Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Besonders schwere räuberische Erpressung

Für den besonders schweren Raub nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB muss die Waffe oder das gefährliche Werkzeug benutzt werden, um das Opfer zu einer Vermögensverfügung zu nötigen. Nach Vollendung, aber vor der Beendigung, muss das Tatwerkzeug wenigstens als Mittel zur Sicherung der Tatbeute genutzt werden.

In seinem Beschluss vom 28. Februar 2024 hat der Bundesgerichtshof (5 StR 23/24) zu den Voraussetzungen der besonders schweren räuberischen Erpressung Stellung genommen. Der Angeklagte brachte den Geschädigten zusammen mit weiteren Tätern dazu, in ein Auto zu steigen. In diesem schlugen sie ihn und forderten ihn auf, ihnen seine Geldbörse, seine Geldkarte und die dazugehörige PIN zu geben. Daraufhin fuhren sie mit ihm in den Wald, wo der Angeklagte dem Geschädigten mit einem Messer drohte, ihm das Auge auszustechen und seine Schwester zu vergewaltigen, falls der Geschädigte nach dem Vorfall zur Polizei geht. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass der Schuldspruch wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung keinen Bestand hat, da der Angeklagte das Messer nicht benutzt hat, um den Angeklagten zu einer Vermögensverfügung zu nötigen. Vielmehr wollte er ihn dazu bewegen, nicht zur Polizei zu gehen. Als die Täter den Geschädigten zuvor zu einer Vermögensverfügung nötigten, wandten sie einfache Gewalt an, sodass die Feststellungen den Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht tragen.

Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidiger

Ein konsensualer Wechsel des Pflichtverteidigers benötigt ein Einverständnis von beiden Seiten.

Wann ein Wechsel des Pflichtverteidigers möglich ist, beantwortete der Bundesgerichtshof (StB 49/23) in seinem Beschluss vom 10. August 2023. Dem Angeschuldigten wird unter anderem vorgeworfen, sich an einer kriminellen Vereinigung beteiligt zu haben. Der Antrag des Angeschuldigten, seinen Pflichtverteidiger zu wechseln, wurde abgelehnt. Dagegen legte er Beschwerde ein und führte dafür aus, dass es hier keiner Zustimmung des Verteidigers benötige und außerdem das Vertrauensverhältnis zerstört sei, da der Rechtsanwalt den Angeschuldigten seit über einem Dreiviertel Jahr nicht in der Untersuchungshaft besucht habe und ohne einen ersichtlichen Grund den Verteidigerwechsel verweigert. Daneben soll er ohne Rücksprache mit dem Angeschuldigten eigene Ermittlungen durchgeführt haben. Das solle dazu führen, dass auch ein Verteidigerwechsel wegen endgültiger Zerstörung des Vertrauensverhältnisses nach § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO möglich ist. Der Bundesgerichtshof führt zunächst aus, dass für einen konsensualen Verteidigerwechsel auch in diesem Fall die Zustimmung des Rechtsanwalts benötigt wird. Voraussetzung für diese Art des Verteidigerwechsels sind das Einverständnis des bisherigen Verteidigers sowie des neuen Rechtsanwalts. Außerdem darf es zu keiner Verfahrensverzögerung und keiner Mehrbelastung für die Staatskasse kommen. Zuletzt liegt nach Ansicht des Bundesgerichtshofes auch keine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses vor, die einen Verteidigerwechsel begründen würde.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Bei nicht indizierten Heileingriffen können auch chirurgische Instrumente, die ihrer Bestimmung nach benutzt wurden, als gefährliche Werkzeuge deklariert werden.

Der Bundesgerichtshof (4 StR 325/23) setzte sich in seinem Beschluss vom 19. Dezember 2023 mit den Voraussetzungen der gefährlichen Körperverletzungen auseinander, wobei es insbesondere um den Einsatz chirurgischer Instrumente als gefährliche Werkzeuge ging. Die Angeklagte, die unter dem Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom leidet, machte bei Ärzten falsche Angaben über ihre Kinder, sodass zwei ihrer Kinder nicht nötigen Operationen unterzogen wurden. Anhand verschiedener Auslegungsmöglichkeiten prüfte der Bundesgerichtshof, ob sie sich der gefährlichen Körperverletzung mittels gefährlicher Werkzeuge strafbar gemacht hatte, indem die Ärzte bei den Operationen chirurgische Instrumente benutzten. Dabei kam der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis, dass chirurgische Geräte bei medizinisch nicht indizierten Eingriffen als gefährliche Werkzeuge gelten, auch wenn diese bei der Operation ordnungsgemäß benutzt wurden. Unter anderem weisen demnach teleologische Erwägungen darauf hin, da eine erhöhte Gefährlichkeit, durch die sich die Begehungsvarianten des § 224 StGB auszeichnen, auch bei einer bestimmungsgemäßen Verwendung bestehen kann, wobei es von der objektiven Beschaffenheit des Gegenstandes und der Benutzungsweise im Einzelfall abhängt.

Anwalt für Strafrecht: Vergewaltigung

Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung kann eine andere seelische Störung darstellen, wenn der Täter aus einem unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat.

Inwieweit Narzissmus zu einer verminderten Schuldfähigkeit führen kann, erklärte der Bundesgerichtshof (5 StR 322/23) in seinem Beschluss vom 16. Januar 2024. Der Angeklagte vergewaltigte die Angeklagte unter Drohung und Anwendung von Gewalt in seiner Wohnung. Das Landgericht Berlin verurteilte den Angeklagten dafür zu einer Freiheitsstrafe von über 8 Jahren. Dabei schlossen sie sich der Auffassung der Sachverständigen an, dass beim Angeklagten eine narzisstische Persönlichkeitsstörung vorliegt, die eine schwere andere seelische Störung im Sinne des § 20 StGB darstellt. Da dadurch jedoch weder Einsichts- noch Steuerungsfähigkeit eingeschränkt waren, habe die narzisstische Persönlichkeitsstörung nicht zu einer erheblichen Einschränkung seiner Steuerungsfähigkeit geführt. Der Bundesgerichtshof erwidert dem jedoch, dass bei einer schweren anderen seelischen Störung eine Verminderung der Schuldfähigkeit naheliegt und eine gegenteilige Feststellung besonderer Begründung benötigt. Das Landgericht hat vorliegend jedoch keine eigene Prüfung und Bewertung der Ausführungen des Sachverständigen durchgeführt. Das Landgericht hätte die Angaben des Sachverständigen eigenständig überprüfen und seine Entscheidung nachvollziehbar begründen müssen. Daneben müssen außerdem Erwägungen zur tatbezogenen Ausprägung der vom Sachverständigen festgestellten Persönlichkeitsstörung getroffen werden. Insbesondere aufgrund des unspezifischen Störungsbildes der narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind Ausführungen diesbezüglich nötig.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag, Vergewaltigung, Störung der Totenruhe

Mit der Handhabung der Höchststrafe hat sich der Bundesgerichtshof (3 StR 466/23) in seinem Beschluss vom 20. Februar 2024 auseinandergesetzt. Der Angeklagte vergewaltigte seine Lebensgefährtin, tötete sie dann und verübte anschließend beschimpfenden Unfug am Leichnam. 

Das Landgericht verurteilte den Angeklagten zur Höchststrafe von 15 Jahren. Der Bundesgerichtshof führt in seinem Beschluss aus, dass Schuldspruch und Einzelstrafaussprüche keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lassen, jedoch hält die Gesamtfreiheitsstrafe sachlich rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Demnach erschließe sich nicht ohne Begründung, weshalb die Strafkammer trotz strafmildernder Umstände den Angeklagten mit der Höchststrafe bestraft hat. Die Strafe von 15 Jahren hätte demnach näher bzw. überhaupt begründet werden müssen, weshalb die Revision in diesem Punkt erfolgreich ist. Die zugehörigen Feststellungen bleiben jedoch bestehen.

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl

Eine sukzessive Mittäterschaft kann nicht mehr vorliegen, wenn der Tatbeitrag erst nach Beendigung des Diebstahls geleistet wird.

Ob sich der Angeklagte im vorliegenden Fall noch des Diebstahls strafbar machen konnte, musste der Bundesgerichtshof (5 StR 580/23) in seinem Beschluss vom 13. Februar 2024 entscheiden. Der Angeklagte war Teil einer Gruppe, die Autos in Deutschland klaute und sie anschließend in Polen veräußerte. Nachdem ein Teil der Gruppe zwei Autos klaute und sie ein paar Kilometer vom Tatort wieder abgestellt hatte, sollte der Angeklagte mit weiteren Mittätern kommen und die Autos nach Polen transportieren. Dort befand sich jedoch nur noch ein Auto, weswegen sie befürchteten, dass die Polizei die Autos entdeckt hatte. Daher entfernten sie sich wieder vom Tatort. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen. Der Schuldspruch hält der rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand, da der Diebstahl bereits beendet war, bevor der Angeklagte seinen Tatbeitrag überhaupt leistete. Eine sukzessive Mittäterschaft kommt nach Beendigung der Tat nicht mehr in Betracht. Nach Beendigung sind nur Tatbestände wie die Hehlerei oder die Begünstigung noch denkbar.

Anwalt für Strafrecht: Störung der Totenruhe

„Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ (§ 168 Abs. 1 StGB)

Mit der im § 168 StGB geregelten Störung der Totenruhe hat sich der Bundesgerichtshof (2 StR 270/23) in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2023 beschäftigt. Der Angeklagte freundete sich mit einer anderen Person an, die ebenfalls obdachlos war, sodass die beiden regelmäßig zusammen ihr Nachtlager aufschlugen. In einer Nacht starb diese andere Person an den Folgen einer Tuberkulose. Etwa 41 Stunden später stellte der Angeklagte den abgetrennten Kopf dieser Person vor ein Gerichtsgebäude. Als die Polizei eintraf sagte er, dass er den Kopf dort abgestellt hatte, blieb danach aber still. Dass er es auch war, der den Kopf abgetrennt hatte, konnte man dem Angeklagten nicht nachweisen. Das Landgericht Bonn verurteilte ihn daraufhin wegen Störung der Totenruhe. Der Angeklagte sowie die Staatsanwaltschaft legten Revision ein. Der Bundesgerichtshof stellte zunächst fest, dass der Schuldspruch wegen Störung der Totenruhe keine Rechtsfehler aufweist. Durch das Aufstellen des abgetrennten Kopfes missachtete der Angeklagte das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen in erheblich pietätloser und roher Weise. Auch die Revision der Staatsanwaltschaft ist laut Bundesgerichtshof unbegründet. Demnach habe das Landgericht rechtsfehlerfrei dargelegt, warum es nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen konnte, dass der Angeklagte den Kopf selber abgetrennt hatte. So war der Körper bis zu 41 Stunden öffentlich zugänglich und auch die Blutspuren, die auf dem Angeklagten zu sehen waren, ergaben kein Indiz für das Abtrennen des Kopfes. Zuletzt berücksichtigte das Landgericht die Freundschaft, die die beiden verband.

Anwalt für Strafrecht: Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und Diebstahl

Wegen Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion macht sich nach § 308 Abs. 1 StGB strafbar, wer durch Sprengstoff eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.

Wegen Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion macht sich nach § 308 Abs. 1 StGB strafbar, wer durch Sprengstoff eine Explosion herbeiführt und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.
Inwiefern sich die Angeklagten im vorliegenden Fall strafbar gemacht haben, musste der Bundesgerichtshof (6 StR 118/23) in seinem Beschluss vom 28. Juni 2023 entscheiden. Diese sprengten in mehreren Nächten Fahrkartenautomaten mit Polenböllern auf, um das darin befindliche Geld zu entwenden. In zwei Fällen enthielt der Automat kein Geld. Das Landgericht Stendal verurteilte die Angeklagten wegen Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit Diebstahl in neun Fällen und des vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl. Auch der Bundesgerichtshof bestätigte, dass sie sich damit nach § 308 Abs. 1 StGB, der das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion regelt, strafbar gemacht haben. Dafür ist im hiesigen Fall unbeachtlich, dass es sich um handelsübliche Feuerwerkskörper handelte, die im europäischen Ausland frei erworben werden können. Eine Einschränkung des Tatbestandes kommt demnach nicht in Betracht, wenn der Feuerwerkskörper die Explosionswirkung der in Deutschland zugelassenen Erzeugnisse erheblich übertrifft. Lediglich in Hinblick auf die nicht erfolgreichen Fälle änderte der Bundesgerichtshof den Schuldspruch, da die Angeklagten in zwei Fällen kein Geld erbeuteten und somit in nur acht Fällen ein vollendeter Diebstahl vorliegt.

Anwalt für Strafrecht: Mord und Raub mit Todesfolge

Eine abgebrochene Schul- oder Berufsausbildung oder das Fehlen einer kontinuierlichen Erwerbstätigkeit können für Reifedefizite sprechen und zur Anwendung von Jugendstrafrecht führen.

Ob der heranwachsende Angeklagte im Sinne des Gesetzes als Jugendlicher oder Erwachsener behandelt wird, hat der Bundesgerichtshof (5 StR 285/22) in seinem Urteil vom 2. Februar 2023 entschieden. Der Angeklagte führte mit weiteren Personen einen Raubüberfall durch, wobei sich die Angeklagten während des Überfalls beschlossen, den Geschädigten zu töten, nachdem dieser ihnen nicht die Verstecke für sein Geld nennen wollte. Das Landgericht Berlin wandte auf den 20-jährigen Heranwachsenden Jugendstrafrecht an. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die auf die Anwendung von Jugendstrafrecht gerichtet war, hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass die Frage, ob der Heranwachsende bei der Tat in seiner geistigen und sittlichen Entwicklung einem jugendlichen gleichstand, eine Tatfrage ist, bei der dem Jugendrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum zur Verfügung steht. Die hier genannten Gründe, wie eine abgebrochene Schul- oder Berufsausbildung oder das Fehlen einer kontinuierlichen Erwerbstätigkeit können Anhaltspunkte dafür sein. Auch das starke Abhängigkeitsverhältnis zur (Groß-)Familie des Angeklagten spricht dafür.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Ein heimtückischer Mord nach § 211 Abs. 2 StGB erfordert kein heimliches Vorgehen.

Hat der Angeklagte einen heimtückischen Mord begangen? Mit dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 194/23) in seinem Beschluss vom 15. November 2023 befassen. Dieser traf auf dem Bahnhof auf den Geschädigten, den er aus einer früheren Auseinandersetzung wiedererkannte. Nachdem sie sich gegenseitig beleidigten, zog der frontal zum Geschädigten stehende Angeklagte ein Jagdmesser aus seiner Tasche und stach dem Geschädigten wuchtig ins Herz. Dieser verstarb kurz darauf. Das Landgericht Stuttgart stellte in seinem Urteil das Mordmerkmal der Heimtücke fest. Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Entscheidung. Demnach erfordere die Heimtücke kein heimliches Vorgehen. Das Opfer kann auch dann arglos sein, wenn ihm keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen, auch dann, wenn der Angreifer ihm feindselig entgegentritt. Der Geschädigte hatte weder Kampf- noch Abwehrverletzungen. Aus der Gesamtschau lässt lässt sich daher der Schluss ziehen, dass sich der Geschädigte zum Zeitpunkt des Messerstichs keines erheblichen Angriffs auf seine körperliche Unversehrtheit versah.