. In Betracht komme daher lediglich eine Strafbarkeit wegen einfacher Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung in Form der Gesundheitsschädigung

Dass eine Drohung mit einer ungeladenen Gaspistole im Rahmen eines Raubgeschehens beim Geschädigten zu – psychisch vermittelten – physischen Folgen führt, die als Gesundheitsschädigung im Sinne einer Körperverletzung einzuordnen sind, und der Täter mit dieser Möglichkeit gerechnet und sie billigend in Kauf genommen hat, versteht sich nicht von selbst, sondern bedarf vielmehr der näheren beweiswürdigenden Begründung.

Eine Gesundheitsschädigung im Sinne der Körperverletzungstatbestände (§§ 223, 224 StGB) liegt erst vor, wenn die psychischen Folgen jedenfalls den Körper im weitesten Sinne in einen pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand versetzen. Der Bundesgerichtshof musste sich in seiner Entscheidung vom 17. März 2020 (4 StR 63/19) mit dem Vorsatz eines Täters bei einer Körperverletzung in Form der Gesundheitsschädigung durch psychisch vermittelte Beeinträchtigungen befassen. Vorliegend hatte der Angeklagte der Geschädigten im Rahmen eines Raubgeschehens mit einer nicht ausschließbar ungeladenen Gaspistole gedroht, wodurch es bei dieser zu psychisch vermittelten gesundheitlichen Auswirkungen insbesondere in Form von starken muskulären Verspannungen kam. Dem Bundesgerichtshof zufolge versteht es sich nicht von selbst, dass der Angeklagte vorliegend mit den starken muskulären Verspannungen der Geschädigten gerechnet, und diese billigend in Kauf genommen hat. Es bedürfe vielmehr einer näheren beweiswürdigenden Begründung, warum vorliegend von einem entsprechenden Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der psychisch vermittelten gesundheitlichen Auswirkungen der Tat auszugehen ist. Eine solche Begründung fehle, weshalb eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung keinen Bestand habe.

Anwalt für Strafrecht: Verstoß gegen das Waffengesetz

Wenn die Feder eines Springmessers defekt ist, so entfällt die besondere Gefährlichkeit und das Messer zählt nicht mehr zu den verbotenen Springmessern, da die Klinge nicht durch die Feder bewegt wird.

In seinem Urteil vom 11. Mai 2017 (1 StR 35/17) musste sich der Bundesgerichtshof damit auseinandersetzen, ob auch ein defektes Springmesser noch zu den verbotenen Springmessern gehört. Der Angeklagte hatte vorliegend in einem Büroschrank in seiner Wohnung ein Springmesser mit einer Klingenlänge von zehn Zentimetern aufbewahrt, das aufgrund einer defekten Feder nicht mehr funktionsfähig war. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs entfalle daher die Eigenschaft als Springmesser im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. B WaffG iVm Anl. 2 Abschn. 1 Nr. 1.4.1. Der Umgang mit dem Springmesser sei aufgrund von deren besonderer Gefährlichkeit durch die mittels einer Feder aus dem Griff herausspringende Klinge unter den Voraussetzungen der Anl. 2 Abschn. 1 Nr. 1.4.1 verboten. Ist die Feder aber wie vorliegend defekt, so entfalle auch diese besondere Gefährlichkeit. Da die Klinge dann nicht durch die Feder bewegt wird, zähle das Messer nicht mehr zu den verbotenen Springmessern. Es könne sich bei dem Springmesser aber um einen anderen verbotenen Gegenstand im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2b WaffG wie z.B. ein Fallmesser handeln.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzungsvorsatz bei Bedrohung mit Softair-Pistole

Die Bedrohung mit einer Softair-Pistole stellt für sich genommen noch keine so große Gefahr für die körperliche Integrität der betroffenen Person dar, dass daraus ohne weiteres der Schluss gezogen werden könnte, der Täter habe mit dem Eintritt von körperlichen Folgen wie Todesangst, Übelkeit und Schwindel gerechnet.

Der Bundesgerichtshof musste sich in seinem Urteil vom 16. August 2018 (4 StR 255/18) mit der Frage beschäftigen, wann ein Körperverletzungsvorsatz bei der Bedrohung mit einer Softair-Pistole gegeben ist. Vorliegend hatte der Angeklagte für einen Überfall auf ein Juweliergeschäft eine Softair-Pistole gekauft, die sein Mittäter im Juweliergeschäft dann auf die Geschäftsinhaberin richtete. Diese geriet in Todesangst, schnappte nach Luft und verspürte Übelkeit und Schwindel. Dem Bundesgerichtshof zufolge könne sich die Annahme eines bedingten Körperverletzungsvorsatzes zwar auch daraus ergeben, dass der Täter eine Handlung vornimmt, die eine so hohe Gefahr für die körperliche Integrität des Opfers beinhaltet, dass im Einzelfall ohne weitergehende Begründung aus der Kenntnis der Tatumstände und der gleichwohl erfolgten Tatausführung auf das Wissens- und Wollenselement des bedingten Vorsatzes geschlossen werden kann. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor. Die geplante Bedrohung mit einer Softair-Pistole stelle für sich genommen noch keine so große Gefahr für die körperliche Integrität der betroffenen Person dar, dass daraus ohne weitere Begründung der Schluss gezogen werden könnte, der Angeklagte habe mit dem Eintritt von körperlichen Folgen gerechnet. Allein die Erwägung, dass die eingetretenen Folgen nicht außerhalb der Lebenserfahrung gelegen hätten, vermöge einen solchen Schluss ebenfalls nicht zu rechtfertigen.

Anwalt für Strafrecht: Gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr

Bei einem auf den Gleisen befindlichen Menschen handelt es sich um ein Hindernis i.S.d. § 315 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Hat die das Gleisbett querende Person die von dem Zug genutzten Gleise noch nicht erreicht, so ist jedenfalls ein ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff gemäß § 315 Abs. 1 Nr. 4 StGB gegeben.

Wer gemäß § 315 Abs. 1 StGB die Sicherheit des Schienenbahnverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er Hindernisse bereitet (Nr. 2) oder einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt (Nr. 4) und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Hindernisbereiten meint jede Einwirkung im Verkehrsraum, die geeignet ist, den reibungslosen Verkehrsablauf zu hemmen oder zu verzögern. In dem, dem Urteil des Bundesgerichts vom 24. März 2020 (4 StR 673/19) zugrundeliegenden Fall, betrat der Angeklagte von einem Bahnsteig aus das Gleisbett, um den gegenüberliegenden Bahnsteig und den dort gerade mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h einfahrenden Personenzug zu erreichen. Hierbei nahm er billigend in Kauf, dass sich Personen auf Grund der notwendigen Bremsung verletzen könnten. Der Lokführer gab einen Achtungspfiff ab und führte eine Schnellbremsung bis zum Stillstand des Zuges durch. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs handele es sich bei dem Angeklagten um ein Hindernis i.S.d. § 315 Abs. 1 Nr. 1 StGB, da tatbestandlich auch solche Einwirkungen erfasst werden, die erst durch die psychisch vermittelte Reaktion des Fahrzeugführers zu einer Beeinträchtigung des Verkehrsablaufs führen, weil sie Brems- oder Ausweichvorgänge mit den damit verbundenen Gefahren zur Folge haben. Ob hier etwas anderes der Fall ist, da der Angeklagte die von dem Zug genutzten Gleise noch nicht erreicht hatte, könne dahinstehen, da jedenfalls ein ähnlicher ebenso gefährlicher Eingriff gemäß § 315 Abs. 1 Nr. 4 StGB gegeben sei.

Anwalt für Verkehrsstrafrecht: Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

Ein Betriebsgelände ist ein Teil des Straßenverkehrs im Sinne eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, wenn es der Allgemeinheit und nicht nur einem durch persönliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis zugänglich ist.

Eine Strafbarkeit des Beschuldigten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr setzt voraus, dass der Beschuldigte die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt. Straßenverkehr bezieht sich auf öffentlichen Verkehrsraum. Ein Verkehrsraum ist dann öffentlich, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird. Dem Bundesgerichthof stellte sich im Zuge dessen in seinem Urteil vom 4. Februar 2004 (4 StR 377/03) die Frage, wann ein Betriebsgelände öffentlicher Verkehrsraum ist. Der Beschuldigte fuhr auf dem Betriebsgelände seiner Arbeitsstätte Richtung Ausfahrt. Als seine Ehefrau die Fahrbahn überqueren wollte entschloss er sich spontan diese anzufahren. Der Beschuldigte fuhr in Kenntnis der möglichen tödlichen Folgen seines Verhaltens von hinten auf seine Frau auf. Im Zuge dessen führte der Bundesgerichtshof aus, dass Betriebsgelände einen öffentlichen Verkehrsraum darstellen können. Ist ein Betriebsgelände der Allgemeinheit, d. h. einem nicht durch persönliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis, zugänglich, sind die darauf befindlichen Verkehrsflächen öffentlicher Verkehrsraum.