Urteile und Entscheidungen im Strafrecht
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Anwalt für Strafrecht: Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen
Der Bundesgerichtshof (2 StR 271/23) befasste sich in seinem Beschluss vom 24. August 2023 mit dem sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB). Der Angeklagte hielt mit dem Auto an, um an der Nebenklägerin, für die er eine Art Vaterersatz war, sexuelle Handlungen vorzunehmen. Er berührte den Oberschenkel der Geschädigten, öffnete seinen Gürtel und versuchte anschließend mit seiner Hand in die Hose der Nebenklägerin zu fassen. Diese lehnte das ab. Aufgrund vorbeifahrender Autos, hörte der Angeklagte mit den Handlungen auf. Das Landgericht Bonn stellte einen sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen nach § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB fest. Laut Bundesgerichtshof überschreiten die Handlungen jedoch nicht die Erheblichkeitsschwelle des § 184h Nr. 1 StGB, der sexuelle Handlungen im Sinne des Gesetzes definiert. Jedenfalls ist hier aber Tatbestand eines versuchten sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen nach § 174 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 StGB gegeben, sodass der Senat den Schuldspruch änderte.
Anwalt für Strafrecht: Diebstahl
In seinem Urteil vom 11. September 2023 hat sich das OLG Zweibrücken (1 ORs 4 Ss 18/23) mit der Qualifikation des Diebstahls nach § 244 StGB beschäftigt. Der Angeklagte, der obdachlos war, wurde bei zwei Diebstählen erwischt, bei denen er jeweils Lebensmittel klaute. Beim ersten Diebstahl führte er ein geschliffenes Springmesser mit einer Klingenlänge von 14,5 cm mit sich, welches er zum Schutz und zum Zerkleinern von Lebensmitteln verwendete. Beim zweiten Diebstahl hatte er ein Taschenmesser bei sich, welches für das Schnitzen von Holz und für das Schneiden von Lebensmitteln bestimmt war. Das Amtsgericht nahm in beiden Fällen einen einfachen Diebstahl nach § 242 StGB an. Das Oberlandesgericht subsumiert die Fälle jedoch unter den Qualifikationstatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB. Nach diesem macht sich strafbar, wer einen Diebstahl begeht und dabei eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt. Zum ersten Fall führt das OLG aus, dass es widersprüchlich erscheint, dass der Angeklagte das Messer allgemein zur Selbstverteidigung mit sich führte, aber sich zum Zeitpunkt des Diebstahls nicht über die Anwesenheit des Messers bewusst war. Im zweiten Fall gab der Angeklagte an, die Anwesenheit des Messers nicht im Kopf gehabt zu haben. Jedoch war das Messer dazu bestimmt im Nachgang die Lebensmittel zu schneiden.
Anwalt für Strafrecht: Zuhälterei
Ausbeuterische Zuhälterei: Mit diesem Thema hat sich der Bundesgerichtshof (3 StR 418/22) in seinem Beschluss vom 24. Januar 2023 auseinandergesetzt. Der Angeklagte wohnte für sechs Monate mit einer Prostituierten, mit der er eine Liebesbeziehung führte, zusammen in einer Mietwohnung. In dieser Zeit erwirtschaftete sie mindestens 97.000,00 €, von denen der Angeklagte mindestens 26.000,00 € für eigene Zwecke benutzte. Nachdem sie sich nach den Prostitutionserlösen erkundete, gab er vor, sie an zu erwarteten Einnahmen zu beteiligen, um sie zu besänftigen. Das Landgericht Düsseldorf würdigte dieses Verhalten als ausbeuterische Zuhälterei im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Der Bundesgerichtshof erklärte in seinem Beschluss jedoch, dass eine Ausbeutung im Sinne des § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB voraussetzt, dass dem Opfer in objektiver Hinsicht ein erheblicher Teil der Einnahmen entzogen wird und dies bei ihm zu einer gravierenden Beschränkung der persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit führt, die geeignet ist, die Lösung aus der Prostitution zu erschweren. Die Freundin des Angeklagten hat jedoch etwa 72.000,00 € behalten, was knapp 74 % ihrer Einnahmen entspricht. Auch hätte sie nach den getroffenen Feststellungen die Prostitution jederzeit aufgeben können.
Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung
Ob im vorliegenden Fall ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt oder der Angeklagte von der Tat freiwillig zurückgetreten ist, hat der Bundesgerichtshof (3 StR 137/23) in seinem Beschluss vom 16. Mai 2023 entschieden. Nach den getroffenen Feststellungen versuchte der Angeklagte einen Laden zu verlassen, ohne für die Ware zu bezahlen. Als er vom Ladendetektiv angesprochen wurde, griff der Angeklagte diesen mit einem Messer an, um die Beute zu sichern und sich einer Festnahme zu entziehen. Der Geschädigte wich jedoch zurück und blieb daraufhin distanziert zum Angeklagten. Der Angeklagte konnte sodann mit der Beute fliehen. Das Landgericht Oldenburg nahm an, dass der Körperverletzungsversuch bereits beendet und fehlgeschlagen sei, jedenfalls der Rücktritt aber nicht freiwillig gewesen sei. Der Bundesgerichtshof führte in seinem Beschluss aber aus, dass der Versuch nicht fehlgeschlagen und unbeendet war, als der Geschädigte zurückwich, da der Angeklagte weiterhin auf ihn hätte einstechen können. Der Angeklagte gab den Versuch daraufhin freiwillig im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB auf, um mit der Beute zu flüchten.
Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht
Mit der Thematik des Schweigens im Strafprozess hat sich der Bundesgerichtshof (5 StR 52/23) in seinem Urteil vom 27. April 2023 befasst. Die Geschädigte sprach den Angeklagten auf die 2,00 € an, die er ihr schulde. Daraufhin sprühte er ihr mit Pfefferspray ins Gesicht und schlug ihr mit der Metallschnalle eines Gürtels auf Kopf und Oberkörper. Nach über drei Monaten in Untersuchungshaft gab der Angeklagte an, dass er der Geschädigten kein Geld schulde, sie ihm vielmehr seinen Rucksack weggenommen habe. Das Landgericht Berlin sieht seine Aussagen jedoch als unglaubhaft an, da er diese, wenn sie der Wahrheit entsprechen würden, bereits zu einem früheren Zeitpunkt getätigt hätte. Daher verurteilte es den Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Der Bundesgerichtshof entgegnet dem jedoch, dass die Erwägung gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit verstößt. Der Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte erstmals eine entlastende Einlassung vorbringt, kann dem Angeklagten demnach nicht zur Last gelegt werden.
Anwalt für Strafrecht: Rotlichtverstoß
Ob eine Verurteilung wegen eines Rotlichtverstoßes rechtmäßig ist, wenn die Ampelanlage dauerhaft rot zeigt, hat das Oberlandesgericht Hamburg (5 ORbs 25/23) in seinem Beschluss vom 11. September 2023 beantwortet. Der Betroffene hielt mit seinem Fahrrad an einer Kreuzung vor einer Ampel, die rot zeigte, da sie mit einer Kontaktschleife ausgestattet ist. Nach mehreren Minuten schaltete die Ampel immer noch nicht auf grün, sodass er die Kreuzung bei Rot überquerte. Das Amtsgericht Hamburg wertete den hiesigen Fall als vorsätzlichen, qualifizierten Rotlichtverstoß gemäß §§ 37 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 und 6, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO in Verbindung mit § 24 StVG. Das Oberlandesgericht Hamburg sieht darin jedoch keinen Rotlichtverstoß. Demnach ist auch bei Ampeln, die mit einer Kontaktschleife versehen sind und von Radfahrenden nicht ausgelöst werden können, die im Rotlicht liegende Halteanordnung für Radfahrende nichtig.
Anwalt für Strafrecht: Räuberische Erpressung
In seinem Beschluss vom 20. Juni 2023 hat sich der Bundesgerichtshof (5 StR 67/23) mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Angeklagte im vorliegenden Fall ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwendet hat. Der Angeklagte betrat mit einem anderen einen Imbiss und forderte eine Putzkraft mit einem Schraubendreher in der Hand haltend dazu auf, ihm die Geldkassette zu geben. Das Landgericht Berlin verurteilte den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung gem. § 253 Abs. 1, § 255, § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl. Eine Strafbarkeit nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, bei der der Täter bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet haben muss, lehnt das Landgericht ab. Demnach habe es der Angeklagte weder verwendet, noch handele es sich überhabt um ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift. Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Beschluss jedoch das Gegenteil fest. Dazu führt er aus, dass das „Verwenden“ im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB jeden zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatmittels umfasst. Es genügt demnach, dass der Angeklagte seine verbale Drohung unterstrich, indem er den Schraubendreher dabei gut sichtbar in der Hand hielt und ihm bewusst war, dass der Zeuge dies wahrnahm. Außerdem stellt der Bundesgerichtshof klar, dass es sich bei einem Schraubendreher grundsätzlich um ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB handelt, da dieser nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen.
Anwalt für Strafrecht: Besonders schwerer Raub
Wann die Schwere der Schuld bei Jugendlichen festzustellen ist, hat der Bundesgerichtshof (2 StR 122/23) in seinem Beschluss vom 02. August 2023 entschieden. Im vorliegenden Fall, dem der Beschluss des Bundesgerichtshofes zugrunde liegt, entwendeten die 18-jährige Angeklagte und zwei weitere Personen der 91-jährigen Geschädigten 1.500,00 €. Während der Tat hielten die Angeklagte und eine der weiteren Angeklagten der Geschädigten einen Hammer vor, um ihr Angst zu machen. Zuvor äußerte die 18-jährige Angeklagte gegenüber der anderen Angeklagten Zweifel und innere Ablehnung in Bezug auf die Tat. Das Landgericht Aachen verurteilte sie für die Tat wegen besonders schweren Raubes, verneinte aber die Schwere der Schuld im Sinne des § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG. Der Bundesgerichtshof merkt in seinem Beschluss an, dass die Schwere der Schuld nicht vorrangig anhand des äußeren Unrechtsgehalts der Tat und ihrer Einordnung nach dem allgemeinen Strafrecht bestimmt wird, sondern vor allem die innere Tatseite entscheidend ist. Durch den äußeren Unrechtsgehalt der Tat und das Tatbild können aber Schlüsse auf die innere Haltung gezogen werden. Dass sich die Angeklagte der Tat innerlich ablehnend gezeigt hat, stimmt der Bundesgerichtshof nicht zu, da dies mit den weiteren Urteilsgründen nicht in Einklang steht. Demnach beruht die zögerliche Haltung, die das Landgericht festgestellt hat, vielmehr auf der Furcht vor einer Entdeckung, als der Empathie zu der Geschädigten, wie das Landgericht bei ihren Ausführungen zu schädlichen Neigungen selber ausführt.
Anwalt für Strafrecht: Versuchter Mord
Die Abgrenzung zwischen bedingtem Tötungsvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit ist nicht unproblematisch. In seinem Beschluss vom 10. Mai 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (5 StR 28/22) mit dieser Thematik befasst. Die Angeklagte, die vom Beruf Krankenschwester ist, verabreichte ihrer Tochter in einem Krankenhaus ein nicht für Kinder zugelassenes Schlafmittel sowie weitere Medikamente in einer lebensgefährlichen Dosis. Für das Kind bestand keine akute Lebensgefahr, da die Substanzen sich im Körper wieder abbauten. Das Landgericht Hamburg verurteilte die Angeklagte unter anderem wegen versuchten Mordes. Der Bundesgerichtshof erwiderte dem jedoch, dass eine umfassende Gesamtwürdigung aller für und gegen einen Tötungsvorsatz sprechenden Umstände vorgenommen werden muss, wenn keine konkrete Lebensgefährlichkeit der Tatausführung besteht. So wurde unter anderem nicht in die Entscheidung mit einbezogen, dass sich die Angeklagte bis zur Tat liebevoll und fürsorglich um ihre Kinder kümmerte.
Anwalt für Strafrecht: Jugendstrafrecht
Der Bundesgerichtshof (3 StR 481/22) hat sich in seinem Beschluss vom 7. Februar 2023 mit der Schwere der Schuld im Jugendstrafrecht sowie der Bemessung der Jugendstrafe befasst. Der Angeklagte wurde vom Landgericht Krefeld wegen räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von über einem Jahr verurteilt. Der Bundesgerichtshof erklärt in seinem Beschluss, dass die Jugendkammer die Beurteilung der Jugendstrafe allein auf den äußeren Unrechtsgehalt der Tat abgestellt hat. Die innere Tatseite, der bei der Frage der Schwere der Schuld im Jugendstrafrecht besondere Bedeutung zukommt, wurde dabei außer Acht gelassen. Auch die Bemessung der Jugendstrafe genügt nicht den erforderlichen Anforderungen. Bei dieser habe sich das Landgericht zu sehr an den Strafzumessungsgesichtspunkten des Erwachsenenstrafrechts orientiert.