Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

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Anwalt für Strafrecht: Sich-Bereit-Erklären zu einem Verbrechen

Für die Erfüllung des Tatbestandes des § 30 Abs. 2 Var. 1 StGB muss der Täter sein Erbieten kundgegeben und ernst gemeint haben.

Mit dem § 30 Abs. 2 Var. 1 StGB, der das Sich-Bereit-Erklären zu einem Verbrechen regelt, musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 282/21) in seinem Beschluss vom 17. Februar 2022 beschäftigen. Im hiesigen, der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden Sachverhalt bot der an  „multiplen Störungen der Sexualpräferenz“ leidende Angeklagte einer Mutter an, ihr Kind grausam zu töten. Als diese nach ein paar Tagen nicht mehr antwortete, fragte er die Mutter dann, ob sie selber Experimente mit ihrer Tochter durchführen möchte und bot ihr dafür Geld an. Das Landgericht Detmold verurteilte den Angeklagten wegen „Sichbereiterklärens zu einem Verbrechen“. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes ist das Angebot des Angeklagten, die Tochter zu töten, nicht eindeutig ernst gemeint. Bezüglich des Angebotes an die Mutter, dass diese Experimente an der Tochter durchführen soll, kam ein Sachverständiger zu dem Ergebnis, dass die Äußerungen Ausdruck von „Allmachtsfantasien“ seien und somit nicht ernst gemeint waren. Aus dem Urteil erschließt sich jedoch nicht, weshalb vor diesem Hintergrund das vorherige Angebot des Angeklagten, die Tochter selbst zu töten, nach Auffassung des Landgerichts ernst gemeint war.

Anwalt für Strafrecht: Sexueller Missbrauch eines Schutzbefohlenen

Eine sexuelle Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB kann schon dann gegeben sein, wenn die Tätigkeit allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild einen eindeutigen Sexualbezug aufweist.

In seinem Beschluss vom 3. Mai 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (3 StR 481/21) mit dem Begriff der sexuellen Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) auseinandergesetzt. Im hiesigen Fall nahm sich der Angeklagte den Jungen, mit dem er zuvor im Garten gespielt hatte, und legte ihn bäuchlings über sein Knie. Daraufhin drückte er einen Schlauch zwischen die Pobacken des Jungen und spritzte ihm für wenige Sekunden Wasser in den Anus. Nach Auffassung des Landgerichts Bad Kreuznachs lag hier eine sexuelle Handlung nach dem § 184h Nr. 1 StGB vor und es verurteilte den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellen Missbrauchs eines Schutzbefohlenen gemäß §§ 176 Abs. 1, 174 Abs. 1 StGB. Auch nach dem Bundesgerichtshof handelte es sich im vorliegenden Fall um eine sexuelle Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB. Demnach kann der Begriff bereits mit ausschließlich objektiven Kriterien bestimmt werden. Es sei ausreichend, dass die Handlungen aus Sicht eines objektiven Betrachters, der die Umstände des Einzelfalls kennt, eine sexuelle Intention erkennen lassen. Bei Sachlage wie dieser bedarf es einer sexuellen Intention oder Erregung des Angeklagten nicht mehr.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Bei der Beurteilung, ob ein Totschlag oder ein Mord aus niedrigen Beweggründen vorliegt, ist die Vorgeschichte der Tat von entscheidender Bedeutung. Außerdem kann auch eine spontan begangene Tat einen Mord darstellen.

In seinem Beschluss vom 15. Juni 2022 hat sich der Bundesgerichtshof (6 StR 23/22) mit der Frage beschäftigt, ob im vorliegenden Fall ein Totschlag oder ein Mord aus niedrigen Beweggründen vorliegt. Nachdem die alkoholisierten Angeklagten einen Zaun und ein Auto auf einem Hotelparkplatz beschädigten, informierte die Hotelbesitzerin ihren Ehemann, der die Angeklagten dann zur Rede stellte. Daraufhin schlugen die Angeklagten mehrmals auf den Geschädigten ein, sodass dieser aufgrund seiner Verletzungen verstarb. Vom Landgericht Magdeburg wurden die Angeklagten dafür wegen Totschlags verurteilt, der Bundesgerichtshof schließt einen Mord aus niedrigen Beweggründen jedoch nicht aus. Demnach ist das Verhalten der Angeklagten vor der Tat mehr zu berücksichtigen. Außerdem stellt der Bundesgerichtshof fest, dass eine Spontantat nicht die Annahme von niedrigen Beweggründen hindert.

Anwalt für Strafrecht: Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion

Bei dem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion nach § 308 StGB ist zur Verwirklichung der Qualifikation nach § 308 Abs. 2 Alt. 2 StGB ausreichend, wenn 21 Menschen durch die Sprengstoffexplosion eine Gesundheitsbeschädigung erlitten.

Der Bundesgerichtshof (3 StR 264/21) beschäftigte sich in seinem Beschluss vom 8. Dezember 2021 mit dem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion. Im hiesigen Sachverhalt zündete der Angeklagte während eines laufenden Bundesligaspiels einen nicht zugelassenen Böller im Innenraum des Stadions. Dieser verursachte Gesundheitsschädigungen bei 21 Menschen, wie etwa Knalltraumata oder Probleme beim Hören. Auch der Bundesgerichtshof sah die Qualifikation des § 308 Abs. 2 Alt. 2 StGB als vorliegend an. Nach dieser muss eine große Zahl von Menschen durch die Explosion an der Gesundheit geschädigt worden sein. Nach verschiedenen Ansichten im Schrifttum liegt die Mindestanzahl an geschädigten Personen bei 3-20 Personen. Die 21 Personen im vorliegenden Sachverhalt fallen somit unter den § 308 Abs. 2 Alt. 2 StGB.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Vorsätzlicher Totschlag kann auch dann angenommen werden, wenn das konkrete Tatgeschehen nicht bekannt ist und keine Leiche gefunden wurde.

Mit dem Totschlag nach § 212 Strafgesetzbuch (StGB) musste sich der Bundesgerichtshof (1 StR 309/21) in seinem Beschluss vom 4. Mai 2022 beschäftigen. Im hiesigen Sachverhalt tötete der Angeklagte im Flur der gemeinsamen Wohnung die Geschädigte M auf unbekannte Art und Weise. Als die Geschädigte T später in die Wohnung kam, tötete der Angeklagte auch diese auf unbekannte Weise und brachte die Leichen mit dem Auto an einen unbekannten Ort. Das Landgericht München verurteilte ihn dafür wegen Totschlags gem. § 212 StGB, woraufhin seine Revision ohne Erfolg blieb. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes steht der Annahme einer vorsätzlichen Tötung nicht entgegen, dass das Tatgeschehen unbekannt ist. Für eine Tötung reicht jede Art der bewussten und gewollten Verursachung des Todes eines anderen Menschen aus, dabei hat das Landgericht vorliegend rechtsfehlerfrei unter Berücksichtigung der Spuren auf eine vorsätzliche Tötung geschlossen.

Anwalt für Strafrecht: Schwerer Diebstahl

Ein Schlüssel gilt auch dann als „falsch“ im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB), wenn dieser zum Zeitpunkt der Tat keine Widmung des Berechtigten zur Öffnung des Schlosses hat.

In seinem Beschluss vom 12. Oktober 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 219/21) mit dem Wohnungseinbruchdiebstahl gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB auseinandersetzen. Im hiesigen Fall stieg der Angeklagte in eine Wohnung ein und benutzte dafür einen Wohnungsschlüssel, der auf dem Dachboden des Hauses gelagert war, ohne dass die Mieterin der Wohnung von diesem wusste. Das Landgericht Lübeck verurteilte ihn wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls, da der Angeklagte einen „falschen“ Schlüssel im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB benutzte. Auch für den Bundesgerichtshof fällt der vorliegende Schlüssel unter die Formulierung des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Ein Schlüssel ist „falsch“, wenn ihm zum Tatzeitpunkt die Widmung des Berechtigten zur Öffnung des Schlosses fehlt. Zur Öffnung sind nur diejenigen Schlüssel bestimmt, die der Mieterin übergeben und bekannt sind.

Anwalt für Strafrecht: Gefährliche Körperverletzung

Für die Feststellung einer das Leben gefährdenden Behandlung beim Würgen im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 Strafgesetzbuch (StGB), ist die Dauer und Stärke der Einwirkung von maßgeblicher Bedeutung

Der Bundesgerichtshof (2 StR 206/21) musste sich in seinem Beschluss vom 18. Januar 2021 mit der gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB auseinandersetzen. Im hiesigen Sachverhalt legte sich der Angeklagte zu der im Bett liegenden Geschädigten und würgte diese, bis sie erwachte und Luftnot erlitt. Anschließend befragte er sie zu außerehelichen Sexualkontakten. Bezüglich der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung hat der Bundesgerichtshof rechtliche Bedenken. Demnach kann festes Würgen zwar eine das Leben gefährdende Behandlung bewirken, jedoch reicht dafür nicht jeder Griff oder bloße Atemnot aus. Bedeutend für das Vorliegen dieser, sind die Stärke und Dauer des Würgens.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Arglos ist ein Tatopfer dann, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnet.

Mit dem heimtückischen Mord, speziell mit der Arglosigkeit, musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 491/21) in seinem Beschluss vom 15. Februar 2022 auseinandersetzen. Der Angeklagte im vorliegenden Fall litt an einer paranoiden Schizophrenie und entwickelte die Wahnvorstellung, dass seine von ihm getrennt lebende Ehefrau im Familienkreis gegen ihn intrigiere. Um die aus seiner Sicht drohende Gefahr zu beenden, begab er sich mit einer versteckten Waffe zur Wohnung seiner Ehefrau, in der sich auch sein Bruder und seine Schwägerin aufhielten. Nachdem er mit einem Nachschlüssel die Wohnung betrat, kam es zum Streit und der Angeklagte schoss auf seinen Bruder und seine Schwägerin. Die Ehefrau seines Bruders verstarb. Das Landgericht Bielefeld verurteilte ihn daraufhin wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord und gefährlicher Körperverletzung. Die Revision des Angeklagten hatte Erfolg. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes ist das Mordmerkmal der Heimtücke vorliegend nicht gegeben. Demnach ist das Opfer selbst dann nicht arglos, wenn es wegen fehlender Kenntnis von der Bewaffnung des Täters die Gefährlichkeit des Angriffs unterschätzt.

Anwalt für Strafrecht: Berufsrechtliche Folgen der Bestrafung

Im Urteil müssen naheliegende berufsrechtliche Folgen der Verurteilung eines approbierten Apothekers ausführlich erörtert werden.

In seinem Beschluss vom 15. März 2022 musste sich der Bundesgerichtshof (5 StR 497/21) mit den berufsrechtlichen Folgen einer Bestrafung auseinandersetzen. Im hiesigen Fall wurde der Angeklagte, der approbierter Apotheker war, unter anderem wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges und Handeltreiben mit Arzneimitteln verurteilt. Nach Feststellungen des Bundesgerichtshofes müssen mögliche berufsrechtliche Konsequenzen jedoch ausdrücklich erörtert werden, da nach § 46 Abs. 1 S. 2 StGB die Wirkungen zu berücksichtigen sind, die von der Strafe für das zukünftige Leben zu erwarten sind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei Berücksichtigung der berufsrechtlichen Folgen zu einer milderen Strafe gekommen wäre.

Anwalt für Strafrecht: Beteiligung an einem Kraftfahrzeugrennen

Bei einem Kraftfahrzeugrennen gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB muss ein Wettbewerb zwischen zwei Kraftfahrzeugführern stattfinden, bei dem es darum geht, eine höhere Geschwindigkeit als der andere Teilnehmer zu erreichen. Um die Qualifikation des
§ 315d Abs. 2 StGB zu erfüllen, muss der Teilnehmer durch sein eigenes Fahrverhalten eine konkrete Gefahr verursacht haben.

In seinem Beschluss vom 11. November 2021 musste sich der Bundesgerichtshof (4 StR 511/20) mit der Beteiligung an einem Kraftfahrzeugrennen beschäftigen. Im vorliegenden Sachverhalt entschlossen sich der Angeklagte und ein weiterer Angeklagter konkludent darauf, ein spontanes Kraftfahrzeugrennen durchzuführen. Bei einer undurchsichtigen Stelle kollidierte der weitere Angeklagte mit einem anderen Fahrzeug, wodurch einer der Insassen zu Tode kam. Bevor der Unfall geschah, erkannte der Angeklagte, dass der weitere Angeklagte ihn überholen wollte, beschleunigte sein Fahrzeug aber weiter. Vom Landgericht Arnsberg wurde er daraufhin wegen vorsätzlichen schweren verbotenen Kraftfahrzeugrennens verurteilt. Seine Revision erwies sich als unbegründet. Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass es keiner ausdrücklichen Absprache für ein Rennen bedarf, sondern eine konkludente Einigung ausreicht. Außerdem kam es vorliegend zu einem Kräftemessen durch die Motivation der Fahrer, sich übertreffen zu wollen, wodurch der Verlust von Kontrolle in Kauf genommen wird. Zuletzt hat der Angeklagte die konkrete Gefährdung durch sein Fahrverhalten eigenhändig mitverursacht, weshalb auch die Qualifikation des § 315d Abs. 2 StGB vorliegt.